Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.07.2020 – 20 NE 20.1443
Titel:

Erfolgloser Normenkontrollantrag: Mindestabstand und Präsenzunterricht in Schulen während Corona-Pandemie

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28 Abs. 1, § 32 S. 1, § 33
BayIfSMV § 16
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 19 Abs. 1
BayEUG Art. 37, Art. 129
BSeuchenG § 34, § 34
Leitsätze:
1. Der in § 16. der 6. BayIfSMV geregelte Mindestabstand in Schulen samt der Reduzierung der Klassenstärke und alternierendem Präsenzunterricht stellt einen jedenfalls gerechtfertigten Eingriff in etwaige Rechte der Schüler und ihrer Eltern dar. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Trotz des verlangsamten Infektionsgeschehens darf der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie aufgrund der dynamischen Situation nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 GG gebietet. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung, Normenkontrollverfahren, Schule, Mindestabstand, Präsenzunterricht, Normenkontrolle, Schulbetrieb, Teilhabe, Klassenstärke, Corona, Infektionsgeschehen, Pandemie
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 15.07.2020 – 1 BvR 1630/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 15472

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
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1. Die Antragsteller begehren mit ihrem Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO der Sache nach zuletzt, § 16 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. Juni 2020 (vgl. 2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 348, im Folgenden: 6. BayIfSMV) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der 6. BayIfSMV und der Einreise-Quarantäneverordnung vom 24. Juni 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 362, im Folgenden: Änderungsverordnung zur 6. BayIfSMV v. 24.6.2020) und der Verordnung zur Änderung der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 30. Juni 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 374, im Folgenden: Änderungsverordnung zur 6. BayIfSMV v. 30.6.2020) bis auf den Satz „Unterricht und sonstige Schulveranstaltungen an Schulen im Sinne des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes sind zulässig“ einstweilen außer Vollzug zu setzen.
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2. Mit Beschluss vom 28. April 2020 hat das Verwaltungsgericht München den Eilantrag der Antragsteller, einer Familie in der Zusammensetzung der zwei in Vollzeit berufstätigen Elternteile und vier Kindern, gerichtet auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen das Unterrichtsverbot an Schulen und das Verbot des Besuchs von Kindertagesstätten in der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16. April 2020 (Az. 51b-G8000-2020/122-216) abgelehnt (vgl. VG München, B.v. 18.5.2020 - M 26 S 20.1657- S. 7 ff.). Mit Beschluss vom 18. Mai 2020 hat der Senat die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 20 CS 20.1056 - juris Rn. 5 ff., im Folgenden: Vorgängerentscheidung). Mit Beschluss vom 9. Juni 2020 hat die zweite Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen und den Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2020 - 1 BvR 1230/20 - juris Rn. 5 ff. u. Rn. 14 ff.).
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3. Der Antragsgegner hat am 19. Juni 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die in der Hauptsache streitgegenständliche Verordnung erlassen und diese mit Änderungsverordnungen vom 24. Juni 2020 und vom 30. Juni 2020 ergänzt. § 16 der 6. BayIfSMV lautet in der derzeit gültigen Fassung:
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㤠16 Schulen
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(1) Unterricht und sonstige Schulveranstaltungen an Schulen im Sinne des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes sind zulässig, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass zwischen allen Beteiligten grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird.
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(2) Die Schulen haben ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines ihnen von den Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Gesundheit und Pflege zur Verfügung gestellten Hygieneplans auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen. Dieses Schutz- und Hygienekonzept muss Maßnahmen enthalten, durch welche der Mindestabstand gewahrt und das Infektionsrisiko minimiert wird. In Betracht kommt etwa die Reduzierung der Klassenstärke oder das Abhalten von alternierendem Unterricht. Dabei sind schulartspezifische Anforderungen und die Umstände vor Ort zu berücksichtigen.
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(3) § 5 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.“
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Die genannte Bestimmung wird gemäß § 24 der 6. BayIfSMV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 30. Juni 2020 mit Ablauf des 19. Juli 2020 außer Kraft treten.
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4. Die Antragsteller, nunmehr in der Zusammensetzung der zwei in Vollzeit berufstätigen Elternteile und der drei schulpflichtigen Kinder, beantragen - nach Hinweis des Senats vom 25. Juni 2020 - mit Schriftsätzen vom selben Tag sowie vom 29. Juni 2020, § 16 Abs. 1 der 6. BayIfSMV einstweilen außer Vollzug zu setzen.
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Zur Begründung tragen sie Folgendes vor: Der in § 16 Abs. 1 der 6. BayIfSMV verankerte Mindestabstand führe dazu, dass die Antragstellerin zu 3., welche die 10. Klasse eines G-8-Gymnasiums besuche, und die Antragstellerin zu 4., welche die 6. Klasse eines Gymnasiums besuche, sowie die Antragstellerin zu 5., welche die 1. Klasse einer Grundschule besuche, derzeit nur im Wochenwechsel Präsenzunterricht an der Schule erhielten. Dies greife in das Grundrecht der Antragstellerinnen zu 3. bis 5. auf Bildung sowie das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein. Dazu verletze der Antragsgegner seine Verpflichtung aus Art. 133 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung. Neben das Recht und die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung gemäß Art. 6 Abs. 2 GG trete der staatliche Auftrag nach Art. 7 Abs. 1 GG, jedem Kind die Erziehung und Bildung zu verschaffen, die es zur gleichberechtigten Teilhabe benötige. Das Recht auf Bildung sei Grundlage für die Inanspruchnahme von anderen Grundrechten. Daneben folge das Grundrecht auf Bildung auch aus Art. 128 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung, der hier allerdings nicht zu prüfen sei, sowie aus Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Art. 13 des UN-Sozialpakts. Keine der von den Antragstellerinnen zu 3. bis 5. besuchten Schulen böten adäquaten Ersatz für den Wegfall des unbeschränkten Präsenzunterrichts. Zwar hätten die