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VG Augsburg, Urteil v. 07.01.2020 – Au 6 K 17.35550
Titel:

Keine Anerkennung als Asylberechtigter nach Einreise aus Schweden - türkischer Asylsuchender

Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 30 Abs. 2, § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsätze:
1. Da alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder auf Grund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Verfolgung sich als eine politische darstellt, liegt darin, dass sie im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Eigenart der allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen steht, also - im Unterschied etwa zu einer privaten Verfolgung - einen öffentlichen Bezug hat, und von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der der Verletzte unterworfen ist, sowie wegen des asylerheblichen Merkmals erfolgt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da in der Türkei strenge Ausreisekontrollen stattfinden, wird von türkischen Staatsangehörigen, gegen welche ein vom türkischen Innenministerium oder von einer Staatsanwaltschaft verhängtes Ausreiseverbot vorliegt und die auf einer entsprechenden Liste stehen, bereits die Erteilung eines Reisepasses versagt oder sie werden bei Besitz eines Reisepasses an der Ausreise gehindert. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, Wirtschaftliche Probleme, Unbehelligte Ausreise auf dem Luftweg, Einreise auf dem Landweg, Offensichtlich unbegründete Klage, türkischer Staatsangehöriger, Türkei, Drittstaatenregelung, Kinderlähmung, Schweden, politische Verfolgung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz, sicherer Drittstaat
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1689

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Der seinem vorgelegten Nüfus und Reisepass (Kopien BAMF-Akte Bl. 88 ff.) zu Folge am ... 1982 in ... in der Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit muslimischer Religionszugehörigkeit und hielt sich vor seiner Ausreise zuletzt in ... in der Türkei auf (BAMF-Akte Bl. 52). Er reiste nach eigenen Angaben am ... 2016 von ... aus auf dem Luftweg mit eigenem Reisepass und einem von Deutschland für die Zeit vom 18. März 2016 bis 17. März 2017 erteilten Schengen-Visum aus der Türkei aus und nach ... in der Schweiz, dann mit dem Auto nach Deutschland, mit dem Flugzeug nach Schweden, anschließend mit dem Flugzeug nach Finnland, anschließend mit dem Flugzeug nach Schweden und schließlich wieder mit dem Flugzeug nach Deutschland ein, wo er Asyl beantragte. In seinem Reisepass sind zahlreiche Ein- und Ausreisestempel enthalten, u.a. ein Einreisestempel vom 3. April 2016 in ... (ebenda Bl. 91), ein Ausreisestempel vom 3. April 2016 in ... (ebenda Bl. 94) sowie weitere ältere Stempel. Er wurde am 14. Juni 2017 am Flughafen ... aufgegriffen (ebenda Bl. 113 ff.).
2
In seiner auf Türkisch geführten Dublin-Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Juli 2017 gab der Kläger im Wesentlichen an (BAMF-Akte Bl. 4 ff.), er habe Bruder, Onkel und Cousin in ... sowie einen Cousin in Österreich. Er habe die Türkei am 5. April 2016 verlassen und sei in die Schweiz gereist und am 5. April 2016 mit dem Auto nach Deutschland (ebenda Bl. 5). Zwischenaufenthalte in der Schweiz, in Finnland, Schweden und der Schweiz könne er nicht belegen.
