Titel:
Rechtmäßige Ausweisung und ausländerrechtliche Annexentscheidungen
Normenketten:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1b
EMRK Art. 8
Leitsatz:
Ein nach Art. 6 ARB 1/80 privilegierter Ausländer darf gem. § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten eine gegenwärtig schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen, Ausweisung, Türkei, Straftat, Spezialprävention, öffentliche Sicherheit und Ordnung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1768
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Aufhebung der Ausweisungsverfügung.
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Der am … 1984 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wuchs zunächst bei seinen Großeltern in der Türkei auf. Im Alter von sechs Jahren reiste er in das Bundesgebiet zu seinem Vater, seiner Stiefmutter und den Halbgeschwistern nach … ein. Die Familie beantragte am 10. September 1990 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchltinge, jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asyl. Das Bundesamt wurde durch das Urteil des VG Stuttgart vom 22. April 1993 verpflichtet, den Kläger und seine Familie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Das Bundesamt erkannte den Kläger sodann mit Bescheid vom 19. Januar 1994 als Asylberechtigten an und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG fest.
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Nach einem weiteren Umzug nach … wurde dem Kläger am 1. April 1999 durch die Stadt … eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, welche mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt.
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Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Juli 2007 wurden die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen. Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des VG Stuttgart vom 16. Januar 2008 abgewiesen. Rechtskraft trat am 21. Juni 2008 ein.
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Der Kläger schloss die Schule im Jahr 1999 mit dem Hauptschulabschluss ab. Die zunächst begonnene Ausbildung zum Maler und Lackierer brach der Kläger wegen Asthmas ab. Die im Anschluss begonnene Ausbildung zum Feinwerkmechaniker unterbrach er aufgrund drogenbedingter Fehlzeiten nach 2 ½ Jahren, aufgrund seiner Inhaftierung im Jahr 2006 schloss er die Ausbildung letztlich nicht ab. Nach seiner Haftentlassung und anschließender Therapie absolvierte der Kläger in den Jahren 2007 und 2008 eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer. In der Folgezeit war er auch als Maschinen- und Anlagenführer tätig. Er verlor seinen Arbeitsplatz nach zwei Jahren aufgrund erneuter unentschuldigter Fehlzeiten. Nach erneut Inhaftierung und anschließender Therapie, lebte er in einer Wohngemeinschaft für Suchmittelabhängige der Stadtmission in … Während dieser Zeit schloss er einen Kurs zum CNC-Fräser ab und arbeitete in den Jahren 2014 und 2015 bei der Firma … Nach Ablauf der Befristung wurde der entsprechende Arbeitsvertrag jedoch nicht verlängert. Seit 2015 ist der Kläger arbeitslos gemeldet und im Bezug von Leistungen SGB II.
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Der Kläger begann im Alter von 14 Jahren Cannabis zu konsumieren und steigerte seinen Konsum bis zum 21. Lebensjahr. Im Alter zwischen 15 und 17 begann er an Wochenenden Kokain zu sich zu nehmen, was er bis zu seinem 21. Lebensjahr regelmäßig tat. Im Alter von 26 Jahren nahm er erstmals Crystal zu sich. Im Zeitraum von 2011 bis 2012 konsumierte er Crystal täglich, etwa viermal die Woche durchschnittlich 0,5 g. Nach der Inhaftierung und der Therapierung lebte er in einer Wohngemeinschaft und es kam zu einer fast zweijährigen Konsumpause. Ab 2015 konsumierte er wieder täglich Crystal. Seit 2017 ist der Kläger an Hepatitis B erkrankt. Dem Urteil des Landgerichts … vom 17. Januar 2018 ist zu entnehmen, dass der Kläger in dem Zeitraum Mai 2015 bis Mai 2016 intensiv Methamphetamin, regelmäßig bzw. häufig MTMA, gelegentlich bis regelmäßig Cannabis sowie gelegentlich Kokain konsumierte. Aus der Mitteilung der JVA … vom 12. Juni 2017 geht hervor, dass der Kläger wegen Entzugserscheinungen medizinisch behandelt wurde.
