Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 23.07.2020 – 1 AR 56/20
Titel:

Kein Auslandsbezug von Forderungen wegen Kreditkartendiebstahls im Ausland 

Normenketten:
ZPO § 12, § 17, § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 59
BGB § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4
Brüssel-Ia-VO Art. 17, Art. 18 Abs. 1
Leitsätze:
1. Sofern der Ort für die Leistung nicht vertraglich bestimmt ist, ist Erfüllungsort für die Verpflichtung des Beauftragten der Ausführungsort, somit der Ort, an dem der Beauftragte die Handlung, die zum Auftrag gehört, vorzunehmen hat. (Rn. 27)
2. Der Verbrauchergerichtsstand der Art. 17 ff. Brüeella-VO ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn Verbraucher und Unternehmer nicht in unterschiedlichen Vertragsstaaten ansässig sind. Ein Auslandsbezug kann sich allerdings aus dem Grund der Streitigkeit ergeben, wenn dieser die Durchführung eines Vertrags allein oder auch im Ausland betrifft. (Rn. 28)
„Erfüllungsort“ im Sinne des § 29 ZPO meint nicht den Ort, an dem der Leistungserfolg mit Erfüllungswirkung eintritt, sondern den Leistungsort im Sinne der §§ 269, 270 BGB, an dem der Schuldner die Leistungshandlungen vorzunehmen hat. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsstand, Erfüllungsort, Verbrauchergerichtsstand, Leistungsort, Auftrag, Kreditkartendiebstahl, Auslandsbezug
Fundstellen:
IPRax 2021, 555
NJW-RR 2020, 1134
LSK 2020, 17744
BeckRS 2020, 17744

Tenor

Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Amtsgericht München bestimmt.

Gründe

I.
1
Die Antragsgegnerin zu 1) ist ein Unternehmen, das Leistungen im Rahmen des Kreditkartengeschäfts erbringt; sie ist im Bezirk des Amtsgerichts München ansässig. Die Antragsgegnerin zu 2) ist eine Kreissparkasse mit Sitz im Amtsgerichtsbezirk Esslingen am Neckar.
2
Der in Stuttgart wohnhafte Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerinnen beim Amtsgericht München Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag, die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen zu verurteilen, ihm eine Gutschrift in Höhe von 2.907,12 € mit Wertstellung zum 4. Oktober 2017 auf sein bei der Antragsgegnerin zu 2) geführtes Konto zu leisten, hilfsweise auf dieses Konto den genannten Betrag nebst Zinsen hieraus seit dem 4. Oktober 2017 gesamtschuldnerisch zu bezahlen.
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Zur Begründung seines zunächst nur gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Klagebegehrens hat der Antragsteller vorgebracht, ihm sei im Oktober 2017 in Malaga seine Geldbörse mit der in dieser befindlichen Kreditkarte gestohlen worden. Mit der Kreditkarte seien anschließend trotz vorangegangener Sperrung Abhebungen von Geldautomaten in Höhe des streitgegenständlichen Betrags vorgenommen worden; auf seinem Konto sei dies als Umsatz gebucht worden. Die PIN sei weder auf der Kreditkarte noch anderweitig notiert gewesen. Es dränge sich auf, dass das System manipuliert worden sei oder auch, dass die von ihm eingeleitete Sperrung der Kreditkarte nicht vollständig, insbesondere nicht für Barabhebungen, veranlasst worden sei.
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Die Antragsgegnerin zu 1) hat erwidert, die Klage sei unbegründet, da sie das Kompetenzcenter für das Kreditkartengeschäft der Sparkassen und damit ausschließlich Dienstleister für diese Institute sei. Als sog. Issuing Processing Unternehmen biete sie nur die technische Abwicklung im Kreditkartengeschäft an, zu der auch die Bearbeitung von Zahlungsreklamationen gehöre. Die lizenzierten Kreditinstitute seien im Rechtssinne Emittenten/Issuer der Kreditkarte. Die gegenseitigen vertraglichen Ansprüche ergäben sich aus dem Verhältnis zwischen dem Karteninhaber, hier dem Antragsteller, und der Antragsgegnerin zu 2) als Kartenausstellerin. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass Ziffer 12 a der Kartenbedingungen (Anlage B 1) den Kunden ausdrücklich darauf hinweise, wer der Verpflichtete für den Fall der Erstattung bei nicht autorisierter Kartenverfügung sei; die Bestimmung benenne ausdrücklich die Sparkassen/Landesbanken als Verpflichtete.
