Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.02.2020 – 12 CS 19.2505
Titel:

Überprüfung des Vertriebs von Teppichbodenschnitzeln als Reitbodenbelag im Eilverfahren

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5
KrWG § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 3
Leitsätze:
1. Effektiver verwaltungsgerichtlicher Eilrechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) hat die Aufgabe, irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich auszuschließen. Auf das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses kann deshalb selbst bei offensichtlicher Erfolglosigkeit eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht verzichtet werden. (Rn. 32 – 33)
2. Es bedarf stets einer Abwägung der konkurrierenden Interessen. Vor allem bei Eingriffen in Grundrechte, namentlich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG), setzt die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Interesses Gründe voraus, die in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen. Insoweit ist nicht nur die Möglichkeit milderer Mittel in Erwägung zu ziehen, sondern zugleich auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker wiegt und umso weniger zurückzustehen hat, je schwerer die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken. (Rn. 34)
3. Lässt der Sofortvollzug den Eintritt schwerer und irreparabler Folgen erwarten, so kann regelmäßig nur ein besonders großes Vollzugsinteresse eine Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigen. Ob ein solches Interesse vorliegt, ist durch Erwägung aller für und gegen die sofortige Vollziehung streitenden Gründe zu ermitteln. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht bewirkt insoweit keine Veränderung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe, insbesondere gestattet es keine Risikovorsorge „ins Blaue“. (Rn. 34 und 36)
4. Die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes endet bei Vorliegen der in § 5 Abs. 1 KrWG normierten Bedingungen unmittelbar qua Gesetz ohne konstitutive Feststellung durch Verwaltungsakt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Ein Prognose- oder Beurteilungsspielraum der Behörden existiert nicht. (Rn. 42)
5. Die materielle Beweislast für die Tatsachen, die nach der zugrundeliegenden Norm Voraussetzung für die durch den Verwaltungsakt angeordnete Rechtsfolge sind, wie etwa das Fortbestehen der Abfalleigenschaft, trägt im Rahmen der Eingriffsverwaltung stets die Behörde. Anders verhält es sich nur dann, wenn der Erlass eines sog. „Produktanerkennungsbescheids“ bzw. „Negativattests“ begehrt wird. Insoweit trägt allein der Antragsteller die Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der ihm günstigen Norm. (Rn. 43)
6. Durchlaufen hat Abfall ein Verwertungsverfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG dann, wenn er infolge des auf ihn angewendeten Verfahrens andere Materialien ersetzt oder so vorbereitet ist, dass andere Materialien substituiert werden. Es genügt die Nutzung irgendeiner Beschaffenheit des Stoffes und die Erzielung irgendeines Erfolges, der über die bloße Beseitigung hinausgeht und diese vermeidet. Ein substantieller Eingriff in die Beschaffenheit des Stoffes oder Gegenstandes ist dabei nicht erforderlich. Zur Beendigung der Abfalleigenschaft können bereits Verfahren der Prüfung (Sichtung), Reinigung und geringfügigen Reparatur genügen. Auch die Herstellung eines Vorprodukts kann bereits ein „Durchlaufen“ eines Verwertungsverfahrens darstellen. (Rn. 44)
7. Die Frage, ob Stoffe üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KrWG), bestimmt sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien, wobei der Verkehrsanschauung maßgebende Bedeutung zukommt. Allerdings sind Abfallerzeuger und -besitzer regelmäßig frei, neue Verwertungsverfahren zu „erfinden“. Durch die Verwendung des Begriffes „üblicherweise“ sollen lediglich reine Phantasieprodukte ausgeschlossen werden. (Rn. 52)
8. Liegen einschlägige technische Anforderungen oder Rechtsvorschriften im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 KrWG nicht vor, so kommt die Regelung nicht zur Anwendung, vielmehr ist in materieller Hinsicht alleine auf § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG abzustellen. Das Fehlen besonderer technischer Anforderungen oder Normen steht dem Ende der Abfalleigenschaft nicht per se entgegen. (Rn. 59)
9. Die Unschädlichkeit der Verwendung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG erfordert eine gesicherte Prognose, dass der Stoff oder Gegenstand in seiner konkreten Anwendung nicht zu schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit führen kann. Umwelt- und Gesundheitsgefahren dürfen hierbei generell nicht entstehen, sodass entsprechende Risiken sowohl beim konkret angewendeten Verfahren in Bezug auf Stoffe oder Gegenstände als auch durch das Produkt als solches ausgeschlossen sein müssen. (Rn. 61)
10. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht gestattet keine Risikovorsorge „ins Blaue“. Stets bedarf es einer hinreichend tragfähigen Prognosebasis. Eine solche liegt nur bei einem entsprechenden Gefahrenbezug vor. Eine Risikovorsorge unterhalb einer definierten Gefahrenschwelle kommt deshalb regelmäßig nicht in Betracht. Eine Vermeidung um der Vermeidung willen kann nicht Gegenstand einer Vorsorge sein, soll diese nicht ins Unkontrollierbare absinken. (Rn. 92)
Schlagworte:
Verwendung von Teppichbodenstanzresten aus der Automobilindustrie als, Reitbodenbelag für Pferde, Ende der Abfalleigenschaft (Produkt), keine Risikovorsorge „ins Blaue“, Verteilung der Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast, Prüfungsmaßstab im Eilverfahren, Eilrechtsschutz, effektiver Rechtsschutz, sofortige Vollziehung, überwiegendes öffentliches Interesse, Abwägung, Risikovorsorge, Abfalleigenschaft, Teppichboden, Reitbodenbelag, Verwertungsverfahren
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 27.11.2019 – AN 11 S 19.1762
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1739

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. November 2019 - AN 11 S 19.01762 - wird in Ziffern 1 und 2 aufgehoben.
II. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2019 - Az.: 42-1762-0006-2016 - wird wiederhergestellt.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die abfallrechtliche Verfügung des Antragsgegners vom 14. August 2019.
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1. Im Januar 2016 erhielt das Landratsamt Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim erstmals Kenntnis, dass eine Überprüfung des Vertriebs von Teppichbodenschnitzeln als Reitbodenbelag durch die Antragstellerin - deren gewerberechtlich angemeldete Tätigkeit die Herstellung sowie den Vertrieb von Reitplatzbelägen und -umrandungen beinhaltet - angezeigt sei.
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Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) nahm mit Schreiben vom 9. Juni 2016 zur Nutzung und Verwendung von „Vlieshäckseln“ als Reitplatzbelag durch die Antragstellerin wie folgt Stellung:
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(1) Umweltrechtlich: Eine Verfrachtung durch Wind, jedenfalls bei stürmischen Bedingungen, lasse Böen aus reinen Teppichbodenstanzresten noch leichter in der Umgebung verteilen und habe einen noch größeren Mikroplastikeintrag zur Folge als Spinnvlies. Beim Außeneinsatz ergebe sich auf dem Platz und bei Verfrachtung die Frage, ob es sich - auch im Hinblick auf Wasserschutzgebiete - um wassergefährdende Stoffe handle. Die Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) sehe für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser einen Vorsorgewert für Antimon von 10 μg/l vor, der beim Reitplatzbelag um mehr als das Doppelte überschritten sei. Die Spinnvliesstoff-Häcksel würden in Reithallen mit natürlichem Boden und auf Außenreitplätzen mit der Zeit in den Boden eingetreten; es komme zu einer Vermischung mit dem Boden, was der Vorsorgepflicht nach § 7 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) widerspreche. Hiermit sei die nach Punkt 12.1 Sicherheitsdatenblatt postulierte ökologische Unbedenklichkeit einer Verwendung von Kunststoffmaterialien auf Reitplätzen grundsätzlich in Frage zu stellen.
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(2) Abfallrechtlich: Bei den eingesetzten Teppichbodenstanzresten handle es sich um einen Abfall aus der Produktion von Teppichböden für Kraftfahrzeuge, u.U. sogar versehen mit Flammschutzmitteln. Das alleinige Schreddern der Stanzreste führe abfallrechtlich noch nicht zu einem neuen Produkt. Nach § 5 Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG (Ende der Abfalleigenschaft) müsse zur Erlangung des Produktstatus auch Abs. 1 Punkt 4 (keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt) erfüllt sein. Das dürfe angesichts der Mikroplastikproblematik mit all ihren Folgen aus fachtechnischer Sicht aber bezweifelt werden. Ein Aufheben des Reitplatzes zu gegebener Zeit habe einen nicht unerheblichen Bodenabtrag entsprechend der Tiefe der Mischzone zur Folge. Die Mischung aus Boden und Kunststoff-Häcksel lasse sich weder in Gruben, Brüchen und Tagebauen noch auf Deponien (Organikgehalt) beseitigen. Eine Beseitigung in Müllverbrennungsanlagen wäre für das Material in begrenzter Menge dagegen möglich; zwischenzeitlich stelle sich die Entsorgungsfrage aber schon beim Abmisten des Reitplatzes.
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Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) teilte der Regierung von Mittelfranken mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 mit, der Ausschuss für Abfalltechnik (ATA) der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft habe in seiner 87. Sitzung vom 14./15. Juni 2016 einen Beschluss gefasst, der die Zweifel der Länder an der Produkteigenschaft der zum Einsatz als Reitbodenbelag im Freien eingesetzten Teppichbodenstanzreste zum Ausdruck bringe; diese würden geteilt. Über die Zulässigkeit des Einsatzes von Teppichbodenresten auf Böden sei im Einzelfall zu entscheiden. Nach § 7 Abs. 3 KrWG müsse die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung im Einzelfall nachgewiesen werden. Werde das Material als Belag für Reitplätze unmittelbar auf den Boden aufgebracht, müssten aus fachlicher Sicht jedenfalls Nachweise dafür vorliegen, dass dies im Hinblick auf den Boden- und Grundwasserschutz unbedenklich sei.
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2. Mit Schreiben vom 11. November 2016 zeigten die Bevollmächtigten der Antragstellerin ihre Vertretung gegenüber dem Landratsamt an und teilten mit, dass nach ihrer Bewertung die Voraussetzungen des Endes der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs. 1 KrWG erfüllt seien, das Material den Produktstatus erreicht habe und es nicht mehr dem Abfallregime unterliege; die Schadlosigkeit sei durch den Prüfbericht EUROFINS Ost vom 2. April 2012 gutachterlich belegt. Das Material bestehe aus sortenreinen synthetischen Teppichflicken (zerrissene - mit teilweise verwendeten Vliesen nicht vergleichbare - Tuftingteppiche) der Hersteller BMW und Mercedes, die in ihren physikalischen Eigenschaften nicht verändert und unter dem Produktnamen „ASground“ vertrieben würden sowie vom europäischen Patentamt europaweit geschützt seien. Die Stanzabfälle würden bei den Entsorgungsfachbetrieben entsprechend den Vorgaben der Antragstellerin mechanisch aufgearbeitet, dabei sei eine Korngröße des geschredderten Materials von 1,5 - 5 cm vorgegeben; es erfolge eine Entstaubung, Deduktion und Entfrachtung sämtlicher Schadstoffe.
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3. Das Landratsamt teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 28. November 2016 mit, nach fachlicher Bewertung durch das LfU und in Abstimmung mit dem StMUV sei die Abfalleigenschaft nach wie vor gegeben; die Voraussetzungen des Endes der Abfalleigenschaft, insbesondere die Anforderung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG, lägen nicht vor. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Verwendung des Materials insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führe. Über die Zulässigkeit des Einsatzes von Teppichbodenstanzresten sei im Einzelfall zu entscheiden, dabei müsse die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gemäß § 7 Abs. 3 KrWG nachgewiesen werden. Die Nachweise müssten repräsentativ den konkret eingesetzten Stoff und den Standort berücksichtigen. Handel und Verkauf des Abfallmaterials seien beim Landratsamt anzuzeigen und die Abnehmer entsprechend zu informieren, dass es sich um Abfall zur Verwertung handle und die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen sei.
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4. Mit Schreiben vom 27. Juli 2017 reichte die Antragstellerin sowohl beim Landratsamt als auch bei der Regierung von Mittelfranken u.a. ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. vom 11. Juli 2017, Prüfberichte der W. GmbH vom 23. März 2017 und des Ingenieurbüros Riedel vom 12. Juni 2017 bezüglich der Feststellung des Endes der Abfalleigenschaft für den „Reitplatzbelag ASground“ ein. Die Regierung teilte der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 13. November 2017 mit, nach fachlicher und rechtlicher Bewertung der eingereichten Unterlagen sei auch weiterhin der Nachweis nicht erbracht, dass für dieses Material die Abfalleigenschaft als beendet beurteilt werden könne; der Belag sei als Abfall (§ 3 Abs. 1 KrWG) zu betrachten.
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Mit Formblatt vom 6. Dezember 2017 zeigte die Antragstellerin den gewerbsmäßigen Handel nach § 53 Abs. 1 KrWG mit nicht gefährlichen Abfällen an. Mit Schreiben des Landratsamtes vom 19. Dezember 2017 wurde der Eingang der Anzeige bestätigt und der Hinweis erteilt, die Abnehmer seien darüber zu informieren, dass es sich bei den Teppichbodenschnitzeln um Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 KrWG handle, der Einbau mit der jeweils vor Ort zuständigen Behörde abzustimmen und der Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung i.S.d. § 7 Abs. 3 KrWG im jeweiligen konkreten Einzelfall zu erbringen sei.
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Mit Schreiben vom 6. November 2018 legte die Antragstellerin ein Gutachten, Dr. L. vom 20. August 2018, zur Produkteigenschaft des streitgegenständlichen Belags vor. Ergänzend wurde ausgeführt, die Antragstellerin habe Anspruch auf Erteilung eines sog. Negativattests; sie sei Händlerin und Besitzerin des Materials.