Schulen Arbeitsaufträge mit Anleitungen ausgegeben. Dabei blieben jedoch Fächer wie Sport, Kunst und Musik unberücksichtigt. Außerdem seien die Videokonferenzen zu spät, zu spärlich, zu unregelmäßig und nur beschränkt eingeführt worden und würden nun auch wieder wegfallen. Der Mindestabstand und die Beschränkung des Präsenzunterrichts beraube die Antragstellerinnen zu 3. bis 5. der Schule als sozialer und kultureller Begegnungsstätte. Die Lernziele würden verfehlt. Dazu müssten Eltern den technischen Support zur Nutzung digitaler Angebote stellen. Überdies seien die Antragsteller zu 1. und 2. in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 GG verletzt. Es sei zwar für einen begrenzten Zeitraum bei arbeitsteiligem Vorgehen möglich, Vollzeittätigkeit, Kinderbetreuung, Unterricht zu Hause und Haushalt miteinander in Einklang zu bringen. Dies sei aber eine erhebliche Belastung. Ein Elternteil müsse abwechselnd stets im Homeoffice arbeiten. Dies sei nur mit Wohlwollen und Unterstützung des Arbeitgebers möglich. Die angegriffene Norm sei ohne Beteiligung des Parlaments erlassen worden. Es sei nicht gesichert, dass mit dem neuen Schuljahr ein regulärer Schulbetrieb wiederaufgenommen werden könne. Außerdem sei das Zitiergebot hinsichtlich des Rechts auf Bildung (soweit grundgesetzlich geschützt) oder Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 GG nicht eingehalten. Schließlich sei die angegriffene Norm auch unverhältnismäßig. Sie sei insbesondere nicht geeignet, weil nur veraltete, empirisch nicht belegte Vermutungen dafür existierten, dass Kinder wesentlich zur Verbreitung des SARS-CoV-2 beitragen würden, ein regulärer Schulbetrieb mit einer signifikanten Erhöhung des Risikos erneuter Infektionsketten verbunden sei, und weil die Schülerinnen und Schüler sich anderweitig treffen würden. Sie sei auch nicht erforderlich, weil andere Mittel milder seien, darunter Schutzmaßnahmen gegenüber Risikogruppen, Veranstaltungsverbote, regelmäßige Tests und Temperaturmessungen, die Einhaltung der Maskenpflicht sowie die Corona-App. Außerdem sei der reguläre Präsenzunterricht bereits für die Zeit nach den Schulferien geplant. Sie sei auch nicht angemessen, unter anderem weil schwere soziale und psychische Störungen auf Seiten der Kinder und unter Umständen der Verlust des Arbeitsplatzes auf Seiten der Eltern drohe und die vom Antragsgegner angenommene Infektionsgefahr so nicht bestehe. In der Folge leiteten die Antragsteller ergänzend ein subjektiv-öffentliches Recht auf unbeschränkten Präsenzunterricht aus der Pflicht des Antragsgegners zur Gewährleistung eines funktionierenden Schulsystems anhand von Art. 56, 35, 36 Abs. 1, Art. 50 und 49 BayEUG her, der dieser derzeit gänzlich nicht nachkomme. Zudem werde mit dem alternierenden Präsenzunterricht der Gleichheitssatz verletzt, weil Eltern die üblicherweise von Lehrkräften zu erfüllenden Unterrichts- und Unterstützungsleistungen erbringen müssten
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5. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Der Eilantrag sei in der gestellten Form unzulässig, weil er den Antragstellern nicht zu unbeschränktem Präsenzunterricht verhelfe. Die Antragsteller zu 1. und 2. seien mangels Betroffenheit nicht antragsbefugt. Die Antragsteller zu 3 bis 5. hätten kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine bestimmte Art des Unterrichts, hier Präsenzunterricht. Art. 129 Abs. 1 BV konstituiere die allgemeine - auch in der Corona-Pandemie weiterhin gemäß Art. 37 BayEUG fortgeltende - Schulpflicht als staatsbürgerliche Grundpflicht. Sie sei Instrument des in Art. 128 Abs. 1 BV niedergelegten Verfassungsauftrags zur Bildung der Bürger, der allerdings ein Programmsatz sei. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates aus Art. 7 GG sei Staatsziel und Aufgabennorm für die Bereitstellung und Gestaltung des Schulwesens. Auch Art. 2 Abs. 1 GG zwinge den Normgeber nicht zu einem bestimmten Tätigwerden. Ein Recht auf Unterricht bestehe nur im Rahmen des vorhandenen Angebots unter Beachtung des Gleichheitssatzes. Dieser werde derzeit auch erfüllt. Im Übrigen sei der Eilantrag unbegründet. Der Mindestabstand habe - mangels personeller und räumlicher Kapazitäten - zur Folge, dass momentan an den Grundschulen und an den Gymnasien bis zur Jahrgangstufe 10 in einem regulären Klassenzimmer maximal fünfzehn Schülerinnen und Schüler wöchentlich im rollierenden System (Präsenzunterricht - betreutes Lernen zuhause) unterrichtet werden könnten. Die im Präsenzunterricht vermittelten Inhalte und Kompetenzen würden, begleitet durch Lehrkräfte, zu Hause geübt, gefestigt, vertieft und mit Augenmaß erweitert. Daneben gebe es das Notbetreuungsangebot, das derzeit sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler an den Grundschulen und elf Prozent an den Förderzentren nutzten. Das Zitiergebot und der Parlamentsvorbehalt seien eingehalten. Im Übrigen sei die Schutzmaßnahme auch verhältnismäßig.
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6. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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1. Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
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a) Der Eilantrag ist zulässig.
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Er hat bei sachdienlicher Auslegung zu Gunsten der Antragsteller entsprechend § 88 VwGO zum Gegenstand, § 16 der 6. BayIfSMV bis auf den Satz „Unterricht und sonstige Schulveranstaltungen an Schulen im Sinne des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes sind zulässig“ einstweilen außer Vollzug zu setzen. Er bezieht sich zwar dem Wortlaut nach zuletzt lediglich auf § 16 Abs. 1 der 6. BayIfSMV. Eine Auslegung in dem vorgenannten Sinne erscheint indes zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes geboten. Zum einen ist der von den Antragstellern angegriffene Mindestabstand von 1,5 m in Schulen nicht nur in dem Konditionalsatz des § 16 Abs. 1 der 6. BayIfSMV geregelt, sondern hat auch in dem nach § 16 Abs. 2 der 6. BayIfSMV erforderlichen Schutz- und Hygienekonzept seinen Niederschlag gefunden (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 der 6. BayIfSMV: „muss Maßnahmen enthalten, durch welche der Mindestabstand gewahrt … wird“). Speziell die Maßnahmen, um die es den Antragstellern geht, namentlich die Reduzierung der Klassenstärke und der alternierende (Präsenz-)Unterricht, sind in § 16 Abs. 2 Sätze 3 und 4 der 6. BayIfSMV aufgeführt. § 16 Abs. 3 der 6. BayIfSMV wiederum eröffnet die Möglichkeit, hierzu Ausnahmegenehmigungen zu erreichen. Zum anderen ist zweifelhaft, ob, worauf auch der Antragsgegner der Sache nach hingewiesen hat, ohne den verbleibenden Hauptsatz in § 16 Abs. 1 der 6. BayIfSMV die Rechtslage hinreichend klar zu Gunsten der Antragsteller geregelt wäre. Angesichts dessen ist die Norm in dem vorgenannten Umfang als angegriffen anzusehen.