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Der Kläger zog nach Verbüßung der ersten Freiheitsstrafe und anschließender Entlassung aus einer Therapieeinrichtung im Juni 2008 nach … Er hatte zuletzt offene Verbindlichkeiten in Höhe von 9.000,00 bis 10.000,00 EUR. Vor der Inhaftierung lebte der Kläger in einer Sozialamtspension. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der Vater ist im Jahr 2010 an einer Krebserkrankung verstorben.
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Laut dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 14. März 2018 ist der Kläger wie folgt im Bundesgebiet strafrechtlich in Erscheinung getreten:
1. Urteil des Amtsgerichts … vom 3.8.2004 wegen vorsätzlicher Körperverletzung 100 Tagessätze zu je 5,00 EUR Geldstrafe
2. AG …, Urteil vom 25. Oktober 2005 wegen gemeinschaftlicher Fischwilderei 30 Tagessätze zu je 5,00 EUR Geldstrafe
3. AG …, Urteil vom 10. Mai 2007 wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel in 36 Fällen und unerlaubten Handeln mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge 2 Jahre und 11 Monate Freiheitsstrafe (Strafe zur Bewährung ausgesetzt bis 8.9.2012, Strafaussetzung widerrufen. Erneute Strafaussetzung durch Beschluss des Landgerichts … vom 2.9.2013. Strafe zur Bewährung ausgesetzt bis 16.10.2016.
4. AG …, Urteil vom 16. November 2010 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmittel in zwei Fällen 60 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe
5. AG …, Urteil vom 5. Dezember 2011 wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 Jahr Freiheitsstrafe, Strafe zur Bewährung ausgesetzt bis 16.10.2016. Ausgesetzt durch Beschluss des Landgerichts … vom 2.9.2013.
6. LG …, Urteil vom 17. Januar 2018 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge mit Waffen 5 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe
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Der Verurteilung vom 17. Januar 2018 lag zugrunde, dass der Kläger einer Vertrauensperson der Polizei zunächst 10 g Metamphetamin zur Probe verkauft hatte und sodann der Vertrauensperson der Polizei insgesamt weitere 101 g Metamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 39,46 g Metamphetamin verkaufen wollte. Bei der verabredeten Übergabe hatte er das Rauschgift und zugriffsbereit einen funktionsfähigen und als Taschenlampe getarnten Elektroschocker bei sich. Das Metamphetamin sollte zu einem Preis von 8.500,00 EUR verkauft werden. Bei der Durchsuchung des Zimmers des Klägers waren weitere 85,2 g Metamphetamine mit einer Wirkstoffmenge von 36 g Metamphetaminbase aufgefunden worden. Außerdem hatte der Kläger zugriffsbereit unter seinem Bett in einem Schuhkarton einen weiteren funktionsfähigen Elektroschocker aufbewahrt.
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Mit Schreiben vom 29. März 2018 hörte die Beklagte zur beabsichtigten Ausweisung an.
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Mit Schreiben vom 6. April 2018 trug der Kläger vor, dass er mittlerweile schon 11 Monate verbüßt habe. Ab 21. August 2018 sei ein Aufenthalt im Maßregelvollzug nach § 64 StGB vorgesehen. Bei ihm liege eine hohe Therapiebereitschaft vor. Außerdem lebe er seit 1990 mit den drei Brüdern und zwei Schwestern im Bundesgebiet. Mit der Therapie werde er in das normale Arbeitsleben eingegliedert werden, er sehe sich selbst als Deutscher und habe keinerlei kulturelle bzw. soziale Bindungen zur Türkei. Bis heute sei er nicht mehr in der Türkei gewesen.