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5. Nach vorheriger Anhörung setzte das Landratsamt mit Bescheid vom 14. August 2019 für die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 angezeigte Tätigkeit des Handels und Verkaufs von nicht gefährlichem Abfall, konkret geschredderte Teppichbodenschnitzel aus der Automobilindustrie als Reitbodenbelag, in Nr. 1 folgende Bedingungen und Auflagen fest: Auflage Nr. 1: Die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gemäß § 7 Abs. 3 KrWG ist bezogen auf jeden konkreten Einzelfall und Einsatzort gegenüber der jeweils sachlich und örtlich zuständigen Kreisverwaltungsbehörde nachzuweisen. Eine Abgabe an Dritte darf erst nach Vorlage der Bestätigung des Nachweises der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erfolgen. Nr. 2: Materialmenge, Einsatzort mit Angaben der Flurnummer, Gemarkung, Ort und Adresse des Abnehmers sowie die behördliche Bestätigung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung sind für jeden Einzelfall schriftlich zu dokumentieren und über eine Zeitspanne von fünf Jahren aufzubewahren. Auf Verlangen ist dem Landratsamt Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim Einsichtnahme in die Dokumentation zu gewähren. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 2). Bei Nichterfüllung der unter Nr. 1 des Bescheides festgesetzten Auflagen wurde ein Zwangsgeld für Auflage Nr. 1 von 2.500,00 EUR je Einzelfall und Auflage Nr. 2 in Höhe von 250,00 EUR je Einzelfall angedroht (Nr. 3). Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 250,00 EUR festgesetzt (Nr. 4).
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Die Festsetzung der Auflagen stütze sich auf § 53 Abs. 3 KrWG; danach könnten für die angezeigte Tätigkeit u.a. Auflagen vorgesehen werden, soweit dies zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit erforderlich sei. Alternativ stütze sich der Bescheid auch auf § 62 KrWG i.V.m. § 7 Abs. 3 KrWG. Nach § 53 Abs. 1 KrWG hätten Sammler, Beförderer, Händler und Makler von nicht gefährlichen Abfällen die Tätigkeit ihres Betriebes vor Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen. Die aus der Automobilindustrie stammenden Teppichbodenschnitzel seien unstrittig als Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 KrWG einzustufen. Nach § 5 Abs. 1 KrWG ende die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes, wenn dieser ein Verwertungsverfahren durchlaufen habe und so beschaffen sei, dass er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet werde, ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm bestehe, er alle für seine Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse fülle und seine Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führe. Die für den Reitbodenbelag „ASground“ verwendeten Materialien würden aus Teppichbodenstanzresten der Automobilindustrie hergestellt. Die verwendeten Stanzreste seien unstrittig Abfälle; diese würden in einer Schredderanlage der Fa. Levien, Osnabrück, mechanisch zerkleinert und anschließend gereinigt. Eine qualifizierte Aufbereitung der Abfälle nach bestimmten Qualitätskriterien und eine regelmäßige Qualitätskontrolle (Qualitätssicherung) des Materials zum Zwecke der Verwendung als Reitbodenbelag erfolgten nicht. Es finde lediglich eine Sichtkontrolle statt. Ein Verwertungsverfahren sei erst dann durchlaufen, wenn die Abfälle nach ihrer Behandlung tatsächlich so vor- bzw. aufbereitet seien, dass sie qualitativ ihre neue Zweckbestimmung als Reitbodenbelag allgemein erfüllen könnten. Hierfür sei erforderlich, dass das Verfahren auch spezielle Maßnahmen zur Sicherung der Qualität des Materials enthalte, die für den neuen Verwendungszweck und zur Sicherung der qualitativen Voraussetzungen an das Ende der Abfalleigenschaft einzuhalten seien. Es seien keine detaillierten und belastbaren Angaben zum Langzeitverhalten des Materials, insbesondere zur Problematik der UV-Beständigkeit und zum Einfluss von Pferdeharn auf das Material, auch nicht zu eventuell im Material enthaltenen Additiven oder Flammschutzmitteln vorhanden. Die Zusammensetzung des Materials sei unklar, der Verweis auf Deklarationsstandards aus der Automobilindustrie sei nicht ausreichend. Belastbare und unabhängige Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen des Materials im Hinblick auf seine Verwendung als Reitbodenbelag, insbesondere im Freien lägen nicht vor. Daher fehlten ein materialspezifischer Qualitätsstandard (Gütekriterien) und darauf abgestimmte Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Die dargestellte Art der Qualitätssicherung sei im Hinblick auf eine dauerhafte Gewährleistung gleichbleibender Qualität der Teppichbodenstanzreste im Verwertungsverfahren nicht ausreichend. Damit hätten die Abfälle nur ein vorbereitendes Verfahren durchlaufen, welches nur einen Teil des notwendigen Verwertungsverfahrens darstelle, sodass die Grundvoraussetzung des § 5 Abs. 1 KrWG nicht erfüllt sei. Fraglich sei, ob die geschredderten Teppichbodenreste üblicherweise für einen bestimmten Zweck verwendet würden. Unübliche, unspezifische oder undefinierbare Verwendungszwecke seien nicht akzeptabel. Das Tatbestandsmerkmal „üblicherweise“ erfordere eine Wertung nach der allgemeinen Verkehrsanschauung. Die Verwendung geschredderter Teppichbodenreste als Reitbodenbelag könne nicht als üblich bestätigt werden. Ein Markt für bzw. eine Nachfrage nach dem streitgegenständlichen Reitbodenbelag scheine aktuell vorhanden zu sein. Ob sich der Belag auf dem Markt auf Dauer etablieren könne, sei im Hinblick auf die fachlichen Bedenken zu § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG jedenfalls fraglich. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KrWG könne aufgrund fehlender Nachweise und technischer Anforderungen oder Normen im Produktrecht nicht bestätigt werden. Die vorgelegten Unterlagen seien zur Prüfung der Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG nicht ausreichend und ließen eine gesicherte Prognose, dass die Verwendung von geschredderten Teppichbodenstanzresten als Reitbodenbelag insgesamt auch langfristig nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führen könnten, nicht zu. Die Unschädlichkeit des Materials sei nicht vollständig nachgewiesen worden. Mit den fehlenden oder lediglich pauschalen Angaben zur Problematik der langfristigen UV-Beständigkeit und Abriebfestigkeit des synthetischen Materials, zur Problematik der Windverfrachtung und zum Einfluss von Pferdeharn auf das Material sei der Nachweis nicht erbracht, dass schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt jederzeit ausgeschlossen werden könnten. Schließlich seien auch Bedenken im Hinblick auf die spätere Entsorgung des verbrauchten Materials, ggf. als Boden-Kunststoff-Gemisch, sowie die Entsorgung der mit Kunststoffflocken verklebten Tierexkremente und des verwendeten Reinigungswassers (Vermischungs-, Vermehrungs- und Abreinigungsproblematik) verblieben. Der Nachweis des Endes der Abfalleigenschaft (§ 5 Abs. 1 KrWG) sei nicht erbracht. Der Belag sei als Abfall i.S.v. § 3 Abs. 1 KrWG einzustufen; diese Bewertung werde durch das StMUV (Schreiben vom 7.10.2016, 25.2.2019) bestätigt; diese Rechtsauffassung vertrete auch das GAA Osnabrück sowie das niedersächsische Umweltministerium (Erlass vom 23.1.2019, Az. Ref36-62800/010-0073-002: die geschredderten Teppichbodenschitzel verlassen die Fa. Levien als Abfall).
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Die Antragstellerin sei sowohl Händler als auch Besitzer der Teppichbodenschnitzel, die Anordnung in Nr. 1 sei zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit und zur zukünftigen Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung i.S.d. § 7 Abs. 3 KWG geeignet, erforderlich und angemessen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolge im öffentlichen Interesse. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides könne im Hinblick auf die potentielle Gefahr für die Umwelt durch eine nicht nachgewiesene ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der Teppichbodenschnitzel als Reitbodenbelag nicht hingenommen werden. Ein Hinausschieben würde den Grundsätzen des Abfallrechts zuwiderlaufen. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit hätte zur Folge, dass aufgrund des anhängigen Rechtsstreits weiterhin eine Abgabe/Verwendung des Belags ohne vorherigen Nachweis insbesondere der Schadlosigkeit der Verwertung erfolge und somit das Wohl der Allgemeinheit nicht gewahrt werde, da Schäden an Mensch und Umwelt nicht ausgeschlossen werden könnten.
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6. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 28. August 2019 Klage. Mit Schriftsatz vom 12. September 2019 wurde zusätzlich beantragt, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2019 hinsichtlich der Nr. 1 wieder herzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Parteien verträten unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des von der Antragstellerin vertriebenen Reitbodenmaterials. Die Antragstellerin habe gutachterlich dargelegt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Belag um ein Produkt handle. Die Antragstellerin sei ein Unternehmen, das sich auf den Vertrieb sogenannter synthetischer Reitbodenbeläge spezialisiert habe, das Unternehmen existiere seit dem Jahr 1998. Bereits davor sei ein identischer Reitbodenbelag unter dem Namen „Swing Ground“ vertrieben worden. Danach sei es zu einer Gesellschafterveränderung und Umfirmierung gekommen, seit dem Jahr 1998 seien mittlerweile ca. 2.500 Plätze von der Antragstellerin bzw. dem Vorgängerunternehmen beliefert worden. Allein im Jahr 2017 seien 150 Aufträge bundesweit abgewickelt worden. Der monatliche Input, welcher gleichzeitig dem Output entspreche, sei mit rund 200 t anzugeben. Das entspreche einem Umsatz inklusive Fremdleistungen von etwa 85.000,00 EUR. Das Unternehmen betreibe einen Standort in Ipsheim, es seien vier Vollzeitangestellte beschäftigt und es unterhalte eine eigenständige Vertretung in Dänemark und in der Schweiz; zudem seien beauftragte Dienstleister in den Unternehmensablauf eingebunden. Die Antragstellerin halte insbesondere die Anforderungen der Bundesbodenschutz- und der Trinkwasserschutzverordnung ein, zur Glaubhaftmachung werde ein Prüfbericht EUROFINS Ost vom 2. April 2012 vorgelegt. Schädliche Auswirkungen gingen von dem Material nicht aus. Dies sei durch ein Gutachten des Sachverständigen Dr. J. L. nachgewiesen. Dieser bestätige in seiner Schlussfolgerung, dass die Anforderungen nach § 5 KrWG für das spezielle Material der Antragstellerin eingehalten würden. Die Anwendung der herangezogenen Rechtsgrundlagen setzte voraus, dass es sich um Abfall handle. Das vertriebene Material stelle hingegen nach der Aufbereitung, die ausweislich des Gutachtens von Dr. L. die Anforderungen an ein Verwertungsverfahren erfülle, ein Produkt dar. Unter den Verwertungsbegriff fielen auch vorbereitende, d.h. vorgelagerte Verfahren, wenn die Abfälle so behandelt würden, dass sie die Substitutionsfunktion erfüllten, diese werde hier ausweislich des genannten Gutachtens erfüllt. Die Ansicht des Antraggegners, dass nur ein vorbereitendes Verfahren durchlaufen werde, sei nicht zutreffend. Insbesondere würden bereits bei dem Teppichbodenhersteller A. GmbH, Adelheidsdorf, Stanzreste mit Schaumstoff als Abfälle zur energetischen Verwertung bereitgestellt. Die aussortierten Stanzreste ohne Schaumstoffe würden für das Material der Antragstellerin benutzt. Dieser erste Schritt sei schon als Qualitätssicherungsmaßnahme anzusehen, da hier eine qualitätsorientierte Getrennthaltung vorgenommen werde, wie sie bei technischen Kunststoffen Stand der Technik sei. Weitergehende Forderungen ließen sich schon fachtechnisch nicht begründen. Gerade die Getrennthaltung von Abfällen habe es erst Recyclingsystemen, wie etwa dem dualen System ermöglicht, ein flächendeckendes Verwertungssystem aufzubauen. Es sei unzutreffend, dass es keine regelmäßige Qualitätskontrolle gebe; hierzu werde auf das vorgenannte Gutachten verwiesen, in welchem die wesentlichen Kriterien hierfür festgelegt seien (das Muster, welches durch das Patent vorgegeben sei, die Automobilfreigabe nach GADSL-Liste auf Schadstofffreiheit, die Getrennthaltung des Teppichmaterials mit der entsprechenden Schwerschicht mit 2,5-4 kg/m³ beim Teppichbodenhersteller, Prüfung auf Schaumstofffreiheit beim Teppichbodenhersteller und die Inputkontrolle beim Produzenten der Antragstellerin, der Firma Levien). Als Beleg für die begleitende Qualitätskontrolle seien auch Kontrollberichte, beispielsweise der Beleg vom 19. Januar 2007 im Anhang der Quelle 1 des Sachverständigengutachtens vorgelegt worden. Auch der Hinweis auf eine UV-Beständigkeit bzw. Pferdeharn lasse sich nicht nachvollziehen; es werde angemerkt, dass Urin ein wasserlöslicher Stoff sei, der kein Lösungsmittel darstelle und somit auch keine Polymere angreifen können. Das streitgegenständliche Material sei für bestimmte Zwecke verwendbar. Wie bei Nebenprodukten knüpfe auch die Regelung zum Ende der Abfalleigenschaft zunächst an dem Begriff der Verwendung an, der die Nutzung von Nichtabfällen indiziere. Erst auf der Grundlage eines definierten Verwendungszweckes könnten die für die Verwendung geltenden technischen Anforderungen und die Anforderungen an die Gesundheit und Umweltverträglichkeit des Verwertungsproduktes bestimmt werden. Die Bestimmung obliege grundsätzlich der subjektiven Willensentscheidung des Erzeugers, die durch das Kriterium üblicherweise verobjektiviert werde. Das gegenständliche Material substituiere hier die sonst eingesetzten Bodenbeläge für Reitplätze. Aus der vorgelegten Gegenüberstellung der Ökobilanz von Sand gegenüber dem verfahrensgegenständlichen Belag der Antragstellerin ergebe sich, dass dieses Material sogar vorteilhafter sei. Es bestehe auch ein Markt bzw. eine Nachfrage für das Material, das derzeit mit einem Quadratmeterpreis von durchschnittlich 10,50 EUR vertrieben werde. Weitere materielle Bedingung für ein Entlassen aus dem Abfallregime sei, dass das Material alle für seine Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse erfülle. Die Voraussetzungen für die Wiedererlangung der Produkteigenschaft seien gegeben, da das Material sogar bessere Produkteigenschaften als die zu substituierenden Primärstoffe wie zum Beispiel Sand aufweise. Die Schadlosigkeit sei gutachterlich belegt. Für das Material von Reitplätzen seien keine DIN-Normierungen vorgegeben; da das gegenständliche Material die Vorgaben der Bundesboden- und der Trinkwasserschutzverordnung einhalte, übererfülle es die Anforderungen der substituierten Primärprodukte. Seitens des Antragsgegners werde zugestanden, dass es keine öffentlich-rechtlichen Normen für eine End-of-Waste-Einstufung bei Kunststoffen gebe. Aus diesem Nichtvorhandensein werde gefolgert, dass keine Nachweisführung der Voraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KWG erfolgen könne, da technische Anforderungen oder Normen im Produktrecht nicht bestünden. Insbesondere im Hinblick auf die Schädlichkeit des Materials werde ein Vollbeweis für eine Negativtatsache verlangt, welcher bereits denknotwendig nicht geführt werden könne. Dies werde überlagert durch den Fakt, dass dies auf einem Feld gefordert werde, welches sich noch im Rahmen von Forschung und Entwicklung befinde; ein konkreter Stand der Technik bestehe hierzu nicht. Die aktuelle Diskussion insbesondere im Hinblick auf Mikroplastik finde in der Politik Gehör, dies könne jedoch keine Grundlage für eine fachtechnische oder gar rechtliche Einstufung bzw. Forderung sein, wie dies im angefochtenen Bescheid der Fall sei. Von dem Material gingen insgesamt auch keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch und/oder Umwelt aus; diese Anforderung sei inhaltlich wie funktional mit dem Gebot der Schadlosigkeit der Verwertung aus § 7 Abs. 3 KWG vergleichbar. Vorliegend ergebe eine Beachtung des Einzelfalles des genannten Verwertungsvorgangs und ein Messen an den Zielen der Abfallrahmenrichtlinie, dass das für den ursprünglichen Abfall charakteristische Gefahrenpotenzial mit der Aufbereitung bei der Firma Levien entfallen sei; dabei sei von einem weiten Verwertungsbegriff auszugehen.