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b) Der Eilantrag ist jedoch unbegründet.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.
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aa) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a.‒ juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffene Norm in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthält oder begründet, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12).
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bb) Nach diesen Maßstäben geht der Senat davon aus, dass der Normenkontrollantrag sich in der Hauptsache voraussichtlich als unbegründet erweisen wird. Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt, dass gegen die in dem vorgenannten Umfang angegriffene Norm keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
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(1) § 16 der 6. BayIfSG ist insbesondere von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 IfSMG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG und § 33 Satz 2 Nr. 3 IfSMG gedeckt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ausdrücklich beispielhaft angeordnet, dass die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch die in § 33 IfSG genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen kann (vgl. zu § 34 BSeuchenG a.F.: BT-Drs. 8/2468, S. 28). Dazu gehören nach § 33 Satz 2 Nr. 3 IfSG insbesondere auch Schulen, sodass die Anordnung eines Mindestabstandes als niederschwellige Minusmaßnahme grundsätzlich zulässig ist.
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(2) Mit Blick auf § 32 Satz 3 IfSG, die Rügen der Antragsteller und die mit den Schutzmaßnahmen des § 16 der 6. BayIfSMV einhergehenden Belastungen ist auch das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG gewahrt. Satz 2 des Art. 19 Abs. 1 GG knüpft an die in Satz 1 umschriebene Voraussetzung an, dass „ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist für finale Eingriffe gedacht. Das Zitiergebot kommt nur bei Grundrechten zur Anwendung, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts eingeschränkt werden können, nicht aber für andersartige grundrechtsrelevante Regelungen, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (vgl. BVerfG, B.v. 4.5.1983 - 1 BvL 46/80, 1 BvL 47/80 - BVerfGE 64, 72/79 f. = juris Rn. 26 f. m.w.N. - Hervorhebung im Original). Abgesehen davon, dass das Zitiergebot nicht auf Gleichheitsgrundrechte, schrankenlos gewährte Grundrechte und auch Leistungsgrundrechte (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 19 Rn. 4 bis 5a m.w.N.) sowie auf Gewährleistungen jenseits des Grundgesetzes anwendbar ist, gilt es insbesondere nicht für Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, U.v. 29.7.1959 - 1 BvR 394/58 - BVerfGE 10, 89/99 = juris Rn. 41 m.w.N.) und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG (vgl. OVG Berlin-Bbg., B.v. 3.4.2020 - 11 S 14/20 - juris Rn. 13 m.w.N.; OVG NW, B.v. 7.11.2011 - 5 A 1352/10 - juris Rn. 19 ff.) sowie hinsichtlich Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 4.5.1983 - 1 BvL 46/80, 1 BvL 47/80 - BVerfGE 64, 72/80 = juris 29).
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(3) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 IfSG für die mit § 16 der 6. BayIfSMV angeordneten Schutzmaßnahmen liegen angesichts der aktuellen Pandemielage weiterhin vor.
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Das pandemische Geschehen dauert weiter an. Das Robert-Koch-Institut, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16), schätzt in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 2. Juli 2020 die Lage in Deutschland auch gegenwärtig als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt (auf einer Skala von “gering“, „mäßig“, „hoch“ bis „sehr hoch“) als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; vgl. Situationsbericht v. 11.6.2020, vgl. auch den Situationsbericht v. 30.6.2020: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-06-30-de.pdf? blob=publicationFile). Angesichts des zu befürchtenden exponentiellen Verlaufs des Infektionsgeschehens, einer Vielzahl klinischer Verläufe mit Todesfolge oder schwerwiegenden Gesundheitsschäden und der Tatsache, dass nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie zur Verfügung stehen, ist die Risikobewertung für die Gesundheit der Bevölkerung als hoch beziehungsweise als sehr hoch jedenfalls nicht offensichtlich unplausibel (vgl. BayVerfGH, E.v. 8.6.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 19).
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(4) § 16 der 6. BayIfSMV hält gegenwärtig die sich aus der Beschränkung in § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 IfSG auf „notwendige Schutzmaßnahmen“ sowie aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit in inhaltlicher Hinsicht („soweit“) und zeitlicher Hinsicht („solange“) ergebenden strengen Grenzen ein.
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Die in § 16 der 6. BayIfSMV getroffenen Schutzmaßnahmen verletzen die Antragsteller voraussichtlich nicht in ihren Rechten, insbesondere nicht in ihren Grundrechten, auch soweit eine teilhaberechtliche Dimension geltend gemacht wird.
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(a) Dabei ist zweifelhaft, ob die Antragsteller subjektiv-öffentliche Ansprüche auf unbeschränkten Präsenzunterricht nach einfachem Recht aufgrund des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) mit dem Verweis auf die angeführten Normen aufgezeigt haben. Das Gesetz ist aus der Warte der in Art. 129 BV und Art. 37 BayEUG niedergelegten allgemeinen Schulpflicht formuliert (vgl. Art. 35 Abs. 1 Satz 1: „unterliegt der Schulpflicht“, Art. 36 Abs. 1 Satz 1: „Die Schulpflicht wird erfüllt“, Art. 45 Abs. 1 Satz 1: „Grundlage für Unterricht und Erziehung bilden die Lehrpläne, die Stundentafel, in der Art und Umfang des Unterrichtsangebots einer Schulart festgelegt ist“, Art. 49 Abs. 1 Satz 1: „Der Unterricht wird in der Regel nach Jahrgangsstufen in Klassen erteilt“ u. Art. 50 Abs. 2 Satz 1: „Der Unterricht in Pflichtfächern und in gewählten Fächern muss von allen Schülerinnen und Schülern besucht werden, soweit nicht in Rechtsvorschriften Ausnahmen vorgesehen sind“). Insbesondere blenden die Antragsteller aus, dass sich nach Art. 56 Abs. 1 Satz 3 BayEUG aus Art. 128 BV einzelne Ansprüche ergeben, wenn und soweit sie nach Voraussetzungen und Inhalt in diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes bestimmt sind. Nach der Rechtsprechung beinhaltet Art. 128 BV kein subjektiv-öffentliches Recht, sondern einen objektiven Programmsatz beziehungsweise eine objektive Pflicht zur Gewährung chancengleicher derivativer Teilhabe im Rahmen des Möglichen (vgl. BayVerfGH, E.v. 21.5.2014 - Vf. 7-VII-13 - juris Rn. 53; E.v. 28.5.2009 - Vf. 4-VII-07 - juris Rn. 123; E.v. 16.4.1964 Vf. 82-VII-62 - juris 1. Leitsatz) und damit eine Staatszielbestimmung (vgl. Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 128 Rn. 5). Dies greifen die Antragsteller auch ausdrücklich nicht an.
