Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.07.2020 – 20 NE 20.1651
Titel:

Corona-Bekämpfung durch Untersagung des Betriebs von Schankwirtschaften in Innenräumen - Normenkontrolle - einstweilige Anordnung

Normenketten:
GG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
VwGO § 47 Abs. 6
6. BayIfSMV § 13 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Senat ist bereits in zwei Eilentscheidungen vom 14.7.2020 bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten davon ausgegangen, dass in einem Hauptsacheverfahren zu klären sein wird, ob die aufgrund der 6. BayIfSMV getroffene Betriebsschließung in Innenräumen von Schankwirtschaften letztlich mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts vereinbar ist und ob - und wenn ja, in welchem Umfang - dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung zusteht, in welchen Schritten und nach welchen Kriterien er die aus Gründen der Unterbrechung von Infektionsketten geschlossenen Wirtschaftsbereiche wieder öffnet und inwieweit ein solcher gegebenenfalls gerichtlich überprüfbar ist. Er hat zudem befunden, dass die Schließung der Innenräume von Schankwirtschaften nicht schon aus anderen Gründen - insbesondere einer willkürlichen Ungleichbehandlung mit Speisewirtschaften (Art. 3 Abs. 1 GG) - als rechtswidrig anzusehen ist (vgl. BayVGH BeckRS 2020, 16911 u. BeckRS 2020, 16912 jeweils Rn. 26, 27 u. 30-41). (Rn. 17 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verordnungsgeber durfte wohl im Rahmen einer generalisierenden Betrachtung (vgl. BayVGH BeckRS 2020, 16911 u. BeckRS 2020, 16912 jeweils Rn. 32) annehmen, dass der Betrieb von Schankwirtschaften mit spezifischen Infektionsgefahren einhergeht, die typischerweise auch von der großen Mehrheit der zuverlässigen Schankwirte mit einem umfassenden Schutz- und Hygienekonzept nicht beherrschbar sind. (Rn. 19 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, einstweiliger Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren, Betriebsuntersagung einer Schankwirtschaft, offene Erfolgsaussichten, Parlamentsvorbehalt, Beurteilungsspielraum, Ungleichbehandlung mit Speisewirtschaften, spezifische Infektionsgefahren, Schutz- und Hygienekonzept
Fundstelle:
BeckRS 2020, 17170

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt die Antragstellerin das Ziel, § 13 Abs. 1 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. Juni 2020 (2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 348, im Folgenden: 6. BayIfSMV) in der inzwischen mehrfach geänderten Fassung (zuletzt mit Verordnung vom 14. Juli 2020, BayMBl. 2020 Nr. 403) - einstweilen außer Vollzug zu setzen.
2
1. Der Antragsgegner hat am 19. Juni 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die streitgegenständliche Verordnung erlassen. Die von der Antragstellerin angegriffene Regelung hat folgenden Wortlaut:
3
㤠13 Gastronomie
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(1) Gastronomiebetriebe jeder Art sind vorbehaltlich der folgenden Absätze untersagt.“
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Die Bestimmung ist seit dem 22. Juni 2020 in Kraft und tritt mit Ablauf des 2. August 2020 außer Kraft (§ 24 6. BayIfSMV i.d.F.d. Änderungsverordnung v. 14.7.2020).
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2. Die Antragstellerin, die in R. eine Schankwirtschaft (Irish Pub) betreibt, hat mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt, § 13 Abs. 1 6. BayIfSMV vorläufig außer Vollzug zu setzen.
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Zur Begründung trägt sie vor, die vollständige Untersagung des Betriebs von Schankwirtschaften in Innenräumen nach § 13 Abs. 1 6. BayIfSMV sei im Hinblick auf ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG unverhältnismäßig. Der Betrieb mit einem Hygiene- und Schutzkonzept, das sie vorgelegt habe, sei als weniger einschneidende Maßnahme geeignet, um das Infektionsrisiko in Schankwirtschaften einzudämmen. Das Betriebsverbot in Innenräumen habe für sie verheerende, ggf. sogar existenzbedrohende wirtschaftliche Auswirkungen, zumal eine Perspektive für eine Öffnung fehle. Inwieweit eine Schankwirtschaft ohne Infektionsgefahr betrieben werden könne, hänge maßgeblich von der Einhaltung eines soliden Hygienekonzepts ab. Als milderes und infektionsschutzrechtlich gleich geeignetes Mittel käme eine Ausnahmegenehmigung unter Würdigung der jeweils spezifischen Infektionsschutzmaßnahmen in Betracht.