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7. Mit Beschluss vom 27. November 2019 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO) als unbegründet ab. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs genüge den formellen Anforderungen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) und sei auch inhaltlich tragfähig. Ein besonderes öffentliches Interesse an abfallrechtlicher Überwachung und ordnungsgemäßer sowie nachgewiesener schadloser Verwertung der Teppichbodenschnitzel als Reitbodenbelag habe der Antragsgegner nachvollziehbar und plausibel begründet; er lege insbesondere dar, dass durch eine Abgabe und Verwendung des streitgegenständlichen Materials als Reitbodenbelag ohne vorherigen Nachweis vor allem der Schadlosigkeit der Verwertung das Wohl der Allgemeinheit nicht gewahrt werde, weil Schäden an Mensch und Umwelt nicht ausgeschlossen werden könnten.
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Auch überwiege im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse der sofortigen Vollziehung das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Die notwendige, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergebe, dass die von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage wohl erfolglos bleiben werde, sodass das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurücktreten müsse. Der streitgegenständliche Bescheid vom 14. August 2019 sei bei summarischer Prüfung rechtmäßig und verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Ermessensfehler der Behörde seien nicht ersichtlich. Der Vertrieb bzw. Einsatz der streitgegenständlichen geschredderten Teppichbodenschnitzel durch die Antragstellerin als Reitbodenbelag stelle nach summarischer Prüfung im Eilverfahren eine Behandlung bzw. Verwertung von Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 KrWG dar, die nach Aktenlage noch nicht zum Ende der Abfalleigenschaft nach § 5 Abs. 1 KWG geführt habe. Die streitgegenständlichen aus der Automobilindustrie stammenden Teppichbodenstanzreste seien - was im Übrigen zwischen den Beteiligten unstrittig sei - zunächst als Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG einzustufen, weil sie typischerweise neben unbedenklichem Material potentiell schadstoffhaltige Bestandteile und damit ein Besorgnispotential enthielten, das es rechtfertige, sie als umweltgefährdend anzusehen und dem Abfallregime zu unterwerfen, ohne dass es des Nachweises einer konkreten Gefahr im Einzelfall bedürfe.
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Nach den gegebenen Gesamtumständen habe der Antragsgegner zutreffend dargelegt, dass das Ende der Abfalleigenschaft nach § 5 Abs. 1 KrWG nicht vorliege. Zutreffend sei er davon ausgegangen, dass die Zusammensetzung des streitgegenständlichen Materials unklar und der Verweis auf die Deklarationsstandards aus der Automobilindustrie nicht ausreichend sei, sowie dass keine detaillierten belastbaren Angaben zum Langzeitverhalten der als Reitbodenbelag verwendeten geschredderten Teppichbodenschnitzel, insbesondere zur Problematik der UV-Beständigkeit und zum Einfluss von Pferdeharn auf das Material vorhanden seien. Gleiches gelte für eventuell im Material enthaltene Additive oder Flammschutzmittel. Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG verlange - als wichtigste Voraussetzung -, dass die Verwendung nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führen könne. Nach den Darlegungen des Antragsgegners könne die insoweit erforderliche gesicherte Prognose nicht getroffen werden. Letzteres sei vorliegend nach Aktenlage, insbesondere auch unter Berücksichtigung der seitens des Antragsgegners eingeholten (fachlichen) Stellungnahmen - die nach der gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung schlüssig und nachvollziehbar seien - rechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr fehlten danach belastbare und unabhängige Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen des verfahrensgegenständlichen Materials im Hinblick auf seine Verwendung als Reitbodenbelag, vor allem im Freien. Diese danach notwendigen Angaben ließen sich insbesondere auch nicht dem durch die Antragstellerin eingereichten Antrag auf „Feststellung Ende der Abfalleigenschaft“ entnehmen. Der als Anhang A beigefügte MDB-Bericht der eingesetzten Teppichböden stelle hinsichtlich der Firmen- und Produktbezeichnung auf BMW Tufting Teppiche der Empfängerfirma Treves Bayern ab und listet die Teilecharakterisierung des Materials (u.a. „Klassif.“ GADSL, SVHC „substances of very high concern“, englisch für „besonders besorgniserregende Stoffe“) auf. Der von der Antragstellerin vorgelegte Prüfbericht EUROFINS Ost vom 2. April 2012 beinhalte im Übrigen zu den untersuchten Feststoffen hinsichtlich der beprobten Teppiche/Auslegware (lediglich), dass es sich bei den Bodenbelägen um textile Beläge aus Kunststofffasern handele und verschiedene (schaumstoffartige, gummiartige) Verbundmaterialien vorhanden seien.
19
Unter Berücksichtigung der vorgenannten fachlichen Stellungnahmen sei mit dem Antragsgegner davon auszugehen, dass die dargestellte Art der Qualitätssicherung (s. dazu auch das vorgelegte Gutachten zur Produkteigenschaft mit ergänzender Stellungnahme, Dr. L.) im Hinblick auf eine dauerhafte Gewährleistung gleichbleibender Qualität der Teppichbodenstanzreste im Verwertungsverfahren nicht ausreichend sei. Die gegenständlichen Teppichbodenschnitzel als Abfälle hätten danach nur ein vorbereitendes Verfahren durchlaufen, welches lediglich einen Teil des notwendigen Verwertungsverfahrens (§ 3 Abs. 23 KrWG) darstelle, sodass die Grundvoraussetzung des § 5 Abs. 1 KrWG in der vorliegenden Form nicht erfüllt sei. Soweit die Antragstellerin eine Automobilfreigabe nach der GADSL-Liste auf Schadstofffreiheit geltend mache, führe dies vorliegend zu keiner anderen Beurteilung. Denn für die vorgenannte maßgebliche Prognose der Risiken komme es auf die Art der Verwertung, also auf die konkrete Situation der Verwertung, insbesondere auf die konkrete Verwertungsmaßnahme bzw. das konkrete Verwertungsverfahren an. Die Prognose beziehe sich nicht nur auf die Verwertungsmaßnahme selbst, sondern auch auf die zweckdienliche Verwendung der dabei hergestellten Rohstoffe oder Produkte (Verwendungsrisiko) sowie auf die Entsorgung dieser Stoffe oder Gegenstände nach Abschluss ihrer Verwendung (Entsorgungsrisiko); dabei sei ein behördliches Einschreiten umso notwendiger, je wahrscheinlicher ein Schaden sei (Ungewissheit), je größer der Schaden sei (Schwere des Schadens) und je weniger umkehrbar die Folgen seien (Irreversibilität).
20
Die abfallrechtlichen Anordnungen in Nr. 1 des angefochtenen Bescheides gegenüber der Antragstellerin als Händlerin und Besitzerin der Teppichbodenschnitzel seien in der Sache ermessensfehlerfrei erfolgt, insbesondere seien sie nach der gebotenen summarischen Überprüfung auch zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit erforderlich und verhältnismäßig. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin sei daher auch sachgerecht.
21
Die streitgegenständlichen Anordnungen erwiesen sich als geeignet, erforderlich und angemessen. Mildere Maßnahmen, die die Antragstellerin als Händlerin und zugleich Besitzerin des verfahrensgegenständlichen Materials weniger einschränken würden, seien weder dargelegt noch ersichtlich. Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 3 des Bescheids vom 14. August 2019 seien ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch die festgesetzte Gebühr unterliege keinen Bedenken.
22
8. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Angesichts der Tatsache, dass das Verwaltungsverfahren bereits seit 3 Jahren laufe, erscheine die Sofortvollzugsanordnung nicht nachvollziehbar. Ein besonderes Vollzugsinteresse sei nicht zu erkennen. Mit den Auflagen in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids würden Anforderungen gestellt, die sich gegenüber den Kunden der Antragstellerin rein faktisch nicht durchsetzen ließen. Grundsätzlich gelte es zu beachten, dass für die Erneuerung bzw. den Austausch bestehender Reitplätze keine Genehmigungspflicht bestehe. Insofern verweigerten die Kunden regelmäßig auch eine Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden. Von den Kunden werde generell auch lediglich deren Adresse angefragt. Die Angabe einer Flurnummer werde nicht verlangt. Sollte zur Bedingung gemacht werden, dass seitens der Kundschaft Flurnummern angegeben würden, sei damit zu rechnen, dass diese zu Anbietern wechselten, die solche nicht fordern müssten. Durch die erteilten Auflagen und die damit verbundenen Verzögerungen und Nachteile gegenüber Mitbewerbern sei damit zu rechnen, dass die Antragstellerin lediglich noch 10% der sonstigen Aufträge erhalten und den Geschäftsbetrieb so nur noch maximal vier Wochen aufrechterhalten könne. Allein die Mehrkosten für die geforderten Dokumentationen betrügen 15.000,00 EUR im Jahr. Insgesamt werde die Existenz des Unternehmens gefährdet und der Grundsatz der Gleichbehandlung im Markt verletzt. Sollte die Antragstellerin schon vor Ausschöpfung der verfügbaren Rechtsmittel nicht rechtskräftige Auflagen beachten müssen, die kein anderer Marktteilnehmer zu erfüllen habe, sei innerhalb kürzester Zeit damit zu rechnen, dass der Betrieb eingestellt werden müsse und irreparable Nachteile drohten. Demgegenüber habe der Antragsgegner - nachdem über Jahre hinweg eine entsprechende Duldung stattgefunden habe - keine Gründe für eine besondere Eilbedürftigkeit bzw. die Notwendigkeit eines Sofortvollzuges im Hinblick auf eine konkrete Gefahr von Schäden für die Schutzgüter namentlich der menschlichen Gesundheit und der Umwelt dargelegt. Vielmehr überwiege das Suspensivinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse des Antragsgegners.
23
Die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts erwiesen sich als unzutreffend. Die Antragstellerin habe nochmals eine ergänzende Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. vom 15. Dezember 2019 eingeholt. Diese komme zu dem Schluss, dass die Antragstellerin alle erforderlichen Maßnahmen getroffen habe, um eine entsprechende Prognose im Hinblick auf die Schadlosigkeit vornehmen zu können. Mit Blick auf das monierte Langzeitverhalten gelte es darüber hinaus zu bedenken, dass bereits seit dem Jahr 2017 ein entsprechender Prüfbericht vorliege, der darstelle, dass es gerade zu keinen relevanten Eintragungen in Boden oder Gewässer komme. Insoweit sei ein über mehrere Jahre betriebener Reitplatz in 1619 Obernzenn untersucht worden (vgl. Prüfbericht vom 12.6.2017). Dabei seien sowohl der Wirkungspfad Boden als auch der Wirkungspfad Grundwasser begutachtet worden. Eine entsprechende Unbedenklichkeit sei auch im Hinblick auf das Langzeitverhalten bestätigt worden. Bezüglich der Zusammensetzung des Materials sei darüber hinaus eine entsprechend aktualisierte Materialprobe vom 13. Dezember 2019 eingeholt worden. Die entsprechenden Leitwerte ließen sich sowohl dem Bundesgesundheitsblatt 2017 - 60:350-352 - als auch den Leitlinien zur Beurteilung von PFC-Verunreinigungen im Boden und Wasser des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz 04/2017 sowie der LAWA-Bund/Arbeitsgemeinschaft Wasser-Mitteilung über die Ableitung von Geringfügigkeitsschwellen für das Grundwasser in Bezug auf PFC entnehmen. In all diesen Merkblättern seien die gleichen Leit- und Orientierungswerte herangezogen worden, auf die auch bei der Beprobung zurückgegriffen worden sei. Ein solches methodisches Vorgehen im Hinblick auf 24 Einzelproben sei beispielsweise auch vom Landratsamt Emmendingen akzeptiert worden. Ferner bestehe eine ausreichende Qualitätssicherung für das Material. Eine solche sei nach UBER 55/2011 erstellt und von der Antragstellerin für das konkret in Rede stehende Material eingehalten worden. Damit sei entgegen den Feststellungen des Gerichts sehr wohl eine gleichbleibende Qualität sämtlicher Output-Stoffe der Antragstellerin gegeben.