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Der Antragsteller hat entgegnet, die Antragsgegnerin zu 1) sei passivlegitimiert, da sie im Hinblick auf die Gestaltung ihrer Internetseite (Auszüge gemäß Anlage K 8) für alle Zahlungen an Kreditkartenorganisationen sowie deren weitere Verrechnung zuständig sei. Sie biete unter der Rubrik „BCS Dienstleistungen“ den „Reklamations-Service“ an; genau zu diesem gehöre der hier streitgegenständliche Vorgang. Der Begriff „UmsatzRückbuchungen“ sei ausdrücklich als Leistung im Leistungsportfolio aufgeführt. Ihm sei außerdem von der Antragsgegnerin zu 1) ein Kontoauszug (Anlagen K 6 und K 7) überlassen worden, aus dem sich ein eigenes Konto für die Kreditkarte ergebe und auf dem Zuführungen von seinem Konto bei der Antragsgegnerin zu 2) sichtbar seien. Angesichts dieser Kriterien dürfe der gutgläubige Rechtsverkehr, mithin auch er, auf eine umfassende, uneingeschränkte Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 1) vertrauen. Dies gelte umso mehr, als die Antragsgegnerin zu 1) im Verlauf der mit ihr vorprozessual geführten Korrespondenz nicht einen einzigen Hinweis erteilt habe, dass die streitige Forderung im Konfliktfall bei einem anderen Unternehmen geltend gemacht werden müsse. Er stütze sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 2010, IX ZR 199/10, VersR 2011, 887.
6
Mit Verfügung vom 6. August 2019 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass erhebliche Zweifel an der Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 1) bestünden. Vertragspartnerin des Klägers sei die kartenausgebende Sparkasse. Es werde angeregt, die Rücknahme der Klage zu prüfen.
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Hierauf hat der Antragsteller ein Schreiben der Antragsgegnerin zu 2) vom 24. September 2019 (zunächst als Anlage K 8, dann als Anlage K 9 bezeichnet, vgl. Schriftsatz vom 1. Februar 2020) vorgelegt, in dem es heißt: „Ihr vertraglicher Ansprechpartner für Umsatz-Reklamationen ist ausschließlich Bayern Card Services“. Der Vortrag der Antragsgegnerin zu 1), wonach seine Sparkasse ihm nach den angeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ersatz zu leisten habe, sei unzutreffend. Ihm sei von der Antragsgegnerin zu 2) erklärt worden, dass er ein Konto bei der Antragsgegnerin zu 1) habe. Dieses Konto sei von der Antragsgegnerin zu 1) belastet und von seinem Bankkonto bei der Antragsgegnerin zu 2) refinanziert worden. Ein Auftrag der Antragsgegnerin zu 2) an die Antragsgegnerin zu 1), für das auftraggebende Kreditinstitut im Rahmen einer ihm ausgehändigten Kreditkarte tätig zu werden, werde ausdrücklich bestritten. Nach Auffassung einer bei der Antragsgegnerin zu 2) beschäftigten Zeugin sei der Auftrag direkt von ihm, dem Antragsteller, der Antragsgegnerin zu 1) erteilt worden.
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Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2020 hat der Antragsteller die Klage auf die Antragsgegnerin zu 2) erweitert. Er bringt vor, dass die Antragsgegnerin zu 1), wenn sie nicht als unmittelbare Vertragspartnerin in Betracht komme, aus Rechtsscheinsgrundsätzen hafte. Die von der Antragsgegnerin zu 1) vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen beträfen nicht die Antragsgegnerin zu 2). Jede der Antragsgegnerinnen verweise auf die andere; beide Antragsgegnerinnen hätten ihn entgegen der gesetzlichen Bestimmungen nicht darüber belehrt, wer nun eigentlich Vertragspartnerin sei. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass ihn beide Antragsgegnerinnen bewusst über die vertraglichen Verhältnisse im Unklaren ließen.
