Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.07.2020 – 20 NE 20.1492
Titel:

Betriebsuntersagung eines Indoor-Spielplatzes wegen Corona-Pandemie

Normenketten:
BayIfSMV § 11 Abs. 5
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28, § 32
GG Art. 3, Art. 12
Leitsatz:
Das Spielgeschehen auf einem Indoor-Spielplatz mit Spielgeräten, deren gemeinsame gleichzeitige Nutzung durch viele - auch jüngere - Kinder erlaubt ist, ist nicht ohne Weiteres mit der Nutzung von Freizeiteinrichtungen wie Kletter- und Trampolinhalle, Hallenbad, Kartbahn, Fitnessstudio gleichzusetzen, weil die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m - als oberstes Gebot eines wirksamen Infektionsschutzes vor SARS-CoV-2 - zwischen den spielenden Kindern und Jugendlichen nicht verlässlich gewährleistet ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, einstweiliger Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren, Betriebsuntersagung eines Indoor-Spielplatzes, einstweilige Anordnung, Gefahr, Geltungsdauer, Normenkontrollantrag, Ungleichbehandlung, Untersagung, Betriebsuntersagung, Indoor-Spielplatz, Klärung im Hauptsacheverfahren, Folgenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 15475

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt die Antragstellerin das Ziel, § 11 Abs. 5 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. Juni 2020 (2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 348, im Folgenden: 6. BayIfSMV), geändert durch Verordnungen vom 24. Juni 2020 (BayMBl 2020 Nr. 362) und 30. Juni 2020 (BayMBl. 2020, 374), einstweilen außer Vollzug zu setzen.
2
1. Der Antragsgegner hat am 19. Juni 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die streitgegenständliche Verordnung erlassen. Die von der Antragstellerin angegriffene Regelung hat folgenden Wortlaut:
3
㤠11 Freizeiteinrichtungen
4
(5) Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen sind geschlossen.
…“
5
Die genannte Regelung ist dem seit 22. Juni 2020 in Kraft und tritt mit Ablauf des 19. Juli 2020 außer Kraft (§ 24 6. BayIfSMV in der Fassung vom 30.6.2020).
6
2. Die Antragstellerin, die in G. einen Indoor-Spielplatz betreibt, hat mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt, mit dem sie die vorläufige Außervollzugsetzung des § 11 Abs. 5 6. BayIfSMV begehrt. Zur Begründung trägt sie vor, die mehr als dreimonatige Schließung ihres Betriebs verletze ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 GG. Die Ungleichbehandlung mit Trampolin-Hallen, Hallen- und Spaßbädern, Indoor-Sport und Fitness, Kletterhallen u.a., die inzwischen wieder öffnen dürften, sei nicht sachlich gerechtfertigt, weil von ihrem Indoor-Spielplatz unter Beachtung des vorgelegten Hygienekonzepts keine höhere Infektionsgefahr ausgehe. Auch die Ungleichbehandlung mit anderen Bundesländern, in denen Indoor-Spielplätze wieder geöffnet seien (B., N.-W., B.-W.) sei sachwidrig, weil sie sich nicht durch eine stärkere Betroffenheit Bayerns mit dem Coronavirus rechtfertigen lasse. Speziell im Landkreis W.-G. liege die 7-Tage-Inzidenz momentan bei 1,06 pro 100.000 Einwohner. Hinzu komme, dass sich Kinder seltener mit dem Virus infizierten und kaum von schlimmen Verläufen von COVID-19 betroffen seien. Sehr umstritten sei auch, inwieweit Kinder als Überträger des Virus in Betracht kämen. Insgesamt reiche die Gefahr für die öffentliche Sicherheit bei den momentan sehr positiven Infektionszahlen nicht mehr aus, um eine Schließung von Indoor-Spielplätzen im Allgemeinen und den Betrieb der Antragstellerin im Speziellen zu verbieten.
