Titel:
Waffenbesitzverbot bzgl. erlaubnisfreier Waffen
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Abs. 2 Nr. 5, § 10 Abs. 4 S. 2, § 36 Abs. 1, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Nr. 8
AWaffV § 13
StPO § 153a Abs. 1
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 84, § 114 S. 1, § 124a Abs. 4, § 154 Abs. 1, § 167
Leitsätze:
1. Die Verwahrung einer (geladenen) Schreckschusswaffe in einem Rucksack im Kofferraum des Wagens genügt den Anforderungen an eine sorgfältige Aufbewahrung i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Aufbewahrung von Waffen in geladenem Zustand widerspricht grundlegenden Vorsichts- bzw. Sorgfaltsmaßgaben im Umgang bzw. bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG (Anschluss an BVerwG BeckRS 2014, 49109). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenbesitzverbot bzgl. erlaubnisfreier Waffen, Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften, Gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz, Verwahrung, Schreckschusswaffe, Kofferraum, Auto, Verfahrenseinstellung, Waffenbesitzverbot, Waffen, Waffenschein
Fundstelle:
BeckRS 2020, 17019
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen ein Besitz- und Erwerbsverbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition.
2
Am 7. Mai 2019 stellte der Kläger beim Landratsamt Erding (im Folgenden: Landratsamt) einen Antrag auf Erteilung eines Kleinen Waffenscheins.
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Mit Schreiben vom 6. September 2019 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, dass im Rahmen der vorgeschriebenen Zuverlässigkeitsprüfung die Kriminalpolizeiinspektion Erding eine Erkenntnis aus dem Jahr 2016 betreffend einen Verstoß gegen das Waffengesetz mitgeteilt habe. Nach Anforderung der Akte der Staatsanwaltschaft habe sich herausgestellt, dass der Kläger am 16. April 2016 am Parkplatz des V-Marktes in München seinen Rucksack abgestellt und vergessen habe. Einen Tag später, am 17. April 2016, habe er sich telefonisch bei der Polizei gemeldet und den Verlust mitgeteilt. In dem Rucksack habe sich eine geladene Schreckschusswaffe befunden, die der Kläger ebenfalls vergessen habe. Da er die Waffe im Rucksack zum V-Markt gebracht habe, habe ein Führen der Schreckschusswaffe bestanden, für welches der Kläger eine waffenrechtliche Erlaubnis (Kleiner Waffenschein) benötigt hätte. Diese sei jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden gewesen. Außerdem habe spätestens ab dem Verlust des Rucksacks die Möglichkeit eines Zugriffs für unberechtigte Personen auf eine geladene Schreckschusswaffe bestanden, da der Rucksack auf einem öffentlichen Parkplatz frei zugänglich gewesen sei. Das Verfahren sei nach Bezahlung einer Geldauflage gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt worden. Allerdings würden die geschilderten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit zum Führen von erlaubnisfreien Schusswaffen und Munition nach dem Waffengesetz nicht besitze. Der Antrag auf Erteilung eines Kleinen Waffenscheins müsse somit abgelehnt werden. Zusätzlich werde beabsichtigt, ein Waffen- und Munitionsbesitzverbot für erlaubnisfreie Schusswaffen und Munition zu erlassen. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Mit Schreiben vom 18. September 2019 nahm der Kläger daraufhin den Antrag auf Erteilung des Kleinen Waffenscheines zurück.
