Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 01.07.2020 – AN 4 K 19.02370
Titel:

Weiterbildungspflicht für Versicherungsvermittler

Normenketten:
GewO § 34d Abs. 9, § 34e
RL (EU) 2016/97 Art. 10 Abs. 2
VersVermV § 1, § 5, § 7 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Weiterbildungspflicht nach § 7 VersVermV gilt ungeachtet des Grundes, weshalb ursprünglich auf eine Sachkundeprüfung verzichtet werden konnte. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Weiterbildungspflicht nach § 7 VersVermV ist als jährlich wiederkehrende Pflicht geregelt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Weiterbildungspflicht für Versicherungsvermittler stellt eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung dar.  (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Weiterbildungspflicht für Versicherungsvermittler, jährliche Pflicht zur Weiterbildung unabhängig von der Frage des Sachkundenachweises, Weiterbildungspflicht, Sachkundeprüfung, Versicherungsvermittler, Berufsausübungsregelung, Berufsfreiheit, Erlaubnis, Sachkundenachweis
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.08.2021 – 22 ZB 20.1840
Fundstellen:
BeckRS 2020, 16698
GewA 2020, 450
LSK 2020, 16698

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung der Beklagten zur Vorlage einer Erklärung über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht als Versicherungsvermittlerin für das Kalenderjahr 2018.
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Die Klägerin ist als Versicherungsvermittlerin tätig. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine Erklärung über die Erfüllung der Weiterbildungsverpflichtung nach § 34d Abs. 9 Satz 2 GewO i.V.m. § 7 Abs. 1 VersVermV für das Jahr 2018 vollständig ausgefüllt und unterschrieben bis zum 20. November 2019 zu übersenden.
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Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, diese Verpflichtung bestehe seit 23. Februar 2018. Versicherungsvermittler und -berater haben demnach einen Weiterbildungsumfang von 15 Stunden je Kalenderjahr nachzuweisen.
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Hiergegen erhebt der Geschäftsführer der Klägerin mit Schriftsatz vom 28. November 2019 Klage und beantragt,
Die Anordnung der Vorlage der Erklärung zur Erfüllung ihrer Weiterbildungspflicht als Versicherungsvermittler für das Kalenderjahr 2018 vom 29. Oktober 2019 der Beklagten wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihre Erlaubnis für den Geschäftsgegenstand Versicherungsmakler gemäß § 34d Abs. 1 GewO mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 erhalten. Die Erlaubnis habe die Klägerin im Rahmen der sogenannten „Alte-Hasen-Regelung“ (Bestandsschutzregelung) ohne Sachkundeprüfung erhalten. Der Gesetzgeber habe bei diesen „Alten-Hasen“ eine Sachkundeprüfung für nicht erforderlich gehalten. Hieraus folge, dass der Gesetzgeber für diese Personen eine gesetzliche Weiterbildungspflicht für nicht erforderlich halte. Dies sei selbstverständlich. Gemäß §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 letzter Satz VersVermV vom 17. Dezember 2018 sei der Geschäftsführer … nicht gesetzlich fortbildungspflichtig.
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Die Beklagte erwidert mit Schriftsatz vom 23. Januar 2020 und beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Klage sei abzuweisen, da die Anordnung der Beklagten vom 29. Oktober 2019 rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze. Zugleich habe die Beklage ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Der Klägerin, die als … GmbH im Handelsregister des Amtsgerichts … mit der HRB … und der Geschäftsanschrift …, … Str., eingetragen sei, sei mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 die Erlaubnis erteilt worden, als Versicherungsmaklerin gemäß § 34d Abs. 1 GewO tätig zu werden, und unter der Registrierungsnummer … ins Vermittlerregister eingetragen zu werden. Bei Erlaubniserteilung habe der gesetzliche Vertreter den Nachweis der Nichterforderlichkeit der Sachkunde auf der Grundlage der Bestandsschutzregelung nach § 1 Abs. 4 VersVermV erbracht. Hierzu habe er eine Vielzahl von Unterlagen eingereicht. Diese haben nachweislich eine ununterbrochene Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters im Bereich der Versicherungsvermittlung seit dem 31. August 2000 bis zur Antragstellung belegt. Mit streitgegenständlichen Bescheid wurde die Klägerin aufgefordert, eine Erklärung über die Weiterbildungsmaßnahmen für das Kalenderjahr 2018 gegenüber der Beklagten abzugeben. Die Weiterbildung müsse mindestens den Anforderungen der ausgeübten Tätigkeit des zur Weiterbildung Verpflichteten entsprechen und die Aufrechterhaltung seiner Fachkompetenz und seiner personalen Kompetenz gewährleisten. Weder die Gewerbeordnung noch die Versicherungsvermittlungsverordnung sehen in § 