7
3. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Die Infektionsgefahren auf einem Indoor-Spielplatz seien bei einem Spielen und Toben samt lautem Rufen von Kindern erhöht. Auch Kinder könnten das Coronavirus übertragen und damit neue Infektionsketten in Gang setzen. Der allgemeine Gleichheitssatz sei nicht verletzt. Es liege nahe, dass Kinder beim Spielen und Toben auf einem Indoor-Spielplatz das allgemeine Abstandsgebot gemäß § 1 Abs. 1 6. BayIfSMV nicht einhalten würden. Demgegenüber könne das Abstandsgebot in den zu Vergleichszwecken genannten Einrichtungen wie auch bei privaten Feiern typischerweise gewahrt werden, weil es dort nicht die Regel oder zu verhindern sei, dass Gruppen von Kindern vergleichbar einem Spielplatz zusammenkämen. Die Öffnung in anderen Bundesländern sei nicht maßgeblich, weil dem Einzelnen ein Gleichbehandlungsanspruch nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zustehen könne.
II.
8
Der zulässige Eilantrag hat in der Sache keinen Erfolg.
9
A. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist bereits vor Anhängigkeit eines Normenkontrollverfahrens zulässig (SächsOVG, B.v. 9.11.2009 - 3 B 501/09 - juris Rn. 12; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 102; Panzer in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Juli 2019, § 47 Rn. 146).
10
B. Der Antrag ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.
11
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
12
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
13
2. Nach diesen Maßstäben kommt eine Außervollzugsetzung der in der Hauptsache angegriffenen Regelung des § 11 Abs. 5 6. BayIfSMV hier nicht in Betracht. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind derzeit als offen anzusehen (a), sodass im Wege der Folgenabwägung über den Antrag zu entscheiden ist. Diese führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Außervollzugsetzung nicht dringend geboten ist (b).
14
a) Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind derzeit als offen anzusehen.
15
Bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten sieht sich der Senat mit einer Vielzahl komplexer fachlicher und rechtlicher Fragen konfrontiert, die einer abschließenden Klärung in einem Eilverfahren nicht zugänglich sind. Es handelt sich bei der Corona-Pandemie um ein seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland erstmalig auftretendes Ereignis, das derzeit mit bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen gehandhabt wird, die auf eine Pandemie dieser Größenordnung nicht zugeschnitten sind. Es wird deshalb in einem Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob die aufgrund der 6. BayIfSMV getroffenen Maßnahmen letztlich mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts vereinbar sind, da erhebliche Grundrechtseingriffe über einen längeren Zeitraum allein aufgrund §§ 28, 32 IfSG durch die Exekutive erfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2020 - 20 NE 20.1165 - juris Rn. 15 f.; B.v. 14.4.2020 - 20 NE 20.763 - juris Rn. 15; vgl. auch VGH BW, B.v. 9.4.2020 - 1 S 925/20 - juris Rn. 37 ff.).
16
Weiterhin bleibt der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob - und wenn ja, in welchem Umfang - dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung zusteht, in welchen Schritten und nach welchen Kriterien er die aus Gründen der Unterbrechung von Infektionsketten geschlossenen Wirtschaftsbereiche wieder öffnet und inwieweit ein solcher gegebenenfalls gerichtlich überprüfbar ist. Ungeklärt ist bislang insbesondere, ob der Begriff der „notwendigen Schutzmaßnahmen“ i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ein Ermessen des Verordnungsgebers eröffnen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn. 20), das auch andere als rein infektionsschutzrechtliche Kriterien bei der Lockerung der Maßnahmen umfasst und seine Grenze in der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen findet (vgl. BT-Drs. 8/2468 S. 27 zur Vorgängerregelung in § 34 BSeuchG).