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Die Ungleichbehandlung der Innenräume von Schank- und Speisewirtschaften sei nicht infektionsschutzrechtlich gerechtfertigt. Vielmehr erhöhe sich die Infektionsgefahr in Speisewirtschaften durch die Zubereitung und Ausgabe von Speisen. Die Infektionsgefahren durch eine alkoholbedingte Enthemmung der Gäste unterscheide sich in Schank- und Speisewirtschaften nicht. Schankwirten, die gaststättenrechtlich zuverlässig sein müssten, könne nicht pauschal unterstellt werden, die ihnen durch die 6. BayIfSMV auferlegten Regeln nicht zu beachten oder durchzusetzen zu können. Verstöße könnten als milderes Mittel mit der Entziehung der Erlaubnis zum Betrieb der Schankwirtschaft geahndet werden. Wie die Erfahrungen der letzten Monate zeigten, träfen sich „Schankwirtschaftsgänger“ trotzdem, um alkoholische Getränke zu genießen. Bei diesen privaten Treffen oder Zusammenkünften im Freien gebe es niemanden, der ein Hygienekonzept durchsetze. Das Betriebsverbot verstoße zudem gegen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) und gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Der Antragstellerin sei ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten. Ohne Erlass der einstweiligen Anordnung sei sie nicht in der Lage, ihre einzige Einnahmequelle zu betreiben, sodass ihre hauptberufliche Existenz bedroht sei. Bei der Folgenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass das Betriebsverbot sämtliche Betreiber von Schankwirtschaften im gesamten Freistaat betreffe.
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3. Der Berichterstatter hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Juli 2020 unterrichtet, dass der Senat mit Beschlüssen vom 14. Juli 2020 zwei Eilanträge gegen die Betriebsuntersagung von Schankwirtschaften in Innenräumen gemäß § 13 Abs. 1 6. BayIfSMV abgelehnt hat. Eine Kopie des Beschlusses Az. 20 NE 20.1572 wurde der Antragstellerin zur Kenntnis gegeben. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020 mitgeteilt, ihren Eilantrag gleichwohl aufrecht zu erhalten. Ihr Antrag unterscheide sich von jenen Anträgen, die den Beschlüssen des vom 14. Juli 2020 zugrunde lägen dahingehend, dass er auf die gesetzlich vorgesehene Zuverlässigkeit der Gastwirte der Schankwirtschaften abstelle. Diese Zuverlässigkeit werde Gastwirten, mithin unter anderem der Antragstellerin, nach derzeitiger Rechtslage systemwidrig abgesprochen. Eine solche Betrachtungsweise sei rechtswidrig.
II.
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Der zulässige Eilantrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.
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1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
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Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12).
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2. Nach diesen Maßstäben kommt eine Außervollzugsetzung der in der Hauptsache angegriffenen Regelungen des § 13 Abs. 1 6. BayIfSMV nicht in Betracht. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind derzeit als offen anzusehen (a), sodass im Wege der Folgenabwägung über den Antrag zu entscheiden ist. Diese führt zu dem Ergebnis, dass die Außervollzugsetzung nicht dringend geboten ist (b).
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a) Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind derzeit als offen anzusehen.
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aa) Der Senat hat sich bereits in zwei Eilentscheidungen (BayVGH, B.v. 14.7.2020 - 20 NE 20.1572 und 20 NE 20.1574, noch nicht veröffentlicht) mit der Außervollzugsetzung des § 13 Abs. 1 6.BayIfSMV auseinandergesetzt. Dabei ist er bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten davon ausgegangen, dass in einem Hauptsacheverfahren zu klären sein wird, ob die aufgrund der 6. BayIfSMV getroffene Betriebsschließung in Innenräumen von Schankwirtschaften letztlich mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts vereinbar ist (vgl. auch BayVGH, B.v. 29.5.2020 - 20 NE 20.1165 - juris Rn. 15 f.; B.v. 14.4.2020 - 20 NE 20.763 - juris Rn. 15; vgl. auch VGH BW, B.v. 9.4.2020 - 1 S 925/20 - juris Rn. 37 ff.). Das Gleiche gilt für die Rechtsfrage, ob - und wenn ja, in welchem Umfang - dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung zusteht, in welchen Schritten und nach welchen Kriterien er die aus Gründen der Unterbrechung von Infektionsketten geschlossenen Wirtschaftsbereiche wieder öffnet und inwieweit ein solcher gegebenenfalls gerichtlich überprüfbar ist.