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(b) Der von den Antragstellern als verletzt gerügte Art. 133 Abs. 1 Satz 1 BV knüpft an den staatlichen Erziehungsauftrag des Art. 130 Abs. 1 BV an und gebietet, diesem durch die Einrichtung von staatlichen und kommunalen Schulen nachzukommen. Es handelt sich um einen objektiven Rechtssatz, der keine subjektiv-öffentlichen Ansprüche verleiht (vgl. Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 133 Rn. 4; Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaats Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 133 Rn. 1 m.w.N.). Wenn die Norm ein Grundrecht begründen würde, wäre der Eilantrag diesbezüglich bereits unstatthaft, da gemäß § 47 Abs. 3 VwGO das Oberverwaltungsgericht die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht prüft, soweit gesetzlich vorgesehen ist, dass die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs wegen der insoweit ausschließlichen Entscheidungskompetenz aufgrund von Art. 65, 92, 75 Abs. 3 und Art. 98 Satz 4 BV hinsichtlich der Grundrechte der Bayerischen Verfassung der Fall (vgl. BayVerfGH, B.v. 23.3.1984 - Vf. 33-VI-82 - BayVBl 1984, S. 460/460 f.).
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(c) Unter den Gewährleistungen des Grundgesetzes kommt dagegen ein Eingriff in das von den Antragstellerinnen zu 3. bis 5. geltend gemachte Recht auf möglichst ungehinderte Entwicklung der Persönlichkeit, Anlagen und Befähigungen im Bereich der Schule aus Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht. Ob hieraus ein sogenanntes „Recht auf Bildung“ herzuleiten ist, gilt als umstritten und kann indes dahinstehen (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.1977 - 1 BvR 799/76 - BVerfGE 45, 400/417 = juris Rn. 65; BVerfG, B.v. 27.11.2017 - 1 BvR 1555/14 - juris Rn. 25). Die Antragsteller haben insoweit nicht aufgezeigt, dass und inwieweit ein derartiges Konstrukt zu einem über die Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 GG hinausgehenden Grundrechtsschutz führen könnte und auf welchen Rechtsquellen dies beruhen sollte. Dem entspricht es, dass die zweite Kammer des Ersten Senats in der vorgenannten Entscheidung im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 GG herangezogen hat (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2020 - 1 BvR 1230/20 - juris Rn. 3 u. Rn. 17). Allerdings lassen sich allgemein hieraus keine konkreten Pflichten entnehmen, die den Gesetzgeber zu einem bestimmten Tätigwerden zwingen (vgl. BVerfG, B.v. 27.11.2017- 1 BvR 1555/14 - juris Rn. 25). Art. 2 Abs. 1 GG dürfte in Bezug auf die Antragstellerinnen zu 3. bis 5.) grundsätzlich nur einen Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen und -angeboten beziehungsweise auf Zugang zu diesen unter zumutbaren Bedingungen und unter dem Vorbehalt des Möglichen verleihen. Ein Anspruch auf Leistung im Sinne eines Verschaffungsanspruchs dürfte nur entstehen, wenn der Staat insoweit seine Pflichten evident verletzt (vgl. BVerfG, B.v. 27.11.2017 - 1 BvR 1555/14 - juris Rn. 25), es mithin an dem notwendigen Minimum fehlen lässt (vgl. OVG NW, B.v. 12.6.2020 - 13 B 779/20.NE - juris Rn. 55 m.w.N.) beziehungsweise eine „quantitative Untergrenze“ erreicht ist (vgl. OVG LSA, B.v. 8.6.2018 - 3 M 178/18 - juris Rn. 22).
30
(d) Etwas anderes dürfte sich insoweit auch nicht aus Art. 13 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 ergeben (vgl. Gesetz zu dem Internationalen Pakt vom 19.12.1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte v. 23.11.1973, BGBl. II, S. 1569 ff.; im Folgenden: UN-Sozialpakt). Nach Art. 2 Abs. 1 UN-Sozialpakt verpflichtet sich jeder Vertragsstaat Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannte Rechte zu erreichen. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass eine Bestimmung des UN-Sozial-Paktes unmittelbar anwendbar sein kann. Dafür muss sie jedoch nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt sein, wie innerstaatliche Vorschriften rechtliche Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen Ausführung und Ausfüllung bedürfen (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2009 - 6 C 16/08 - juris Rn. 46). Die Antragsteller haben hierzu nichts vorgetragen. Eine derartige unmittelbare Anwendbarkeit drängt sich im vorliegenden Fall auch nicht anderweitig auf, zumal das Schulwesen in besonderem Maße ausgestaltungsbedürftig erscheint. Abgesehen davon dürfte Art. 13 Abs. 1 und 2 Buchst. a) und b) des UN-Sozial-Paktes sowohl für den Grundschulunterricht als auch für die verschiedenen Formen des höheren Schulwesens eine Kombination aus reduzierter Klassenstärke und alternierendem (Präsenz-)Unterricht nicht ausschließen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Antragsteller haben hierzu ebenfalls nicht weiter vorgetragen. Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird dahingehend ausgelegt, dass er lediglich „gemeinsame Richtlinien“ proklamiert (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.1957 - II C 105.56 - juris Rn. 49).
31
(e) Zweifelhaft ist des Weiteren, ob § 16 der 6. BayIfSMV in Bezug auf die Antragsteller zu 1. und 2. in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Es dürfte voraussichtlich insoweit an dem erforderlichen Bezug zu der Berufstätigkeit beziehungsweise der sogenannten berufsregelnden Tendenz der Norm mangeln. Lediglich Fernwirkungen reichen für die Eröffnung des sonst entgrenzten Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht aus. § 16 der 6. BayIfSMV regelt und modifiziert allein den Schulbetrieb. Ein Eingriff in die Berufsausübung der Eltern ist auf Seite des Verordnungsgebers erkennbar nicht intendiert. Dazu betrifft der alternierende Präsenzunterricht alle Eltern unabhängig von der beruflichen Betätigung (vgl. VGH BW, B.v. 18.5.2020 - 1 S 1357/20 - juris Rn. 109 m.w.N.).