3
In seiner auf Türkisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 26. Juli 2017 gab der Kläger im Wesentlichen an (BAMF-Akte Bl. 50 ff.), er habe die Türkei am 4. April 2016 verlassen, sei von ... mit dem Flugzeug nach ... in der Schweiz gereist, mit dem Auto nach Deutschland, dann mit dem Flugzeug jeweils nach Schweden, nach Finnland, wieder nach Schweden und schließlich nach Deutschland. Die Schleuser seien mitgeflogen, er sei mit der Fluggesellschaft ... unterwegs gewesen und die Reise sei von Schleusern organisiert worden. Es habe keine Schwierigkeiten oder Probleme gegeben. Sie hätten auch die Flugtickets für ihn gekauft. Er habe seinen Reisepass ganz legal bei den Behörden beantragt und bekommen, das Visum aber sei durch die Schleuser organisiert worden (ebenda Bl. 52). In Deutschland sei er ungefähr einen Monat bei seinem Bruder in ... gewesen und von dort weg, weil er in Schweden über einen Freund, der dort ein Restaurant habe, Aufenthalt habe bekommen wollen. In Schweden habe er sich ungefähr 4 Monate bei dem Freund aufgehalten, sei aber dort vom Schleuser gefunden worden und deswegen nach Finnland, wo er etwa 2 Monate geblieben sei, bei einem Freund aus ihrem Dorf, bis er gehört habe, dass die Schleuser ihn auch dort suchten, deswegen sei er zurück nach Schweden und habe sich dort ungefähr eineinhalb Monate aufgehalten. Schweden habe er verlassen, weil er von den Schleusern geschlagen und ihm 2 Rippen gebrochen worden seien; er wisse nicht, wie sie ihn gefunden hätten, er sei aus dem Café raus und eingeschlagen worden. Sie hätten Geld von ihm verlangt und schimpften, dass er nicht gezahlt habe. Deshalb seien es die Schleuser und nicht einfach nur Schläger oder Räuber gewesen. Andere Leute hätten ihm geholfen und er habe entkommen können (ebenda Bl. 52 f.). Danach habe er nur in Deutschland Asyl beantragt (ebenda Bl. 53).
Die Reise habe ungefähr 10.000 EUR gekostet. Er habe aber das Geld für die Reise nicht gehabt, sondern den Schleusern zwar das Geld versprochen, habe es aber gar nicht an die Schleuser zahlen können, deshalb hätten sie ihn gesucht. Wenn er tatsächlich so viel Geld hätte, wäre er nicht nach Deutschland gekommen. Seine Familie und sein Bruder lebten von der Landwirtschaft und von 100 Schafen, die seinem Bruder gehörten; Flächen hätten sie keine (ebenda Bl. 53).
Erstmals sei er am 5. April 2016 nach Deutschland eingereist und in ... angekommen. Ein Cousin hätte ihn vom Flughafen in ... abgeholt und zum Bruder nach ... gebracht. Das 2. Mal sei er am 12. oder 13. Juni 2017 in Deutschland eingereist und habe dann Asyl beantragt. Danach habe er Deutschland nicht mehr verlassen (ebenda Bl. 53).
Seine Eltern lebten in der Türkei im eigenen Haus, auch ein Bruder und Onkel (ebenda Bl. 54). Der Kläger habe 5 Jahre die Schule besucht und abgeschlossen, sei aus der Schule aber entlassen worden, weil er Kinderlähmung gehabt habe und deswegen nicht gut schreiben könnte. Er habe keinen Beruf gelernt, sondern als Schafhirte für seinen Bruder gearbeitet und immer wenn Lämmer verkauft wurden, das Geld für ein Lamm bekommen, das seien ungefähr 100 EUR für ein ganzes Jahr Arbeit (ebenda Bl. 54).
Seinen Wehrdienst habe er 7 Monate lang im Jahr 2002 geleistet, die Soldaten hätten ihm dort sein linkes Bein gebrochen, weil sie ihm nicht glaubten, dass er Kinderlähmung habe, er sei dort nicht ärztlich sondern nur von einer alten Frau und falsch behandelt worden, deshalb habe er bis heute Probleme mit dem etwas kürzeren Bein und könne nicht mehr richtig auftreten (ebenda Bl. 54).
Zu seiner Familie habe er vor 6 oder 7 Monaten telefonischen Kontakt gehabt, sie hätten sich über ihn wegen der Sache mit den Schleusern geärgert und deshalb hätten sie kaum Kontakt (ebenda Bl. 54).
Zu seinen Ausreisegründen gab er an, er habe 12 Monate für seine Familie gearbeitet und dafür nur ungefähr 100 EUR im Jahr bekommen und sie hätten immer wieder einmal Zigaretten für ihn gekauft; das sei einfach menschenunwürdig, er habe damals nur von seiner Familie weggehen und woanders leben und arbeiten wollen (ebenda Bl. 54).