24
Der angefochtene Bescheid sei infolgedessen rechtswidrig, zumindest bestünden jedoch ernsthafte Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit. Die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 3 KrWG bzw. alternativ § 62 i.V.m. § 7 Abs. 3 KrWG setze voraus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Material um Abfall handele. Dies indes sei nicht der Fall. Auf Produkte finde das Abfallrecht keine Anwendung. Bei den Stanzabfällen handele es sich zwar zunächst um Abfälle (§ 3 KrWG). Das seitens der Antragstellerin vertriebene Material, welches nach den strengen Vorgaben der Firma Levien aufbereitet werde, stelle nach dem Aufarbeitungsverfahren jedoch ein Produkt dar, das dem Abfallregime nicht mehr unterliege (§ 5 KrWG). Durch dieses Verfahren würden die Anforderungen an ein Verwertungsverfahren erfüllt, wie die vorgelegten Gutachten bestätigten. Eine Vorbereitung zur Wiederverwendung könne auch bereits durch bloße Prüfung, Reinigung und Reparatur eines Abfalls herbeigeführt werden. Die Forderung nach einer stofflichen Veränderung sei vom Gesetz nicht gedeckt. Da am Ende des Aufbereitungsverfahrens ein fertiges und einsetzbares Produkt stehe, sei das Verwertungsverfahren auch bereits vollständig durchlaufen. Das anschließend noch notwendige Aufbringen auf dem Reitplatz könne für den Abschluss des Verwertungsverfahrens nicht mehr gefordert werden. Im Übrigen sei eine vollständige Beendigung des Verwertungsverfahrens auch nicht erforderlich, um die Anforderung des Durchlaufens eines solchen Verfahrens zu erfüllen. Nicht nur die Herstellung eines Endprodukts, sondern auch die eines Vorprodukts sei für die Beendigung der Abfalleigenschaft genügend. Unter den Verwertungsbegriff fielen auch vorbereitende, der eigentlichen Nutzung vorgelagerte Verfahren, wenn die Abfälle so behandelt würden, dass sie eine Substitutionsfunktion erfüllten, wie dies nach dem Aussortieren der Schaumstoffe aus den Stanzresten der Fall sei. Das seitens der Antragstellerin aufbereitete Material „ASground All-Season Riding Ground“ erfülle diese Anforderung, wie die vorgelegten Gutachten belegten. Bereits dieser erste Schritt sei als qualitätssichernde Maßnahme anzusehen. „ASground-All-Season Riding Ground“ sei des Weiteren auch für bestimmte Zwecke verwendbar. Das Material substituiere die sonst eingesetzten Bodenbeläge für Reitplätze, wie zum Beispiel Sand, und sei im Hinblick auf seine Eignung sogar vorteilhafter, wie eine Gegenüberstellung der vorgelegten Ökobilanz von Sand gegenüber dem speziellen synthetischen Reitbodenbelag der Antragstellerin ergebe. Darüber hinaus bestehe auch ein Markt für das Material. Dieses erfülle ferner auch alle für seine Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse. Die Schadlosigkeit sei gutachterlich belegt. Insoweit gelte es zu beachten, dass für das Material von Reitplätzen keine DIN-Normierungen vorgegeben seien. Da das Material jedoch die strengen Vorgaben der Bundes-Bodenschutzverordnung und der Trinkwasserschutzverordnung einhalte, übererfülle es die Anforderungen der substituierten Primärprodukte. Insgesamt gingen von dem Material auch keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch und/oder Umwelt aus. Das für den ursprünglichen Abfall charakteristische Gefahrenpotential sei bereits mit der Aufbereitung bei der Firma Levien entfallen und das Abfallregime auf das konkret in Rede stehende Material nicht (mehr) anwendbar, weil dieses ein Verwertungsverfahren bereits vollständig durchlaufen habe. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass für die verfügten beschränkenden Auflagen und Regelungen deren Erforderlichkeit im Hinblick auf die Wahrung des Wohls der Allgemeinheit weitere Voraussetzung wäre. Diese werde jedoch an keiner Stelle dargelegt. Die Schadlosigkeit des Materials sei in ausreichendem Maße nachgewiesen. Dies gelte auch für das Langzeitverhalten und insbesondere auch für den konkreten Einsatz als Reitboden sowie für mögliche Wechselwirkungen mit Umweltmedien. Die anzustellende Prognose lasse daher den Schluss zu, dass das abfallspezifische Gefährdungspotential bereits vollständig beseitigt sei und dem Stoff mögliche vorherige abfalltypische Gefahren nicht mehr innewohnen. Entsprechende Analysen lägen vor. Diese belegten, dass keine H bzw. P-Werte zu erwarten seien. Auch Aussagen im Hinblick auf mögliche Eintragungen von Mikroplastik lägen vor. Das Langzeitverhalten sei durch Überprüfung bereits seit Jahren bestehender Plätze belegt. Für das Material der Antragstellerin gebe es Plätze, welche seit mehr als 20 Jahren eingebaut seien. Auch ein negativer Einfluss von Pferdeharn werde sachverständigerseits widerlegt und die UV-Beständigkeit des Materials aufgrund der Zusammensetzung bestätigt. Nach allem ließen die eingeholten fachlichen Stellungnahmen und die vorgelegten Unterlagen die gesicherte Prognose zu, dass die streitgegenständliche Verwertung auch langfristig nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führen könne. Welche weitergehenden Untersuchungen bzw. Beprobungen im Hinblick auf welche konkreten Schadstoffe zu fordern wären, lege der Antragsgegner nicht dar. Vielmehr werde durch die Auflagen unmittelbar in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin eingegriffen. Der Antragstellerin würden Auflagen gemacht, die faktisch und wirtschaftlich nicht zu erfüllen seien und die kein anderer vergleichbarer Marktteilnehmer, der im Zuständigkeitsbereich anderer Behörden ansässig sei, erfüllen müsse. Durch die Verpflichtung zur sofortigen Einhaltung der Auflagen werde der Betrieb in seiner Existenz konkret bedroht. Der Antragstellerin sei jedoch Gelegenheit zu geben, im Rahmen des gerichtlichen Rechtsschutzes zunächst eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der angeordneten Auflagen herbeizuführen. Sollte ihr dies nicht gewährt werden, würde sich ein entsprechendes Hauptsacheverfahren erledigen, nachdem das Unternehmen aufgrund der existenzvernichtenden Auflage wirtschaftlich zerstört worden sei.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2019 - Az.: 42-1762-0006-2016 - unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27. November 2019 wiederherzustellen.
27
Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
29
Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 wird zur Begründung weiter ausgeführt, bislang könne die von der Antragstellerin beschriebene Bearbeitung der Teppichbodenstanzreste bei der Firma Levien durch mechanische Zerkleinerung und Reinigung nicht als komplett durchlaufenes Verwertungsverfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG angesehen werden. Es handele sich lediglich um ein vorbereitendes Verfahren, nämlich die schlichte Trennung oder Getrennthaltung zweier Abfallsorten, auf die eine Verwertung ebenso erfolgen könne wie eine Beseitigung. Was die Antragstellerin als „Aufbereitung“ vorstelle, bestehe allein in der mechanischen Zerkleinerung und berge zudem die Gefahr, dass durch die dadurch bedingte Vergrößerung der Oberfläche Schadstoffe austräten oder verfügbar würden und bei nächster Gelegenheit, beispielsweise durch Auswaschen bei Regen, freigesetzt würden, ferner dass viele besonders kleine Teile im Millimeterbereich entstünden, die sozusagen einen groben Staub bildeten. Dieses Problem schildere insbesondere die Stellungnahme des Landesamts für Umwelt vom 22. Februar 2019 aus fachlicher Sicht. Wie im Schreiben der Regierung von Mittelfranken vom 13. November 2017 dargelegt, fehle es für das Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG auch an speziellen Maßnahmen der Qualitätssicherung, die für eine Verwendung als Reitbodenbelag vorzunehmen wären. Die von der Antragstellerin benannten Maßnahmen der Prozess- und Ausgangskontrolle beinhalteten lediglich ein gelegentliches Beobachten, ob die „Produktionsanweisung für ASground-Reitplatzbelag“ seitens der Firma Levien eingehalten werde. Dass ein Ende der Abfalleigenschaft mit dem bloßen Bereithalten der Teppichbodenschnitzeln nicht eingehalten sei, bestätigten auch die vom erstinstanzlichen Gericht herangezogenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2006 (7 C 4.06) zu „Klärschlammkompost“ und des Verwaltungsgerichts Gera vom 24. August 2017 (5 K 84/16 Ge) zu „gebrochenem und gesiebtem Bauschutt“. Diese Materialien befänden sich im gleichen Verfahrensstadium wie die von der Antragstellerin vertriebenen Teppichbodenschnitzel. Die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früher geltenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz seien auch auf die im Kreislaufwirtschaftsgesetz kodifizierte Rechtslage anwendbar. Zudem könnten die Teppichbodenschnitzel nach wie vor dem Abfallschlüssel 04 02 22 (Abfälle aus verarbeiteten Textilfasern) nach dem Abfallverzeichnis (Anlage zu § 2 Abs. 1 der Abfallverzeichnisverordnung - AVV) zugeordnet werden, was ebenfalls für ihre Abfalleigenschaft spreche.
30
Eine spätestens für den Lauf der 6. Kalenderwoche 2020 (03.02. bis 09.02.) angekündigte vertiefende Stellungnahme des Beklagten ging - ohne dass Entschuldigungs- oder Verlängerungsgründe geltend gemacht worden wären - bis zur Entscheidung des Senats nicht ein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
31
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht versagt und dabei Bedeutung und Tragweite der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) im Eilverfahren verkannt.
32
1. Das Rechtsinstitut des einstweiligen Rechtsschutzes (Art. 80 Abs. 5 VwGO) bezweckt nicht, das Hauptsacheverfahren im Eilverfahren vorwegzunehmen und unter Inanspruchnahme einer wie auch immer gearteten „normativen Kraft des Faktischen“ bereits jetzt endgültige Verhältnisse zu schaffen, in denen der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren - sofern der Betroffene sich diesen nach Ergehen der negativen Eilentscheidung überhaupt noch zu „leisten“ vermag - denknotwendig zu spät kommen muss; es beabsichtigt lediglich, unter Abwägung der beiderseitigen Interessenlage eine vorläufige Entscheidung bis zum Ergehen eines rechtskräftigen Urteils im Hauptsacheverfahren zu treffen. Infolge dessen verbietet es sich, schwierige und/oder umstrittene, in der Sache jedoch offene Tatsachen- oder Rechtsfragen unter Vermeidung einer mündlichen Hauptverhandlung bereits im Eilverfahren abschließend zu entscheiden und den Verfahrensbeteiligten so die Erlangung einer endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren faktisch unmöglich zu machen, sofern nicht ausnahmsweise ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse für die Anordnung des Sofortvollzugs streitet. Effektiver Rechtsschutz hat die Aufgabe, irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich auszuschließen (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618 [3619]; B.v. 8.4.2010 - 1 BvR 2709/09 -, NJW 2010, 2268 [2269]).
33
Auf das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses kann deshalb selbst bei offensichtlicher Erfolglosigkeit eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht verzichtet werden, denn die behördliche Vollzugsanordnung stellt eine Ausnahme vom Regelfall des § 80 Abs. 1 VwGO dar (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 157; Külpmann, in: Finklenburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 757 ff., 759, 761). Ein Abweichen vom Regelfall darf nur unter den im Gesetz festgelegten Voraussetzungen erfolgen. Infolgedessen kann es nicht genügen, wenn das Verwaltungsgericht feststellt, dass die Behörde den formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt habe, der zugrundeliegende Verwaltungsakt rechtmäßig sei, den Kläger nicht in seinen Rechten verletze und sein Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben werde; denn daraus folgt noch nicht automatisch das Bestehen eines öffentlichen Vollzugsinteresses, das das Aufschubinteresse des Betroffenen übersteigt. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts ist stets ein qualitativ anderes als das Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst (vgl. Külpmann, a.a.O., Rn. 745 m.w.N.).
34
a) Das Gesetz lässt eine sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts deshalb nur dann zu, wenn überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Einzelnen einstweilen zurücktreten zu lassen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls in die Wege zu leiten. Um dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu genügen, bedarf es daher stets einer Abwägung der konkurrierenden Interessen. Vor allem bei Eingriffen in Grundrechte, namentlich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG), setzt die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Interesses Gründe voraus, die in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen. Insoweit ist nicht nur die Möglichkeit milderer Mittel in Erwägung zu ziehen, sondern darüber hinaus zugleich auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker wiegt und umso weniger zurückzustehen hat, je schwerer die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 [402]; 69, 220 [228]; BVerfG, B.v. 12.9.1995 - 2 BvR 1179/95 -, NVwZ 1996, 58 [59]; BVerwG, B.v. 14.4.2005 - 4VR 1005/04 -, NVwZ 2005, 689 [690]). Lässt der Sofortvollzug den Eintritt schwerer und irreparabler Folgen erwarten, so kann regelmäßig nur ein besonders großes Vollzugsinteresse eine Anordnung der sofortigen Vollziehung tragen. Ob ein solches Interesse vorliegt, ist durch Erwägung aller für und gegen die sofortige Vollziehung streitenden Gründe zu ermitteln (vgl. näher Külpmann, a.a.O., Rn.761, 759 u. 979 jeweils m.w.N.).
35
b) Gemessen an diesem Maßstab verfehlen sowohl die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner als auch die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht die Anforderungen der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Weder das Landratsamt im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO noch das Verwaltungsgericht bei der Prüfung von § 80 Abs. 5 VwGO haben die für die Antragstellerin mit der Anordnung des Sofortvollzuges verbundenen Belastungen, insbesondere den mit ihr verbundenen Eingriff in die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) der Antragstellerin erhoben und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die vorzunehmende Abwägung eingestellt. Statt dessen rekurrieren sie einseitig und ausschließlich auf eine abstrakte, im Einzelnen nicht näher dargelegte und in ihren konkreten Auswirkungen nicht substantiiert beschriebene, potentielle Gefahrenlage für die Umwelt und das Wohl der Allgemeinheit. Die angestellten Überlegungen gipfeln in dem Satz, „Schäden für Mensch und Umwelt könnten nicht ausgeschlossen werden“.