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Mit Bescheid vom 15. Oktober 2019 - zugestellt am 18. Oktober 2019 - stellte das Landratsamt das Verfahren auf Erteilung eines Kleinen Waffenscheines ein (Nr. 1). Dem Kläger wurde der Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Schusswaffen und Munition (auch tragbare Gegenstände siehe Auflistung in Anlage) ab Zustellung dieses Bescheides unbefristet untersagt (Nr. 2). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 2 dieses Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3). Dem Kläger wurden die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens auferlegt (Nr. 4). Es wurden Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 108,66 EUR festgesetzt (Nr. 5).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, das Verwaltungsverfahren sei durch die Antragsrücknahme vom 18. September 2019 in entsprechender Anwendung von§ 92 Abs. 2 VwGO einzustellen. Die Anordnung des Waffenbesitzverbotes für erlaubnisfreie Schusswaffen und Munition beruhe auf § 41 Abs. 1 WaffG. Der Kläger verfüge nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG, da der Kläger zum Führen der Schreckschusswaffe einen Kleinen Waffenschein benötigt hätte. Des Weiteren besitze der Kläger nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Eine Schreckschusswaffe sei immer so aufzubewahren, dass Dritte keinen Zugriff darauf haben könnten. Niemals dürfe diese unbeaufsichtigt zurückgelassen werden. Der Kläger sei als Erwerbswilliger im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG anzusehen. Außerdem könne die Behörde gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG einer Person den Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Schusswaffen und Munition untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle mit diesen Gegenständen geboten sei. Der vergessene Rucksack sei auf einem öffentlichen Parkplatz für jedermann zugänglich gewesen. Durch die sich darin befindliche geladene Schreckschusswaffe hätten durch unberechtigte Personen und auch Kinder große Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen können. Die Anordnungen nach § 41 WaffG würden in pflichtgemäßem Ermessen ergehen. Das Waffenbesitzverbot sei geeignet, die Erreichung der Ziele des Waffenrechts sicherzustellen. Durch das Waffenbesitzverbot werde sichergestellt, dass der Kläger keinen Zugang zu erlaubnisfreien Waffen und Munition erhalte bzw. diese sich nicht in seinem Besitz befänden. Dadurch werde eine missbräuchliche Verwendung von Waffen ausgeschlossen. Wissentlich eine erlaubnisfreie Waffe mit Munition ohne erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis zu führen, stelle eine Unberechenbarkeit dar. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen dringenden Gründen diese Waffe vom Kläger ohne Erlaubnis geführt worden sei. Auch sei keine Notwehrsituation vorhanden gewesen. Durch die leichtsinnige Handlung könne auch eine plötzliche Eigen- oder Fremdgefährdung nicht ausgeschlossen werden. Das Waffengesetz gehe davon aus, dass Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden seien, nur bei solchen Personen hingenommen werden könnten, die die Gewähr dafür bieten würden, dass sie verantwortungsbewusst mit der Waffe umgingen. Da der Kläger ohne erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis eine geladene Schreckschusswaffe geführt habe, könne ein verantwortungsbewusster Umgang mit Waffen und Munition nicht mehr gewährleistet werden. Das Waffenbesitzverbot sei erforderlich. Ein milderes, erfolgsversprechenderes Mittel existiere nicht. All die Auffälligkeiten würden Anlass zu der Vermutung geben, dass der Kläger das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setze, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf eine Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen verzichte, nicht verdiene. Es müsse befürchtet werden, dass der Kläger bei weiteren Verstößen gegen die Rechtsordnung unter Umständen auch jegliche Waffen verwenden oder wieder zulassen könnte, dass unberechtigte Personen diese verwenden könnten. Die Annahme, dass der weitere Umgang mit Waffen nicht zu verantworten sei, sei deshalb gerechtfertigt. Das Waffenbesitzverbot sei zum Schutz der Öffentlichkeit oder Dritter notwendig. Hinter dieses Interesse müssten die Rechtspositionen des Klägers im Rahmen der Abwägung zurücktreten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheids Bezug genommen.
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Gegen diesen Bescheid haben die Klägerbevollmächtigten am 18. November 2019 Klage erhoben.