17
Diese Fragen sind für die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens streitentscheidend, weil sich bei summarischer Prüfung Anhaltspunkte für Grundrechtsverletzungen der Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Dies gilt im Hinblick auf die Frage, ob von Indoor-Spielplätzen wie dem der Antragstellerin tatsächlich wie vom Antragsgegner behauptet - auch bei eingeschränktem Betrieb unter Beachtung eines Hygienekonzepts - größere Infektionsgefahren ausgehen als von den vom Verordnungsgeber inzwischen wieder geöffneten Freizeitangeboten (z.B. Hallenbäder, Trampolin-Hallen). Des Weiteren könnte seit der Herausnahme zahlreicher Freizeitangebote aus der bis dato inhomogenen Gruppe der geschlossenen Freizeiteinrichtungen kritisch hinterfragt werden, ob Indoor-Spielplätze den sonstigen in der 6. BayIfSMV jetzt noch benannten Vergnügungsstätten (Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken) nach Wortlaut und Sinnzusammenhang der bußgeldbewehrten (§ 22 Nr. 8 6. BayIfSMV, zur herausgehobenen Bedeutung der Wortlautgrenze in derartigen Fällen vgl. BVerwG, U.v. 29.2.2012 - 9 C 8.11 - BVerwGE 142, 84 - juris Rn. 12) Regelung objektiv vergleichbar sind. Ebenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären ist die wissenschaftlich noch nicht eindeutig beantwortete Frage, welche Rolle Kindern als Überträger von SARS-CoV-2 zukommt. Soweit die Antragstellerin insoweit auf im fachwissenschaftlichen Diskurs auftretende Ungewissheiten hinweist, muss dem Verordnungsgeber ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum zugebilligt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 - 1 BvR 1021/20 - juris Rn. 10; BayVerfGH, E.v. 15.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 12). Anhaltspunkte, dass der Verordnungsgeber diesen Spielraum offensichtlich überschritten hätte, bestehen nicht.
18
b) Die Folgenabwägung ergibt, dass die Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung nicht dringend geboten ist.
19
aa) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte ein Normenkontrollantrag Erfolg, wäre die Untersagung des Betriebs des Indoor-Spielplatzes zu Unrecht erfolgt. Durch den weiteren Vollzug der angegriffenen Regelung käme es zu einem schwerwiegenden und teilweise irreversiblen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit mit erheblich nachteiligen wirtschaftlichen Folgen. Die Gefahr für die wirtschaftliche Existenz des Betriebs vergrößert sich mit zunehmender Dauer des Betriebsverbots. Auch wenn die Antragstellerin nicht substanziiert vorträgt, inwiefern der Fortbestand ihres Betriebs konkret gefährdet sei, ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass die Schließung nunmehr schon seit über drei Monaten andauert.
20
bb) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung und bliebe ein Normenkontrollantrag erfolglos, hätte die einstweilige Außervollzugsetzung des § 11 Abs. 5 6. BayIfSMV zur Folge, dass dort genannte Vergnügungsstätten und Freizeiteinrichtungen ab sofort wieder für den Publikumsverkehr öffnen könnten. Dadurch wäre mit vermehrten Infektionen mit SARS-CoV-2 zu rechnen, auch wenn sich die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus inzwischen kontinuierlich abgeschwächt hat. Das Robert-Koch-Institut (im Folgenden: RKI), dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16), bewertet die Lage in Deutschland weiterhin als sehr dynamisch und ernstzunehmend. Auch wenn die Anzahl der neu übermittelten Fälle seit etwa Mitte März rückläufig ist, schätzt das RKI die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin insgesamt als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch (vgl. Risikobewertung vom 2.7.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ /N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Dass das Pandemiegeschehen nach wie vor sehr ernst zu nehmen ist, zeigen zudem einzeln auftretende Ausbruchsgeschehen, z.B. die jüngsten COVID-19-Ausbrüche in fleischverarbeitenden Betrieben - mit einer hohen Zahl an Infizierten - wie auch in Flüchtlingseinrichtungen oder religiösen Gemeinschaften (vgl. RKI, Lagebericht vom 2.7.2020 S. 8, https://www ...).