Weiter habe er früher Kinderlähmung gehabt und deshalb auch Schwierigkeiten mit Armen und Beinen, beim Militär sei ihm das Bein gebrochen und danach falsch behandelt worden, wegen seiner Behinderung habe ihn in der Türkei niemand heiraten wollen und auch deswegen habe er das Land verlassen (ebenda Bl. 55).
Schließlich habe er große Schwierigkeiten mit den Schleusern, die ihn suchten, verfolgten und Geld von ihm wollten; als sie im Flughafen in ... angekommen seien, sei er weggerannt, in das Auto von seinem Cousin und sie seien weggefahren. Seit dem suchten ihn die Schleuser. Er wisse nicht, wie sie ihn in Schweden gefunden hätten. Vielleicht über Facebook oder Internet, vielleicht sei das ein Fehler gewesen, dass man habe herausfinden können, wo er sei. Die Schleuser wollten von ihm das Geld, seine Familie in der Türkei ließen sie aber in Ruhe, wenn sie ihn erwischten, würden sie ihn umbringen, weil er das Geld nicht zahlen könne (ebenda Bl. 55). Er sei nie Mitglied einer Partei oder Organisation gewesen, auch nicht engagiert, für solche Sachen habe er kein Interesse und keine Zeit gehabt, er habe jeden Tag gearbeitet (ebenda Bl. 55).
Auf Frage, ob er in der Türkei persönlich bedroht oder gefährdet gewesen sei, gab er an, in ihrer Gegend sei er nicht persönlich bedroht und auch nicht in Gefahr gewesen. Bei ihnen in den Dörfern seien die Menschen friedlich. Nur ein einziger habe einmal über Erdogan geschimpft und deswegen eine Woche ins Gefängnis gehen müssen. Alle anderen seien friedlich. Alle, die gegen Erdogan seien, sollten in die Berge gehen mit ihm kämpfen; wenn Erdogan dem Kläger schaden würde, würde er auch seine Familie nicht in Ruhe lassen. Aber damit hätten sie keine Probleme gehabt. In der Türkei habe er auch keine Probleme oder Schwierigkeiten gehabt, wegen denen er bei der Polizei oder den Behörden nach Schutz oder Hilfe hätte nachfragen müssen. Das seien familiäre Probleme (ebenda Bl. 55).
Seine Probleme mit den Schleusern hätten angefangen, als er bereits im Ausland gewesen sei (ebenda Bl. 55).
Mit Polizeibehörden in der Türkei habe er noch nie Schwierigkeiten oder Probleme gehabt, er habe nichts angestellt, sei nicht gesucht worden und es gab auch keine Haftbefehle gegen ihn (ebenda Bl. 56).
Auf Frage nach einem Wechsel in eine andere Gegend erklärte er, in ihrer Umgebung würden sich alle untereinander kennen und er habe sehr große Angst vor seinem Bruder, der ihn sehr oft geschlagen habe, als der Kläger noch klein war. Wenn der gewusst hätte, dass sich der Kläger irgendwo anders in der Türkei aufhalte, hätte er ihn dort wieder abgeholt (ebenda Bl. 56).
… Seit er in Deutschland sei, habe er keinen Kontakt zu den Schleusern, da er zwischenzeitlich seine Internet-Verbindungen geändert habe; sie wüssten nicht, dass er in Deutschland sei (ebenda Bl. 56).
Für den Fall seiner Rückkehr in die Türkei fürchte er, er würde wieder wie ein Schaf leben, es würde keinen Unterschied zu früher geben, er müsste wieder für seine Familie leben, kaum Geld bekommen und sein Bruder würde ihn wieder schikanieren (ebenda Bl. 56).
4
Auf dem Kontrollbogen bestätigte der Kläger, es habe bei der in türkischer Sprache durchgeführten Anhörung keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben, das rückübersetzte Protokoll entspreche seinen Angaben und diese seien vollständig und entsprächen der Wahrheit (BAMF-Akte Bl. 10).