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Zur Begründung wird vorgetragen, der Kläger sei am 16. April 2016 mit seiner Ehefrau zum V-Markt zum Einkaufen gefahren. Im abgeschlossenen Kofferraum des Fahrzeugs habe sich sein Rucksack befunden, in dem sich eine den Schusswaffen gleichgestellte, geladene SRS-Waffe (Schreckschusspistole) befunden habe. Nachdem der Kläger und seine Ehefrau die Einkäufe erledigt gehabt hätten, sei er mit diesen zum Fahrzeug gegangen und habe den Kofferraum geöffnet. Um Platz für die Einkäufe zu schaffen, habe der Kläger den Rucksack aus dem Kofferraum genommen und diesen neben das Fahrzeug gestellt. Dann habe er die Einkäufe in dem Fahrzeug verstaut, habe den Kofferraum geschlossen und sei mit seiner Frau zurück nach Hause gefahren. Den Rucksack habe er dabei vergessen. Der Bescheid sei in sich widersprüchlich. Der Tenor der Entscheidung beschränke das Verbot auf den Erwerb und den Besitz von erlaubnisfreien Schusswaffen und Munition, während in den Erläuterungen allgemein auf dem Waffengesetz unterfallende Gegenstände verwiesen werde. Diese Abweichung des Tenors vom Wortlaut des § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG sei nicht nachvollziehbar. Zudem seien in den Gründen der Entscheidung keine Ausführungen enthalten, die auf eine Ausübung des Ermessens schließen ließen. Das geschilderte Augenblicksversagen des Klägers rechtfertige die erlassene Entscheidung nicht. Das einmalige Versagen des Klägers rechtfertige nicht die Einschätzung, dass für den Fall des Umgangs auch mit an sich erlaubnisfrei zu erwerbenden Waffen Gefahren für die Rechtsordnung zu befürchten seien. Ein solches Versagen könne auch dem Durchschnittsbürger unterlaufen. Der angefochtene Bescheid stelle zudem darauf ab, dass das Waffenbesitzverbot erforderlich sei. Das Gesetz erfordere jedoch eine gesteigerte Anforderung im Sinne eines „geboten seins“. Der Kläger könne für sich ausschließen, dass ihm eine solche leichtsinnige Handlung erneut unterlaufen werde. Die Auswirkungen des Waffenbesitzverbots seien dagegen erheblich.
den Bescheid des Landratsamts Erding vom 15. Oktober 2019 - … - aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte wiederholt zur Begründung im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Bescheid vom 15. Oktober 2019. Ergänzend hierzu trägt der Beklagte vor, dass hinsichtlich des Vorwurfs der fehlenden Ermessensausübung auf die im Bescheid genannten Gründe verwiesen werde. Zudem habe der Kläger eine geladene Schreckschusswaffe geführt, so dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit Waffen und Munition nicht gewährleistet werden könne. Im Hinblick auf das Vorbringen, dass das Gesetz eine gesteigerte Anforderung im Sinne eines „geboten“ seins erfordere, sei auszuführen, dass dem Kläger aufgrund des Sachverhalts die nötige Zuverlässigkeit für den Umgang mit Schusswaffen und Munition fehle. Es sei gröblich gegen das Waffengesetz verstoßen worden.
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Ergänzend wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die beigezogene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte in dem Verfahren 257 Js 155977/16.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der Bescheid vom 15. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Einstellung des Verfahrens auf Erteilung eines Kleinen Waffenscheins in Nr. 1 des Bescheids nach § 92 Abs. 2 VwGO analog ist rechtmäßig. Rechtliche Bedenken hiergegen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Das in Nr. 2 angeordnete Verbot bzgl. Besitz und Erwerb erlaubnisfreier Waffen und Munition gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG ist ebenfalls rechtmäßig.
