Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 13.07.2020 – W 8 E 20.815
Titel:

Zwingende elektronische Antragstellung für die Corona-Soforthilfe für freischaffende Künstler

Normenkette:
GG Art. 3
Leitsätze:
1. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass in den Förderrichtlinien der Corona-Soforthilfen für freischaffende Künstler festgelegt wird, dass die Antragstellung elektronisch zu erfolgen hat. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Fehlen eines eigenen häuslichen Internetanschlusses und der Besitz eines technisch veralteten Smartphones begründen keinen atypischen Fall, in dem von dem Erfordernis einer elektronischen Antragstellung abgewichen werden müsste. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilverfahren, Auslegung des Antrags, Corona-Soforthilfe für freischaffende Künstler, Künstlerhilfsprogramm, Antragstellung nur elektronisch möglich, keine willkürlichen Förderrichtlinien, keine Ungleichbehandlung, kein atypischer Ausnahmefall, elektronische Antragstellung für Antragsteller trotz fehlenden häuslichen Internetanschluss und veralteten Mobiltelefon möglich und zumutbar, Förderrichtlinien, ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, Formlosigkeit des Verwaltungsverfahrens, elektronische Form, Online-Antragstellung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.08.2020 – 6 CE 20.1677
Fundstelle:
BeckRS 2020, 16365

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass ihm eine Antragstellung für eine Förderung aus dem Hilfsprogramm für freischaffende Künstlerinnen und Künstler des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (Corona-Soforthilfe für freischaffende Künstler - Künstlerhilfsprogramm) in nicht-elektronischer Form ermöglicht wird.
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Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben als freier Wirtschaftsjournalist und Buchautor tätig. Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 wandte er sich an die Regierung von Unterfranken und beantragte eine Corona-Soforthilfe für freischaffende Künstler in Höhe von insgesamt 3.000,00 EUR.
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Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 teilte die Regierung von Unterfranken mit, dass der Antrag nicht weiterbearbeitet werden könne, da die Beantragung der begehrten Förderung aus dem Künstlerhilfsprogramm ausschließlich online möglich sei.
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Mit Schreiben vom 25. Mai 2020 wandte sich der Antragsteller an das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und beantragte wiederum eine Corona-Soforthilfe in Höhe von insgesamt 3.000,00 EUR und bat um eine schriftliche Verbescheidung des Antrags, da bei ihm derzeit kein Internetzugang und keine E-Mailadresse mehr bestehe.
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Mit Schreiben vom 5. Juni 2020 teilte das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst mit, dass der Antrag bei der zuständigen Bezirksregierung gestellt werden müsse und eine Antragstellung nur online möglich sei. Hinsichtlich seines Anliegens einer händischen Eingabe durch einen Sachbearbeiter müsse sich der Antragsteller an die Regierung von Unterfranken wenden.
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Mit Schreiben datiert auf 20./21. Juni 2020 - bei Gericht eingegangen am 23. Juni 2020 - stellte der Antragsteller einen Eilantrag und erhob Klage (W 8 K 20.814) wegen „technologischer Diskriminierung“. Er beantragt,
das aktuelle Hilfsprogramm für freischaffende Künstlerinnen und Künstler, aufgelegt Mitte Mai 2020 durch die Bayerische Staatsregierung, exekutiert durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, respektive die Regierung von Unterfranken, schriftlich, also händisch zu beantragen und nicht ausschließlich über den elektronischen Weg einzureichen;
festzustellen, dass Anträge für das Hilfsprogramm für freischaffende Künstlerinnen und Künstler auch postalisch und somit schriftlich, also händisch und nicht nur online, also alleine auf dem elektronischen Weg, gestellt werden können.