5
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 23. November 2017 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) sowie auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Nr. 4) ab. Die Abschiebung in die Türkei wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen, weil der Kläger eine Verfolgung im Herkunftsstaat nicht habe glaubhaft machen können. Eine konkrete Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal habe er nicht erlitten. Er habe die Türkei nur aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Auch Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der Türkei würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei angemessen. Schutzwürdige Belange seien nicht vorgetragen worden.
6
Gegen diesen ihm am 24. November 2017 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 8. Dezember 2017 Klage mit dem Antrag:
I.
7
Der Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2017 wird aufgehoben.
II.
8
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft festzustellen.
III.
9
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei vorliegen.
10
Weiter ließ er nichts zur Begründung ausführen.
11
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
12
Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.
13
Mit Beschluss vom 30. Oktober 2019 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage, über die trotz Ausbleibens der Beteiligten verhandelt werden konnte, da sie zuvor darauf hingewiesen worden waren (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist offensichtlich unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) offensichtlich keinen Anspruch auf Asyl, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 23. November 2017 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
16
1. Der Kläger hat offensichtlich keinen Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a GG.
17
a) Vorliegend schließt bereits die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG die Asylzuerkennung offensichtlich aus.
18
Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Da alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder auf Grund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.1995 - 9 C 73/95 - BVerwGE 100, 23). Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - DVBl 1996, 729) immer dann ein, wenn feststeht, dass der Ausländer nur über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein kann.
19
Dies ist vorliegend wegen der Einreise über Schweden der Fall. Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet daher nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG aus. Ausnahmen nach § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG liegen nicht vor.
20
b) Der Kläger hat auch in der Sache offensichtlich nach § 30 Abs. 2 AufenthG keinen Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a GG, weil er sich aus wirtschaftlichen Gründen in Deutschland aufhält, aber keine Verfolgung erlitten oder zu befürchten hat.
21
Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung und sie ist politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Allgemein liegt dem Asylgrundrecht die von der Achtung der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmte Überzeugung zugrunde, dass kein Staat das Recht hat, Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des Einzelnen aus Gründen zu gefährden oder zu verletzen, die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen (asylerhebliche Merkmale); von dieser Rechtsüberzeugung ist das grundgesetzliche Asylrecht maßgeblich bestimmt. Eine notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Verfolgung sich als eine politische darstellt, liegt darin, dass sie im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Eigenart der allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen steht, also - im Unterschied etwa zu einer privaten Verfolgung - einen öffentlichen Bezug hat, und von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der der Verletzte unterworfen ist, sowie wegen des asylerheblichen Merkmals erfolgt (vgl. grundlegend BVerfG, U.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 ff., juris Rn. 38 f., 44).
Auch eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen, kann grundsätzlich politische Verfolgung sein, und zwar auch dann, wenn der Staat hierdurch das Rechtsgut des eigenen Bestandes oder seiner politischen Identität verteidigt. Es bedarf einer besonderen Begründung, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen (vgl. grundlegend BVerfG, U.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 ff., juris Rn. 52 f.).
Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung ist die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit. Verfolgungsmaßnahmen Dritter sind dem Staat daher zuzurechnen, wenn er schutzfähig, aber er nicht bereit oder nicht in der Lage ist, mit den ihm verfügbaren Mitteln Schutz zu gewähren (vgl. BVerfG, U.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 ff., juris Rn. 46). Ist politische Verfolgung hiernach grundsätzlich staatliche Verfolgung, so steht dem nicht entgegen, dass die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung dem Staat solche staatsähnlichen Organisationen gleichstellt, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen (vgl. BVerfG, U.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 ff., juris Rn. 40 a.E.).
Daher fehlt es an der Möglichkeit politischer Verfolgung, solange der Staat bei offenem Bürgerkrieg im umkämpften Gebiet faktisch nur mehr die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive Ordnungsmacht aber nicht mehr besteht. Gleiches gilt in bestimmten Krisensituationen eines Guerilla-Bürgerkriegs. In allen diesen Fällen ist politische Verfolgung allerdings gegeben, wenn die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, vollends wenn ihre Handlungen in die gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität eines nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Bevölkerungsteils umschlagen (vgl. grundlegend BVerfG, U.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 ff., juris Rn. 56 ff.).