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Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition u.a. dann untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
18
Mit dieser allgemeinen Bezugnahme auf die Zuverlässigkeit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass alle in § 5 WaffG genannten Fälle herangezogen werden können, ohne weitere Differenzierungen oder Einschränkungen machen zu müssen, um ein Waffenbesitzverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG aussprechen zu können. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7758, S. 76) lässt wohl keine andere Interpretation zu. Diese Begründung zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG lautet: „Nummer 2 stellt nicht primär auf die Gefahrenlage ab. Hier geht es vielmehr darum, dass es einzelne Personen gibt, die durch ihr konkretes Verhalten ex negativo bewiesen haben, dass sie das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setzt, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf die Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen (hier: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit) verzichtet, nicht verdienen. In diesen Fällen ist ein Waffenverbot für den Einzelfall zulässig, wenn eine auf Tatsachen gestützte Annahme fehlender Eignung oder Zuverlässigkeit besteht (…).“ Mit der Neufassung dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber keine zusätzliche Prüfung verlangen, die zur Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung berechtigt, wie dies in § 40 WaffG a.F. noch gefordert worden war (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2006 - 21 ZB 06.428 - juris Rn. 5 ff.). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2007 - 21 CS 07.1446 - juris Rn. 10; vgl. auch B.v. 19.3.2010 - 21 CS 10.59 - juris Rn. 7 ff.).
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Der Kläger verfügt nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit u.a. Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
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Im Fall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geht es um die auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758, S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 51). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Die erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren. Nach dem Waffengesetz soll das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten und nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr. BVerwG, vgl. B.v. 2.11.1994 - 1 B 215/93 - juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 - 6 B 4/08 - juris Rn. 5; st. Rspr. BayVGH, vgl. zuletzt B.v. 5.10.2017 - 21 Cs 17.1300 - juris Rn. 11). Im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 - 21 CS 13.1969 - juris Rn. 14). Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die in § 36 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten rechtfertigt die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 - 21 CS 13.1564 - juris Rn. 12 m.w.N.). Hat ein Waffenbesitzer in diesem Sinne bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (st. Rspr. BayVGH, vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2013 - 21 CS 13.1758 - juris Rn. 12; B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris Rn. 12; B.v. 4.11.2015 - 21 CS 15.2023 - juris Rn. 15).
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Entsprechend diesen Grundsätzen ist der Kläger waffenrechtlich unzuverlässig i.S.v.§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, da er am 16. April 2016 die Schreckschusswaffe nicht ordnungsgemäß verwahrt und dadurch schwerwiegend gegen eine grundlegende Aufbewahrungsregel verstoßen hat.
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Eine sorgfältige Aufbewahrung i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG liegt nur dann vor, wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen oder Munition beachtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 - 21 ZB 15.1949 - juris Rn. 16). Die Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung sind in § 36 WaffG sowie insbesondere in dem diesen gemäß § 36 Abs. 5 WaffG konkretisierenden und ergänzenden § 13 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung - AWaffV - näher geregelt. Diese Anforderungen gelten auch für Schreckschuss-, Reizstoffsowie Signalwaffen und deren Munition (vgl. VG München, B.v. 10.6.2015 - M 7 S 15.1335 - juris Rn. 18). Nach§ 36 Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 2 und Abs. 9 AWaffV hat der Verpflichtete bei der vorübergehenden Aufbewahrung von Waffen im Sinne des Absatzes 2 oder von Munition außerhalb der Wohnung die Waffen und Munition unter angemessener Aufsicht aufzubewahren oder durch sonstige erforderliche Vorkehrungen gegen Abhandenkommen oder unbefugte Ansichnahme zu sichern, wenn die Aufbewahrung gemäß den Anforderungen des Absatzes 1 und 2 nicht möglich ist. Eine Verwahrung ist dabei nur dann sorgfältig, wenn die zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten sämtlich ausgenutzt werden, die Waffe so zu verwahren, dass ein Zugriff Unberechtigter nach Möglichkeit verhindert wird (Gade/Stoppa, Waffengesetz, 1. Aufl. 2011, § 5 Rn. 15).