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Mit Bescheid vom 30. Januar 2019 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik aus (Ziffer 1), ordnete den Sofortvollzug der Maßnahme unter Ziffer 1 ausnahmsweise an (Ziffer 2), befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von sieben Jahren ab erfolgter Ausreise/Abschiebung (Ziffer 3), ordnete die Abschiebung unmittelbar aus der Haft oder des Maßregelvollzugs heraus, insbesondere in die Türkei an, frühestens eine Woche nach Zustellung der Verfügung (Ziffer 4) und forderte den Kläger für den Fall, dass die Abschiebung während der Haft oder des Maßregelvollzugs nicht möglich sein sollte auf, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche ab Entlassung zu verlassen. Andernfalls wurde die Abschiebung insbesondere in die Türkei angedroht (Ziffer 5).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei dem Kläger aufgrund der Verurteilung vom 17. Januar 2018 ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorliege. Dem gegenüber bestehe ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, da der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist und sich seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Es sei schon fraglich, ob der Kläger überhabt einen ARB-Status erworben habe, da seine Eltern nach Aktenlage im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nachgegangen sind und auch der Kläger selbst nicht längere Zeit beim gleichen Arbeitgeber im Bundesgebiet beschäftigt war. Aber auch bei Annahme des ARB-Status, sei die Ausweisung zu verfügen, da das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Der Kläger sei bereits seit seinem 16. Lebensjahr vielfach im Bundesgebiet wegen Eigentums-, Körperverletzungs- und Betäubungsmitteldelikten verurteilt worden. Die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung sei vielfach widerrufen worden. Bereits mit Schreiben des Regierungspräsidiums … vom 24. Juni 2008 sei der Kläger ausländerrechtlich verwarnt worden. Unter laufender einschlägiger Reststrafenbewährung habe er jedoch weiter Straftaten begangen. Weder durch die Verurteilungen noch durch die ausländerrechtliche Verwarnung habe sich der Kläger beeindrucken lassen. Außerdem sei der Kläger bereits mit Schreiben vom 26. April 2012 zur beabsichtigten Ausweisung und Abschiebungsandrohung angehört worden. Mit persönlichem Schreiben vom 16. Mai 2012 habe er beteuert, dass er Hilfe suchen würde und versuchen werde, sein Leben auf die Reihe zu bekommen. Dies sei offensichtlich nicht gelungen. Der Kläger sei erneut, mit Urteil des Landgerichts … vom 7. Januar 2018, zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auf Grund der Gesamtpersönlichkeit des Klägers, seiner erheblichen charakterlichen Mängel und der nicht therapierten Betäubungsmittelabhängigkeit gehe die Beklagte von einer schwerwiegenden Wiederholungsgefahr aus. Im Rahmen der Interessenabwägung sei von überwiegenden Ausweisungsinteressen auszugehen, auch wenn sich der Kläger bereits seit über 28 Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Eine Eingliederung in die hiesigen komplexen Lebensverhältnisse sei ihm jedenfalls nicht gelungen. Zudem habe der Kläger zunächst in der Türkei gelebt und sein Vater sei nach Aktenlage den heimatlichen Traditionen streng verhaftet gewesen.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. Februar 2019 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid der Beklagten aufzuheben.
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Gleichzeitig wurde die Anordnung auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt.
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Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2019 teilte die Regierung … mit, dass sie sich als Vertretung des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligen werde.
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Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2019 beantragte die Beklagte,
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Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2020 trat die Regierung … der Rechtsauffassung der Beklagten bei und trug ergänzend vor, dass jedenfalls ein besonders schweres Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 1b AufenthG vorläge. Der Kläger sei vielfach verurteilt worden, unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten, aber auch wegen Gewaltdelikten. Auch sei der Kläger nach mehreren Therapien immer wieder rückfällig geworden.
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Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2020 legte die Beklagte einen aktuellen Behandlungsbericht des … Bezirkskrankenhauses … vom 19. Dezember 2019 vor.