36
Allein dies kann indes nicht genügen. In Anbetracht des mit der Anordnung des Sofortvollzuges verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der Antragstellerin wäre vielmehr darzulegen gewesen, dass und aus welchen Gründen der Eintritt einer solchen konkreten Gefahrenlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit noch vor Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache zu erwarten ist und weshalb die durch die Anordnung des Sofortvollzuges zu schützenden Gemeinwohlbelange vorliegend von solchem Gewicht sind, dass sie die berechtigten Interessen der Antragstellerin ausnahmsweise bereits jetzt überwiegen und die Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren demgegenüber zwingend zurückzustehen hat (vgl. BVerfGE 51, 268 [284]; BVerfG, B.v. 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618 [3619]; B.v. 8.4.2010 - 1 BvR 2709/09 -, NJW 2010, 2268 [2269]). Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht bewirkt insoweit keine Veränderung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe, insbesondere gestattet es keine Risikovorsorge „ins Blaue“ (vgl. Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 3 Rn. 108 a.E.). Für die Annahme eines Gefährdungspotentials bestimmter Stoffe und Gegenstände kommt es gemäß § 3 Abs. 4 KrWG stets darauf an, ob diese aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden (vgl. Petersen, a.a.O., § 3 Rn. 104).
37
Stattdessen beschränken sich sowohl das Landratsamt als auch das Verwaltungsgericht auf die bloße Behauptung einer abstrakten (apokryphen) Gefahrenlage, obwohl bereits Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 14. August 2019 ausdrücklich feststellt, dass es sich um - „nicht gefährlichen Abfall“ - handelt. Die Annahme einer reinen Putativgefahr kann indes die Anordnung eines Sofortvollzuges nicht rechtfertigen. Es muss stets ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen, das über dasjenige am Erlass des Verwaltungsakts selbst hinausreicht. Ein solches haben weder das Landratsamt noch das Verwaltungsgericht aufgezeigt.
38
Ebenso wenig haben sie die mit der Anordnung des Sofortvollzuges für die Antragstellerin verbundenen handgreiflichen Belastungen mit dem ihnen zukommenden Gewicht in ihre Überlegungen eingestellt. Vor allem haben sie unterschlagen, dass die Antragstellerin (einschließlich ihrer Rechtsvorgängerin) bereits seit 20 Jahren mit dem streitgegenständlichen Produkt am Markt tätig ist und bislang über 1800 Reitplätze mit diesem Material ausgestattet wurden. Jährlich kommen etwa 95 - 120 Plätze neu hinzu (vgl. Gutachten Dr. L. vom 20.08.2018, S. 17). Es liegt deshalb auf der Hand, dass die Nachfrage nach dem aus Teppichstanzresten aus der Automobilindustrie hergestellten Reitbodenbelag mit der realen Gefahr der Existenzvernichtung bereits im Eilverfahren sofort stark einbrechen wird, wenn die Antragstellerin diesen schon vor einer abschließenden rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr als Wertstoff bezeichnen, sondern als Abfall deklarieren und die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung bezogen auf jeden konkreten Einzelfall und Einsatzort gegenüber der jeweils sachlich und örtlich zuständigen Kreisverwaltungsbehörde nachzuweisen hätte, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vom Antragsgegner im Einzelnen auch nur in Ansätzen inhaltlich konkretisiert worden wären, und nicht nur die eingesetzte Materialmenge und die Adresse des Abnehmers, sondern auch den konkreten Einsatzort unter Angabe der vom Abnehmer zu erfragenden Flurstücknummer dokumentiert werden müsste.
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Unter solchen Umständen würde sich wohl kaum noch ein Reitverein oder ein Reiter oder eine Reiterin finden, der/die bereit wäre, sich „Abfall“ unter Angabe der Flurstücknummer auf die eigene Reitbahn zu legen. Gerade diese „erdrosselnde Wirkung“ erscheint indes seitens des Antragsgegners durchaus beabsichtigt, wenn er den Sofortvollzug ohne Vorliegen eines überwiegenden Allgemeininteresses anordnet, um bereits jetzt vollendete Tatsachen zu schaffen und das Produkt der Antragstellerin faktisch vom Markt zu nehmen, obwohl es sich nach seinem eigenem Bekunden um „nicht gefährlichen“ Abfall handelt. Sollte die Antragstellerin nach Jahr und Tag im Hauptsacheverfahren gleichwohl obsiegen, so würde ihr dies nichts mehr nutzen, denn ihr Produkt wäre „verbrannt“ und ihr Kundenstamm hätte sich längst anderen Mitbewerbern und Materialien zugewandt.
40
All dies hat das Verwaltungsgericht verkannt. Statt dem Antragsgegner in den Arm zu fallen, hat es den Sofortvollzug bestätigt, ohne dass nachweisbare konkrete Gefahren für ein wichtiges Gemeinschaftsgut (vgl. BVerfGE 44, 105 [117]), die alleine ein Zurücktretenmüssen der berechtigten Interessen der Antragstellerin hätten rechtfertigen können, in der Sache nachvollziehbar dargelegt worden wären (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618 [3619]; B.v. 8.4.2010 - 1 BvR 2709/09 -, NJW 2010, 2268 [2269]). Die Anordnung des Sofortvollzuges kann bereits alleine deshalb keinen Bestand haben.
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2. Ungeachtet dessen erweisen sich die im Bescheid vom 14. August 2019 getroffenen Anordnungen - jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand im Eilverfahren - auch als offensichtlich rechtswidrig. Am sofortigen Vollzug eines mutmaßlich rechtswidrigen Bescheides besteht jedoch kein schutzwürdiges Interesse (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 158; Külpmann, in: Finklenburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 ff. jeweils m.w.N.), insbesondere dann nicht, wenn es an der behaupteten Gefahrenlage fehlt. Infolgedessen überwiegt das Aufschubinteresse der Antragstellerin mit der Folge, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederherzustellen ist.
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a) Die vom Landratsamt für den Erlass der Bedingungen und Auflagen im Bescheid vom 14. August 2019 herangezogenen Rechtsgrundlagen - § 53 Abs. 3 KrWG bzw. alternativ § 62 i.V.m. § 7 Abs. 3 KrWG - setzen beide voraus, dass die streitgegenständlichen Teppichbodenstanzreste dem Abfallregime des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unterliegen (vgl. Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1551]). Nach § 5 Abs. 1 KrWG endet die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes, wenn dieser (1) ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat und (2) so beschaffen ist, dass (a) er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird, (b) ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm besteht, (c) er alle für seine jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse erfüllt, und (d) seine Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Ein Prognose- oder Beurteilungsspielraum der Behörden existiert - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht. Die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes endet bei Vorliegen der in § 5 Abs. 1 KrWG normierten Bedingungen vielmehr unmittelbar qua Gesetz ohne konstitutive Feststellung durch Verwaltungsakt (vgl. Jacobj, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 5 Rn. 13; Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 20).
43
Die materielle Beweislast für die Tatsachen, die nach der zugrundeliegenden Norm (§ 53 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 KrWG bzw. § 62 i.V.m. § 7 Abs. 3 KrWG) Voraussetzung für die durch den Verwaltungsakt angeordnete Rechtsfolge sind, trägt im Rahmen der Eingriffsverwaltung stets die Behörde (vgl. Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 108 Rn. 123 m.w.N.). Für das Fortbestehen der Abfalleigenschaft des streitgegenständlichen Materials und damit das Vorliegen der oben genannten Umstände ist mithin der Antragsgegner darlegungs- und beweispflichtig; er allein trägt insoweit die Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast für den Sachverhalt, aus dem sich das Vorliegen der Voraussetzungen für das Einschreiten - vorliegend im Wege des Erlasses von Bedingungen und Auflagen - ergeben soll (vgl. Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 89. EL. Feb. 2019, KrWG, § 62 Rn. 2 u. 16; Schink, UPR 2012, 201 [204]; VG Sigmaringen, U.v. 4.9.2019 - 10 K 31/18 - juris, Rn. 51). Anders verhielte es sich insoweit lediglich dann, wenn die Antragstellerin den Erlass eines sog. „Produktanerkennungsbescheids“ bzw. „Negativattests“ begehren würde, für welche allein sie selbst die Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast zu tragen hat (vgl. Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 108 Rn. 127 m.w.N.). Letztere Konstellation liegt hier indes nicht vor. Für die Verteilung der Beweislast kommt es stets auf den jeweiligen konkreten Sachzusammenhang an (vgl. Schink, UPR 2012, 201 [204]).
44
aa) Damit die Abfalleigenschaft eines Stoffes endet, muss dieser - wie bereits erwähnt - zunächst ein Verwertungsverfahren durchlaufen haben. Was unter einem Verwertungsverfahren zu verstehen ist, ergibt sich aus § 3 Abs. 23 Satz 1 KrWG: Es muss sich um ein Verfahren handeln, als dessen Hauptergebnis der Abfall einem sinnvollen Zweck zugeführt werden muss. Durchlaufen hat der Abfall das Verwertungsverfahren dann, wenn die Verwertung abgeschlossen ist, der Abfall also gemäß der Begriffsbestimmung des § 23 Abs. 23 Satz 1 KrWG infolge des auf ihn angewendeten Verfahrens andere Materialien ersetzt oder so vorbereitet ist, dass andere Materialien substituiert werden (vgl. Jahn, in: Jahn/Deifuß-Kruse/Brandt, KrWG, 2014, § 5 Rn. 11; Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1548]; Kopp-Assenmacher, KrWG, 2014, § 5 Rn. 9; Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 30). Es genügt die Nutzung irgendeiner Beschaffenheit des Stoffes und die Erzielung irgendeines Erfolges, der über die bloße Beseitigung hinausgeht und diese vermeidet (vgl. Schink, UPR 2012, 201 [205]). Ein substantieller Eingriff in die Beschaffenheit des Stoffes oder Gegenstandes ist dabei nicht erforderlich (vgl. Jacobj, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 5 Rn. 16). Bereits die Nutzung alleine des Abfallvolumens ist - die Eignung zum entsprechenden Verwendungszweck unterstellt - eine stoffliche Verwertung (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.2005 - 7 C 26.03 -, BVerwGE 123, 247, Ls. 1 und 2). Der 22. Erwägungsgrund der RL 2008/98/EG stellt insoweit klar, dass für das Ende der Abfalleigenschaft ein Verwertungsverfahren auch bereits in der bloßen Sichtung des Abfalls bestehen kann, um nachzuweisen, dass er die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft erfüllt. Demzufolge können schon Verfahren der Prüfung, Reinigung und geringfügigen Reparatur zur Beendigung der Abfalleigenschaft genügen (vgl. Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 28). Als Verwertungsverfahren kommen alle drei Verwertungsvarianten, die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige Verwertung in Betracht (vgl. näher Jacobj, in: Versteyl/Mann/ Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 5 Rn. 16; Schink, UPR 2012, 201). Auch die Herstellung eines Vorprodukts kann bereits ein „Durchlaufen“ eines Verwertungsverfahrens darstellen (vgl. Jahn, in: Jahn/Deifuß-Kruse/Brandt, KrWG, 2014, § 5 Rn. 11; Kopp-Assenmacher, KrWG, 2014, § 5 Rn. 9; Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 30; Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1547 f.]). Die bisherige Rechtsprechung des EuGH und diesem folgend des Bundesverwaltungsgerichts wurde - was sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Antragsgegner verkennen - durch die (Neu-) Regelung des § 5 Abs. 1 KrWG deutlich abgeschwächt (vgl. näher Kopp-Assenmacher, KrWG, 2014, § 5 Rn. 10; Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 30). Ein pauschales Fortgelten ist deshalb ausgeschlossen, vielmehr sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 KrWG ernst zu nehmen (vgl. Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1547]).
45
Gemessen an diesen Vorgaben kann - jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand - nicht zweifelhaft sein, dass die Teppichbodenstanzreste der Antragstellerin ein Verwertungsverfahren in oben genanntem Sinne durchlaufen haben. Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 20. August 2018 führt insoweit - auszugsweise - (vgl. S. 7 f.) Folgendes aus:
46
„ASground wird in einem mechanischen Verfahren aus ausgewählten Stanzresten der Teppichbodenherstellung für Automobile hergestellt. […] Bei dem Teppichbodenhersteller … werden Stanzreste mit Schaumstoff […] als Abfälle zur energetischen Verwertung bereitgestellt, aussortierte Stanzreste ohne Schaumstoff werden für die ASground-Herstellung genutzt. Dieser erste Schritt ist schon als qualitätssichernde Maßnahme anzusehen, da hier eine qualitätsorientierte Getrennthaltung vorgenommen wird, wie sie bei Kunststoffteilen Stand der Technik ist. […] Alternativ kann auch die beschriebene Teppichabschälung nach Patent DE 101 47 676 C1 […] durchgeführt werden. Diese vorbereitende Tätigkeit der Teppichabschälung ist als vorbereitende Verwertung bzw. Aufbereitung des Materials anzusehen, da für die Wieder- oder Weiterverwendung der Schaumstoff stört. Die Produkteigenschaften werden durch die Separation nicht verschlechtert, sondern nur für den bestimmten Zweck konfektioniert. […] Somit ist die Abtrennung der Schaumstoffe als Vorbereitung für die Wiederverwendung anzusehen.“
47
Soweit der Antragsgegner dem entgegensetzt, eine qualifizierte Aufbereitung der Abfälle nach bestimmten Qualitätskriterien und eine regelmäßige Qualitätssicherung des Materials zum Zwecke der Verwendung als Reitbodenbelag erfolge nicht, kann dies eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. Der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht verkennen, dass ein substantieller Eingriff in die Beschaffenheit des Stoffes zur Annahme des Durchlaufens eines Verwertungsverfahrens nicht erforderlich ist und nach dem 22. Erwägungsgrund der RL 2008/98/EG auch bereits die bloße Sichtung (Trennung) des Abfalls für die Annahme eines Verwertungsverfahrens ausreichend ist. Gleiches gilt, wenn - wie hier - sogar eine Reinigung der Stanzreste - von den Schaumstoffteilen - stattfindet. Auch Vorbereitungshandlungen werden entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - etwa bei mehrstufigen Verfahren - ausdrücklich einbezogen (vgl. Jacobj, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 107). Das Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG endet damit vorliegend bereits mit der Bereitstellung der gereinigten Teppichstanzreste und nicht etwa erst mit deren Aufbringen auf den Reitplätzen. Der Antragsgegner stellt insoweit ganz offensichtlich (Qualitäts-) Anforderungen, für die es weder in § 3 Abs. 23 Satz 1 noch in § 5 Abs. 1 KrWG irgendeine Grundlage gibt. Entscheidungserheblich ist vorliegend vielmehr einzig und allein, dass durch die Sichtung und Reinigung der Stanzreste ein Produkt entsteht, das geeignet ist, andere Materialien als Reitbodenbelag - insbesondere Sand - zu ersetzen, sodass natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können (vgl. EuGH, U.v. 27.02.2002 - Rs C 6/00 (Asa) -, NVwZ 2002, 579 Rn. 69; BVerwG, U.v. 14.4.2005 - 7 C 26.03 -, BVerwGE 123, 247 [250]; OVG Lüneburg, U.v. 24.6.2011 - 7 LC 10/10 -, NdsVBl. 2012, 16 - juris, Rn. 53). Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 20. August 2018 (vgl. S. 9 a.E.) führt insoweit aus:
48
„Es wird festgestellt, dass durch die Verwendung der Stanzreste andere Reitbodenbeläge, wie z.B. Sand, ersetzt werden.“
49
Dieser, die Annahme eines Verwertungsverfahrens im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG ohne weiteres tragenden Feststellung, ist der Antragsgegner nicht in qualifizierter, eine andere Beurteilung rechtfertigenden Weise entgegengetreten.