34d GewO und in § 7 VersVermV eine Befreiung oder eine Ausnahme von der Weiterbildungspflicht für Personen vor, die aufgrund der Bestandschutzregelung für die Erlaubniserteilung keinen Sachkundenachweis führen mussten. Zwar lasse der erfolgreiche Erwerb der in § 5 VersVermV genannten Berufsqualifikation gemäß § 7 Abs. 1 Satz 7 VersVermV die Weiterbildungspflicht entfallen, die Weiterbildungspflicht gelte aber für alle Gewerbetreibenden nach § 34d GewO unabhängig davon, in welcher Form der Sachkundenachweis erbracht worden sei. Eine Befreiung der Weiterbildungspflicht für Gewerbetreibende liege ebenfalls nicht vor. Im Gegensatz zum Sachkundenachweis, der lediglich den Zugang zur Ausübung des Berufs des Versicherungsvermittlers eröffne, diene die Weiterbildung gerade der Aufrechterhaltung der beruflichen Handlungsfähigkeit. Angesichts der hohen Bedeutung der Weiterbildungspflicht, die durch die Versicherungsvertriebsrichtlinie erstmals vorgegeben werde, sei ein wirksamer Vollzug dadurch zu gewährleisten, dass die Gewerbetreibenden im Rahmen einer behördlichen Überwachung die Erfüllung der Weiterbildungspflicht bestätigen. Das Gesetz knüpft bei der Weiterbildungspflicht am Vorliegen der Erlaubnis an. Die Weiterbildungspflicht solle dazu dienen, um ein angemessenes Leistungsniveau aufrechtzuerhalten, das den von Gewerbetreibenden wahrgenommenen Aufgaben und dem jeweiligen Markt entspreche.
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Die Klägerin lässt mit weiterem Schriftsatz vom 12. Mai 2020 erwidern. Vorsorglich für den Fall, dass gemäß der Rechtsauffassung der Beklagten für den Geschäftsführer der Klägerin eine Fortbildungspflicht bestanden habe, werde darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer … … dieser Fortbildungspflicht nicht nachkommen habe können. Er bzw. die GmbH habe von der Beklagten keine Informationen bzw. Hinweise für Fortbildungsveranstaltungen erhalten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, für Fortbildungsveranstaltungen Sorge zu tragen mit einem versicherungsunabhängigen Referenten. Die Kläger habe auch von privaten Anbietern keine Veranstaltungsangebote erhalten. Im Übrigen werde vorsorglich vorgetragen, dass eine Teilnahme an solchen Veranstaltungen nicht zumutbar wäre. Fortbildungsveranstaltungen von Referenten, die von einer Versicherungsgesellschaft bezahlt werden, seien im Ergebnis wertlos, da sie im Wesentlichen reine Werbeveranstaltungen seien.
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Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 erklärt sich die Beklagte mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und mit der Übertragung auf den Einzelrichter einverstanden. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 erklärt die Klägerin sich mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter sowie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Weiterbildungspflicht für Versicherungsvermittler gilt für die Klägerin auch vor dem Hintergrund, dass der Geschäftsführer der Klägerin keine gesonderte Sachkundeprüfung ablegen musste.
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1. Die verbeschiedene Anforderung des Fortbildungsnachweises basiert auf § 34d Abs. 9 Satz 2 Gewerbeordnung (GewO) i.V.m. § 7 der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und - beratung (VersVermV). § 7 Abs. 3 VersVermV ermächtigt die zuständige Industrie- und Handelskammer, dem Gewerbetreibenden gegenüber eine Abgabe der Erklärung zur Erfüllung der Weiterbildungspflicht nach Anlage 4 der Verordnung anzuordnen.
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Die VersVermV basiert insgesamt auf der Ermächtigungsgrundlage des § 34e GewO (für die Weiterbildungsverpflichtung vgl. § 34e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c GewO) und dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb.
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2. Die Voraussetzungen zum Erlass des Bescheides liegen vor.
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Die Beklagte hat, als die Erlaubnis ursprünglich erteilende Stelle, der Klägerin als Gewerbetreibende im Sinne des § 34 d Abs. 9 Satz 2 GewO die Abgabe einer Erklärung mit dem Inhalt nach dem Muster der Anlage 4 über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht angeordnet. Die Anordnung ergeht gegenüber der Klägerin als Erlaubnisinhaberin, die nach § 34 d Abs. 9 Satz 1 GewO, die unmittelbar bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkende Personen nur beschäftigen darf, wenn sie deren Zuverlässigkeit geprüft hat und sicherstellt, dass diese Personen über die für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung sachgerechte Qualifikation verfügt. Der Geschäftsführer der Klägerin kann sich mit Blick auf die Weiterbildungspflicht nicht auf sein im Januar 1970 abgeschlossenes zweites juristisches Staatsexamen berufen.