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Die Verwahrung einer (geladenen) Schreckschusswaffe in einem Rucksack im Kofferraum des Wagens genügt diesen Anforderungen nicht. Dabei vermag auch der§ 13 Abs. 9 AWaffV innenwohnende Rechtsgedanke keine andere Beurteilung zu begründen. Zwar folgt aus diesem, dass es unter bestimmten Umständen bei einem nur kurzfristigen Verlassen des Pkw (Einnahme des Mittagessens, Einkäufe etc.) ausreichen kann, wenn Waffen und Munition in dem verschlossenen Fahrzeug so aufbewahrt werden, dass keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Art des Inhalts erkennbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 - 21 CS 17.1531 - juris Rn. 18 zu § 13 Abs. 11 AWaffV a.F.). Allerdings hat der Kläger auch unter Berücksichtigung dieses § 13 Abs. 9 AWaffV innenwohnenden Rechtsgedankens nicht alle erforderlichen Vorkehrungen i.S.v. § 36 Abs. 1 WaffG getroffen, um zu verhindern, dass seine Waffe abhanden kommt oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Denn dadurch, dass er den Rucksack mit der geladenen Schreckschusswaffe aus dem verschlossenen Fahrzeug herausgenommen und neben diesem abgelegt hat, hat er diesen gerade aus der (vorübergehend) sicheren Sphäre des verschlossenen Fahrzeugs entfernt. Er hat hierdurch den Rucksack mitsamt Schreckschusswaffe in eine Sphäre gebracht, in der ein Abhandenkommen bzw. eine Ansichnahme durch unbefugte Dritte möglich war. Indem er anschließend den Rucksack einschließlich Schreckschusswaffe vergessen und unbeaufsichtigt auf dem Parkplatz zurückgelassen hat, hat sich die Gefahr realisiert, die durch die Aufbewahrungsvorschriften gerade verhindert werden soll. Der Rucksack mit samt Schreckschusswaffe wurde von einem unbefugten Dritten an sich genommen. Dabei ist es ausschließlich dem Umstand, dass diese Person den Rucksack dem Sicherheitsdienst des Einkaufsmarktes übergeben hat, zu verdanken, dass die Schreckschusswaffe nicht unwiederbringlich abhanden gekommen ist und sich in Besitz einer unbefugten Person befindet. Somit hat der Kläger gerade nicht alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um ein Abhandenkommen bzw. eine Ansichnahme durch unbefugte Dritte zu verhindern. Vielmehr hat sich die Unzulänglichkeit der Verwahrung in dem Vergessen und dem Auffinden durch eine unbefugte Person realisiert.
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Es handelt sich bei dem konkreten Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten angesichts der Gesamtumstände auch nicht lediglich um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 - 6 C 30/13 - juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 31.7.2015 - 21 CS 15.1156 - juris Rn. 12). Denn zwar mögen die Umstände außergewöhnlich und untypisch gewesen sowie das Verhalten des Klägers weder leichtfertig noch grob fahrlässig gewesen sein. § 36 Abs. 1 WaffG stellt - ausweislich seines Wortlauts - jedoch weder auf die Umstände der Verwahrung noch auf das Verhalten des Waffeninhabers ab, sondern erfordert vielmehr ausschließlich, dass die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um ein Abhandenkommen oder eine Ansichnahme durch unbefugte Dritte zu verhindern. Aus welchen Gründen diese nicht getroffen wurden bzw. welcher Verschuldensgrad dem zugrunde liegt, ist demgegenüber im Rahmen von§ 36 Abs. 1 WaffG nicht maßgeblich. Entscheidend ist, dass der Kläger nicht alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, die erforderlich gewesen wären, um ein Abhandenkommen seiner Waffe zu verhindern. Gemessen am Gesetzeszweck ist dem Verstoß gegen § 36 Abs. 1 WaffG damit mehr als nur ein geringes Gewicht zuzumessen.
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Hinzu kommt, dass die Schreckschusswaffe zudem geladen war. Auch hieraus folgt die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers. Denn die Aufbewahrung von Waffen in geladenem Zustand widerspricht grundlegenden Vorsichts- bzw. Sorgfaltsmaßgaben im Umgang bzw. bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2014 - 6 B 36/13 - juris Rn. 5).