32
(f) Fraglich ist ebenfalls, ob § 16 der 6. BayIfSMV in Bezug auf die Antragsteller zu 1. und 2. in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG als Freiheitsgrundrecht eingreift. Das Grundrecht berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen frei zu gestalten (vgl. BVerfG, B. v. 18.4.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81/92 = juris Rn. 37). Art. 6 Abs. 1 GG schützt insbesondere das Zusammenleben von Eltern und Kindern in der häuslichen Gemeinschaft (vgl. BVerfG, B.v. 30.11.1988 - 1 BvR 37/85 - BVerfGE 79, 203/211 = juris Rn. 34). Für den Eingriffscharakter spricht, wenn es die Maßnahme gezielt und typischerweise das Zusammenleben in der Familie betrifft (vgl. BVerfG, B. v. 17.02.2010 - 1 BvR 529/09 - juris Rn. 55). Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber einen Eingriff in die familiäre häusliche Gemeinschaft intendiert hätte. § 16 der 6. BayIfSMV bewirkt, dass sich Schülerinnen und Schüler wie die Antragstellerinnen zu 3. bis 5. in der Woche, in der kein Präsenzunterricht in der Schule stattfindet, zu Hause aufhalten. Der Familie bleibt es weiterhin frei, ihre Gemeinschaft nach innen zu gestalten. Für Eltern wie die Antragsteller zu 1. und 2. hat dies zur Folge, dass sie die Kinder selbst zu betreuen haben oder durch dritte Personen betreuen lassen müssen. Soweit sich die Antragsteller zu 1. und 2. hiergegen wenden, geht es ihnen nicht darum, das Zusammenleben in der häuslichen Gemeinschaft zu pflegen und die Kinder zu erziehen; stattdessen wollen sie erreichen, dass der Staat an ihrer Stelle die Kinder erzieht und beaufsichtigt. Die familiäre häusliche Gemeinschaft dürfte insofern nicht unmöglich gemacht oder gestört sein (vgl. VGH BW, B.v. 18.5.2020 - 1 S 1357/20 - juris Rn. 116 m.w.N.).
33
(g) In Betracht kommt des Weiteren bei sachgerechter Auslegung des Vortrags zugunsten der Antragsteller zu 1. und 2. das Recht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder gemäß Art. 6 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Eltern bestimmen, ob und inwieweit sie andere zur Erfüllung ihres Erziehungsauftrags heranziehen. Zum einen wird dieses Recht durch den Vorbehalt des staatlichen Erziehungsauftrags gemäß Art. 7 Abs. 1 GG begrenzt (vgl. BVerfG, B.v. 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91 u.a. - BVerfGE 99, 216/231 f. = juris Rn. 63). Zum anderen lassen sich konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen hieraus grundsätzlich nicht herleiten (vgl. BVerfG, U.v. 21.7.2015 - 1 BvF 2/13 - BVerfGE 140, 65/83 = juris Rn. 39). Ein Anspruch auf Teilhabe dürfte sich daher auch hier nur auf die vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen und -angebote beziehungsweise auf Zugang zu diesen unter zumutbaren Bedingungen und unter dem Vorbehalt des Möglichen beziehen (vgl. VGH BW, B.v. 18.5.2020 - 1 S 1357/20 - juris Rn. 118). Ein Leistungsanspruch in Form eines Verschaffungsanspruchs könnte insofern ebenfalls (s.o.) nur ausnahmsweise entstehen (vgl. OVG NW, B.v. 12.6.2020 - 13 B 779/20.NE - juris Rn. 55). Eine andere Sichtweise dürfte dazu führen, dass die Rechte der Eltern in diesem Zusammenhang über die der zuvörderst betroffenen Kinder hinausgehen würden. Daneben kommt zugunsten der Antragsteller zu 1. und zu 2. noch Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht.
34
(h) Fraglich ist auch, ob der geschlechtsspezifisch neutral formulierte § 16 der 6. BayIfSMV mit Blick auf die Antragsteller zu 1. und 2 eine (indirekte) Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 GG darstellt. Zwar schützt Art. 3 Abs. 2 GG vor Ungleichbehandlungen, die geeignet sind, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit die „Hausfrauenehe“ zu begünstigen und eine überkommene Rollenverteilung zum Nachteil von Frauen festzuschreiben (vgl. BVerfG, U.v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234/258 = juris Rn. 76 m.w.N.). Hierzu wurde jedoch lediglich angeführt, dass die Antragsteller zu 1. und 2. eine auf vollständige Gleichberechtigung gerichtete Ehe führen würden, bei der jeder Ehegatte paritätisch Beiträge zum Haushaltseinkommen, zur Kinderbetreuung sowie zum Haushalt leiste. Die Antragsteller sprechen insoweit von „zusätzlichen Belastungen innerhalb der Familie“ und von der „besonderen Belastung von Familien“. Das Wort „Frau“ (oder „Mann“) taucht im Vorbringen der Antragsteller in diesem Zusammenhang überhaupt nicht auf. Die Antragsteller haben insbesondere nicht dargelegt, dass und inwieweit wesentlich mehr Frauen (oder Männer) negativ betroffen sein sollten. Außerdem ist die Frage aufgeworfen, dass und inwieweit sich ein nicht benachteiligtes Familienmitglied hierauf berufen kann.
35
(i) Zweifelhaft ist schließlich, ob, wie zuletzt zusätzlich geltend gemacht, § 16 der 6. BayIfSMV mit Blick auf die Antragsteller zu 1. und 2. eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG begründet. Es ist nicht ersichtlich, dass hier im Wesentlichen ungleiche Sachverhalte gleich behandelt würden. Die Antragsteller haben insofern bereits nicht aufgezeigt, dass Eltern, die ihre Kinder in der Woche, in der kein Präsenzunterricht stattfindet, beim Lernen unterstützen, in eine Rolle rücken würden, die mit der einer Lehrkraft vergleichbar wäre. Dies liegt auch fern, weil diese das Lernen zu Hause durch konkrete Arbeitsaufträge vorbereiten und begleiten. Eltern wählen keine Lerninhalte aus und evaluieren beziehungsweise bewerten nicht die Lernfortschritte ihrer Kinder für die Schule. Sie sind nur angehalten, die Erledigung der von den Lehrkräften gestellten schulischen Aufgaben zu begleiten.