21
In diesem Zusammenhang hat der Senat nach vorläufiger Prüfung Zweifel, ob das von der Antragstellerin vorgelegte Hygieneschutzkonzept die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m - als oberstes Gebot eines wirksamen Infektionsschutzes vor SARS-CoV-2 - zwischen den spielenden Kindern und Jugendlichen verlässlich gewährleisten kann. Insofern ist das Spielgeschehen auf einem Indoor-Spielplatz mit Spielgeräten, deren gemeinsame gleichzeitige Nutzung durch viele - auch jüngere - Kinder erlaubt ist (Ausnahme Sportbereich Badminton/Squash), nicht ohne Weiteres mit der Nutzung der von der Antragstellerin als vergleichbar benannten Freizeiteinrichtungen (Kletter- und Trampolinhalle, Hallenbad, Kartbahn, Fitnessstudio) gleichzusetzen.
22
cc) Bei der Beurteilung und Abwägung dieser Umstände überwiegen derzeit noch die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe.
23
In Bayern besteht weiterhin eine zwar abgeschwächte, in ihrem Ausmaß aber schwer einzuschätzende Gefahr einer „zweiten Infektionswelle“ bzw. einer erneuten Verstärkung des Pandemiegeschehens, also eine Gefahr für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen mit der Möglichkeit einer Überforderung der personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems. Demgegenüber müssen die mit den Betriebsschließungen der in § 11 Abs. 5 6. BayIfSMV genannten Vergnügungsstätten und Freizeiteinrichtungen verbundenen Grundrechtsverletzungen insbesondere wirtschaftlicher Art weiterhin zurücktreten, es sei denn die damit verbundenen Infektionsrisiken können zumindest auf ein verantwortbares Maß reduziert werden (vgl. BayVerfGH, E.v. 8.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 121; E.v. 8.6.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 22). Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 - juris Rn. 12), sind die durch Untersagung eines infektionsgefährdenden (Spiel-) Betriebs für den Publikumsverkehr schwerwiegend beeinträchtigte Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber von Indoor-Spielplätzen derzeit noch nachrangig, auch wenn Betriebsschließungen von mehreren Monaten einer besonderen Rechtfertigung im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit bedürfen.
24
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es der Antragstellerin im Hinblick auf die inzwischen erfolgten Lockerungen im Zuge der Fortschreibung der BayIfSMV zumindest möglich wäre, ihre sportlichen Angebote (Badminton, Squash, Trampolin, Kletterwand, Tischtennis, Fußballplatz) unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 6 6. BayIfSMV i.V.m. dem Rahmenhygienekonzept Sport der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Sport und Integration und für Gesundheit und Pflege vom 20. Juni 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 363) für den Publikumsverkehr zu öffnen. Für das gastronomische Angebot gelten insoweit die entsprechenden Regelungen und Rahmenhygienekonzepte (vgl. dort Nr. 1b). Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsschließung durch staatliche Hilfen jedenfalls etwas abgemildert werden, was die Antragstellerin dem Grunde nach nicht bestreitet, auch wenn sie nachvollziehbar darauf hinweist, dass die durch die fehlenden Einnahmen bedingten wirtschaftlichen Einbußen damit nicht annähernd ausgeglichen werden können.
25
Auch der Einwand der Antragstellerin, in anderen Bundesländern seien Indoor-Spielplätze bereits wieder erlaubt, führt zu keinem anderen Abwägungsergebnis. Sofern sich das vom Verordnungsgeber in Bayern aufrechterhaltene Betriebsverbot im Hinblick auf das mit der Freizeiteinrichtung verbundene Infektionsrisiko, das im Hauptsacheverfahren zu klären ist (vgl. oben Rn. 16), als verhältnismäßig erweist, gilt dies unabhängig von der Bewertung der Verordnungsgeber in anderen Bundesländern. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung steht dem Einzelnen nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76,1 - juris Rn. 151; BVerwG, B.v. 26.1.2016 - 2 B 17.15 - Buchholz 239.1 § 38 BeamtVG Nr. 4 - juris Rn. 13).
26
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die vom Antragsteller teilweise angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 19. Juli 2020 außer Kraft tritt (§ 24 6. BayIfSMV i.d.F. der Änderungsverordnung vom 30.6.2020), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.
27
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).