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Diese Verstöße gegen die Aufbewahrungsvorschrift des § 36 Abs. 1 WaffG rechtfertigen die Prognose, dass der Kläger seine Waffen auch künftig nicht sorgfältig verwahren wird. Denn vor dem Hintergrund, dass eine unsorgfältige und gesetzeswidrige Aufbewahrung den Übergang von der legalen zur illegalen Schusswaffe erleichtert, schlagen Aufbewahrungsmängel daher insbesondere auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) durch (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 - 21 CS 17.1531 - juris Rn. 16). Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG kann schon ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 - 21 CS 17.1531 - juris Rn. 16). Denn der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen und/oder Munition ausgehenden Gefahren soll gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden. Dementsprechend berührt jeder Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, jedenfalls im Sinn einer abstrakten Gefährdung (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 - 21 CS 13.1564 - juris Rn.12). Der negativen Zukunftsprognose steht vorliegend nicht der Einwand entgegen, dass der Kläger nicht grob fahrlässig bzw. leichtfertigt gehandelt habe. Denn anders als § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG stellt§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ausschließlich auf eine sorgfältige Verwahrung und nicht auf einen missbräuchlichen oder leichtfertigen Umgang ab. Der Kläger hat - entsprechend den obigen Ausführungen - jedoch gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung nach § 36 Abs. 1 WaffG verstoßen. Insbesondere diese Folge sowie der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen und damit die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen, rechtfertigen die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers. In Anbetracht des Gefahren vorbeugenden Charakters der Regelung und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist nicht hinzunehmen abzuwarten, ob der Kläger seine Lehren aus dem Vorfall gezogen hat und künftig in vergleichbaren Situationen seine Waffe ordnungsgemäß verwahren wird. Dieses Restrisiko ist im Interesse eines umfassenden Schutzes der Allgemeinheit nicht hinzunehmen.
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Schließlich folgt die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers auch aus§ 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die u.a. gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben. Der Kläger hat am 16. April 2016 die Schreckschusspistole in geladenem Zustand mit sich geführt, ohne über den hierfür erforderlichen Kleinen Waffenschein i.S.v. § 10 Abs. 4 Satz 2 WaffG zu verfügen. Dies stellt einen gröblichen Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften dar (vgl. BayVGH, B.v. 18.11.2019 - 21 CS 19.966 - juris Rn. 12).
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Die Ermessensausübung bzgl. des Waffenbesitz-/erwerbsverbots durch den Beklagten ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (§ 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat - wie sich aus den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids ergibt - das ihm zustehende Ermessen erkannt und zweckgerecht sowie im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG), nämlich den Besitz von erlaubnisfreien Waffen, insbesondere zur Abwehr der auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition ausgehenden Gefahren untersagt. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Besitzverbot mit dem sich aus der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ergebenden Sicherheitsrisiko begründet worden ist. Im Hinblick auf den Zweck des Waffengesetzes, den Umgang mit Schusswaffen und Munition zu begrenzen und den zuverlässigen und sachkundigen Umgang mit Waffen zu gewährleisten, um die naturgemäß aus dem Besitz und Gebrauch von Waffen resultierenden erheblichen Gefahren einzugrenzen und überwachen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2010 - 21 CS 10.59 - juris Rn. 14), ist das strafbewehrte Besitz- und Erwerbsverbot (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG) ein geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition im Besitz des nicht zuverlässigen Klägers ausgehen, ist nicht ersichtlich. Das Waffenbesitzverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Ein besonderes Bedürfnis für den Waffenbesitz hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Verbot um einen Dauerverwaltungsakt handelt, dessen unbefristete Anordnung die Eintragung in das Bundeszentralregister sowie die Unterrichtung der örtlichen Polizeidienststelle zwecks künftiger Überwachung des Verbots nach sich zieht, führt nicht zu dessen Unverhältnismäßigkeit, da dies aus der Eigenart der Maßnahme selbst folgt. Der Kläger hat zudem die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag auf Aufhebung des Verbots zu stellen.
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Schließlich sind auch gegen die Kostenentscheidung (Nr. 4 und 5 des Bescheids) rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
31
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.