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Die Antragsgegnerin zu 1) hat vorgebracht, sie sei von der Antragsgegnerin zu 2) beauftragt worden, die Reklamationen zu bearbeiten. Hierbei handele es sich keinesfalls um einen Vertrag zu Gunsten Dritter. Der Antragsteller könne hieraus keinen Anspruch, weder auf vertraglicher noch gesetzlicher Grundlage, konstruieren. Der Antragsteller versäume es in der rechtlichen Betrachtung des Vorgangs, Vertrags- und Vertretungsverhältnisse auseinanderzuhalten. Es sei unzutreffend, dass bei ihr für den Antragsteller ein Konto geführt werde.
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In ihrer Klageerwiderung hat die Antragsgegnerin zu 2) die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts München erhoben. Örtlich zuständig sei das Amtsgericht Esslingen am Neckar. Ein ausschließlicher Gerichtsstand sei nicht gegeben; eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung liege nicht vor. Überdies bestehe keine Streitgenossenschaft. Weshalb die bisherigen Klageanträge nunmehr gesamtschuldnerisch weiterverfolgt werden sollten, sei nicht nachvollziehbar. Eine Rechtsscheinshaftung komme nicht in Betracht. Stattdessen habe die Klagepartei offenkundig die Vertragsverhältnisse nicht korrekt erfasst und versuche nun durch Erweiterung der Klage den Prüfungspunkt der Passivlegitimation seiner Klage zu „retten“. Die Zahlungsverkehr-Reklamationen des Antragstellers seien von ihr ordnungsgemäß an die Antragsgegnerin zu 1) weitergeleitet worden. Durch diese habe der Antragsteller die Auskunft erhalten, dass die Abhebungen unter Eingabe der korrekten PIN erfolgt seien, weshalb die Antragsgegnerin zu 1) eine Erstattung der Umsätze abgelehnt habe. Es seien die besonderen Bedingungen für die Mastercard/Visacard vereinbart worden. In dem MasterCard/Visa Card Kartenantrag vom 2. Januar 2014 des Antragstellers (Anlage B2/2) heiße es, für die Geschäftsbeziehungen gälten ergänzend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die besonderen Bedingungen für die MasterCard/Visa Card; die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einschließlich der besonderen Bedingungen könnten in den Kassenräumen eingesehen werden und würden auf Wunsch zur Verfügung gestellt. Weiter hat die Antragsgegnerin zu 2) „Bedingungen für die MasterCard/Visa Card“, Fassung Oktober 2009, vorgelegt, in deren Ziffer 12 a) es unter „Erstattung bei nicht autorisierter Kartenverfügung“ heißt, die Sparkasse/Landesbank sei verpflichtet, dem Karteninhaber den Betrag unverzüglich und ungekürzt zu erstatten; sei der Betrag dem Abrechnungskonto belastet worden, werde die Sparkasse/Landesbank dieses wieder auf den Stand bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch die nicht autorisierte Kartenverfügung befunden hätte (Anlage B 2/1).