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Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2020 trug der Klägerbevollmächtigte ergänzend vor, dass der Kläger jedenfalls faktischer Inländer sei. Die gesamte Bezugsfamilie des Klägers lebe in Deutschland. Schon der Vater habe Asylantrag gestellt und sei ohne Rückkehroption nach Deutschland ausgewandert. Im Übrigen sei der Vater Kurde und in der Familie sei auch nicht türkisch gesprochen worden. Die Suchtmittelabhängigkeit könne dem Kläger nicht vorgehalten werden. Auch habe sich der Kläger fortwährend um Arbeit und Ausbildung bemüht. Unter anderem sei der Kläger im Zeitraum 11. September 2000 bis 8. Dezember 2006 durchgehend abhängig beschäftigt gewesen, so dass von einem Recht aus Art. 6 Abs. 1, 3 Spiegelstrich ARB 1/80 auszugehen sei. Am 19. Februar 2010 habe er erfolgreich eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Maschinenanlagenführer bei der IHK … abgeschlossen und vom 5. Juli 2010 bis 23. Dezember 2010 in diesem Beruf gearbeitet. Vom 5. November 2012 bis 21. März 2013 habe er einen Gebäudereinigergrundlehrgang besucht, vom 22. September 2014 bis 19. Dezember 2014 habe er einen Lehrgang zur Fachkraft für CNC Technik absolviert.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Behördenakte und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sieben Jahre, die Abschiebungsanordnung aus der Haft bzw. Unterbringung heraus, die Ausreiseaufforderung für den Fall, dass die Abschiebung aus der Unterbringung bzw. Haft heraus nicht möglich sein sollte, sowie die Abschiebungsandrohung insbesondere in die Türkei sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids vom 30. Januar 2019 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 16; U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 37). Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
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Es kann letztlich dahinstehen, ob dem Kläger - wie von seinem Bevollmächtigten geltend gemacht - überhaupt ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 bzw. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zusteht, denn selbst bei Annahme eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts zu Gunsten des Klägers ist die streitgegenständliche Verfügung rechtmäßig.
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Ein insoweit privilegierter Ausländer darf gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten eine gegenwärtig schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Dies ist vorliegend der Fall. Sowohl die Gefährdungsprognose, als auch die Abwägungsentscheidung der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Kammer geht mit der Beklagten davon aus, dass von dem Kläger gegenwärtig eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris, Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 33). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v.4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 31). Bei Straftaten, die auch auf der Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr zudem nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie beziehungsweise eine andere Suchttherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. Angesichts der erheblichen Rückfallquoten während einer andauernden Drogentherapie und auch noch in der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie kann allein aus der begonnenen Therapie noch nicht auf ein künftiges straffreies Leben geschlossen werden (BayVGH, B.v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - juris Rn. 7; B. v. 13.5.2015 - 10 C 14.2795 - juris Rn. 4; B.v. 21.2.2014 - 10 ZB 13.1861 - juris Rn. 6). Selbst eine erfolgreich abgeschlossene Drogentherapie schließt eine Rückfall- und Wiederholungsgefahr nicht per se aus (BayVGH, B.v. 24.5.2012 - 10 ZB 11.2198 - juris Rn. 13).
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Gemessen an diesen Grundsätzen geht die Kammer davon aus, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Gefahrenprognose wird konkret durch das Verhalten des Klägers im Bundesgebiet getragen. Anlass für die streitgegenständliche Ausweisung ist die Verurteilung des Klägers durch das Landgericht … vom 17. Januar 2018 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten, nachdem der Kläger einer Vertrauensperson der Polizei zunächst 10 g Metamphetamin zur Probe verkauft hatte und sodann insgesamt weitere 101 g Metamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 39,46 g Metamphetamin zu einem Preis von 8.500,00 EUR verkaufen wollte. Bei der verabredeten Übergabe hatte er das Rauschgift und zugriffsbereit einen funktionsfähigen und als Taschenlampe getarnten Elektroschocker bei sich. Bei der Durchsuchung des Zimmers des Klägers waren weitere 85,2 g Metamphetamine mit einer Wirkstoffmenge von 36 g Metamphetaminbase aufgefunden worden. Außerdem hatte der Kläger zugriffsbereit unter seinem Bett in einem Schuhkarton einen weiteren funktionsfähigen Elektroschocker aufbewahrt. Das Strafgericht war im Rahmen der Strafzumessung nicht von einem minder schweren Fall ausgegangen und hatte zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass der Kläger geständig war und die Tat aufgrund gewissen Suchtdrucks begangen hat. Zulasten des Klägers wurde gewertet, dass dieser in der Vergangenheit erheblich, auch einschlägig, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Auch sei eine beachtliche Rückfallgeschwindigkeit festzustellen. Die offene, unter anderem auch einschlägige Reststrafenbewährung sei dem Kläger erst mit Wirkung vom 27. Januar 2017 erlassen worden. Außerdem sei der Grenzwert zur nicht geringen Menge des gehandelten Rauschgifts um mehr als das 15-fache überschritten gewesen.