36
(j) Ob die mit einem Eilantrag im Normenkontrollantragsverfahren beanstandeten Bestimmung aufgrund ihrer Auswirkungen insoweit einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Schutzbereiche der geltend gemachten Normen und Gewährleistungen darstellt, kann im streitgegenständlichen Eilverfahren jedoch letztendlich dahinstehen. Denn selbst zugunsten der Antragsteller unterstellte Eingriffe wären hier jedenfalls - gemessen an den jeweils einschlägigen Rechtfertigungsregimes, darunter die verfassungsmäßige Ordnung, kollidierendes beziehungsweise begrenzendes Verfassungsrecht, Einschränkungen nach Art. 4 des UN-Sozialpaktes sowie vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls oder sachliche Gründe - voraussichtlich gerechtfertigt (vgl. OVG NW, B.v. 12.6.2020 - 13 B 779/20.NE - juris Rn. 55; VGH BW, B.v. 18.5.2020 - 1 S 1357/20 - juris Rn. 107 bis 143).
37
(aa) Der Verordnungsgeber verfolgt mit § 16 der 6. BayIfSMV das legitime Ziel weiter, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines exponentiellen Anstiegs von Ansteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden. Trotz des verlangsamten Infektionsgeschehens darf der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie aufgrund der dynamischen Situation nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet (s.o.), die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 GG gebietet.
38
(bb) Der in § 16. der 6. BayIfSMV geregelte Mindestabstand in Schulen samt der Reduzierung der Klassenstärke und alternierendem Präsenzunterricht ist geeignet, die Infektionsgefahr einzudämmen.
39
In der Zusammenschau der bisher erhobenen und vom Robert-Koch-Institut ausgewerteten Daten kommt dieses aktuell aufgrund einer Reihe von Faktoren zu der Einschätzung, dass die Frage, welche Rolle Kindern als Überträger des SARS-Cov-2-Virus zukommt, derzeit noch nicht wissenschaftlich eindeutig beantwortbar ist, mit der Folge, dass eine abschließende Einschätzung zur Normalsituation in geöffneten Bildungseinrichtungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist (vgl. RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) Nr. 5 Spezielle Gruppen: Schwangere und Kinder, Stand: 26.6.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html). Das Robert Koch-Institut empfiehlt weiterhin, dass auch Kinder und Jugendliche die Abstandsregelung einhalten und Hygienevorgaben beachten (vgl. Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist über COVID-19 bei Kindern beka…, Stand: 29.5.2020, abrufbar unter; https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/ gesamt.html).
40
Die Einschätzung und die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts enthalten nachvollziehbare Anknüpfungspunkte und Schlussfolgerungen und befinden sich auf dem aktuellen Stand. Sie decken sich mit der Zusammenfassung in dem Infobrief des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags (Fachbereich Bildung und Forschung) vom 17. Juni 2020 (vgl. BT, WD, Ausgewählte Aspekte zu COVID-19-Erkrankungen bei Kindern, Infobrief v. 17.6.2020, WD 8 - 310 - 037/20 m.w.N.). Soweit die Antragsteller insbesondere auf Ungewissheiten aufgrund des fortgesetzten fachwissenschaftlichen Diskurses hinweisen, muss dem Verordnungsgeber ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum zugebilligt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 - 1 BvR 1021/20 - juris Rn. 10; BayVerfGH, E.v. 15.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 12). Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber diesen Spielraum im vorliegenden Fall offensichtlich überschritten hätte, bestehen nicht.
41
Vor diesem Hintergrund ist der Mindestabstand in Schulen samt der Reduzierung der Klassenstärke und alternierendem Präsenzunterricht im vorgenannten Sinne geeignet, weil es den physischen Kontakt und das damit einhergehende Infektionsrisiko der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte im Schulbetrieb reduziert (vgl. OVG NW, B.v. 12.6.2020 - 13 B 779/20.NE - juris Rn. 72 ff.). Dass es Schülerinnen und Schüler im Geltungsbereich der 6. BayIfSMV möglich ist, außerhalb des Schulbetriebs physischen Kontakt zu haben, vermag daran nichts zu ändern.
42
(cc) Der Verordnungsgeber darf den in § 16. der 6. BayIfSMV geregelten Mindestabstand in Schulen samt der Reduzierung der Klassenstärke und alternierendem Präsenzunterricht gegenwärtig voraussichtlich für erforderlich halten.
43
Zum einen ist die Einschätzung des Verordnungsgebers nachvollziehbar, dass regulärer Schulbetrieb mit unbeschränktem Präsenzunterricht ein spezifisch hohes Infektionsrisiko begründet. Denn dieser bedeutet, dass eine Lehrkraft und eine Vielzahl von minderjährigen Schülerinnen und Schülern, namentlich in Klassenstärke, für eine erhebliche Verweildauer in geschlossenen, regelmäßig eng begrenzten Räumen zusammentreffen, wobei es - bei realistischer Betrachtung der Gruppensituation und des Bewegungsdrangs von Kindern und Jugendlichen - auch zu nahen physischen Kontakten kommen wird, welche das Infektionsrisiko durch Tröpfchen bergen. Im Übrigen steigt die Infektionsgefahr durch Aerosole in der Luft an, je mehr Personen sich in einem geschlossenen Raum aufhalten. Hinzu kommt, dass die aufwändigen Schutz- und Hygienekonzepte an Schulen zur Regelung des Zusammentreffens von Schülerinnen und Schülern im Schulgebäude außerhalb der Klassenzimmer, die derzeit zur Vermeidung von Infektionsgefahren angewandt werden (z.B. Nutzung verschiedener Ein- und Ausgänge, Beschränkung der gemeinsamen Nutzung von Toiletten u.v.m.), im „Normalbetrieb“ nicht gleichermaßen umsetzbar sein werden. Die dadurch erstrebte bestmögliche Verhinderung von Infektionen außerhalb der einzelnen Klassenverbände ist aber zumindest in der gegenwärtigen Phase der Pandemie noch besonders wichtig, weil hiervon die Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten und die Reichweite von Quarantänemaßnahmen im Infektionsfall abhängen. Diese Wertung erscheint auch in der Entscheidung des Gesetzgebers angelegt, unter anderem diese besondere Situation physischer Kontakte in der Schule, die sich nach § 33 Satz 1 IfSG dadurch auszeichnet, dass „überwiegend minderjährige Personen betreut werden“, eigens in § 33 Satz 2 Nr. 3 IfSG beispielhaft zu erwähnen und damit das Infektionsrisiko hervorzuheben.
44
Zum anderen ist nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber angesichts des Infektionsgeschehens, der tatsächlichen Ungewissheiten und der anhaltenden wissenschaftlichen Diskussion andere Mittel für nicht gleich effektiv erachtet (vgl. OVG NW, B.v. 12.6.2020 - 13 B 779/20.NE - juris Rn. 80 ff.).