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bb) Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten hat der Senat zudem befunden, dass die Schließung der Innenräume von Schankwirtschaften nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 - ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 14) nicht schon aus anderen Gründen - insbesondere einer willkürlichen Ungleichbehandlung mit Speisewirtschaften (Art. 3 Abs. 1 GG) - als rechtswidrig anzusehen ist. Auf die dortigen Ausführungen, die der Antragstellerseite zur Kenntnis gebracht wurden, kann verwiesen werden, soweit diese einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Öffnung der Innenräume von Speisewirtschaften seit dem 25. Mai 2020 (vgl. Verordnung zur Änderung der 4. BayIfSMV vom 14.5.2020, BayMBl. 2020 Nr. 269) rügt (BayVGH, B.v. 14.7.2020 - 20 NE 20.1572 - Rn. 29 ff.).
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Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass § 13 Abs. 1 6. BayIfSMV den Gastwirten von Schankwirtschaften systemwidrig die gesetzlich vorgesehene Zuverlässigkeit abspreche, kann sie nicht durchdringen. Die Prognose des Verordnungsgebers, die Einhaltung notwendiger Infektionsschutz- und Hygieneregeln lasse sich in Schankwirtschaften typischerweise schlechter durchsetzen als in Speisewirtschaften, impliziert vielmehr die Annahme, dass diese Regeln auch von der großen Mehrheit der zuverlässigen Schankwirte (zur Zuverlässigkeit im Gaststättengewerbe vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1975 - I C 27.74 - BVerwGE 49, 154 - juris Rn. 7 ff.) in der Praxis schwer durchsetzbar sein dürften. Der Senat teilt diese Einschätzung. Der Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis bei Verstößen gegen infektionsschutzrechtliche Vorschriften nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist deshalb gegenüber Betriebsverboten kein geeignetes milderes Mittel, um (alkoholbedingte) Regelverstöße zu verhindern.
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cc) Dass § 13 Abs. 1 6. BayIfSMV keine Möglichkeit vorsieht, eine Ausnahmegenehmigung zum Betrieb einer Schankwirtschaft in Innenräumen zu erteilen, wenn und soweit sich dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht als vertretbar erweist (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 6. BayIfSMV für Veranstaltungen u.a.) macht das Betriebsverbot auch voraussichtlich nicht unverhältnismäßig. Der Verordnungsgeber durfte wohl im Rahmen einer generalisierenden Betrachtung (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2020 - 20 NE 20.1572 - Rn. 32), annehmen, dass der Betrieb von Schankwirtschaften mit spezifischen Infektionsgefahren einhergeht, die auch mit einem umfassenden Schutz- und Hygienekonzept nicht beherrschbar sind. Ausgehend von deren Geschäftsmodell, überwiegend alkoholische Getränke in geselliger Runde anzubieten, ist die Gefahr einer alkoholbedingten Nichteinhaltung von Hygienestandards erhöht. Das damit verbundene Infektionsrisiko dürfte auch deutlich höher sein als dasjenige, das sich bei der Zubereitung und Abgabe von Speisen in Speisewirtschaften ergeben kann.
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dd) Der Vorhalt, „Schankwirtschaftsgänger“ kämen trotzdem im Freien oder privat zusammen, um Alkohol zu trinken, ohne dass jemand ein Hygienekonzept durchsetze, greift ebenfalls nicht durch. Das Feiern und Grillen auf öffentlichen Plätzen ist unabhängig von den anwesenden Personen untersagt (§ 2 Abs. 2 6. BayIfSMV). Das Verbot wird von den Ordnungsbehörden, insbesondere der Polizei, durchgesetzt und ggf. als Ordnungswidrigkeit geahndet (vgl. § 22 Nr. 2 6. BayIfSMV). Den Regelungen fehlt es deshalb insoweit nicht an der erforderlichen Konsistenz. Dass es die 6. BayIfSMV erlaubt, im privaten Raum zusammenzukommen und dabei ggf. auch Alkohol zu trinken, bedeutet ebenfalls keinen Gleichheitsverstoß. Die private Lebensgestaltung in den eigenen „vier Wänden“, für die der Appell gilt, sie auf einen möglichst konstanten Personenkreis zu beschränken (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV), kann nicht mit Zusammenkünften im öffentlichen (Wirtschafts-)Leben gleichgesetzt werden. Deshalb ist insoweit schon nicht erkennbar, dass der Verordnungsgeber wesentlich gleiche Sachverhalte ungleich behandelt hätte. Im Übrigen darf der Normgeber besonders bei Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen; Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 19; E.v. 15.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 12). Diese Grenzen der zulässigen Typisierung und Pauschalierung hat der Verordnungsgeber mit den von der Antragstellerin als willkürlich angesehenen Ungleichbehandlungen nicht offensichtlich überschritten.
