Inhalt

VG München, Beschluss v. 05.02.2020 – M 28 K 19.5754
Titel:

Rechtsschutz gegen eine Verwarnung ohne Verwarnungsgeld

Normenketten:
GVG § 17a Abs. 2 S. 1
OWiG § 56 Abs. 1 S. 2, § 62 Abs. 1 S. 1
VwGO § 40 Abs. 1, § 173
Leitsatz:
Auch eine Verwarnung ohne Verwarnungsgeld nach § 56 Abs. 1 S. 2 OWiG stellt eine Maßnahme iSv § 62 Abs. 1 S. 1 OWiG dar, gegen die nicht lediglich Gegenvorstellung oder Dienstaufsichtsbeschwerde möglich sind. Sachlich zuständig für eine gerichtliche Entscheidung zu einer solchen Verwarnung ist damit das Amtsgericht. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht, Verwarnung ohne Verwarnungsgeld (Betrieb eines Baustellenradios), Rechtsschutz gegen eine Verwarnung ohne Verwarnungsgeld, Immissionswert, Ordnungswidrigkeit, Betrieb eines Baustellenradios, Verwarnung ohne Verwarnungsgeld, sachliche Zuständigkeit, Amtsgericht
Fundstelle:
BeckRS 2020, 17016

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Traunstein verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die auf Anzeigen von Nachbarn beruhende behördliche Beanstandung des Betriebs eines Baustellenradios.
2
Am 13. August 2019 gingen beim Landratsamt Traunstein zwei Ordnungswidrigkeitenanzeigen der Polizeiinspektion … ein. Der Kläger habe am 18. Juli 2019 (15.55 - 16.30 Uhr) und am 20. Juli 2019 (9.00 - 17.30 Uhr) während Renovierungsarbeiten an einem Anwesen mit einem Radio laute Musik abgespielt und hierdurch die Nachbarschaft gestört. Es liege eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 OWiG vor.
3
Mit Schreiben des Landratsamts Traunstein vom 12. November 2019 wurde der Kläger gemäß § 56 OWiG schriftlich verwarnt und „eindringlich ermahnt“, die im Schreiben genannten Vorschriften in Zukunft zu beachten. Der Kläger habe am 18. Juli 2019 und am 20. Juli 2019 durch das Aufdrehen seines Radios Lärm verursacht, der geeignet war, die Nachbarschaft zu belästigen und damit gegen § 117 Abs. 1 OWiG verstoßen.
4
Der Kläger erhob am 19. November 2019 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
5
festzustellen, dass der Betrieb des Baustellenradios „Makita DMR 112“ auf maximal möglicher Stufe 30 unmittelbar an dem Anwesen … … nicht rechtswidrig ist und keinerlei Ruhestörung darstellt; weiter festzustellen, dass die Verwarnung vom 12. November 2019 des Beklagten rechtswidrig ist.
6
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es gebe seit längerer Zeit aus unterschiedlichen, für den Kläger nicht nachvollziehbaren Anlässen Streit mit Nachbarn eines zu sanierenden Anwesens in … Der Kläger sei auch mehrfach, zuletzt am 20. Juli 2019, wegen Ruhestörung bei der Polizei angezeigt worden, weil er sein Baustellenradio außerhalb der gesetzlichen Ruhezeiten bei den Sanierungsarbeiten genutzt habe. Die in einem Dorf-/Mischgebiet zulässigen Immissionswerte könnten von dem Radio, das lediglich eine Leistung von 3,5 Watt habe, nicht erreicht werden. Schon nach 7 m auf dem Gerüst sei das Radio, das stets in einer Ecknische stehe, nicht mehr zu hören. „Die Beklagte“, gemeint ist wohl eine Nachbarin, werde immer wieder die Polizei benachrichtigen, da der Kläger das Radio bei Bauarbeiten weiter in Betrieb haben werde. Der Streit habe nun ein Stadium erreicht, das eine Klage notwendig mache, um Rechtsfrieden zu schaffen. Der Kläger habe eine rechtswidrige „Gefälligkeitsverwarnung“ bekommen, sein Feststellungsinteresse sei deshalb gegeben. Die Feststellungsklage solle klären, ob der Beklagte mit der Behauptung einer Ruhestörung Recht habe oder nicht. Sollte das Verwaltungsgericht nicht zuständig sein, werde die Verweisung an das Amtsgericht Traunstein beantragt.
7
Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 17. Dezember 2019,
8
die Klage abzuweisen
9
und führte im Kern aus: Die vom Kläger vorgebrachten Argumente rechtfertigten kein Absehen von der ausgesprochenen Verwarnung. Mit einer Verweisung an das Amtsgericht Traunstein bestehe Einverständnis.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenvorgänge verwiesen.
II.
11
Für den Rechtsstreit ist der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht eröffnet.
12
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Letzteres ist hier der Fall:
13
Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG kann u.a. der Betroffene gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von einer Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren getroffen werden, die gerichtliche Entscheidung beantragen. Über den Antrag entscheidet das nach § 68 OWiG zuständige Gericht, § 62 Abs. 2 Satz 1 OWiG, mithin das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat.
14
Die Kammer folgt der nicht unumstrittenen Rechtsauffassung, dass nicht nur die Verwarnung mit Verwarnungsgeld - sie ist unstreitig Maßnahme i.S.v. § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1993 - 11 ER 400/93 - juris) - sondern auch eine Verwarnung ohne Verwarnungsgeld nach § 56 Abs. 1 Satz 2 OWiG wie vorliegend eine Maßnahme i.S.v. § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG darstellt und dagegen nicht lediglich Gegenvorstellung oder Dienstaufsichtsbeschwerde möglich sind (Hanseatisches OLG Hamburg, B.v. 14.5.1987 - VAs 19/86, VAs 20/86 - juris; Kurz in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 62 OWiG Rn. 4; Seith in Blum/Gassner/Seith, OWiG, 1. Aufl. 2016, § 56 OWiG Rn. 23; aA: Bohnert/Krenberger/Krumm in Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 56 OWiG Rn. 35; Straßer in BeckOK OWiG, Stand 15.9.2019, § 56 OWiG Rn. 141).
15
Der Rechtsstreit ist daher nach § 173 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG - nach erfolgter Anhörung der Beteiligten - an das (örtlich zuständige, Art. 5 Abs. 2 Nr. 66 BayGerOrgG) Amtsgericht Traunstein zu verweisen.
16
Anzumerken bleibt, dass der vorliegenden Klage ein über den in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fallender - ggf. abzutrennender und in der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts verbleibender - Streitgegenstand nicht entnommen werden kann. Die begehrte Feststellung, dass der Betrieb des Baustellenradios nicht rechtswidrig sei, wird ersichtlich nur im Zusammenhang mit der (Nicht-)Qualifikation des Handelns des Klägers als „Ruhestörung“ begehrt, mithin einer ordnungswidrigkeitsrechtlichen Kategorie. Auch ist ein sonstiges verwaltungsbehördliches Handeln, etwa auf den Grundlagen des verhaltensbezogenen Immissionsschutzrechts oder sonstigen öffentlichen Nachbarrechts, bislang weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert geltend gemacht. Einer diesbezüglichen - vorbeugenden - Feststellungsklage würde im Übrigen auch das als qualifizierte Form des Rechtsschutzbedürfnisses erforderliche Feststellungsinteresse fehlen.
17
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17 b Abs. 2 GVG der Entscheidung des Amtsgerichts vorbehalten.