50
bb) Allerdings ist das erfolgreiche Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens lediglich notwendige, nicht aber zugleich auch hinreichende Bedingung für den Eintritt des Endes der Abfalleigenschaft. Vielmehr müssen insoweit kumulativ auch die oben unter (2a) bis (d) bereits genannten weiteren, im Folgenden näher in den Blick zu nehmenden Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. Jacobj, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 5 Rn. 17).
51
aaa) Verwendung für bestimmte Zwecke (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KrWG):
52
Der Stoff oder Gegenstand, dessen Produktqualität am Ende des Verfahrens zu beurteilen ist, muss üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet werden. Damit will der Gesetzgeber ausschließen, dass durch das Verwertungsverfahren zwar andere Materialien ersetzt werden, die weitere Nutzung des zu beurteilenden Stoffes bzw. Gegenstandes aber derart ungewiss ist, dass zu befürchten steht, der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft könnte sich des Stoffes oder Gegenstandes zeitnah wieder entledigen, sodass neuerlich Abfall anfällt (vgl. hierzu Jacobj, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 5 Rn. 18). Ob Stoffe üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet werden, bestimmt sich daher grundsätzlich nach objektiven Kriterien, wobei der Verkehrsanschauung maßgebende Bedeutung zukommt (vgl. Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 33). Allerdings muss sich eine Verwertung nicht stets im Rahmen der üblicherweise angewendeten Einsätze für bestimmte Recyclingprodukte halten. Abfallerzeuger und -besitzer sind vielmehr darin frei, neue Verwertungsverfahren zu „erfinden“ (vgl. Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 33: „subjektive Willensentscheidung des Erzeugers“). Durch die Verwendung des Begriffes „üblicherweise“ sollen lediglich reine Phantasieprodukte ausgeschlossen werden (vgl. Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1549]; Schink, UPR 2012, 201 [208] m.w.N.).
53
Auch insoweit bestehen entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine Bedenken. Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 20. August 2018 (vgl. S. 17) stellt insoweit Folgendes fest:
54
„In den Jahren 1998 bis 2016 wurden 1800 ASground Reitplätze fertiggestellt, im Schnitt pro Jahr also etwa 95. Aktuell für das Jahr 2017 120, so dass eine Steigerung zu sehen ist. Die durchschnittliche Platzfläche betrug dabei 580 qm. Aktuell wird die Materialauslieferung nur durch die Menge des Inputs für die Fertigung begrenzt.“
55
Damit ist - jedenfalls für das Eilverfahren - hinreichend glaubhaft gemacht, dass - auch - gereinigte Teppichbodenstanzreste in nicht unerheblichem Umfang als Reitbodenbelag über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren Verwendung finden. Eine wie auch immer geartete Besorgnis, die Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (Reitplatzbesitzer) könnten sich der Teppichbodenstanzreste zeitnah wieder entledigen, sodass neuerlich Abfall anfällt, besteht daher nicht.
56
bbb) Markt oder Nachfrage (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 KrWG):
57
Ein Markt besteht, wenn Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen und es infolge dessen zu einer Preisbildung kommt. Eine Nachfrage für einen Stoff oder Gegenstand ist dann gegeben, wenn Wirtschaftssubjekte entschieden haben und anstreben, ihn zu erwerben (vgl. hierzu Jacobj, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 5 Rn. 19; Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1549]; Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 34 ff.). Vorliegend ist beides gegeben. Das Material wird von der Antragstellerin zu einem Quadratmeterpreis von 10,50 EUR vertrieben und erfreut sich - wie die Antragstellerin durch Vorlage des oben genannten Gutachtens glaubhaft gemacht hat - reger Nachfrage.
58
ccc) Erfüllung technischer und rechtlicher Anforderungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KrWG):
59
Insoweit stellt der Gesetzgeber für das Ende der Abfalleigenschaft das Erfordernis auf, dass der Stoff oder Gegenstand alle für seine jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen erfüllt. Liegen indes, wie hier, einschlägige öffentlich-rechtliche Anforderungen nicht vor - für Reitbodenbeläge existieren keine speziellen Normen -, so kommt § 5 Abs. 1 Nr. 3 KrWG nicht zur Anwendung, vielmehr ist in materieller Hinsicht alleine auf § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG abzustellen (so zutreffend Schink, in: Schink/Versteyl, KrWG, § 5 Rn. 40; Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1550]; Jacobj, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 5 Rn. 22 m.w.N.). Das Fehlen besonderer technischer Anforderungen oder Normen steht dem Ende der Abfalleigenschaft nicht per se entgegen (a.A. zu Unrecht Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 43). § 5 Abs. 1 Nr. 3 KrWG beschränkt sich ausdrücklich auf „alle … geltenden“ technischen Anforderungen und Rechtsvorschriften, fordert aber nicht selbst die Existenz entsprechender Regelungen. Der Umstand, dass es für die Verwendung von Teppichbodenstanzresten als Reitbodenbelag bislang keine technischen Anforderungen oder Normen gibt, steht einem Ende der Abfalleigenschaft der Stanzreste, anders als die Fachbehörden des Antragsgegners meinen (vgl. Stellungnahme des LfU vom 22.2.2019), daher nicht entgegen.
60
ddd) Unschädlichkeit der Verwendung (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG):
61
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine gesicherte Prognose möglich ist, dass der Stoff oder Gegenstand in seiner konkreten Anwendung nicht zu schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit führen kann (vgl. Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 47; Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1550]). Insoweit ist jeweils auf die konkrete Verwendung abzustellen mit der Folge, dass es auf die Umweltauswirkungen des Endprodukts - der Verwendung der Teppichbodenstanzreste als Reitbodenbelag - ankommt. Umwelt- und Gesundheitsgefahren dürfen hierbei generell nicht entstehen, sodass entsprechende Risiken sowohl beim konkret angewendeten Verfahren in Bezug auf Stoffe oder Gegenstände als auch durch das Produkt als solches ausgeschlossen sein müssen (vgl. näher Schink, UPR 2012, 201 [209]; Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 46 f.).
62
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts sind diese Voraussetzungen vorliegend - jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand - erfüllt. Die bei Kunststoffen geforderte sortenreine Trennung (vgl. hierzu Hofmann, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 5 Rn.16 m.w.N.) liegt offensichtlich vor. Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 20. August 2018 (vgl. S. 23 ff.) und dessen Ergänzungsgutachten vom 15. Dezember 2019 (vgl. S. 6 ff.) stellen insoweit unter Bezugnahme auf weitere eingeholte Gutachten und Stellungnahmen - auszugsweise - Folgendes fest:
63
„Die generelle Schadlosigkeit der Materialien liegt vor, durch die Unbedenklichkeit, die die Inputstoffe nach Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 haben. Die Inputmaterialien sind so unbedenklich, dass die Erstellung von Sicherheitsdatenblättern entfallen kann und es daher auch keine der H- und P-Sätze bei der Verwendung dieser Materialien gibt […]
64
Die aufgeführten Thermoplaste PET Polyethylentrepthalat, PA6, Polyamid 6, PP Polypropylen, PE Polyethylen und das EVA Ethylen-Vinylacetat-Copolymer sind […] durch ihre Unpolarität allesamt wasserunlöslich. Eventuelle Einschlüsse und Molekülsegmente können somit aus der Polymermatrix auch nicht mittels Wasser herausgewaschen werden. […] Die Abfälle sind Feststoffe, die keine Verbindung mit Luft und Wasser eingehen können. Ein Eintrag in das Grundwasser durch Auswaschungen ist somit […] nicht gegeben und wird durch die durchgeführten Eluat-Analysen gestützt […]
65
Es wird festgestellt, dass die Inhaltsstoffe schadlos sind, […], der Eintrag von Schadstoffen durch die Getrennthaltung entlang der Lieferkette und Behandlungskette produktionstechnisch ausgeschlossen ist, […] daher nach üblicher Sorgfalt keine Schadstoffe in die Abfälle eingetragen werden können, die das Produkt ASground abgeben könnte. […] Die Art der Verwertung der Abfälle zu ASground geschieht ausschließlich physikalisch, also ohne Stoffumwandlung, sodass durch die ASgroundproduktion kein Gefährdungspotential auftritt. […]
66
Das Material ASground wird als Reitplatzbelag verwendet. Es kommen nur Austausch mit der Luft, Boden und Wasser in Frage. Im System ASground-Luft kommen potentiell Gasaustausch, Verwehungen, Staubentwicklung in Frage.
67
Da es sich bei ASground um einen festen inerten Polymerwerkstoff handelt, ist ein Gasaustausch ausgeschlossen, da die Polymere keine irgendwie gearteten Gaseinschlüsse haben und mitteleuropäische Temperaturen unter den Erweichungstemperaturen der Polymere liegen.
68
Verwehungen sind durch die Reitplatzumrandungen und durch die kennzeichnenden Eigenschaften des Patents DE 101 47 676, Allwettertrittschicht insbesondere für Reitplätze, in dem […] der Vorgang der Verfilzung, die Bedingung für die Ausbildung der Tretschicht ist, […], ausgeschlossen.
69
Wasserverunreinigungen lassen sich durch die Materialien, aus denen die Teppichschnitzel bestehen, […] nicht herleiten. Die Eulat-Analyse durch EUROFINS-Prüfbericht 6003052001F1 zu Auftrag 61200464 vom 02.04.2012 stützt diese Sichtweise.
70
Harnstoff löst sich sehr gut in Wasser und anderen polaren Lösungsmitteln, greift Polymere nicht an, da diese unpolar sind. Harnsäure ist als schwache Säure nur schlecht in Wasser löslich. Harnsäure neigt zur Kristallbildung (Gicht) und kann auch als Feststoff Polymere nicht angreifen. Da zudem Säuren polar und Polymere unpolar sind, gibt es keine Lösungsmöglichkeit. […] Somit komme ich als Gutachter zu dem Schluss, dass Pferdeharn den Kunststoff nicht angreifen kann und daraus eine erhöhte Allgemeingefährdung erwachsen könnte. […]
71
Da es sich um einen Feststoff handelt, kann ASground keinen Gasaustausch mit der Luft vornehmen. Verwehungen werden durch den fachgerechten Einbau nach der Einbauanleitung vermieden und der Ausbildung der Tretschicht verhindert. Reitplätze haben stets eine Einfassung, die der Abgrenzung der eigentlichen Reitfläche und auch dem kontrollierten Reiten dient. […]
72
Die [..] Schnitzel überlappen und verzahnen sich im Allgemeinen und werden durch die horizontale Ausbringung zu einer kompakten Tretschicht. Die reitplatzüblichen Seitenumrandungen verhindern zusätzlich das unbeabsichtigte Austreten der Schnitzel aus der Reitplatzzone. Die Haftreibung zwischen den Vertikalflächen der Schnitzel verhindert ein seitliches Verschieben der Teppichschnitzel und auch eine Kuhlenund Lochbildung durch Hufbewegungen.
73
Zur Vermeidung, dass durch den Reitbetrieb zufällig Flocken aus dem Reitplatz herausgekickt werden, wird für den bestimmungsgemäßen Umgang eine Umrandung des ASgroundbelages empfohlen. Zudem kann eine unbeabsichtigt herausgeworfene ASgroundflocke lediglich ein optisches Problem darstellen, denn eine Gefährdung der Umwelt wird auch durch diese Flocke nicht verursacht […] Ebenso wurde durch das Staubgutachten Fink vom 11.07.2017 die Umweltverträglichkeit gezeigt. […]
74
Ein etwaiger Eintrag ins Wasser und in den Boden konnte durch die Eulat-Analysen, dargelegt im EUROFINS-Prüfbericht […] vom 02.04.2012, nicht festgestellt werden. […]
75
Es wird nochmals festgestellt, dass es derzeit weltweit keine validierten Messverfahren für Mikrokunststoffe gibt. Ebenso gibt es grundsätzlich Schwierigkeiten, unterhalb einer Bestimmungsgrenze von 20-40 μm zweifelsfrei […] Materialbestimmungen durchführen zu können […] Der derzeitige Stand der Normung als fundierte Grundlage für gesetzliche Grenzwerte wird voraussichtlich erst 2022 eine Grundlage schaffen. […]
76
Da es sich bei dem Input um ungefährlichen Abfall handelt, die Inhaltsstoffe keine H-und P-Sätze haben, keine weiteren Stoffe zugegeben werden und ein möglicher Eintrag von Fremdstoffen produktionstechnisch ausgeschlossen ist, kann es kein sog. abfalltypisches Gefährdungspotential geben. […]
77
Ein Indiz für eine gute Langzeitbeständigkeit ist die bisherige lange Nutzungsdauer der ASground-Reitplätze. Ebenso haben bisherige Untersuchungen keinen Anhaltspunkt gegeben, dass das Material sich in irgendeiner Form im Laufe der Zeit negativ entwickelt, vergleiche Gutachten Riedel vom 12.06.2017, welches einen 4 Jahre alten ASgroundreitplatzbelag untersucht. Im Ergebnis waren keine Überschreitungen der relevanten Grenzwerte festzustellen. Ebenfalls waren keine signifikanten Veränderungen zu den Werten der Neuware zu beobachten. […]
78
Das ASground-Material wurde in Anlehnung an die DIN EN B 105 […] Textilien […] (Farbechtheit und Alterung gegen künstliches Licht bei hohen Temperaturen: Prüfung mit Xenonbogenlampe (…) geprüft und erfüllte die höchste Anforderung. Das Material ist stabil eingestellt, es entstehen keine schädlichen Substanzen durch die Exposition des Materials durch UV-Strahlung. […]
79
Ein Abäppeln empfiehlt sich, wenn täglich mit vielen Pferden auf dem Platz geritten wird. Dann sollten die Pferdeäpfel mit einem Äppelboy, feiner Mistgabel oder händisch mit Handschuhen entfernt werden. Zur Rückgewinnung von beim Abäppeln mitentfernten ASground-Flocken wird empfohlen, das „Gemisch“ auf einem Drahtgeflecht mit ca. 8 mm Maschengröße mittels Wasserstrahl zu trennen. Das empfiehlt sich über oder direkt neben der vorhandenen Mistplatte. Dieses sogenannte Abäppeln ist auf allen Reitplatztypen zu empfehlen. Der Vorteil bei ASground ist, dass dieses Material nicht wie bei Sandplätzen eine Verbindung mit den Pferdeäpfeln eingehen kann, oder schwerer als bei Rasenplätzen zu entfernen ist. Die Pferdeäpfel können kompostiert werden, dass ASground-Material wieder dem Reitplatz zugeführt werden. […]
80
Um den möglichen langjährigen Einfluss auf das Material ASground zu bestimmen, sind am 08.03.2017 Materialproben aus dem Reitplatz in Brabach, 1619 Obernzenn durch das BSP Ingenieurbüro Riedel entnommen worden und durch die W. GmbH, 06188 Landsberg analysiert worden. Diese Proben wurden mit den Grenzwerten der BBodenSchV abgeglichen. Von den 26 Parametern lagen 20 unter der Bestimmungsgrenze. Bei den Werten elektrische Leitfähigkeit und pH-Wert wird der Prüfwert lediglich festgestellt. Die relevanten Parameter, bei denen Messwerte festgestellt wurden, ergaben, dass die leicht flüchtigen Halogenkohlenwasserstoffe mit 10% des Grenzwertes bestimmt wurden, Fluorit mit 4% des Grenzwertes bestimmt wurde, Kupfer mit unter 10% des Grenzwertes analysiert wurde und Zink mit 3,6% des Grenzwertes gefunden wurde. Diese Analysewerte zeigen die Ungefährlichkeit des ASground-Materials auf die Umwelt. […] Es wird festgestellt, dass durch die vorgelegten Analysen keine Hinweise auf eine Schädlichkeit vorliegen.