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Ausgehend davon, dass gerade bei Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte wie Betäubungsmitteldelikten an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen sind, geht die Beklagte daher in dem streitgegenständlichen Bescheid zutreffend von einer erheblichen Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Insbesondere nach der Höhe der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger bei Tatausführung einen Elektroschocker bei sich führte und einen solchen auch zu Hause griffbereit aufbewahrte, handelt es sich bei dem abgeurteilten Betäubungsmitteldelikt um eine schwerwiegende Straftat, die typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft ist. Zudem besteht bei dem Kläger - auch gegenwärtig - ein erhebliches Drogenproblem. Das Landgericht … hat mit Urteil vom 17. Januar 2018 die Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt angeordnet, nachdem der im Strafverfahren zugezogene Sachverständige beim Kläger das Vorliegens eines Hangs, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, bejaht hatte. Der Kläger blicke auf eine langjährige Suchtmittelanamnese zurück. Trotz zweimaliger Langzeittherapie und einmaliger „Stabilisierungsphase“ sei er in schwierigen Lebensphasen rückfällig geworden. Aufgrund des Drogenkonsums sei es ihm wohl auch nicht gelungen, sich längerfristig beruflich zu etablieren.
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Zwar wurde der Kläger, nach Vorwegvollzug der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe, am 21. August 2018 in die Therapieeinrichtung verlegt. Aktuell hat er die Entlassstufe des vierstufigen Therapieprogramms erreicht. Es ist ihm aber bisher offensichtlich nicht gelungen, die stationäre Therapie in der Entziehungsanstalt erfolgreich abzuschließen. Nach dem Kurzbehandlungsbericht des … Bezirkskrankenhauses … vom 19. Dezember 2019 ist es während der Therapie zu wiederholten Rückfällen mit Methamphetamin gekommen, so dass die gewährten Lockerungen immer wieder eingeschränkt werden mussten. Es bestehe jedoch trotz des zuletzt erfolgten krisenhaften Verlaufs mit gehäuften Rückfälligkeiten eine begründete Aussicht auf Erfolg der derzeit durchgeführten Entwöhnungsbehandlung. Aktuell stünden der Ausbau eines positiven Empfangsraumes und die weitere Erprobung der Rückfallvermeidungsstrategien im Fokus der Behandlung. Um die Wiederholungsgefahr ernsthaft in Zweifel ziehen zu können, wäre jedenfalls erforderlich, dass der Kläger die Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hat (BayVGH, B.v. 3.2.2015 - 10 b 14.1613 - juris Rn. 32). Dies ist vorliegend nicht geschehen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger in der Vergangenheit bereits zwei Langzeittherapien und eine Stabilisierungsphase absolvierte hat, in schwierigen Lebensphasen aber wieder rückfällig geworden ist und der häufigen Rückfälle während der aktuellen Therapie, muss - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit - damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
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Nicht näherzutreten war insoweit der Beweisanregung des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, im Hinblick auf die Frage des Vorliegens einer Wiederholungsgefahr ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann regelmäßig von den Gerichten ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden, denn die Gerichte bewegen sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind. Eine Ausnahme kommt danach nur in Betracht, wenn die Prognose die Feststellung oder Bewertung von Umständen voraussetzt, für die eine dem Richter nicht zur Verfügung stehende Sachkunde erforderlich ist, vgl. BVerwG, B.v. 1.3.2016 - 1 B 30/16 - juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 4.5.1990 - 1 B 82/89 - juris Rn. 7. Da entsprechender Sachvortrag nicht erfolgt ist, war der Beweisanregung nicht näher zu treten.