22
Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist erst dann politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann (inländische Fluchtalternative). Eine inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass der Asylsuchende in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (vgl. grundlegend BVerfG, U.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315 ff., juris Rn. 61 f., 66).
23
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keine politische Verfolgung erlitten… Da er legal auf dem Luftweg ausgereist ist, hat er unbehelligt die staatlichen Kontrollen passieren können, was gegen eine staatliche Verfolgung bzw. überhaupt ein staatliches Interesse am Kläger spricht. Der Kläger hat auch als einzige Ausreisegründe die schlechte Behandlung durch seinen Bruder in der Kindheit und die ihm ungenügende Bezahlung als Erwachsener für die Tätigkeit als Hirte, die schlechte Bezahlung, die fehlende Perspektive einer Heirat in der Türkei sowie die im Jahr 2002 erfolgte Misshandlung während des Wehrdienstes als Fluchtgründe bezogen auf die Türkei sowie die Angst vor den Schleusern, die in Europa seine Schulden bei ihnen eintreiben wollten, benannt. Hierin liegt keine politische Verfolgung. Die Misshandlung während des Wehrdienstes war nicht fluchtauslösend, weil der Kläger ausweislich der Ausund Einreisestempel in seinem Reisepass auch frühere Ausreisen nicht zum Anlass nahm, im Ausland Schutz zu suchen, sondern sich nach der Ableistung des Wehrdienstes noch eineinhalb Jahrzehnte in der Türkei aufhielt . Soweit er familiäre Probleme geltend macht, sind diese unter keinem Gesichtspunkt dem türkischen Staat zuzurechnen, mit dem der Kläger nach eigenen Angaben nie Probleme hatte und den er auch nicht um Schutz nachgesucht hat. Die Schleuser mögen den Kläger tatsächlich verfolgen und suchen, stellen jedoch mangels Territorialgewalt oder staatlicher Duldung keinen einem staatlichen Verfolger gleichzustellenden privaten Dritten dar und sind auch nicht spezifisch zielstaatsbezogen zurechenbar. Nach alledem ist der Kläger lediglich aus privaten und wirtschaftlichen Gründen ins Ausland geflohen, soweit seine Angaben als glaubhaft zugrunde gelegt werden können. Da der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, obgleich er nach § 102 VwGO darauf hingewiesen worden ist, dass auch ohne ihn verhandelt werden kann, hat er seinen Vortrag auch nicht weiter substantiiert.
Schließlich hätte der Kläger, wie von der Beklagten erkannt, eine inländische Fluchtalternative in der Westtürkei.
24
2. Der Kläger hat aus denselben Gründen offensichtlich auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
25
Gegen ein staatliches Verfolgungsinteresse spricht neben den o.g. Gründen auch die unbehelligte Ausreise mit eigenem Reisepass. Da in der Türkei strenge Ausreisekontrollen stattfinden, wird türkischen Staatsangehörigen, gegen welche ein vom türkischen Innenministerium oder von einer Staatsanwaltschaft verhängtes Ausreiseverbot vorliegt und die auf einer entsprechenden Liste stehen, bereits die Erteilung eines Reisepasses versagt oder sie werden bei Besitz eines Reisepasses an der Ausreise gehindert (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das BAMF vom 11.6.2018, S. 1 f.; näher dazu unten). Eine unbehelligte Ausreise ist daher ein Indiz gegen das Vorliegen eines Haftbefehls oder einer Ausreisesperre (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 10.4.2019 an das VG Regensburg, S. 2 f. zu Frage 7) und damit gegen ein staatliches Verfolgungsinteresse.
26
3. Der Kläger hat aus den von der Beklagten zutreffend ausgeführten Gründen auch offensichtlich keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG.
27
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
28
5. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).