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Mit Schriftsatz vom 30. April 2020 hat der Antragsteller seine Klageanträge modifiziert und um die Hilfsanträge ergänzt. Zudem hat er Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt. Er führt aus, er mache einen Stornierungsanspruch gemäß § 675u BGB und hilfsweise Schadensersatz, § 675m Abs. 1 Nr. 5 BGB, geltend. Die Antragsgegnerinnen hätten trotz der Kartensperre Abhebungen zugelassen. Die widerrechtlichen Abhebungen hätten überdies über dem von der Antragsgegnerin zu 2) selbst festgelegten Limit gelegen. Nach wie vor bestünden unklare Vertragsverhältnisse. Reklamationen bezüglich der Antragsgegnerin zu 2) würden von der Antragsgegnerin zu 1) behandelt. Eine Abgrenzung, wo die Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 1) wegen der Reklamationen ende, sei nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerinnen seien notwendige Streitgenossinnen. Beide Antragsgegnerinnen legten Vertragsunterlagen vor, die augenscheinlich nicht Vertragsinhalt geworden sein könnten. Nach den von der Antragsgegnerin zu 2) vorgelegten Unterlagen sei eben keine Aushändigung der „besonderen Bedingungen für die MasterCard/Visa Card“ erfolgt, sondern diese seien angeblich „in den Kassenräumen“ der Antragsgegnerin zu 2) ausgehängt gewesen. In der betreffenden Filiale gebe es aber keine Kassenräume, sondern man könne nur noch an Geldautomaten abheben.
12
In einem weiteren Schriftsatz an das Amtsgericht München vom 5. Mai 2020 hat der Antragsteller ergänzt, in der betreffenden Filiale der Antragsgegnerin zu 2), in der er die streitgegenständliche Kreditkarte beantragt habe, hingen in den für das Publikum zugänglichen Geschäftsräumen weder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch die besonderen Bedingungen für das Kreditkartengeschäft aus; dies sei auch im Januar 2014 nicht der Fall gewesen.
13
Mit Verfügung vom 5. Mai 2020 hat das Amtsgericht München die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.
14
Die Antragsgegnerinnen sind im Bestimmungsverfahren angehört worden. Die Antragsgegnerin zu 1) bringt vor, der Antragsteller habe bei Beantragung der Master/Visa-Card mit dem Kartenantrag zusammen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhalten. Die Antragsgegnerin zu 2) hat vorgebracht, eine Streitgenossenschaft im Sinne der §§ 59 ff. ZPO liege nicht vor, da vertragliche Beziehungen ausschließlich zwischen ihr und dem Antragsteller bestünden. Die Antragsgegnerin zu 1) sei ausschließlich als Dienstleisterin für sie selbst tätig geworden, weshalb die gegen diese Beklagte gerichtete Klage von Anfang an unbegründet gewesen sei. Vor diesem Hintergrund erscheine die Trennung der Verfahren geboten und, soweit sie, die Antragsgegnerin zu 2), betroffen sei, die Verweisung an das örtlich zuständige Amtsgericht Esslingen am Neckar.
15
Der Antragsteller hat dargelegt, er bleibe dabei, keine Geschäftsbedingungen erhalten zu haben, weder in Papier- noch in digitaler Form und es habe auch keinen Aushang gegeben.
II.
16
Der Senat bestimmt das Amtsgericht München als das für den Rechtsstreit gegen beide Antragsgegnerinnen einheitlich örtlich zuständige Gericht.
17
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, weil die in Betracht kommenden Gerichte in München und Esslingen am Neckar in unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Stuttgart) liegen, so dass das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist, und ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst worden ist.
18
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
19
a) Die Bestimmung des zuständigen Gerichts kommt über den Wortlaut der Vorschrift („… verklagt werden sollen …“) hinaus auch noch in Betracht, wenn gegen alle Beklagten bereits eine Klage erhoben worden ist (BGH, Beschluss vom 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 10 m. w. N.).
20
b) Allerdings kann nach Rechtshängigkeit einer Klage - über den engen Wortlaut der Vorschrift hinaus - ein einheitlich zuständiges Gericht für Klage und Klageerweiterung nur dann bestimmt werden, wenn der Verfahrensstand nicht entgegensteht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 4. Mai 2020, 1 AR 26/20, juris Rn. 20). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Es ist noch keine Prozesslage erreicht, die dem bestimmenden Gericht eine echte Auswahl unter den grundsätzlich bestimmbaren Gerichten nicht mehr ermöglichen würde. Eine Beweisaufnahme ist nicht durchgeführt worden und sie steht auch nicht unmittelbar bevor.