81
Demgegenüber bleibt die Auffassung des Antragsgegners, (a) die vorgelegten Unterlagen seien zur Prüfung der Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG nicht ausreichend und ließen eine gesicherte Prognose, dass die Verwendung der Teppichbodenstanzreste als Reitbodenbelag insgesamt auch langfristig nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führen könne, nicht zu, (b) die Unschädlichkeit des Materials sei nicht vollständig nachgewiesen, (c) mit den fehlenden oder lediglich pauschalen Angaben zur Problematik der langfristigen UV-Beständigkeit und Abriebfestigkeit des synthetischen Materials, zur Problematik der Windverfrachtung und zum Einfluss des Pferdeharn auf das Material sei der Nachweis nicht erbracht, dass schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt jederzeit ausgeschlossen werden könnten, vielmehr eine unkontrollierte Verfrachtung des Materials bzw. von Materialbestandteilen (Makro- und Mikroplastikteilchen) durch Windböen, Regen oder Anhaftungen an den Pferdehufen in angrenzende Böden oder Gewässer im Umfeld des Reitplatzes zu befürchten sei, (d) der unkontrollierte Austrag von Makro- und Mikroplastikteilchen zu einer diffusen Anreicherung von biologisch nicht abbaubaren Altkunststoffen im Umfeld des Reitplatzes und so zu schädlichen Verunreinigungen von Boden und Gewässer führen könne, (e) Bedenken auch im Hinblick auf die spätere Entsorgung des verbrauchten Materials, ggf. als Boden-Kunststoff-Gemisch, sowie die Entsorgung der mit Kunststoffflocken verklebten Tierexkremente und des verwendeten Reinigungswassers (Vermischungs-, Vermehrungs- und Abreinigungsproblematik) verblieben, ohne tragfähige Grundlage.
82
Sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht verkennen grundlegend, dass im Rahmen der hier vorliegenden Eingriffsverwaltung nicht die Antragstellerin die Unbedenklichkeit des Materials darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, sondern niemand Geringerer als der Antragsgegner selbst das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für ein Ende der Abfalleigenschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 KrWG als Grundlage für die von ihm ergriffenen Maßnahmen - Bedingungen und Auflagen - darzulegen und nachzuweisen hat. Insoweit ist der Antragsgegner den von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten, Stellungnahmen und Befunden, die eine vollständige abfallrechtliche Unbedenklichkeit des eingesetzten Materials für den vorgesehenen Verwendungszweck - jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand - in jeder Hinsicht nachvollziehbar attestieren, nicht in substantiierter und zugleich auch qualifizierter Weise entgegengetreten. Statt dessen lässt er es bei - einen wissenschaftlichen Anspruch von vornherein nicht erhebenden - Stellungnahmen und Mutmaßungen sog. „Fachbeamter“ bewenden, die im Lichte der von der Antragstellerin beigebrachten Sachverständigengutachten und Stellungnahmen - jedenfalls derzeit - nicht geeignet sind, die getroffenen Anordnungen zu tragen.
83
Eine angebliche Überschreitung des Vorsorgewerts für Antimon um mehr als das Doppelte (vgl. Schreiben LfU vom 9. Juni 2016) hat sich im Rahmen der von der Antragstellerin beauftragten Untersuchungen nicht ergeben. Dort wird gerade ausgeführt, dass es zu keinen Auswaschungen komme. Der Antragsgegner ist auf den Gesichtspunkt einer angeblichen Überschreitung des Vorsorgewerts für Antimon in seinem streitgegenständlichen Bescheid vom 14. August 2019 auch nicht mehr expressis verbis zurückgekommen. Gleiches gilt für das Beschwerdeverfahren. Die weitere Sachaufklärung muss deshalb insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
84
Gleiches gilt hinsichtlich der - jedenfalls derzeit durch keine wissenschaftliche Untersuchung belegten - Vermutung des Antragsgegners, die Teppichbodenstanzreste enthielten möglicherweise Additive, wie etwa Biozide, Weichmacher, Stabilisatoren und Flammschutzmittel (vgl. Schreiben des LfU vom 2.9.2019, Bl. 363 f. d. Behördenakte). Die von der Antragstellerin vorgelegten umfangreichen Untersuchungen und Stoffanalysen bieten hierfür - jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt im Eilverfahren - keinen Beleg. Ungeachtet dessen käme es für die Annahme eines entsprechenden Gefährdungspotentials auch nicht allein auf den Inhalt, sondern auf die Gefahr einer Abgabe an die Umwelt an. Insoweit stellen die Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 20. August 2018 und 15. Dezember 2019 jedoch gerade fest, dass es zu keinen Grenzwertüberschreitungen komme.
85
Nach den von der Antragstellerin vorgelegten Sachverständigengutachten und Stellungnahmen, welchen der Antragsgegner nicht in substantiierter Weise entgegengetreten ist, ergibt sich - jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand im Eilverfahren - kein abfalltypisches Gefährdungspotential, insbesondere kein solches das nicht durch technische Maßnahmen vor Ort (Umrandung, Trennung von Pferdeäpfeln und Teppichschnitzeln durch Auswaschen auf Drahtgitter und Ableitung des Reinigungswassers in die Kanalisation) beherrschbar wäre. Vielmehr erscheinen die von der Antragstellerin praktizierten Vorsorgemaßnahmen - jedenfalls nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren - durchaus praxisnah und umweltgerecht. Von lediglich pauschalen Annahmen zur Unschädlichkeit kann entgegen der Auffassung des LfU (vgl. Schreiben vom 16.10.2017, Bl. 301 ff. d. Behördenakte) keine Rede sein. Auch eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit für weitere vorsorgerelevante Umwelt- und Gesundheitsrisiken (vgl. hierzu Jarass, NVwZ 2019, 1545 [1550]) hat der Antragsgegner, der hierfür im Rahmen der Eingriffsverwaltung die Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast trägt, nicht belegt. Dies gilt auch hinsichtlich der mit der Beschwerdeerwiderung vom 20. Januar 2020 erstmals in das Verfahren eingeführten Stellungnahme des LfU gegenüber der Regierung von Mittelfranken vom 22. Februar 2019 zum Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 20. August 2018. Dessen 28 Seiten umfassenden Ausführungen mit Inbezugnahmen weiterer Untergutachten und ergänzender Stellungnahmen setzt das LfU lediglich die folgenden 12 Zeilen entgegen:
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„Die im „Gutachten“ zum Aspekt der „Unschädlichkeit“ nunmehr dargelegte Argumentation lässt aus fachlicher Sicht keine sichere Prognose der Unschädlichkeit der vorgesehenen Verwendung des Reitbodenbelags für Mensch und Umwelt zu. Unter Umständen ist eine diffuse Emission von Makro- und Mikroplastikteilchen, beispielsweise durch Windböen oder Regen und durch Anhaften an den Pferdehufen, zu befürchten. Wir pflichten Ihnen bei, den unkontrollierten Eintrag von Makro- und Mikroplastikteilchen in das Umfeld des Reitplatzes, gleich in welcher Masse und Compoundierung der Altkunststoffe mit speziellen, mitunter gefährlichen Additiven, generell als schädlich zu erachten, weil es sich um einen natürlich nicht vorkommenden, nicht abbaubaren „Stoff“ handelt, der sich im Boden und im Gewässer anreichern kann. Insoweit sehen wir keinen Anlass, von unserer Position abzurücken.“
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Diese Ausführungen reichen über bloße Mutmaßungen („unter Umständen…“) und - jedenfalls derzeit durch nichts belegte - Behauptungen („mitunter gefährliche[n] Additive[n]“) nicht hinaus und erweisen sich letztlich als mindestens ebenso „diffus“ wie die befürchteten Emissionen selbst. Vor allem lassen sie unberücksichtigt, dass sich nach dem Gutachten vom 20. August 2018 (und auch vom 15. Dezember 2019) gerade kein abfalltypisches Gefährdungspotential ergeben hat, sodass es an entsprechenden, hinreichend belegten Fakten fehlt, die allein die Annahme des Überschreitens eines noch erlaubten Verwendungsrisikos (vgl. hierzu näher Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 47) rechtfertigen könnten. So stellt die mit dem Verfahren koordinierend befasste Regierung von Mittelfranken in einer Email an das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 18. April 2019 (Bl. 329 d. Behördenakte) selbst ausdrücklich fest:
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„Unsicherheiten bestehen vor allem bei der Bewertung der Schädlichkeit von (unkontrollierten) Makro- und Mikroplastikeinträgen in den Boden und in Gewässer. Konkrete Regeln hierzu sind uns nicht bekannt. Eine hinreichend definierte Schädlichkeitsschwelle ist jedoch entscheidend für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der „schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt“ i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG, der „Schadlosigkeit“ i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 KrWG sowie der „schädlichen Boden- und Gewässerveränderung“ im Sinne des Bodenschutz- und Wasserrechts.
89
Im vorliegenden Fall wird der unkontrollierte Makro- und Mikroplastikeintrag unabhängig von der Eintragsmenge, unabhängig von den besonderen Inhaltsstoffen der Altkunststoffe und ohne Kenntnis des Langzeitverhaltens der Altkunststoffe generell als schädlich erachtet, weil es sich um einen natürlich nicht vorkommenden (Schad-)Stoff handelt, der biologisch nicht abbaubar ist und sich in Boden und Gewässer anreichern kann. Dadurch kann eine schädliche Verunreinigung von Boden und Gewässer und damit eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nicht ausgeschlossen werden.
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Spezielle Regelungen und nähere Vollzugshinweise hierzu fehlen jedoch bislang.“ [Hervorhebungen des Senats]
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Damit räumt der Antragsgegner - jedenfalls intern - unumwunden ein, dass es an den erforderlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten - zumindest derzeit - fehlt.
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Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht gestattet jedoch - was der Antragsgegner verkennt - keine Risikovorsorge „ins Blaue“ (vgl. Petersen, in Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 3 Rn. 108 a.E.). Stets bedarf es einer hinreichend tragfähigen Prognosebasis (vgl. Petersen, a.a.O., § 3 Rn. 104). Eine solche liegt nur bei einem entsprechenden Gefahrenbezug vor (vgl. Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 [166]). Der Eintritt eines Schadens darf sich nicht lediglich als theoretische oder gar fernliegende Möglichkeit darstellen (vgl. BayObLG B.v. 9.03.1995 - 3 ObOWi 19/95 -, NVwZ-RR 1995, 513 [514]). Ob Stoffe Gefahren auslösen, ist eine Frage, die von weiteren Umständen abhängt, wie beispielsweise der ihrer Zusammensetzung, ihrer Konzentration und Eintragsmenge und nicht zuletzt dem Maß ihrer Schädlichkeit. Ohne Kenntnis dieser Umstände kann ein Gefahrenbezug nicht hergestellt werden oder wäre letztlich rein spekulativ. Gefahren und Schäden, auf deren Vermeidung die Vorsorge gerichtet ist, müssen vielmehr ein Mindestmaß an tatsachengestützter Realität aufweisen (vgl. Ossenbühl, a.a.O., S. 166). Eine Vermeidung um der Vermeidung willen kann nicht Gegenstand einer Vorsorge sein, soll diese nicht ins Unkontrollierbare absinken (so treffend Ossenbühl, a.a.O., S. 166). Ein absolutes Minimierungsgebot, welches ohne Rücksicht auf rationale Gefahren auf die Eliminierung eines Stoffes schlechthin gerichtet ist, wäre mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar (vgl. Ossenbühl, a.a.O., S. 168). Vielmehr muss jede Vorsorgemaßnahme nach Umfang und Ausmaß dem konkreten Risikopotential, dessen Eintritt sie entgegenwirken soll, proportional sein (vgl. Ossenbühl, a.a.O., S. 168). Letzteres setzt das Herstellen eines konkreten Gefahrenbezuges und damit die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände (Zusammensetzung, Konzentration und Eintragsmenge, Maß der Gefährlichkeit usw.) denknotwendig voraus. Ansonsten lassen sich das Risikopotential und die zu seiner Vermeidung ins Werk zu setzenden Maßnahmen nicht bestimmen. Eine Risikovorsorge unterhalb einer definierten Gefahrenschwelle kommt deshalb regelmäßig nicht in Betracht.0
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An der Kenntnis dieser gefahrbegründenden Umstände fehlt es dem Antragsgegner - wie er zumindest intern einräumt - im vorliegenden Fall. Grenz- oder auch nur Vorsorgewerte im Bereich Mikroplastik existieren derzeit noch nicht. Gleichwohl hat er die streitgegenständlichen Maßnahmen - Bedingungen und Auflagen - sehenden Auges ins Werk gesetzt und mit der Anordnung des Sofortvollzuges versehen, ohne zu erkennen, dass im Rahmen der Eingriffsverwaltung allein er selbst die Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast für den Sachverhalt trägt, aus dem sich das Vorliegen der Voraussetzungen für sein Einschreiten ergeben soll. Das vom Antragsgegner selbst eingeräumte „non liquet“ - „konkrete Regeln hierzu sind uns nicht bekannt“ - geht zu seinen Lasten. Eine etwaige Unaufklärbarkeit könnte allenfalls die Versagung eines (von der Antragstellerin ebenfalls beantragten, aber noch nicht förmlich beschiedenen) „Negativattests“ oder „Produktanerkennungsbescheides“ rechtfertigen, weil insoweit - situationsbezogen - allein die Antragstellerin die materielle Beweislast für das Vorliegen der ihr günstigen Umstände des Endes der Abfalleigenschaft (§ 5 Abs. 1 KrWG) zu tragen hätte. Darum geht es jedoch im vorliegenden Verfahren nicht.