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Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus: Durch die allein mögliche elektronische (online) Antragstellung werde er technologisch diskriminiert. Er verfüge seit März 2011, also seit nunmehr über neun Jahren, über keinen häuslichen Internet-Zugang mehr. Dieser sei vom Internet-Provider wegen Zahlungsschwierigkeiten gesperrt worden. Dies hätte einen negativen Schufa-Eintrag zur Folge gehabt, weshalb ihm auch andere Provider keinen Internet-Zugang mehr zur Verfügung stellen würden. Sein Smartphone stamme aus dem Jahr 2011 und gelte als technologisch veraltet. Er könne selbst profane Apps wie „WhatsApp“ oder Wetter-Apps nicht aufspielen und auch nicht die „Corona-Warn-App“. Ein Erwerb eines neuen Smartphones sei aus finanziellen Gründen derzeit nicht möglich. Bis Mitte März 2020 habe der Antragsteller zumindest eingeschränkt den in der Stadtbücherei S. zur Verfügung gestellten Internet-Zugang nutzen können, was aber wegen der Corona-Schutz-Maßnahmen bis zum Tag der Einreichung des Antrags bei Gericht nicht mehr möglich sei. Sein aktuelles Buchprojekt liege brach. Er sei dringend auf die Soforthilfe angewiesen, da seine Vermieterin bereits Räumungsklage angedroht habe. Die ihm gegenüber erfolgte „digitale Diskriminierung“ verstoße gegen Art. 3 GG.
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Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2020 beantragte die Regierung von Unterfranken für den Antragsgegner, den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Das Antragsbegehren sei dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO eine Feststellung begehre, dass Anträge für das Künstlerhilfsprogramm auch schriftlich gestellt werden könnten. Ein solcher Antrag sei unbegründet, da jedenfalls kein Anordnungsanspruch gegeben sei. Ziffer 6 Satz 4 der Richtlinien für die Gewährung von finanziellen Hilfen für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) betroffenen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler („Künstlerhilfsprogramm“) sehe vor, dass die Antragstellung mit den notwendigen Erklärungen elektronisch erfolge. Zwar gelte der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens und damit, dass Anträge an keine bestimmte Form gebunden seien. Jedoch könne das entsprechende materielle Recht gleichwohl eine bestimmte Form der Antragstellung vorschreiben, wie es hier geschehen sei. Ein Anspruch auf schriftliche Antragstellung ergebe sich für den Antragsteller insbesondere nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG, denn bei den Finanzhilfen aus dem Künstlerhilfsprogramm handle es sich um eine freiwillige Billigkeitsleistung des Staates, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Dies habe auch für einen Anspruch auf eine bestimmte Form der Antragstellung zu gelten. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei es vielmehr geboten, dass auch der Antragsteller - ebenso wie alle anderen Antragsteller - einen elektronischen Antrag stellen müsse, da er andernfalls gegenüber den anderen Antragstellern bessergestellt würde. Der Antragsteller sei nicht bereit, die nötige Kraft aufzuwenden, sich den Zugang zum Internet auf andere Weise zu verschaffen. Das Argument, er habe seit über neun Jahren keinen häuslichen Internetzugang, vermöge nicht zu überzeugen. Das Internet sei heutzutage allgegenwärtig und es sei dem Antragsteller problemlos zuzumuten, sich die Möglichkeit des Zugangs zum Internet auf andere Weise zu verschaffen. Es gebe in den Städten zahlreiche WLAN-Zugriffspunkte („Hotspots“) und vereinzelt Internetcafés. So habe beispielsweise der Inhaber eines Internetcafés in W. gegenüber dem Beklagten telefonisch angegeben, dass persönlich Termine vereinbart werden könnten. Selbst wenn man in der elektronischen Antragstellung eine Ungleichbehandlung zu Lasten des Antragstellers sehen wolle, so sei Ziffer 6 Satz 4 des Künstlerhilfsprogramms jedenfalls nicht willkürlich, sondern aus einem sachlichen Grund so geregelt worden. Es handle sich bei dem vorliegenden Künstlerhilfsprogramm um ein Masseverfahren, in welchem die Vorteile der Verwaltungsdigitalisierung mehr denn je an Bedeutung gewännen. Es sei Aufgabe einer modernen Verwaltung, diese Verfahren im Interesse der Antragsteller zügig und verfahrensökonomisch durchzuführen. Diese Aufgabe solle durch die elektronische Verfahrensausgestaltung im Interesse aller Antragsteller bestmöglich erfüllt werden. Abschließend sei noch darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner durchaus die Möglichkeit einer händischen Eingabe der Informationen des Antragstellers durch einen Sachbearbeiter der Regierung gedacht habe. Dies sei jedoch an der Erforderlichkeit der Angabe einer persönlichen E-Mailadresse, über die der jeweilige Sachbearbeiter mit dem Kläger kommunizieren könne und über die das Verwaltungsverfahren durch Zustellung eines Bescheids zum Abschluss komme.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (einschließlich betreffend das Klageverfahren W 8 K 20.814) Bezug genommen.
II.
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Bei verständiger Würdigung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) des Vorbringens des Antragstellers ist sein Antrag dahingehend auszulegen, dass er eine einstweilige Anordnung dahingehend begehrt, dass ihm durch den Antragsgegner ermöglicht wird, einen Antrag auf Gewährung von einer finanziellen Hilfe aufgrund der Richtlinien für die Gewährung von finanziellen Hilfen für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) betroffenen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler (Künstlerhilfsprogramm), schriftlich und nicht auf dem elektronischen Weg zu stellen.
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Der so verstandene Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber unbegründet, da der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Für den weitergehenden Antrag auf generelle Feststellung, dass Anträge für das Hilfsprogramm für freischaffende Künstlerinnen und Künstler auch postalisch und somit schriftlich, also händisch und nicht nur online, also alleine auf dem elektronischen Weg, gestellt werden können, bleibt daneben kein Raum. Die begehrte schriftliche Antragstellung durch den Antragsteller persönlich ist bereits von der obigen Auslegung des Antrags umfasst. Einem darüber hinaus gehenden Antrag fehlt entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO die Antragsbefugnis, da nicht ersichtlich ist, woraus sich eine - auch nur mögliche - Rechtsverletzung des Antragstellers durch die allein elektronische Möglichkeit der Antragstellung durch alle anderen potentiellen Förderungsempfänger, ergeben sollte.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund einer im Verfahren des Eilrechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung ein Anordnungsgrund, also ein Grund für die erhöhte Eilbedürftigkeit der Entscheidung besteht und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht wird (vgl. § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO).
Im Einzelnen:
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1. Aufgrund der Tatsache, dass die perspektivisch begehrte Soforthilfe aus dem Künstlerhilfsprogramm ausweislich der hierzu einschlägigen Förderrichtlinien (Nr. 6 Sätze 1-3) bis spätestens 30. September 2020 beantragt werden muss und auch der Leistungszeitraum mit Ablauf dieses Tages endet, hat der Antragsteller vorliegend zumindest einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Er kann im Ergebnis nicht darauf verwiesen werden ein etwaiges Obsiegen in der Hauptsache (W 8 K 20.814) zuzuwarten, da es ihm noch nicht um die begehrte Förderung in der Sache geht, sondern vielmehr um die bloße Antragstellung. Diese ist wie dargestellt nur zeitlich begrenzt möglich und darüber hinaus eine spätere Antragstellung den maximalen Förderbetrag reduziert, ist eine besondere Eilbedürftigkeit anzunehmen.
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2. Gleichwohl fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, also des materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung - die schriftliche Antragstellung.
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Die begehrte einstweilige Anordnung würde zudem im Hinblick auf die begehrte schriftliche Antragstellung die Hauptsache vorwegnehmen. Eine solche eingeschränkte Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären und eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache besteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 25. Aufl. 2019, Rn. 13 und 14).
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Letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, da der Antragsteller in der Hauptsache nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts voraussichtlich nicht obsiegen wird. Dabei kann es für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahinstehen, ob die isolierte Klage des Antragstellers auf schriftliche Antragstellung vor dem Hintergrund von § 44a VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, zulässig ist, oder ob der Antragsteller sein Vorbringen nicht mit einer Klage gerichtet auf eine Förderung aus dem Künstlerhilfsprogramm selbst geltend machen muss.
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Denn der Antragsteller hat jedenfalls keinen Rechtsanspruch darauf, seinen Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe aus dem Künstlerhilfsprogramm schriftlich bei der Regierung von Unterfranken zu stellen.
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a.) Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen förderrechtlichen Grundsätzen. Denn auch die Förderung aus dem Künstlerhilfsprogramm stellt eine freiwillige Maßnahme des Freistaats Bayern dar, die im billigen Ermessen und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO) auf Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien gewährt wird. Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung (st. Rspr. der Kammer, zuletzt B.v. 18.6.2020 - W 8 E 20.736 sowie Ue.v. 25.5.2020 - W 8 K 19.1546 und W 8 K 20.330; U.v. 13.1.2020 - W 8 K 19.364 - alle juris jeweils m.w.N. zur Rspr.).
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Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung bzw. des Förderverfahrens ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 - 19 B 96.3964 - juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 - M 15 K 07.5555 - juris Rn. 30).
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Sind die Fördervoraussetzungen (einschließlich der Verfahrensvorschriften) - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 - 10 C 15.14 - BVerwGE 152, 211 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 - 4 ZB 10.1689 - juris Rn. 19; BayVGH. B.v. 27.7.2009 - 4 ZB 07.1132 - juris Rn. 13).
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Aufgrund des freiwilligen Charakters einer Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Förderungsempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 - M 31 K 19.203 - juris Rn. 15). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 - 2 BVG 1/51 - juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
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Vorstehende Grundsätze sind dabei konsequenterweise nicht allein für die Gewährung einer Förderung an sich, sondern gleichermaßen für die Durchführung des der Förderung vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens einschließlich der hier streitigen Art der Antragstellung entsprechend heranzuziehen. Ausgehend hiervon begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Antragsgegner in den einschlägigen Förderrichtlinien in Nr. 6 Satz 4 festlegt, dass die Antragstellung elektronisch zu erfolgen hat und diese Richtlinien auch in ständiger Verwaltungspraxis so anwendet.
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Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Antragsgegner in den Förderrichtlinien eine elektronische Antragstellung vorsieht, da hierfür sachliche Gründe gegeben sind. Zum einen handelt es sich bei dem Künstlerhilfsprogramm des Freistaates Bayern um eine Förderung die potentiell auf eine Vielzahl an möglichen Förderungsempfängern abzielt, nämlich letztlich die Gesamtheit der freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, welche im Freistaat Bayern ihren Hauptwohnsitz haben (Nr. 2.1 Satz 1 der Förderrichtlinien). Aufgrund dessen und der Tatsache, dass neben der Soforthilfe für Künstler auch andere Soforthilfeprogramme (etwa Soforthilfe für kleine Unternehmen und solo-Selbstständige) zur Bewältigung der finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie aufgelegt wurden, handelt es sich bei der Förderung aus dem Künstlerhilfsprogramm und den anderen Soforthilfeprogrammen um Masseverfahren, deren Bewältigung im elektronischen Wege - wie auch vom Antragsgegner zutreffend ausgeführt - deutlich erleichtert wird. Vor dem Hintergrund einer effektiven Verwaltungsarbeit und auch dem Sinn und Zweck einer Soforthilfe, nämlich diese möglichst zeitnah zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe oder Zahlungsschwierigkeiten an den Förderungsempfänger auszuzahlen, liegt in der konkreten Ausgestaltung des Antragsverfahrens im elektronischen Wege ein sachlicher willkürfreier Grund.