21
c) Die Antragsgegnerinnen, die ihre allgemeinen Gerichtsstände bei verschiedenen Gerichten haben, §§ 12, 17 ZPO, werden nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen (Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 28), insoweit auch schlüssigen Vortrag des Antragstellers hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche als Streitgenossinnen (§§ 59, 60 ZPO) in Anspruch genommen. Die den Gegenstand der Klage bildenden Ansprüche stehen in einem inneren sachlichen Zusammenhang, der sie ihrem Wesen nach - auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes - als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, NJW-RR 2014, 248 Rn. 9; Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18). Nach dem Vorbringen des Antragstellers sollen beide Antragsgegnerinnen ihm gegenüber als Gesamtschuldnerinnen, § 59 ZPO, vertraglich verpflichtet sein, die - im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Entwendung der Kreditkarte - vorgenommene Belastung seines bei der Antragsgegnerin zu 2) bestehenden Kontos durch Bewirkung einer Gutschrift rückgängig zu machen. Dabei stützt er seinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu 2) darauf, dass diese die Kreditkarte ausgegeben und das Konto, das mit dem Zahlbetrag belastet worden sei, geführt habe. Die Antragsgegnerin zu 1) soll aus einem den Antragsteller berechtigenden Vertrag des Inhalts, dass sie die begehrte Erstattung auf dem Zahlungskonto durchzuführen habe, haften; wenigstens bestehe ein Anspruch unter Rechtsscheinsgesichtspunkten. Ein innerer Zusammenhang, der die behaupteten Ansprüche als gleichartig erscheinen lässt, ist gegeben.
22
Darauf, ob die tatsächlichen Behauptungen des Antragstellers zutreffen, kommt es im Bestimmungsverfahren nicht an.
23
Auch die Schlüssigkeit des Sachvortrags hinsichtlich des behaupteten Anspruchs, die hier im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1), zumindest als direkte Vertragspartnerin, mit Blick auf das Erfordernis deren Passivlegitimation zweifelhaft sein könnte (vgl. Jungmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 6. Kap. - Kreditkarte, Vor §§ 675 ff. BGB Rn. 6; ders. in WuB 2018, 267, Anmerkung 2; WM 2005, 1351, II. b]; zur Rolle eines Issuing Processing Unternehmens vgl. auch AG Freudenstadt, Urt. v. 29. Juni 2016, WM 2017, 472 [juris Rn. 2 u. 25]), ist im Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht zu prüfen (BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]; OLG Bremen, Beschluss vom 1. November 2011, 3 AR 16/11, juris Rn. 3; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28). Im vorliegenden Bestimmungsverfahren ist es daher auch ohne Belang, ob im Hinblick auf den MasterCard/Visa Card Kartenantrag des Antragstellers vom 2. Januar 2014 (Anlage B 2/2) die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die Bedingungen für die MasterCard/VisaCard wirksam einbezogen worden sind.
24
d) Ein die Gerichtsstandsbestimmung ausschließender gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ist nicht ersichtlich.
25
aa) Es ist hinsichtlich des gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Klageantrags ein Gerichtsstand lediglich im Amtsgerichtsbezirk München eröffnet, §§ 12, 17 ZPO, § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 1 BGB, während in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2) dort keine örtliche Zuständigkeit besteht, sondern lediglich ein Gerichtsstand im Amtsgerichtsbezirk Esslingen am Neckar in Betracht kommt, §§ 12, 17 ZPO, § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 1 BGB. Zwar sind die Klageanträge darauf gerichtet, dass die begehrte Gutschrift bezogen auf das in Esslingen am Neckar bestehende Konto zu leisten sei, hilfsweise, dass Zahlung auf dieses Konto zu erbringen sei. Für eine Klage zur Durchsetzung der - behaupteten - vertraglichen Verpflichtungen beider Streitgenossinnen steht am Amtsgericht Esslingen am Neckar dennoch nicht der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB zur Verfügung.
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„Erfüllungsort“ im Sinne des § 29 ZPO meint nicht den Ort, an dem der Leistungserfolg mit Erfüllungswirkung eintritt, sondern den Leistungsort im Sinne der §§ 269, 270 BGB, an dem der Schuldner die Leistungshandlungen vorzunehmen hat (Toussaint in BeckOK ZPO, 36. Ed. Stand: 1. März 2020, § 29 Rn. 31). Die geschuldete Leistung ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB an dem Ort zu erfüllen, an welchem der jeweilige Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. Sitz hatte, sofern ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist. Vorliegend hat der Antragsteller weder vertragliche Vereinbarungen über den Leistungsort noch Umstände vorgetragen, aus denen sich ein vom Sitz der Antragsgegnerin zu 1) abweichender Leistungsort in Esslingen am Neckar für die - hier unterstellte - „Pflicht zur Gutschrift“, hilfsweise „Zahlung auf das Konto“ im jeweiligen Vertragsverhältnis ergeben könnte.
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Solche Umstände sind auch der Natur der Schuldverhältnisse nicht zu entnehmen. Erfüllungsort für die Verpflichtung des Beauftragten ist der Ausführungsort (Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.6; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 29 Rn. 28; RG, Urt. v. 10. Mai 1884, Rep. I. 114/84, RGZ 12, 35), also der Ort, an dem der Beauftragte die Handlung, die zum Auftrag gehört, vorzunehmen hat (RG, a. a. O.). Hier wird das betreffende Konto von der Antragsgegnerin zu 2) geführt, daher hätte ein etwaiger Geschäftsbesorgungsvertrag die Antragsgegnerin zu 1) nur dazu verpflichten können, auf die Antragsgegnerin zu 2) einzuwirken, die Gutschrift zu erteilen. Der Ausführungsort für die - behauptete - vertragliche Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1) liegt somit nicht am Sitz des kontoführenden Kreditinstituts, sondern an deren Sitz in München.
28
bb) Es besteht auch nach der unionsrechtlichen Zuständigkeitsregelung des Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO kein gemeinschaftlicher Gerichtsstand am Wohnsitz des Antragstellers als Verbraucher im Amtsgerichtsbezirk Stuttgart. Die Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-VO setzt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen Auslandsbezug voraus (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, Art. 4 EuGVVO Rn. 9 m. w. N.), der im Hinblick auf den Verbrauchergerichtsstand der Art. 17 ff. Brüssel-Ia-VO grundsätzlich nicht gegeben ist, wenn Verbraucher und Unternehmer nicht in unterschiedlichen Vertragsstaaten ansässig sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2019, 1 AR 67/19, juris Rn. 20; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, Vorb Art. 17 EuGVVO Rn. 2 m. w. N.). Es ist auch das Zahlungskonto des Antragstellers bereits belastet worden; mit den streitgegenständlichen Ansprüchen zielt der Antragsteller allein auf eine Berichtigung durch eine Gutschrift dieses in Deutschland geführten Kontos ab, hilfsweise auf Rückführung durch die Antragsgegnerinnen desjenigen Betrags, mit dem das Konto belastet worden ist, durch Zahlung auf dieses Konto. Grund der Streitigkeit (vgl. EuGH, Urt. v. 14. November 2013, NJW 2014, 530 - Maletic Rn. 26) ist damit hier nicht die „Durchführung eines Vertrags allein oder auch im Ausland“ (vgl. Staudinger in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/EuIPR, 4. Aufl. 2016, Vorbem zu Art. 17 ff. Brüssel-Ia-VO Rn. 6 ff., insbesondere Rn. 6b aE), so dass ein hinreichender Auslandsbezug im Sinne des Kapitels II Abschnitt 4 Brüssel-Ia-VO zu verneinen ist.
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3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie. Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem die Antragsgegnerinnen ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) haben.
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Der Senat wählt unter den danach in Betracht kommenden Gerichten das Amtsgericht München. Hier hat die Antragsgegnerin zu 1) ihren Sitz. Das Amtsgericht München hat sich bereits mit dem Prozessstoff befasst, so dass es prozessökonomisch erscheint, dieses Gericht als gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegnerin zu 2) eine Rechtsverteidigung an diesem Gericht nicht zuzumuten wäre, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.