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Die Weiterbildungspflicht nach § 7 VersVermV gilt ungeachtet des Grundes, weshalb ursprünglich auf eine Sachkundeprüfung verzichtet werden konnte. Der Erwerb einer in § 5 VersVermV angeführten Berufsqualifikation, zu der nach § 5 Abs. 2 auch der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums gehört, gilt nach der Fiktion des § 7 Abs. 1 Satz 7 VersVermV zwar als Weiterbildung. Die Weiterbildungspflicht nach § 7 ist aber als jährlich wiederkehrende Pflicht geregelt. Das heißt, dass § 7 Abs. 1 Satz 7 VersVermV nicht dahingehend verstanden werden kann, dass der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums den Betroffenen dauerhaft von der Weiterbildungspflicht befreit.
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Das ergibt sich weiter auch sprachlich aus der Vorschrift, die von „Erwerb einer Berufsqualifikation“, also von dem Ereignis an sich, spricht. Eine allgemeine Ausnahme von der Weiterbildungspflicht für Inhaber von Berufsqualifikationen nach § 5 VersVermV wurde gerade nicht normiert.
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Für eine Abweichung von der zugrundeliegenden Richtlinie (EU) 2016/97 gibt es keinen Anhaltspunkt. Vielmehr betont Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 (EU) 2016/97, dass die Herkunftsmitgliedsstaaten dafür Sorge tragen, dass Versicherungsvermittler den Anforderungen ständiger beruflicher Schulung und Weiterbildung genügen, um ein angemessenes Leistungsniveau aufrechtzuerhalten, das den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben und dem entsprechenden Markt entspricht. Mit dem Wort „ständiger“ ist nochmal dargelegt, dass auch der EU-Normgeber von einer dauerhaften Weiterbildungsverpflichtung ausgeht. Die Richtlinie enthält keinen Hinweis darauf, dass die Weiterbildungspflicht bei Inhabern einer bestimmten Berufsqualifikation entfällt.
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3. Die im Bescheid getroffene Anordnung ist verhältnismäßig.
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a) Mit Blick auf die Berufsfreiheit von Art. 12 Abs. 1 GG handelt sich bei der Weiterbildungspflicht um eine Berufsausübungsregelung der Versicherungsvermittlungstätigkeit. Eine Berufsausübungsregelung kann getroffen werden, soweit vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 7, 377).
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Der Nachweis der Weiterbildungspflicht dient einem legitimen Zweck und ist zum Erreichen dieses Zweckes geeignet. Nach § 7 Abs. 1 VersVermV sollen die zur Weiterbildung verpflichteten ihre berufliche Handlungsfähigkeit erhalten, anpassen oder erweitern (Satz 1). Mit Blick auf das Berufsbild des Versicherungsvermittlers (§ 34d Abs. 1 GewO) handelt es sich insoweit um vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls. Der Versicherungsvermittler ist bei seiner Tätigkeit insbesondere im besonderen Maße auf die Kenntnis der am Markt vorhandenen Produkte Dritter angewiesen.
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Der Nachweis ist zum Erreichen des Ziels auch erforderlich. Ein milderes Mittel als die in § 7 Abs. 1 Satz 3 VersVermV normierten Nachweismöglichkeiten sind dem Gericht nicht ersichtlich, da sie insbesondere auch die Möglichkeit zum Selbststudium umfassen. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist die Weiterbildung lediglich zu dokumentieren.
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Die Argumentation, wonach unabhängige Fortbildungsangebote nicht existieren und dem Geschäftsführer der Klägerin auch solche nicht gemacht worden seien, läuft ins Leere. Das ergibt sich bereits aus der Möglichkeit zum Selbststudium. Zwar dürfte dem Geschäftsführer der Klägerin dahingehend zu folgen sein, dass Anbieter für Fortbildungsveranstaltungen regelmäßig bestimmte Produkte im Blick haben, die sie bewerben. Umgekehrt wird hierdurch das Erfordernis der Weiterbildung verdeutlicht. Denn es ist gerade die Aufgabe des Versicherungsvermittlers den Überblick über die Versicherungsprodukte einschließlich ihrer Vor- und Nachteile zu haben. Das kann, die Argumentation der Klägerin zugrunde gelegt, durch den Besuch von Veranstaltungen unterschiedlicher Anbieter ohne weiteres sichergestellt werden.
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Nicht ersichtlich ist ein Umsetzungsmangel vor dem Hintergrund der Richtlinie (EU) 2016/97.
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b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Weiterbildungspflicht die Klägerin individuell unverhältnismäßig trifft. Das gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie der europarechtlichen Grundfreiheiten.
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4. Daher war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO.