Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 12.05.2020 – AN 17 K 19.00943, AN 17 K 20.00022
Titel:

Nachbarschutz bei Hochwassergefahren

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 6
WHG § 76 Abs. 1 S. 1, § 77, § 78 Abs. 5 Nr. 1a
BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 1a, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 71
Leitsätze:
1. Ist eine Baugenehmigung noch nicht bestandskräftig, so ist die vom Vorbescheid ausgehende Bindungswirkung für die Baugenehmigung noch von Relevanz, da sich ein Anspruch auf die Baugenehmigung ansonsten aus dem Vorbescheid ergibt, so dass sich das Verfahren gegen den Vorbescheid mit der Erteilung der Baugenehmigung auch nicht erledigt hat. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ein eigenständiges wasserrechtliches Verfahren nicht durchzuführen ist, ist der Hochwasserbelang nur im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme zu berücksichtigen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarschutz bei Hochwassergefahren und durch Mehrbeanspruchung der Kanalisation, Gebot der Rücksichtnahme, Berücksichtigung von Hochwasserbelangen im faktischen Überschwemmungsgebiet und im Außenbereich, Baugenehmigung, Baugenehmigungsverfahren, Bauvorhaben, Bebauung, Bebauungsplan, Nachbarklage, Niederschlagswasser, Verwaltungsakt, Vorhaben, wasserrechtliche Genehmigung, Nachbarschutz, Hochwassergefahr, Mehrbeanspruchung, Kanalisation, Rücksichtnahme, Überschwemmungsgebiet, Außenbereich
Fundstelle:
BeckRS 2020, 16136

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den dem Beigeladenen erteilten baurechtlichen Vorbescheid zur Errichtung eines Einfamilienhauses sowie die nachfolgend erteilte Baugenehmigung.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 3...2/2 der Gemarkung … (…), das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Das Vorhabengrundstück FlNr. 3...5 der Gemarkung … liegt jenseits einer Ortsstraße (Straße nach …, FlNr. 3...4/2) südlich des klägerischen Anwesens. Der Bereich nördlich der …straße ist entlang dieser Straße einreihig bebaut. Südlich entlang der …straße besteht bislang ein Grünzug, in dem sich derzeit lediglich ein weiteres Anwesen (FlNr. 3...9/1, Anwesen …) befindet, westlich des Vorhabengrundstücks und westlich einer weiteren Ortsstraße (FlNr. 3...1/2), die dort in die …straße FlNr. … mündet.
3
Bei dem östlich der Abzweigung gelegenen Vorhabengrundstück handelt es sich um ein ca. 8.300 qm großes Grundstück auf dem sich im östlichen Bereich ein Weiher befindet und das im Süden durch den …bach begrenzt wird. Jenseits des …bachs befindet sich weitere Bebauung. Das vom Beigeladenen geplante Vorhaben sieht ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage zwischen dem Weiher und der Straße FlNr. 3...1/2 im nördlichen Grundstücksbereich vor. Ein Bebauungsplan existiert für … nicht.
4
Zu einer vorausgehenden Bauvoranfrage eines anderen Bauwerbers auf dem Vorhabengrundstück mit einem etwas weiter südlich situierten Wohnhaus hatte das Wasserwirtschaftsamt … mit Schreiben vom 24. Februar 2017 mitgeteilt, dass die Planung aus fachlicher Sicht kritisch gesehen werde, weil das Bauvorhaben zumindest teilweise im faktischen Überschwemmungsgebiet HQ100 liege. Das Vorhabengrundstück liege nur minimal höher als die Sohle des …bachs.
5
Am 18. Juli 2017 reichte der Beigeladene bei der Gemeinde … einen Vorbescheidsantrag ein mit der Bitte um Beurteilung der grundsätzlichen Umsetzbarkeit des Bauvorhabens, insbesondere des geplanten Baufeldes und einer Bebauung mit Erdgeschoss und Satteldach.
6
Das Wasserwirtschaftsamt … teilte mit E-Mail vom 7. November 2017 mit, dass sich seine Stellungnahme vom 24. Februar 2017 auf eine andere Voranfrage bezogen habe und deshalb nicht auf das jetzige Vorhaben übertragbar sei. Beim …bach handele es sich um ein Gewässer dritter Ordnung. Eine Wasserspiegellagenberechnung sei hierfür noch nicht erstellt worden. Im Hochwasserfall finde auf Grund der begrenzten hydraulischen Leistungsfähigkeit des vorhandenen Durchlasses eine breitflächige Überströmung der …straße (FlNr. 3...1/2) in Richtung FlNr. 3...5 (Vorhabengrundstück) statt. Auf Grund der vorhandenen Geländeauffüllungen um das oberhalb liegende Gebäude auf der FlNr. 3...9/1 (Anwesen …) befinde sich die Lage des geplanten Einfamilienhauses nach der groben Einschätzung am Rande, jedoch bereichsweise innerhalb des faktischen Überschwemmungsgebiets des …bach. Ein ausgleichspflichtiger Rückhalteraumverlust liege nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes nicht vor, auch sei eine Verschlechterung der Abflussverhältnisse im Hochwasserfall durch das Bauvorhaben nicht ersichtlich. Eine Hochwasserschutzanlage sei nicht beeinträchtigt. Es sei eine hochwasserangepasste Bauweise sicherzustellen (Rohbodenplatte und Gebäudeöffnungen mindestens 60 cm über dem Straßenniveau, keine Auffüllungen südwestlich des Bauvorhabens).
7
Nach Aufforderung der Bauaufsichtsbehörde reichte der Beigeladene am 15. Oktober 2018 eine leicht geänderte Planung ein, bei dem das Bauvorhaben insbesondere um ca. 10 m nach Norden gerückt wurde, um auf einer Linie mit dem benachbarten Gebäude auf der FlNr. 3...9/1 situiert zu sein. Das Wasserwirtschaftsamt nahm hierzu mit Schreiben vom 15. Februar 2019, inhaltlich entsprechend der E-Mail vom 7. November 2017, Stellung.
8
Mit Vorbescheid vom 4. April 2019 stellte das Landratsamt … fest, dass das Bauvorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig ist. Mit dem Vorbescheid wurden naturschutzrechtliche und wasserschutzrechtliche Auflagen verbunden bzw. in Aussicht gestellt. Insbesondere ist danach die Rohbodenplatte bzw. sind alle Gebäudeöffnungen mindestens 60 cm über dem Straßenniveau der …straße zu errichten und Auffüllungen auf das erforderliche Maß zu beschränken. Südwestlich des vorgesehenen Einfamilienhauses sind Auffüllungen gegenüber dem Urgelände nur innerhalb eines fünf Meter breiten Bereichs entsprechend der in den Bauunterlagen eingetragenen roten Linie zulässig. Eine Ausfertigung des Vorbescheides wurde am 12. April 2019 dem Kläger über seine Bevollmächtigte zugestellt.
9
Am 26. April 2019 beantragte der Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung entsprechend des Vorbescheides für ein ca. 16,4 m x 10,8 m großes Wohnhaus mit Satteldach mit Erdgeschoss ohne Keller und ohne Dachgeschoss und mit einer Fläche von ca. 7 m x 7 m für Stellplätze südlich des Anwesens. Den Planunterlagen waren Entwässerungspläne beigefügt, wonach das Schmutzwasser in die gemeindliche Schmutzwasserleitung auf der FlNr. 3...1/2 (…straße westlich des Vorhabengrundstück), die das Schmutzwasser nach Süden ableitet, eingeleitet wird und das Oberflächenwasser in einer Zisterne östlich des Wohnhauses gesammelt wird.
10
Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 10. Mai 2019 eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten erhob der Kläger Klage gegen den Vorbescheid (AN 17 K 19.00943) und beantragte,
den Vorbescheid des Landratsamtes … vom 4. April 2019 aufzuheben.
11
Zur Begründung wurde vorgetragen, das Vorhaben befinde sich im Außenbereich nach § 35 BauGB. Das nicht privilegierte Vorhaben beeinträchtige Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB und sei dementsprechend unzulässig. Als subjektive Rechte des Klägers seien § 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB und das Gebot der Rücksichtname verletzt. Das Baugrundstück und die …straße in … würden im Frühjahr und im Herbst regelmäßig stark überschwemmt. Durch die Errichtung des Wohnhauses und der damit einhergehenden Bodenversiegelung verlagere sich die Überschwemmung auf das Grundstück des Klägers. Auch die Kanalisation sei zu gering dimensioniert. Die Anwohner hätten bei Starkregen regelmäßig Probleme durch Überflutungen. Der Anschluss eines weiteren Hauses an die Kanalisation verstärke diesen Effekt.
12
Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2019 beantragte der Beklagte,
die Klage abzuweisen
und verwies zur Begründung auf die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes … vom 15. Februar 2019.
13
Die Wasserwirtschaft bzw. der Hochwasserschutz sei nicht gefährdet. Dass die Kanalisation zu gering dimensioniert sei, sei eine unbelegte Behauptung. Fragen der Kanalisation gehörten nicht zum Prüfungsumfang im Vorbescheid bzw. im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Die Gemeinde … habe im Rahmen der gemeindlichen Stellungnahme bestätigt, dass die Kanalisation im Mischsystem gesichert sei.
14
Am 7. August 2019 nahm das Wasserwirtschaftsamtes … Stellung im Baugenehmigungsverfahren. Danach werde weder der Hochwasserabfluss noch der Wasserstand oberhalb des Vorhabengrundstücks nachteilig beeinträchtigt bei Beachtung der vorgeschlagenen Auflagen. Neben dem Grundstück FlNr. 3...5/4 sei eine dreireihige Heckenbepflanzung auf Grund der Lage innerhalb des abflusswirksamen Bereichs nicht zulässig. Zur Grundstücksentwässerung führte das Wasserwirtschaftsamt aus, dass eine Entwässerung im Trennsystem erfolgen solle. Auf Grund der lediglich geringen zusätzlichen Abwassermengen von häuslichem Schmutzwasser sei aus fachlicher Sicht von keiner wesentlichen Verschlechterung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des bestehenden Kanalsystems auszugehen. Bei Starkregen könne es gegebenenfalls zu Rückstau und Überflutungen kommen. Zur Hochwassersituation führte das Wasserwirtschaftsamt aus, dass zwar das Vorhabengrundstück größtenteils innerhalb des faktischen Überschwemmungsgebietes … liege, nach der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes nicht aber das klägerische Grundstück FlNr. 3...2/2. Aus dem geplanten Bauvorhaben resultierten nach fachlicher Einschätzung keine nachteiligen Auswirkungen auf den Abfluss wild abfließenden Wassers. Die vor dem Anwesen des Klägers verlaufende Straße (FlNr. 3...4/2) verfüge über ein stetes Quergefälle in nordöstlicher Richtung, also zum Anwesen FlNr. 3...2/2 hin. Bei einer Überflutung der Straße werde sich das Wasser entlang der Nordseite der Straße sammeln und in Richtung Südosten abfließen.
15
Mit Schriftsatz vom 8. August 2019 trug der Beigeladene durch seine Bevollmächtigte vor, dass die Bebauung des Ortsteils … durch das Vorhaben abgerundet werde, nachdem das Nachbargrundstück FlNr. 3...9/1 erst vor kurzem mit einem Wohngebäude bebaut worden sei. Das Grundstück sei erschlossen und genehmigungsfähig. Das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. § 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB habe schon keinen drittschützenden Charakter. Etwaige wasserrechtliche Fragen seien im Baugenehmigungsverfahren zu klären. Der Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes komme als Sachbehörde besondere Bedeutung zu.
16
Die Klägerseite begründete ihre Klage gegen den Vorbescheid mit Schriftsatz vom 19. September 2019. Der …bach, der bei heftigen Regenfällen stark ansteige, fließe zunächst nördlich von … durch einen kleinen Tunnel in einem Bahndamm und in … unter der Ortsstraße (FlNr. 3...1/2) in einem nur geringen Durchlass hindurch. Trotz des Retentionsraums durch den Bahndamm komme es südlich von diesem zu großflächigen Überschwemmungen. Regelmäßig sei die …straße überströmt und unpassierbar. 3 - 4 Mal im Jahr komme es zu Starkregen. Das Wasser dränge dann entlang der …straße in Richtung des klägerischen Anwesens und fließe derzeit in das klagegegenständliche Grundstück ab. Der Bordstein entlang des klägerischen Anwesens und der Nachbaranwesen sei nur 5 cm hoch und ermögliche kein Sammeln von Wasser. Dieses dringe gegebenenfalls in die Anwesen ein.
17
Der östlich des geplanten Vorhabens befindliche Weiher verfüge über einen Mönch. Das aus dem Weiher ablaufende Wasser werde in den Oberflächenkanal entlang der Straße FlNr. 3...4/2 und von dort auf das Grundstück FlNr. 396 geleitet und münde in den …bach. Da der Mönch nicht bis oben geschlossen sei, fließe das Wasser unmittelbar in den Kanal. Bei Starkregen komme es zu Problemen wegen des Kanalrückstaus. Das Oberflächenwasser laufe nicht schnell genug in den Kanal ab und dieser sei auch nicht in der Lage, die Wassermassen bei Starkregen schnell genug weiterzuleiten. Die Probleme würden sich in Zukunft dadurch verstärken, dass die Deutsche Bahn plane, den Durchlass unter dem Bahndamm wesentlich zu vergrößern.
18
Das Grundstück liege im Außenbereich und sei nicht privilegiert. Es beeinträchtige die Belange nach § 35 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7 BauGB und insbesondere den nachbarschützenden Belang § 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB. Das Bauvorhaben liege im faktischen Überschwemmungsgebiet nach § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG. Dieses sei nach § 77 WHG in seiner Funktion zu erhalten, unabhängig davon, ob es als solches festgesetzt sei. Das Vorhaben beeinträchtige die Hochwasserrückhaltung. Das Wasserwirtschaftsamt liege nicht richtig damit, keinen Retentionsraumverlust anzunehmen. Nach § 78 Abs. 5 Nr. 1a WHG sei jeder Verlust auszugleichen. Auch Hochwasserabfluss und Wasserstand würden entgegen der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes nachteilig verändert.
19
Am 6. September 2019 reichte der Beigeladene im Baugenehmigungsverfahren einen Tekturplan für die Freiflächengestaltung auf dem Grundstück ein. Eine Heckenreihe im südlichen Grundstücksbereich wurde auf Aufforderung des Landratsamts … durch andere Bepflanzungsmaßnahmen ersetzt.
20
Mit Schriftsätzen vom 19. September 2019 (Kläger) und 26. November 2010 (Beigeladener) erfolgten weitere Stellungnahmen der Parteien. Klägerseits wurde unter Vorlage von Fotos auf die Hochwassersituationen im Mai 2018 und August 2019 verwiesen und darauf, dass die Bordsteine lediglich eine Höhe von 5 cm aufwiesen und somit keinen Schutz vor Eindringen der Straßenwässer auf das Grundstück böten. Die Hochwassersituation sei bereits jetzt eine große Belastung.
21
Die Gemeinde … teilte auf gerichtliche Anfrage im Vorbescheidsverfahren unter Vorlage eines entwässerungstechnischen Gutachtens vom 23. September 2019 am 25. November 2019 mit, dass die Entwässerung in … im Trennsystem erfolge und die Regenwasserkanalisation ausreichend dimensioniert sei, um die zusätzlichen Abwässer aufzunehmen. Das gemeindliche Einvernehmen zum Bauantrag sei am 15. Oktober erteilt worden.
22
Mit Bescheid vom 25. November 2019 erteilte das Landratsamt … die bauaufsichtliche Genehmigung u.a. unter wasserrechtlichen Nebenbestimmungen. Dem Beigeladenen wurde aufgegeben, geeignete Schutzvorkehrungen für seltene Hochwasserereignisse nach eigenem Ermessen vorzusehen und umzusetzen. Um nachteilige Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss auszuschließen seien Auffüllungen gegenüber dem Urgelände nur innerhalb eines 5 m breiten Bereichs entlang der südwestlichen Terrassen- und Garagenflucht zulässig. Der Bereich zwischen dem Trafohaus auf der FlNr. 3...5/3 und der geplanten Hecke entlang der südwestlichen Gebäudeflucht sei dauerhaft freizuhalten, weil das Gelände im Hochwasserfall durchströmt werde.
23
Am 5. Dezember 2019 fand eine mündliche Verhandlung im Verfahren AN 17 K 19.00943 statt, bei der die wasserrechtlichen Belange mit den Parteien und der Gemeinde … erörtert wurden. Die Entscheidung wurde vertagt.
24
Am 6. Dezember 2019 wurde dem Kläger die Baugenehmigung vom 25. November 2019 per Postzustellungsurkunde zugestellt.
25
Mit Schriftsätzen vom 31. Dezember 2019, 3. März 2020 und 16. April 2020 erfolgten weitere Stellungnahmen des Klägers insbesondere im Hinblick auf das Gutachten vom 23. September 2019 und die bereits bestehende Hochwasserproblematik. Hierbei verwies die Klägerseite auf eine zu gering angesetzte Versiegelungsfläche im vorgelegten Gutachten, auf die vorgesehene erhebliche Auffüllung des Grundstücks, einen im Gutachten zu Unrecht angesetzten Bemessungsregen und darauf, dass der Weiher nicht direkt in den …bach, sondern in den Regenwasserkanal abgeleitet werde, ein Sammeln von Wasser entlang der Straße Richtung … aufgrund der sehr niedrigen Bordsteine von nur ca. 5 cm nicht möglich sei und künftig aufgrund von Maßnahmen am Bahndamm deutlich mehr Wasser nach … drängen werde. Zweifel an den Berechnungen des Gutachtens und der Beurteilung durch das Wasserwirtschaftsamt wurden geltend gemacht.
26
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 5. Januar 2020, beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen mit Telefax am 7. Januar 2020, erhob er Klage gegen die Baugenehmigung (AN 17 K 20.00022).
27
Er beantragte,
den Bescheid des Landratsamts … vom 25. November 2019 aufzuheben.
28
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 23. Januar 2020,
die Klage abzuweisen.
29
Mit Schriftsätzen vom 4. Februar 2020 äußerte sich die Beigeladenenseite weiter zu den Verfahren und verwies darauf, dass das Niederschlagswasser in eine Zisterne auf dem Vorhabengrundstück und von dort gegebenenfalls in den Weiher abgeleitet werde, der in den …bach weiterableite. Nur im Falle des Überlaufs von Zisterne und Weiher gelange das überschüssige Wasser in die gemeindliche Abwasserkanalisation. Aufgrund der topografischen und geografischen Lage sei es ausgeschlossen, dass sich die Hochwasserproblematik für den Kläger nachteilig verändere.
30
Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom 11. Februar 2020 eine ergänzende Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 5. Februar 2020 vor. Dieses führt aus, dass aufgrund der geringen zusätzlichen Schmutzwassermengen von keiner hydraulischen Überlastung des Schmutzwasserkanals auszugehen sei. Auch hinsichtlich der Oberflächenwässer seien im Hinblick auf das vorhandene Volumen des Weihers und der Oberflächenbefestigung von ca. 300 m² keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten. Das Gutachten vom 23. September 2019 habe eine direkte Einleitung der gesammelten Niederschlagswasser in die bestehende gemeindliche Regenwasserkanalisation berücksichtigt. Die Berechnungen seien plausibel, die verwendeten Daten überprüft, ein Übertragungsfehler im Gutachten sei bereinigt worden. Bei einem dreijährigen Regenereignis komme es zu keiner Überlastung des bestehenden Kanalnetzes. Eine ordnungsgemäße Einleitung sei sowohl bei einer direkten Einleitung in den Kanal als auch bei einer Einleitung über den Weiher mit Mönchsbauwerk gewährleistet.
31
In der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2020 wurden mit den Beteiligten und einem Vertreter des Wasserwirtschaftsamts … die wasserwirtschaftlichen Belange erörtert.
32
Der Beigeladene beantragte über seine Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung,
die Klagen abzuweisen.
33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlungen vom 5. Dezember 2019 und 12. Mai 2020 wird auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

34
Die Anfechtungsklagen des Klägers gegen die Bescheide vom 4. April 2019 und 25. November 2019 sind zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen.
35
1. Die vorliegende Nachbarklage gegen den Vorbescheid ist unbeschadet des zwischenzeitlich ergangenen Baugenehmigungsbescheids und ungeachtet seiner beschränkten Feststellungswirkung zulässig. Für die Anfechtung der Baugenehmigung ist die Zulässigkeit ohnehin und erst recht gegeben.
36
Ein Vorbescheid stellt einen feststellenden Verwaltungsakt mit befristeter Dauerwirkung dar, der Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren hat, soweit seine Feststellungswirkung reicht (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand Dez. 2019, Art. 71 Rn. 10 und 20). Hiergegen ist, wie gegen die Baugenehmigung selbst, die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.
37
Der Kläger ist als Eigentümer des dem Vorhabengrundstück schräg gegenüberliegenden Grundstücks nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Er beruft sich auf eine Verletzung einer nachbarschützenden Position aus § 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB, dessen Verletzung in Betracht kommt und der Nachbarschutz, jedenfalls über das Gebot der Rücksichtnahme, vermitteln kann. Eine Rechtsverletzung kommt für den Kläger durch die geltend gemachte verschärfte Hochwassersituation und die negativen Kanalauswirkungen aufgrund der Nähe der Grundstücke zueinander in Betracht und scheidet nicht von vorne herein ersichtlich aus. Im Hinblick auf die geltend gemachten Belange ist der Kläger auch ohne unmittelbares Aneinander-Angrenzen der Grundstücke als Nachbar im baurechtlichen Sinne anzusehen.
38
Die vom Kläger gerügten Verstöße wurden im Vorbescheidsverfahren von der Bauaufsichtsbehörde geprüft und berücksichtigt, so dass der Kläger sich zulässig gegen den Vorbescheid wenden kann und zur Verhinderung von Nachteilen auch muss. Der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde schließt eine Betroffenheit des Klägers hier nicht aus. Eine Nachbarbeteiligung ist im Vorbescheidsverfahren nicht zwingend erforderlich und der Prüfungsumfang der Baugenehmigungsbehörde und daraus folgend die Feststellungswirkung des Vorbescheids erstrecken sich, wenn keine Nachbarbeteiligung erfolgt, nicht auf dessen Rechte. In diesem Fall stünde dem Nachbarn eine Klagebefugnis gegen den Vorbescheid nicht zu. Hier hat der Beigeladene ein Absehen von der Nachbarbeteiligung nach Art. 71 Satz 4 Halbs. 2 BayBO tatsächlich auch beantragt. Die Bauaufsichtsbehörde hat hinsichtlich der Nachbarbeteiligung jedoch ein Ermessen (Simon/Busse, Art. 71 Rn. 56) und ist an den Nichtbeteiligungsantrag des Bauherrn nicht gebunden. Hier ist das Landratsamt … dem Antrag des Bauherrn nicht nachgekommen und hat die vom Nachbarn vorgetragenen wasserwirtschaftlichen Belange bereits im Vorbescheidsverfahren geprüft und den Vorbescheid dem Kläger auch zugestellt und ihn damit beteiligt. Dem Vorscheid kommt damit Feststellungswirkung zur Vereinbarkeit mit § 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB zugunsten des Beigeladenen und zu Lasten des Klägers zu. Die Anfechtung durch den Kläger war damit geboten und zulässig. In sachlicher Hinsicht war im Vorbescheidsverfahren die Frage der Bebaubarkeit des Grundstücks im geplanten Baufeld gestellt und damit auch die Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit § 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB aufgeworfen. Auch insoweit kommt dem Vorbescheid Feststellungswirkung zu Lasten des Klägers zu und ermöglicht diesem die Klage dagegen.
39
Das Verfahren gegen den Vorbescheid hat sich mit der Erteilung der Baugenehmigung auch nicht erledigt. Für das Verfahren AN 17 K 19.00943 besteht neben dem AN 17 K 20.00022 weiterhin ein Rechtschutzbedürfnis. Dieses wäre nur dann nicht mehr gegeben, wenn eine nachfolgende Baugenehmigung bereits Bestandskraft erlangt hat, weil dann vom Vorbescheid faktisch keine eigenständige Wirkung mehr ausginge. Ist die Baugenehmigung wie hier noch nicht bestandskräftig, ist die vom Vorbescheid ausgehende Bindungswirkung für die Baugenehmigung noch von Relevanz, da sich ein Anspruch auf die Baugenehmigung ansonsten aus dem Vorbescheid ergibt. Die Klage gegen den Vorbescheid ist unbeschadet der Baugenehmigung weiter zulässig.
40
2. Die Klagen sind jedoch unbegründet, da der Vorbescheid vom 4. April 2019 und die Baugenehmigung vom 25. November 2020 den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die klagegegenständlichen Bescheide sind im Hinblick auf nachbarschützende Vorgaben vielmehr rechtmäßig, insbesondere ergingen sie ohne Verstoß gegen § 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB, der vorliegend sowohl im Rahmen des Vorbescheids nach Art. 71 BayBO als auch im Rahmen der Baugenehmigung zu berücksichtigen ist, Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 Nr. 1a BayBO.
41
Nach § 35 Abs. 2 BauGB können nicht privilegierte Vorhaben im Außenbereich im Einzelfall nur zugelassen werden, wenn ihre Ausführung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Ein privilegiertes Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB scheidet für ein Einfamilienhaus aus. Die Außenbereichslage des Vorhabens ist angesichts der deutlichen Bebauungsunterbrechung, in der das Vorhaben entstehen soll, bzw. angesichts der Grünfläche zwischen zwei Ortsteilen entlang des …bachs und des Weihers im Nord-Osten des Vorhabens nicht ernsthaft fraglich. Hieran ändert wohl auch das bereits realisierte Vorhaben auf dem Grundstück FlNr. 3...9/1 (Anwesen …) im Nordwesten des Vorhabens nichts, da dieses seinerseits im Außenbereich liegt.
42
Auf eine wegen der Außenbereichslage rechtswidrige Genehmigung im Außenbereich kann sich der Kläger aber nicht berufen (BayVGH, B.v. 29.11.2010 - 9 CS 10.2197 - juris). Eine Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nämlich nicht schon dann Erfolg, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, sondern erst, wenn der Kläger dadurch zugleich in eigenen Rechten verletzt ist. Die Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung muss sich gerade aus einer Norm ergeben, die dem Schutz der Nachbarn dient (Schutznormtheorie, vgl. auch BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris). Das grundsätzliche Gebot der Freihaltung des Außenbereichs von Bebauung stellt keine Verpflichtung zum Schutz eines bestimmten Personenkreises dar, sondern liegt im allgemeinen öffentlichen Interesse. Im Fall einer Nachbarklage führt dieser Verstoß somit nicht zum Erfolg.
43
Als nachbarschützenden Belang hat die Rechtsprechung jedoch grundsätzlich den Belang des Hochwasserschutzes anerkannt (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2001 - 1 ZS 00.3650, B.v. 6.2.2019 - 15 CS 18.2459 - beide juris) und prüft diesen bei Außenbereichsgrundstücken im Rahmen des § 35 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 6 BauGB bzw. Nach dem in dieser Vorschrift verankerten Gebot der Rücksichtnahme (BayVGH a.a.O.). Über das Gebot der Rücksichtnahme wären nach der Rechtsprechung Hochwasserbelange auch im Fall eines Innenbereichsvorhabens zu berücksichtigen. In diesem Fall findet die nachbarliche Rücksichtnahme im Einfügensgebot nach § 34 Abs. 1 BauGB seinen Niederschlag, so dass sich auch kein anderes Ergebnis ergäbe, wenn man keine Außenbereichslage des Vorhabens annähme.
44
Der Drittschutz des Hochwasserschutzes ergibt sich für festgesetzte Überschwemmungsgebiete auch aus § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WHG, wonach bei einer Ausnahmegenehmigung für eine Bebauung im Hochwassergebiet die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen sind (BayVGH, B.v. 6.2.2019 - 15 CS 18.2459 - juris, die Frage des Drittschutzes von § 78 WHG noch offengelassen, VG Ansbach B.v. 12.8.2015 - AN 9 S 15.01274 - juris Rn. 33 m.w.N.). Für vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete folgt dies aus § 78 Abs. 8 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WHG. Da nach § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WHG bzw. nach § 78 Abs. 8 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WHG für die Errichtung von baulichen Anlagen in Überschwemmungsgebieten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten neben der Baugenehmigung aber eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Frage aufgeworfen, ob der Hochwasserschutz im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens überhaupt als Bestandteil des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zu prüfen ist oder eine Prüfung von Hochwasserbelangen ausschließlich im parallel erforderlichen wasserrechtlichen Verfahren zu erfolgen hat (BayVGH, B.v. 6.2.2019 - 15 CS 18.259 - juris) mit der Folge, dass Hochwassergesichtspunkte im Baugenehmigungsverfahren nicht mehr relevant wären.
45
Da im vorliegenden Verfahren allenfalls ein faktisches, nicht aber ein festgesetztes oder vorläufig gesichertes Überschwemmungsgebiet tangiert ist, und damit ein eigenständiges wasserrechtliches Verfahren nicht durchzuführen ist, muss es nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall bei der Prüfung des Hochwasserschutzes im Baugenehmigungsverfahren als einzig möglichen Verfahren jedoch verbleiben und ist der Hochwasserbelang nur im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme zu berücksichtigen. Ein zusätzliches wasserrechtliches Genehmigungsverfahren nach § 78 Abs. 5, Abs. 8 WHG ist für Anlagen im faktischen Überschwemmungsgebiete nicht vorgesehen. Das grundsätzliche Verbot zur Errichtung von baulichen Anlagen im Überschwemmungsgebiet des § 78 Abs. 4 WHG gilt hier nicht. Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 5 WHG für einen Dispens von diesem Verbot müssen beim faktischen Überschwemmungsgebiet dann aber auch nicht in Form einer Eins-zu-Eins-Übernahme durch analoge Anwendung im Baugenehmigungsverfahren geprüft werden. Dies würde die Unterscheidung zwischen festgesetzten, vorläufig gesicherten und nur faktischen Überschwemmungsgebieten letztlich aufgeben. § 78 Abs. 5 WHG kann im Rahmen der baurechtlichen Prüfsystematik allenfalls als Anhaltspunkt und Auslegungshilfe herangezogen werden, ohne dass aber von der baurechtlichen Prüfung von Hochwasseraspekten nur im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme abzugehen wäre.
46
Eine solche Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme liegt im Ergebnis nicht vor. Das Vorhaben beeinflusst weder den Hochwasserabfluss zu Lasten des Klägers nachteilig (a), noch ist mit einer nennenswerten Auswirkung auf das gemeindliche Entwässerungssystem und über diesen Weg auf das Grundstück des Klägers zu rechnen. Hinsichtlich der Entwässerung ist dabei fraglich, ob sich der Kläger hierauf im Rahmen des Rücksichtnahmegebots überhaupt berufen kann, da die Entwässerungsfrage eigentlich eine Frage der Erschließung des Baugrundstücks darstellt und die Erschließungsproblematik grundsätzlich kein Belang ist, auf den sich ein Nachbarn berufen kann (vgl. für den Fall unzulänglicher Versickerung von Niederschlagswasser BayVGH, B.v. 3.2.2014 - 9 CS 13.1916 - juris). Auch wenn man aufgrund der hier konkret geltend gemachten Zusammenhänge zwischen der Hochwasserproblematik und des Entwässerungssystems die Auswirkungen der Entwässerung des Vorhabens auf den Kläger in die Prüfung miteinschließt, ergibt sich kein Abwehranspruch für den Kläger, da eine ausreichende und den Kläger nicht belastende Entwässerung des Vorhabengrundstück gewährleistet ist (b).
47
a) Das Gebot der Rücksichtnahme fordert nicht, dass jegliche Auswirkung eines Vorhabens auf das Nachbargrundstück ausgeschlossen sein muss. Vielmehr verbietet dieses vermeidbare unangemessene und rücksichtslose Auswirkungen auf den baulichen Nachbarn. Im Einzelnen hängt das Maß der gebotenen Rücksichtnahme von den Umständen des Einzelfalles ab und ist individuell zu prüfen. Es ist eine Interessenbewertung dahin gehend anzustellen, was den Rücksichtnahmebegünstigten und den zur Rücksichtnahme Verpflichteten nach der jeweiligen Situation, in der sich die betroffenen Grundstücke befinden, im Einzelfall zumutbar ist. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind insbesondere die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten in billiger Weise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, U.v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 -; BVerwGE 67, 334; B.v. 10.1.2013 - 4 B 48/12 - juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Betroffenen ist, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. BVerwG B.v. 10.1.2013, a.a.O.; BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 40). Bloße Lästigkeiten reichen für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus (vgl. BayVGH, U.v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - juris Rn. 39).
48
Nach den gutachtlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts … ist davon auszugehen, dass das klagegegenständliche Bauvorhaben keine negativen Auswirkungen auf das klägerische Grundstück hat. In den schriftlichen Ausführungen vom 7. November 2017 und 7. August 2019 führte das Wasserwirtschaftsamt aus, dass seiner Einschätzung nach weder der Hochwasserabfluss noch der Wasserstand oberhalb des Vorhabens nachteilig beeinflusst würden, da sich zwar der südliche Teil des Vorhabengrundstück im faktischen Überschwemmungsgebiet des …bachs befinde, das Bauvorhaben selbst aber nur zu einem geringen Teil und das klägerische Grundstück überhaupt nicht. Hierzu erläuterte das Wasserwirtschaftsamt in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2020 zusätzlich, dass die Orts straße (FlNr.3...1/2) im Hochwasserfall vom … im Bereich unterhalb des Vorhabens, im südwestlichen Bereich des Vorhabengrundstücks, wo die Straße eine Senke bildet und der …bach unter der Straße beengt hindurchführt, immer wieder überschwemmt werde und das auf die Straße tretende Hochwasser in die Grundstücke westlich und östlich der Straße abfließe, dass aber nicht zu erwarten sei, dass das Wasser die …straße entlang bis zum höher gelegenen klägerischen Grundstück ansteige und das Bauvorhaben im Hochwasserfall Auswirkungen auf das klägerische Grundstück habe. Das Wasserwirtschaftsamt führte weiter aus, dass selbst ein - sehr unwahrscheinliches - Ansteigen des Hochwassers vom …bach her bis zur Kreuzung der beiden Ortstraßen keine zusätzliche Überschwemmung des klägerischen Grundstücks bedeuten würde, da das ansteigende Wasser zunächst auf das Vorhabengrundstück drängen würde und die …straße nach … nicht überschreiten würde, weil die Straßenkreuzung so ausgestaltet sei, dass die (südliche) Straße FlNr. 3...1/2 im Kreuzungsbereich ca. 25 cm, vom Höhenrücken der Straße nach … (FlNr. 3...4/2) aus gesehen, sogar ca. 35 cm niedriger liege und ein Überschreiten des Straßenrückens deshalb nicht zu erwarten sei.
49
Auch im Fall von Starkregen ist nach der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts das klägerische Anwesen vom Vorhaben nicht negativ beeinflusst. Da die …straße nach … von Nordwesten, d.h. von der Bahnlinie her kommend nach Südosten abfällt und das klägerische Grundstück nordwestlich des Vorhabens liegt, ist ein Niederschlagswassereintrag vom Vorhabengrundstück auf das Grundstück des Klägers ausgeschlossen. Das Wasser, das gegebenenfalls aus Richtung Bahn kommend die Straße entlang fließt, wird damit unabhängig vom klagegegenständlichen Vorhaben auf das Klägergrundstück schwappen, zumal die Straße ein Gefälle zum klägerischen Grundstück hin aufweist. Ein Abfluss von Straßenwasser auf das Vorhabengrundstück erfolgte schon vor der Bebauung nicht, so dass auch ein - vom Wasserwirtschaftsamt ohnehin als nur gering erachteter - Verlust von Retentionsraum auf dem Vorhabengrundstück für den Kläger keine Nachteile bringt.
50
Die Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes sind für das Gericht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und plausibel und haben die unstreitigen topografischen Verhältnisse zutreffend berücksichtigt. Der fachlichen Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes kommt für die Beurteilung der Hochwasserproblematik nach der Rechtsprechung eine besondere Bedeutung zu, da sich die Bewertung der Fachbehörde aus jahrelanger fachlicher Erfahrung und der Kenntnisse der Verhältnisse vor Ort ergibt. Die Beurteilung des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes kann sich nach der Rechtsprechung damit regelmäßig sogar gegen abweichende private Fach-Expertisen durchsetzen (BayVGH, B.v. 4.2.2014 - 8 CS 13.1848 - juris Rn. 21). Erst recht ist den fachlichen Ausführungen und Bewertungen des Wasserwirtschaftsamt Glauben zu schenken, wenn lediglich Bedenken von fachlichen Laien eingewendet werden und diesen mit konkreten Ausführungen seitens des Wasserwirtschaftsamtes entgegengetreten wird.
51
Letztlich hat auch der Kläger selbst eingeräumt, dass ihm bislang kein Fall bekannt ist, bei dem es zu einem Ansteigen des Hochwassers des …bachs bis zur Straßenkreuzung bzw. zu seinem Grundstück gekommen ist. Auch die von der Klägerseite vorgelegten Fotos zeigen, dass bei der größeren Überschwemmung im August 2019 der Kreuzungsbereich gerade frei von Wasser war.
52
Im Rahmen des Rücksichtnahmegebots ist außerdem noch zu berücksichtigen, dass seltene und extreme Regen- oder Überflutungsereignisse in die Bewertung nicht eingestellt werden müssen. Eine vorbeugende Berücksichtigung und ein Einkalkulieren von unwahrscheinlichen und extremen Wetterverhältnissen ist nicht geboten Dies stellt sich nicht als rücksichtslos gegenüber dem Nachbarn dar, sondern ist im nachbarlichen Verhältnis, das auf gegenseitige Rücksichtnahme ausgelegt ist, hinzunehmen.
53
b) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ergibt sich auch nicht hinsichtlich der Entwässerung des Vorhabens. Die Entwässerung erfolgt nach der Aussage der Gemeinde …, des Wasserwirtschaftsamts, des Beigeladenen selbst und den im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Entwässerungsplänen im Trennsystem. Dabei wird das Regenwasser zunächst in einer Zisterne östlich des Hauses gesammelt und wird von dort entweder in den Weiher auf dem Vorhabengrundstück und von dort in einiger Entfernung vom Ort in die Niederschlagskanalisation eingeleitet oder aber es wird direkt in die Niederschlagskanalisation in die …straße von … deutlich östlich des klägerischen Grundstücks geführt. Die Regenwasserkanalisation führt das Wasser dann Richtung Osten ab. Die Schmutzwässer werden hingegen in die Kanalisation in der Straße FlNr. 3...1/2 eingeleitet, die die Wässer weiter nach Südwesten abführt. Weder hinsichtlich des Regenwassers noch hinsichtlich des Schmutzwassers erfolgt damit eine Vorbeileitung der Wässer am klägerischen Anwesen, so dass ein Einfluss auf das klägerische Anwesen von vorneherein nur ein mittelbarer sein kann, also nur durch einen Rückstau im Kanalnetz den Kläger überhaupt belasten kann. Ein solcher Rückstau ist aber nicht zu erwarten, weil das gemeindliche Kanalnetz noch ausreichende Kapazitäten besitzt. Dies ergibt sich klar aus dem von der Gemeinde eingeholten Gutachten des Ingenieurbüros … vom 23. September 2019, der die Auslastung der gemeindlichen Kanalisation nach Anschluss des Vorhabens mit 50% angibt und bestätigt, dass noch ausreichende Abflussreserven vorhanden sind (vgl. S. 9 des Gutachtens).
54
Das Gutachten geht dabei zwar von einer tatsächlich wohl nicht zutreffenden Einleitungsstelle der Abwässer in das Kanalsystem nördlich des Vorhabens aus, das Wasserwirtschaftsamt bestätigt in seiner Stellungnahme vom 5. Februar 2020 und in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2020 aber klar, dass es aufgrund der deutlichen Reserven des gemeindlichen Kanalsystems keine Rolle spielt, wo das Abwasser eingeleitet wird. Das Wasserwirtschaftamt bestätigte auch die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der gutachtlichen Ausführungen des Ingenieurbüros … und korrigiert einen Übertragungsfehler bei Daten im Gutachten, stellt dessen Richtigkeit insgesamt aber nicht in Frage.
55
Die im Raum stehenden alternativen Einleitungsstellen für das Schmutz- und Regenwasser liegen allesamt in deutlich weiterer Entfernung vom klägerischen Anwesen, so dass sich bei diesen Einleitungsstellen allenfalls eine Entspannung für das Grundstück des Klägers ergibt, dem Gutachten also die Worst-case-Betrachtung für den Kläger zugrunde lag.
56
Davon, dass es bei extremen Wetterlagen oder in anderen unvorhersehbaren Situationen mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit zu einer Überlastung des Kanalsystems kommen kann und in dieser Situation die höhere Grundauslastung der Kanalisation zu einer Verschärfung der Situation für alle Nutzer führt, kann ausgegangen werden. Derartige Situationen sind bei der Prüfung des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots jedoch nicht zu betrachten, sie führen zu keiner Rechtsverletzung des Klägers. Auf die an vorheriger Stelle schon gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen.
57
3. Nach alledem waren die Klagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da der Beigeladene Anträge gestellt hat und sich somit dem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass ihm seine notwendigen außergerichtlichen Kosten ersetzt werden, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
58
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.