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Ebenso wenig zu überzeugen vermag in diesem Zusammenhang die - im Lichte der von der Antragstellerin umfangreich vorgelegten Gutachten jedenfalls derzeit durch nichts begründbare - Annahme des Verwaltungsgerichts, die Teppichbodenstanzteile enthielten typischerweise neben unbedenklichem Material potentiell schadstoffhaltige Bestandteile und damit - ähnlich wie Bauschutt - ein Besorgnispotential, das es rechtfertige, sie als umweltgefährdend anzusehen und dem Abfallregime zu unterwerfen, ohne dass es des Nachweises einer konkreten Gefahr im Einzelfall bedürfe. Derartige „Annahmen ins Blaue“ hinein können im Lichte des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) weder die inhaltliche Durchdringung der vorgelegten Gutachten noch die tatsächliche Auseinandersetzung mit ihnen ersetzen - auch nicht im Eilverfahren. Hätte die Kammer sich mit den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen in der gebotenen Weise befasst, so hätte sie unschwer feststellen können, dass die Teppichstanzreste bei der Fa. Levien von Schaumstoffbestandteilen „gereinigt und sortiert“ werden, während es sich bei den von der Kammer herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.6.1993 - 7 C 11/92 -, BVerwGE 92, 363 - juris, Rn. 19) und des Verwaltungsgerichts Gera (U.v. 24.8.2017 - 5 K 84/16 Ge - juris, Rn. 54 ff.) jeweils um „unsortierten bzw. ungereinigten“ Bauschutt handelte, der sein abfalltypisches Gefährdungspotential - anders als die Teppichstanzreste der Antragstellerin entsprechend den vorgelegten Gutachten - gerade nicht verloren hatte. Die von der Antragstellerin vertriebenen Teppichbodenschnitzel befinden sich daher entgegen der Auffassung des Antragsgegners gerade nicht „im gleichen Verfahrensstadium“.
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Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist die Zusammensetzung des streitgegenständlichen Materials auch nicht unklar. Die einzelnen Bestandteile lassen sich detailliert den Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 20. August 2018 und 15. Dezember 2019 (vgl. dort Aufstellung S. 12) entnehmen. Gleiches gilt für die Problematik der UV-Beständigkeit und des Einflusses von Pferdeharn. Soweit das Verwaltungsgericht weitere „belastbare und unabhängige Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen des verfahrensgegenständlichen Materials im Hinblick auf seine Verwendung als Reitbodenbelag“ vermisst, steht einem entsprechenden Tätigwerden des Gerichts im anstehenden Hauptsacheverfahren nichts entgegen. Ungeachtet dessen ist erneut darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Eingriffsverwaltung nicht die Antragstellerin, sondern der Antragsgegner die Darlegung- und Beweis- bzw. Feststellungslast für den weiteren Fortbestand der Abfalleigenschaft trägt. Anhaltspunkte für besorgniserregende Stoffe lassen sich den von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten nicht entnehmen. Einer wissenschaftlichen Anforderungen auch nur in Ansätzen genügenden Einlassung hat sich der Antragsgegner - jedenfalls bislang - enthalten.
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Für den Fall, dass der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren nicht kraft besserer Einsicht bereit sein sollte, seine Anordnungen aufzuheben, wird die Kammer zunächst die in der Sache tätig gewordenen Fachbeamten des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, der Bayerischen Landesamtes für Umwelt, der Regierung von Mittelfranken und des Landratsamtes Neustadt a.d.A. - Bad Windsheim als sachverständige Zeugen zu laden und in der Hauptverhandlung zu hören haben, damit sie dem Gericht - gerade auch in Auseinandersetzung mit den Gutachtern der Antragstellerin - erläutern können, auf welcher überlegenen wissenschaftlichen Expertise und nicht lediglich bloßen Mutmaßungen sich ihre Annahmen gründen, weshalb die Gutachter der Antragstellerin in ihren Feststellungen falsch liegen und warum allein ihre eigene Einschätzung richtig ist und die getroffenen Anordnungen rechtfertigt. Gegebenenfalls werden weitere Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen sein.
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Derzeit jedenfalls ist für eine entsprechende Rechtfertigung nichts ersichtlich. Nach den von der Antragstellerin vorgelegten Sachverständigengutachten - welchen der Antragsgegner bislang nicht in qualifizierter Weise entgegengetreten ist - steht das Ende der Abfalleigenschaft der Teppichbodenstanzreste als Reitbodenbelag im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG außer Frage. Schädliche Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt ergeben sich - jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand - nicht. Für eine Anordnung von Bedingungen und Auflagen auf der Grundlage von § 53 Abs. 3 Satz 1 KrWG ist daher - gegenwärtig - kein Raum. Die Teppichbodenstanzreste unterliegen in ihrer konkreten Verwendung als Reitbodenbelag - jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand im Eilverfahren - nicht (mehr) dem Abfallregime. Auch im Rahmen einer vergleichenden Sicherheitsbetrachtung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG: „insgesamt“) ergeben sich - jedenfalls nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand - keine durchgreifenden Bedenken (vgl. zu dieser Anforderung näher Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 5 Rn. 53). Die Teppichstanzreste können nach dem Ende ihrer Sekundärnutzung - gegebenenfalls nach Trennung und Reinigung von Erdbestandteilen - energetisch verwertet bzw. entsorgt werden (vgl. Schreiben des Landratsamts vom 28.11.2016, Bl. 120 d. Behördenakte).
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4. Ernstlichen Zweifeln begegnet des Weiteren auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die getroffenen Maßnahmen seien „erforderlich“ und „verhältnismäßig“. Insoweit übersieht das Verwaltungsgericht, dass sich die Besorgnis des Antragsgegners lediglich gegen eine Verwendung der Teppichbodenstanzreste „im Freien“ richtet, Nr. 1 des Bescheides vom 14. August 2019 aber nicht zwischen „Indoor“- und „Outdoor“-Einsätzen differenziert. Ernste Zweifel hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Anordnungen bestehen auch insoweit, als die Behörde des Antragsgegners die Angabe der Flurstücknummer des Einsatzortes zusätzlich zur Adresse des (End)-Abnehmers verlangt. Die Flurstücknummer kann, für den Fall, dass konkrete Eingriffsmaßnahmen erforderlich werden, sehr leicht über die bayernweit verfügbaren behördlichen Informationssysteme festgestellt werden. Für die Generierung einer zusätzlichen Abschreckungswirkung ist im Übrigen von vorneherein kein Raum.
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5. Ungeachtet dessen begegnen die Anordnungen jedoch auch im Lichte der im Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Bestimmtheitsanforderungen behördlichen Verwaltungshandelns durchgreifenden Bedenken. Das Fordern eines Nachweises der „ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung bezogen auf jeden Einzelfall und Einsatzort“ setzt zwingend voraus, dass die insoweit zu beachtenden Regeln entweder bereits bekannt sind oder seitens der Behörde konkret vorgegeben werden. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Der Antragsgegner kann nicht einerseits abstrakt Bedingungen und Auflagen unter Zwangsgeldandrohung erteilen, sich hinsichtlich der konkreten Anforderungen aber „bedeckt“ halten und die Betroffenen dann im Einzelfall „gegen die Wand laufen lassen“. Verwaltungsakte müssen “inhaltlich hinreichend bestimmt sein“ (vgl. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um die Festlegung von Vorsorgezielen und Vorsorgemaßnahmen handelt (vgl. Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 [167]).
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6. Ebenso wenig kann die Anordnung alternativ auf § 62 i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 1 KrWG gestützt werden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht schadlose Verwendung (früheren) Abfalls als Reitbodenbelag liegen - jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand - nicht vor. Zwar kommt die Bedeutung von § 7 Abs. 3 KrWG, der eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von Abfällen verlangt, vor allem dann zum Tragen, wenn bereits jetzt erkennbar ist, dass ein aus der Verwertung von Abfall entstandenes Produkt hinsichtlich seiner eigenen - späteren - Entsorgbarkeit problematisch ist (vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 7 Rn. 19). Indes stellt der Antragsgegner selbst ausdrücklich fest, dass eine energetische Verwertung möglich ist (vgl. Schreiben des Landratsamt vom 28.11.2016, Bl. 120 d. Behördenakte). Insoweit ergeben sich deshalb keine Besonderheiten. Die Teppichstanzreste wären - wenn sie nicht im besten Sinne des Kreislaufwirtschaftsrechts nochmals einer Sekundärverwendung als Reitbodenbelag hätten zugeführt werden können - nach der Entfernung aus den Automobilien ebenfalls energetisch zu entsorgen gewesen. Dass insoweit gegebenenfalls eine erneute Reinigung - diesmal von Erdbestandteilen und tierischen Exkrementen - zu erfolgen hat, nötigt zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr handelt es sich insoweit um den Beginn eines neuen Verwertungsverfahrens, nämlich der Vorbehandlung und Reinigung zum Zwecke der Verbrennung mit dem Ziel der Gewinnung von Wärme und Energie. Eine Vermehrung der Abfallmenge ist bei entsprechender Trennung nicht zu besorgen. Im Übrigen kann eine absolute Schadlosigkeit im Rahmen des § 7 Abs. 3 Satz 3 KrWG nicht gefordert werden (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 24.6.2011 - 7 LC 10/10 -, NdsVBl. 2012, 16 [20]; siehe auch Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 7 Rn. 19). Das vom Verwaltungsgericht ohne nähere Begründung unterstellte „Entsorgungsrisiko“ besteht daher nicht.
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Ungeachtet dessen erscheint eine weitreichende Erstreckung des Erfordernisses der Schadlosigkeit bis zur Entsorgung des Verwertungsprodukts sachlich und systematisch durchaus fragwürdig. Zum einen gilt es zu bedenken, dass die Verwertung und damit das Entsorgungsregime des Kreislaufwirtschaftsrechts bereits mit der Herstellung eines gefahrlos verwendeten Produkts endet und nicht zugleich auch bis in dessen (erneuter oder weiterer) Entsorgungsphase fortwirkt. Zum anderen ist zu beachten, dass bereits für den normalen Produktionsbereich keine generellen Anforderungen zur späteren Entsorgungstauglichkeit gestellt werden, sondern solche Anforderungen ausschließlich produktspezifisch durch Rechtsverordnungen zur Produktverantwortung gemäß §§ 24 und 25 KrWG begründet werden können (so überzeugend Reese, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 7 Rn. 55). Der Umstand, dass die Teppichbodenstanzreste bei einer Verwendung als Reitbodenbelag eine Verbindung mit der meist aus Mineralbeton oder Schotter hergestellten Tragschicht oder Tierexkrementen eingehen und dies bei einer späteren Auflassung des Reitplatzes dazu führt, dass eine erneute Trennung und Reinigung stattfinden oder eine gemeinsame energetische Verwertung und Entsorgung (einschließlich der Erd- und Schotterbestandteile bzw. Exkremente) Platz greifen muss, ist somit weder im Rahmen des § 5 Abs. 1 KrWG noch des § 7 Abs. 3 KrWG von Bedeutung.
102
Im Übrigen kommt eine weitere Anwendung von § 7 Abs. 3 KrWG auch deshalb nicht in Betracht, weil - jedenfalls nach derzeitigem Sachstand - die Abfalleigenschaft des streitgegenständlichen Materials aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 KrWG geendet hat, die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 KrWG aber bereits dem Wortlaut nach voraussetzt, dass es sich (noch) um Abfall handelt. Das maßgebliche Tatbestandsmerkmal „keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt“ in § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG und das Gebot der „Schadlosigkeit der Verwertung“ in § 7 Abs. 3 KrWG sind sowohl inhaltlich als auch funktional identisch (vgl. in diesem Sinne auch bereits OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 23.5.2017 - OVG 11 S 78.16 -, BeckRS 2017, 112964 Rn. 4 a.E.; Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, § 5 Rn. 46).
103
Nach derzeitigem Erkenntnisstand kann die Anordnung des Sofortvollzuges deshalb keinen Bestand haben. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. November 2019 ist daher in Ziffern 1 und 2 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederherzustellen. Der Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses ist damit gegenstandslos. Aufgrund der Eilbedürftigkeit ergeht die Entscheidung ohne Gewährung weiteren rechtlichen Gehörs.
104
Der für das Abfallrecht ab dem 1. Januar 2020 neu zuständig gewordene 12. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird auch künftig alle Anordnungen sofortigen Vollzugs beanstanden, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben effektiven einstweiligen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nicht genügen. Die Verwaltungsbehörden sind gehalten, von der Anordnung des Sofortvollzuges nur ausnahmsweise (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) nach sorgfältiger Ermittlung und Abwägung der widerstreitenden Interessen Gebrauch zu machen.
105
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, Nr. 2.14 und 1.5 Streitwertkatalog.
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8. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).