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b) Die Folgenabwägung ergibt, dass die Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung nicht dringend geboten ist.
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aa) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte ein Normenkontrollantrag Erfolg, wäre die Untersagung des Betriebs von Schankwirtschaften zu Unrecht erfolgt. Durch den weiteren Vollzug käme es zu einem schwerwiegenden und teilweise irreversiblen Eingriff insbesondere in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit mit erheblich nachteiligen wirtschaftlichen Folgen. Die Untersagung dauert nunmehr schon seit etwa vier Monaten an und führt bei der Antragstellerin zu - wenn auch nicht näher substanziierten - Einnahmeausfällen. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend macht, hat sie nicht substanziiert dargelegt, inwieweit die Existenz ihres Betriebs gefährdet wäre. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern und keine bloßen Umsatz- und Gewinnchancen und geht auch nicht über die Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG hinaus (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 - juris Rn. 240 m.w.N.). Gleichwohl vergrößert sich die Gefahr für die wirtschaftliche Existenz eines Betriebs im Allgemeinen mit zunehmender Dauer eines Betriebsverbots.
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bb) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung und bliebe ein Normenkontrollantrag erfolglos, hätte die einstweilige Außervollzugsetzung des § 13 Abs. 1 6. BayIfSMV zur Folge, dass Schankwirtschaften jeder Art ab sofort und - vor einem Tätigwerden des Verordnungsgebers - ohne infektionsrechtliche Beschränkungen öffnen könnten. Dadurch wäre mit vermehrten Infektionen mit SARS-CoV-2 zu rechnen, auch wenn sich die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus inzwischen kontinuierlich abgeschwächt hat. Das Robert-Koch-Institut (im Folgenden: RKI) bewertet die Lage in Deutschland weiterhin als sehr dynamisch und ernstzunehmend. Auch wenn die Anzahl der neu übermittelten Fälle seit etwa Mitte März rückläufig ist, schätzt das RKI die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin insgesamt als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch (vgl. Risikobewertung vom 2.7.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobe-wertung.html). Dass das Pandemiegeschehen nach wie vor sehr ernst zu nehmen ist, zeigen auch einzeln auftretende Ausbruchsgeschehen, z.B. in fleischverarbeitenden Betrieben, Alters- und Pflegeheimen, Krankenhäusern sowie in Zusammenhang mit Familienfeiern und religiösen Veranstaltungen oder in Asylbewerberunterkünften (vgl. RKI, Lagebericht vom 22.7.2020 S. 1 u. 7 f., https://www.rki.de/DE/Content/Inf-AZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-07-22-de.pdf? blob=publica-tionFile).
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In Bayern besteht weiterhin eine zwar abgeschwächte, in ihrem Ausmaß aber schwer einzuschätzende Gefahr einer erneuten Verstärkung des Pandemiegeschehens, also eine Gefahr für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen mit der Möglichkeit einer Überforderung der personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist im Vergleich zur Situation Anfang bzw. Mitte Juni wieder leicht angestiegen (vgl. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Übersicht der Fallzahlen von Coronavirusinfektionen in Bayern, Fälle nach Meldedatum, Stand: 22.7.2020, vgl. https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/). Verschiedene lokale Ausbruchsgeschehen zeigen, wie fragil die Situation immer noch ist.
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cc) Bei der Beurteilung und Abwägung dieser Umstände müssen die mit den Betriebsschließungen beeinträchtigten Interessen insbesondere wirtschaftlicher Art, weiterhin zurücktreten (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 21; E.v. 8.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 121). Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 - juris Rn. 13), sind sie derzeit noch nachrangig, auch wenn Betriebsschließungen von derart langer Dauer einer besonderen Rechtfertigung im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit bedürfen.
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In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Schankwirtschaften seit der Öffnung der Außengastronomie zum 18. Mai 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 269) ein Betrieb im Freien unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 4 6. BayIfSMV erlaubt ist. Die Schankwirtschaft der Antragstellerin verfügt nach ihrer eigenen Darstellung über einen Außenbereich mit Sitzplätzen (vgl. Schriftsatz v. 17.7.2020, S. 2). Im Übrigen ist anzunehmen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Schließung der Innenräume durch die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen etwas abgemildert werden können.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 2. August 2020 außer Kraft tritt (§ 24 6. BayIfSMV i.d.F.d. Änderungsverordnung v. 14.7.2020), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).