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Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Antragstellers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass die Ausweisung für die Wahrung des bereits dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist. Dabei ist im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation des Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 44).
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Im Fall des Klägers besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Danach ist ein solches dann gegeben, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist. Dies ist der Fall, da der Kläger mit Urteil des Landgerichts … vom 17. Januar 2018 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Auch wiegt das Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG besonders schwer, nachdem der Kläger wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde.
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Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht im vorliegenden Fall ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit 5 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.
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In der nach § 53 Abs. 1 AufenthG anzustellenden Gesamtabwägung unter besonderer Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweist sich die Ausweisung des Klägers trotz seines besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses als rechtmäßig. Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Die Beklagte hat im Rahmen des streitgegenständlichen Bescheids zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Alter von sechs Jahren in das Bundesgebiet eingereist ist, mittlerweile seit mehr als 28 Jahren hier lebt und somit seine wesentliche Prägung und Entwicklung im Bundesgebiet erfahren hat. Auch hat sie gesehen und gewürdigt, dass seine Stiefmutter und seine Stiefgeschwister im Bundesgebiet leben. Die Beklagte hat aber auch beanstandungsfrei berücksichtigt, dass es dem Kläger trotz des langen Aufenthalts und der vorhandenen Gelegenheiten nicht gelungen ist, sich so weit sozial zu integrieren, um einen ordnungsgemäßen, rechtschaffenen und sozialverträglichen Lebenswandel zu führen. Stattdessen hat er wiederholt schwerwiegende Straftaten begangen. Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK und erscheint angesichts der Gesamtumstände nicht unverhältnismäßig. Auch wenn der Kläger mit Bescheid des Bundesamtes vom 19. Januar 1994 als Asylberechtigter anerkannt worden war und dem Kläger - bis zum Widerruf dieses Bescheids mit Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juli 2007 und der gleichzeitigen Feststellung, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen - eine Ausreise in die Türkei ohne ausländerrechtliche Konsequenzen nicht möglich war, ist die Kammer der Überzeugung, dass es dem Kläger möglich und zumutbar ist, sich sprachlich und kulturell in der Türkei zu integrieren. Es ist insoweit zu berücksichtigen, dass sowohl die leiblichen Eltern des Klägers als auch die Stiefmutter und die fünf Stiefgeschwister, mit denen er im Bundesgebiet aufgewachsen ist, türkische Staatsangehörige sind bzw. waren. Auch ist der Kläger erst im Alter von sechs Jahren in das Bundesgebiet eingereist, so dass davon auszugehen, dass er - auch wenn der Vater des Klägers Kurde ist - mit der türkischen Sprache, Kultur und Tradition vertraut ist. Er wird sich, wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten, in der Türkei zurechtfinden. Der Kontakt zur der Stiefmutter und den Stiefgeschwistern - so ein solcher besteht und gelebt wird - kann telefonisch und mittels elektronischer Kommunikationsmedien aufrechterhalten werden. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt die Kammer damit unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Es ergibt sich auch aktuell eine Unerlässlichkeit der Ausweisung für die Wahrung des vom Kläger bedrohten Grundinteresses der Gesellschaft.
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Ist die Ausweisung nicht zu beanstanden, so sind auch die in Ziffern IV und V des streitgegenständlichen Bescheids gemäß §§ 58, 59 AufenthG verfügten ausländerrechtlichen Annexentscheidungen, die Abschiebungsanordnung, die zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist und die Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden.
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Keinen Bedenken begegnet auch die von der Beklagten in Ziffer III getroffene Entscheidung, die Wirkung der Ausweisung und Abschiebung des Klägers auf sieben Jahre, gerechnet vom Tag seiner Ausreise oder Abschiebung an, zu befristen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019 ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm darf selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist dabei fallbezogen ohne Bedeutung, da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56).
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Gemessen an diesen Vorgaben kann der Kläger auch nicht hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, über die Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das Gewicht des im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung bestehenden Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von sieben Jahren angemessen ist.
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Im Übrigen folgt das Gericht den ausführlichen und zutreffenden Gründen des Bescheides der Beklagten 30. Januar 2019 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
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Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.