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Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Formlosigkeit des Verwaltungsverfahrens. So verlangt das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) zwar keine bestimmte Form für Anträge, weshalb diese grundsätzlich mündlich, schriftlich und auch konkludent gestellt werden können (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 22 Rn. 51). Dies gilt allerdings nur soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist. Insbesondere kann das Fachrecht besondere Formvorschriften für die Antragstellung enthalten (vgl. Ramsauer a.a.O.; Schmitz in Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 22 Rn. 43). Wenn also der Antragsgegner in seinen Förderrichtlinien eine elektronische Antragstellung vorsieht, ist dies aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
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b.) Der Antragsteller wird zudem nicht entgegen der ständigen Verwaltungspraxis gleichheitswidrig benachteiligt, indem ihm eine schriftliche Antragstellung verweigert wird. Es ergibt sich aus den Ausführungen des Beklagten in der Antragserwiderung jedenfalls konkludent, dass eine Antragstellung für alle potentiellen Förderungsempfänger allein auf dem hierfür vorgesehenen elektronischen Weg erfolgt. Somit wird der Antragsteller genauso behandelt, wie alle anderen Antragsteller auch, weshalb es bereits vor diesem Hintergrund an der von ihm gerügten Ungleichbehandlung fehlt.
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c.) Vorliegend liegt des Weiteren keine atypische Fallgestaltung aufgrund Besonderheiten des Einzelfalles vor, welche eine abweichende Sichtweise rechtfertigen würde.
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Ausgangspunkt ist - wie ausgeführt - die ständige Förderpraxis bzw. Handhabung der Förderrichtlinien in Bezug auf die Art der Antragstellung in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 41 ff.).
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Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris).
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Ein solch atypischer Fall ergibt sich hier nicht aus der persönlichen Situation des Antragstellers. Auch wenn der Antragsteller nach eigenen Angaben keinen häuslichen Internet-Zugang sowie ein technologisch veraltetes „Smartphone“ besitzt und zudem derzeit auch keine Möglichkeit hat, die Internetarbeitsplätze in der Stadtbücherei S. zu nutzen, erscheint es der Kammer nicht als unmöglich oder unzumutbar, dass der Antragsteller den Antrag auf Gewährung der Soforthilfe aus dem Künstlerhilfsprogramm dennoch auf dem elektronischen Wege stellt.
32
Es existieren anderweitige zumutbare Möglichkeiten für den Antragsteller, sich Zugang zum Internet zu verschaffen, beispielsweise die Nutzung eines der zahlreichen „WLAN-Hotspots“ in der Stadt Schweinfurt nahe dem Wohnort des Antragstellers (vgl. https://www.regionet-sw.de/service/hotspots-der-stadt/#:~:text=HotSpots%20in%20Schweinfurt,Hadergasse%20oder%20an%20der%20Kunsthalle.; abgerufen am 13.7.2020) oder aber die Nutzung des Internets über Bekannte, die gegebenenfalls über einen Internet-Zugang verfügen. Ferner besteht die Möglichkeit, wie vom Antragsgegner in der Antragserwiderung angesprochen, ein Internetcafé zu besuchen und über die dortigen Internetarbeitsplätze den Antrag elektronisch zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht über die erforderliche persönliche E-Mailadresse zur Antragstellung verfügen sollte, so ist er diesbezüglich auf die zahlreichen kostenlosen Anbieter von E-Maildiensten zu verweisen. All dies erscheint für den Antragsteller aus Sicht der Kammer möglich und zumutbar.
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Nach alledem liegt in der persönlichen Situation des Antragstellers kein atypischer Fall begründet, aus welchem dieser einen Anspruch auf eine schriftliche Antragstellung herleiten kann.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 1.4 entsprechend des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Streitwert war vorliegend auf 1.500,00 EUR festzusetzen. Da das vorliegende Verfahren nicht die Gewährung der Förderung aus dem Künstlerhilfsprogramm an sich, sondern die Art der Antragstellung zum Gegenstand hat, welche in ihrem Wert hinter dem Wert der Förderung selbst zurückbleibt, war in entsprechender Anwendung von Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs die vom Antragsteller perspektivisch begehrte Förderung in Höhe von 3.000,00 EUR für das vorliegende Verfahren hälftig anzusetzen. In Bezug auf die schriftliche Antragstellung begehrt der Antragsteller die Vorwegnahme der Hauptsache (W 8 K 20.814) handelt, eine weitere Halbierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs nicht vorzunehmen war.