45
Angesichts der hohen Kontagiösität des Virus, des engen physischen Kontaktes zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander und des häufigeren symptomlosen beziehungsweise milden Verlaufs (s.o.) ist der Mindestabstand - neben der Beachtung der Hygieneregeln - die wesentliche Schutzvorkehrung, um die Infektionsgefahr einzudämmen. Dies ergibt sich insbesondere auch im Vergleich zu den von den Antragstellern angesprochenen alternativen Mitteln. So kann das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung den gebotenen Mindestabstand nicht ersetzen (vgl. RKI, Infektionsschutzmaßnahmen, Ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zum Schutz vor SARS-CoV-2 sinnv…, Stand: 16.6.2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html). Überdies ist zweifelhaft, ob das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung über einen gesamten Schultag hinweg für die Lehrkraft sowie die Schülerinnen und Schüler eine mildere Maßnahme darstellt. Maßnahmen der Diagnostik wie etwa Teste können möglicherweise die Verbreitung des Virus verlangsamen, aber nicht - wie die Reduzierung von physischem Kontakt - eine Infektion verhindern. Temperaturmessungen werden vom Robert-Koch-Institut inzwischen als ineffektiv, der Mehrwert hiervon als vernachlässigbar angesehen (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 20/2020 v. 14.5.2020, S. 5). Die Nutzung der Corona-App ist, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, lediglich freiwillig, zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Schüler und jede Schülerin über sie verfügt oder im Schulbetrieb nutzen kann. Die Reglementierung von Veranstaltungen beseitigen nicht das Infektionsrisiko im regulären Schulbetrieb.
46
Weiterhin ist der Verordnungsgeber nicht daran gehindert, Regelungen zu treffen, die auch den vermutlich gesünderen und weniger gefährdeten Menschen in gewissem Umfang Freiheitsbeschränkungen abverlangen, wenn gerade hierdurch auch den stärker gefährdeten Menschen, die sich ansonsten über längere Zeit vollständig aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen müssten, ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und Freiheit gesichert werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 - 1 BvR 1021/20 - juris Rn. 9).
47
Der Umstand, dass der Antragsgegner die Wiederaufnahme des regulären Schulbetriebs unter Hygieneauflagen für die Zeit nach den Schulferien (vgl. BayStK, Pressemitteilung v. 23.6.2020 Nr. 110, https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2020/06/ 200623-ministerrat.pdf) - vorbehaltlich des weiteren Infektionsgeschehens - in Aussicht gestellt hat, lässt die derzeitige Erforderlichkeit der getroffenen Schutzmaßnahme nicht entfallen. Der Verordnungsgeber muss neben der Art und dem Umfang einer Schutzmaßnahme in einem bestimmten Lebensbereich auch mit einem gewissen Vorlauf den Zeitpunkt für eine etwaige Lockerung samt einem Schutz- und Hygienekonzept aufgrund einer sich gegebenenfalls abzeichnenden Neubewertung festlegen können (vgl. OVG NW, B.v. 12.6.2020 - 13 B 779/20.NE - juris Rn. 85). Dies gilt insbesondere für den Bereich des Schulwesens. Denn die Wiederaufnahme für die insgesamt circa 6.000 Schulen im Geltungsbereich der 6. BayIfSMV muss geplant und kommuniziert werden, insbesondere müssen begleitende Hygieneauflagen entwickelt und implementiert werden. Das Vorgehen anderer Länder spielt in diesem Zusammenhang tragende keine Rolle.
48
(dd) Der in § 16. der 6. BayIfSMV geregelte Mindestabstand in Schulen samt der Reduzierung der Klassenstärke und alternierendem Präsenzunterricht ist voraussichtlich bei Abwägung der gegenläufigen Positionen auch angemessen.
49
Der Verordnungszweck steht nicht außer Verhältnis zu der Schwere der - unterstellten - Eingriffe. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Schulbetrieb - von der zunächst im Wege von Allgemeinverfügungen angeordneten Schulschließung und über die schrittweisen Lockerungen bis zu dem nunmehr im Wesentlichen alternierenden Präsenzunterricht - nun bereits seit nahezu dreieinhalb Monaten nicht unbeschränkt ist und dies Belastungen für Familien im Alltag mit sich bringt, die zum Teil gravierende soziale und auch ökonomische Folgen für Schüler und Eltern haben können.
50
Die geltend gemachten - und zu Gunsten der Antragsteller unterstellten Rechte auf Teilhabe - gelten aber nicht uneingeschränkt und treten hier im Ergebnis angesichts der drohenden Überforderung des Gesundheitswesens gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zurück.
51
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der von den Antragstellern begehrte Präsenzunterricht derzeit zu einem maßgeblichen, nämlich hälftigen Teil stattfindet. So konzedieren die Antragsteller, dass die Antragstellerin zu 5. seit dem 25. Mai 2020, die Antragstellerin zu 4. seit dem 18. Mai 2020 und die Antragstellerin zu 3. seit dem 15. Juni 2020 alternierend Präsenzunterricht erhalten (vgl. Antragsteller, Antragsschrift v. 29.6.2020, S. 6). Zuvor wurde der Schulbetrieb am 27. April 2020 für Abschlussklassen und ab dem 11. Mai 2020 für die Vorabschlussklassen an weiterführenden und beruflichen Schulen wiederaufgenommen.
52
Daneben gibt es aktuell das mit dem Präsenzunterricht alternierend verknüpfte und in der Regel digitale Lernangebot Lernen zuhause (mittlerweile in der Fassung 3.0). Zwar kann dieses augenscheinlich aufgrund der Rückmeldungen von Eltern und Schülerinnen und Schülern stetig fortentwickelte und erweiterte Lernangebot mit vielfältigen Lernwerkzeugen, Lerninhalten und Kommunikationsmitteln („von der E-Mail bis hin zu virtuellen Klassenräumen“), die über das Infoportal des Landesmedienzentrums Bayern zugänglich sind, die Belastungen für Eltern und Schülerinnen und Schüler nicht vollständig kompensieren. Es ist aber davon auszugehen, dass es den teilweisen Wegfall des Präsenzunterrichts wohl abfedern kann. Dabei hat der Antragsgegner zur Nutzung ein umfangreiches Beratungs-, Unterstützungs-, Förder- und Brückenangebot zur Verfügung gestellt (vgl. insgesamt: StKM, Neue Hinweise und Standards für das Lernen zuhause, abrufbar unter: https://www.km.bayern.de /ministerium/meldung/6947/neue-hinweise-und-standards-fuer-das-lernen-zuhause-veroeffentlicht.html sowie FAQ zum Unterrichtsbetrieb an Bayerns Schulen, abrufbar unter: https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/ 6945/faq-zum-unterrichtsbetrieb -an-bayerns-schulen.html).
