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OLG München, Endurteil v. 14.02.2020 – 10 U 3953/19
Titel:

keine Unzulässigkeit der Feststellungsklage bei einer später möglichen Schadensbezifferung

Normenkette:
ZPO § 256
Leitsatz:
Eine ursprünglich zulässige Feststellungsklage wird auch nach der Neuregelung des Verjährungsrechts (OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2015, 8019) nicht deshalb unzulässig, weil im Lauf des Rechtsstreits eine Bezifferung und damit der Übergang zu einer Leistungsklage möglich werden (BGH BeckRS 1999, 30074856). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsklage, Zulässigkeit, Bezifferung, Leistungsklage, Rechtsstreit, Prozesswirtschaftlichkeit, Unfallschaden, Reparatur, Verjährungsrecht, Versicherung
Vorinstanz:
LG Traunstein, Endurteil vom 01.07.2019 – 7 O 1669/18
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1713

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 19.07.2019 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 01.07.2019 (Az. 7 O 1669/18) in Nr. III. und IV abgeändert und wie folgt neu gefasst:
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen Schaden zu 80% zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 07.05.2018 gegen 19.55 Uhr auf dem A.-Parkplatz im A.gelände in R. entstanden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 20%, die Beklagte zu 80%.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 78%, die Beklagte 22%.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

1
Nachdem die Berufung des Klägers im Übrigen durch Beschluss vom 08.10.2019 zurückgewiesen wurde, war nur mehr über den Antrag zu entscheiden, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen möglichen weiteren Schaden aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall zu 80% zu ersetzen sowie über die Kosten zu entscheiden.
2
Die auch insoweit statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
I.
3
Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für die weiteren unfallbedingten materiellen Schäden zu 80% verneint. Die insoweit ursprünglich zulässige Feststellungsklage wird nicht deshalb unzulässig, weil im Lauf des Rechtsstreits eine Bezifferung und damit der Übergang zu einer Leistungsklage möglich werden (vgl. BGH NJW 1996, 2725; BGH NJW 1999, 3774; Senat, Teil-Endurteil v. 08.09.2006, Az. 10 U 5438/05). Das Fahrzeug wurde erst im Lauf des Rechtsstreits teilweise repariert. Die Unfallschäden waren, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen in mündlicher Verhandlung (Protokoll v. 14.01.2019, S. 7 = Bl. 61 d.A.) ergibt, auch zum Zeitpunkt seiner Nachbesichtigung nur teilweise repariert, weshalb nach vollständiger Reparatur weitere materielle Schäden des Klägers wie etwa Nutzungsausfall oder Mietwagenkosten denkbar sind, die derzeit noch nicht bezifferbar sind. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Daran hat sich auch nach der Neuregelung des Verjährungsrechts nichts geändert (vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 28. Oktober 2014 - 22 U 175/13 -, Juris). Üblicherweise wird eine große Versicherung begründete Ansprüche regulieren, weshalb eine Feststellungsklage grundsätzlich ausreicht. Die generelle Feststellung der Ersatzpflicht kann verlangt werden, wenn nur noch Zukunftsschäden im Raum stehen. Der Geschädigte kann in einem solchen Falle nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden. Er braucht also sein Klagebegehren nicht in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufzuspalten Dass durch die Entscheidung die Verjährung auch hinsichtlich bereits entstandener Ansprüche für 30 Jahre gehemmt wird, ist im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Geschädigten hinzunehmen, der nach der Rechtsprechung des BGH die Schadensentwicklung insgesamt abwarten darf (OLG Frankfurt/Main aaO). Vorliegend ist die Schadensentwicklung wegen noch nicht erfolgter vollständiger Reparatur noch nicht vollständig abgeschlossen und die Versicherung ausreichend dadurch geschützt, dass ein lange abwartender Geschädigter im Hinblick etwa auf Preissteigerungen bzgl. der Reparatur- oder anderer Kosten Gefahr läuft, gegen seine Schadensminderungspflicht zu verstoßen.
II.
4
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz folgt aus §§ 92 I 1 Alt. 2, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da diese sich das Verhalten der für sie regulierenden Haftpflichtversicherung zurechnen lassen muss und diese Anlass zur Klageerhebung gegeben hatte. Das Schreiben des Klägervertreters vom 28.05.2018 mit Fristsetzung zur Zahlung bis 18.06.2018 blieb auch nach Fristablauf unbeantwortet. Auf zumindest zwei nach diesem Zeitpunkt mit der Haftpflichtversicherung geführte Telefonate des Klägervertreters erfolgte seitens der Haftpflichtversicherung zunächst keine Reaktion, weshalb Anlass zur Erhebung der am 29.06.2018 eingegangenen Klage gegeben war. Dass der Klägervertreter noch vor diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem mittels E-Mail übersandten Schreiben der Haftpflichtversicherung (mit welchem eine Teilregulierung angekündigt wurde) erhielt, ist nicht bewiesen. Unwidersprochen wurde die E-Mail an die E-Mail-Adresse der Kanzlei des Klägervertreters am 28. Juni um 18:33 Uhr nach Ende der Bürozeit übersandt und der Klägervertreter hat erklärt, hiervon vor Anhängigkeit keine Kenntnis erhalten zu haben.
5
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 92 I 1 Alt. 2 ZPO.
III.
6
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
IV.
7
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.