53
Zwar erachten die Antragsteller all dies für inadäquat. Ihr Vorbringen und die vorgelegten Anlagen beziehen sich indes vor allem auf die in einer solchen Ausnahmesituation nicht auszuschließenden Anlaufschwierigkeiten in der Praxis. Zudem kann nicht außer Acht bleiben, dass die Antragsteller aktuell nicht konkret vorgetragen haben, sich, Schwierigkeiten gewärtigend, vergeblich an die Schulen, die einzelnen Lehrkräfte beziehungsweise die hinsichtlich des Lernangebots zuständigen Stellen gewendet zu haben oder hierfür anderweitige Quellen angegeben zu haben, obwohl das Verwaltungsgericht München das Vorbringen insoweit bereits als defizitär gerügt hatte (vgl. VG München, B.v. 18.5.2020 - M 26 S 20.1657 - S. 17; vgl. Antragsteller, Schriftsätze v. 5.5.2020, Senatsakte, Bl. 15, sowie v.25.6.2020 u. 29.6.2020).
54
Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang in Rechnung zu stellen, dass der Antragsgegner bei Betreuungslücken von Schülerinnen und Schüler eine Notbetreuung zur Verfügung stellt (vgl. StKM, Informationen zur Notbetreuung, abrufbar unter: https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/6945/faq-zum-unterrichtsbetrieb-an-bayerns-schulen.html#informationen-notbetreuung). Auch hierzu haben die Antragsteller nicht konkret vorgetragen, dass sie sich vergeblich an die zuständigen Stellen gewendet haben, oder hierzu anderweitig nähere Angaben gemacht, die darauf schließen ließen, dass das Angebot unzulänglich ist. Die von den Antragstellern geschilderten Auswirkungen auf das Berufsleben im Allgemeinen und der Antragsteller zu 1. und 2. (einem Syndikusrechtsanwalt und einer Informationsbeauftragten) im Besonderen sind vage geblieben.
55
Der Senat erkennt an, dass der alternierende Präsenzunterricht den Regelbetrieb an Schulen nicht in allen Bereichen vollwertig ersetzen kann. Die Vermittlung von Lerninhalten „aus der Ferne“ kann bei bestimmten Lerninhalten schwierig sein und bei einzelnen Schülerinnen und Schülern auch zu Wissens- und Kenntnislücken führen; bestimmte Unterrichtsformate und -materien können ersatzlos wegfallen. Der Antragsgegner hat allerdings, insofern von den Antragstellern unwidersprochen, weitere begleitende Betreuungs- und Förderangebote in Aussicht gestellt, um gegebenenfalls entstandene und entstehende Lücken zu schließen. Dies zeigen auch die von den Antragstellern selbst vorgelegten Anlagen (vgl. Anlage 6). Dass insgesamt ein uneinbringlicher Verlust eines schulischen Halbjahres mit langfristig negativen Auswirkungen auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn entstehen könnte, ist aber nicht erkennbar. Hierbei kann nicht ausgeblendet werden, dass Schülerinnen und Schüler wie die Antragstellerinnen zu 3. bis 5. bereits zum Zeitpunkt der genannten Vorgängerentscheidung, wie der Senat konstatiert hat, tatsächlich schulische Angebote wahrnehmen konnten (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 20 CS 20.1056 - juris Rn. 9). Dass diese in der Praxis gänzlich unzulänglich gewesen wären, legen weder das Vorbringen noch die vorgelegten Anlagen nahe (vgl. Anlage 5). Insofern wurden die Belastungen auch in der Vergangenheit in Teilen abgefedert.
56
Zweifellos kann der vorübergehend seit Mitte März beschränkte Schulbetrieb auch in psychischer und sozialer Hinsicht Einfluss auf die Schülerinnen und Schüler haben. Dies gilt in der gegenwärtigen Pandemiesituation aber nicht nur für den schulischen, sondern insgesamt für den gesellschaftlichen Bereich, der sich durch die Eindämmungsmaßnahmen zum Teil stark verändert hat (z.B. Kontaktbeschränkung). Eine nachhaltige Störung der psychischen und sozialen Entwicklung von Schülerinnen und Schülern wie den Antragstellerinnen zu 3. bis 5. ist jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände derzeit nicht nachvollziehbar dargelegt (vgl. VGH BW, B.v. 18.5.2020 - 1 S 1357/20 - juris Rn. 139).
57
Die Norm des § 16 der 6. BayIfSMV ist zeitlich begrenzt. Ihre Gültigkeit und derzeitige Fassung ist bis zum 19. Juli 2020 befristet. Dass der Antragsgegner in der Vergangenheit seiner Pflicht zu der gebotenen periodisierten Überprüfung der Schutzmaßnahmen nicht nachgekommen wäre, ist an der Entwicklung im Bereich des Schulwesens, von den vorangehenden Allgemeinverfügungen (vgl. Allgemeinverfügungen v. 16.4.2020, Az. 51b-G8000-2020/122-216; v. 24.4.2020, Az. 51b-G8000-2020/122-228; v. 8.5.2020, GZ6a-G8000-2020/122-294, BayMBl 2020 Nr. 251; v. 28.5.2020, GZ6a-G8000-2020/122-342, BayMBl 2020 Nr. 302) bis hin zu § 16 der 6. BayIfSMV nicht abzulesen.
58
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass in § 16 Abs. 3 der 6. BayIfSMV die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 der 6. BayIfSMV vorgesehen ist. Die Norm erlaubt damit abstrakt-generell, dass eine Einzelfallprüfung stattfinden kann, welche Sonderkonstellationen Rechnung trägt.
59
Angesichts all dessen überwiegt das Interesse an dem weiteren Vollzug der Norm die Interessen an einer Außervollzugsetzung der Norm in dem angegriffenen Umfang, die das Risiko einer Eröffnung von neuen Infektionsketten mit schwerwiegenden, teilweise irreversiblen gesundheitlichen Konsequenzen birgt (vgl. BayVerfGH, E.v. 8.6.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 22).
60
(ee) Auch wenn man aufgrund der eingangs genannten Zweifel und Unsicherheiten (s.o.) eine Folgenabwägung für angezeigt hält, ergibt nichts anderes, da diese unter Berücksichtigung der vorgenannten, entsprechend heranzuziehenden Umstände und Erwägungen zu Lasten der Antragsteller ausgeht.
61
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG. Da die von den Antragstellern angegriffene Norm nach § 24 der 6. BayIfSMV bereits mit Ablauf des 19. Juli 2020 außer Kraft tritt, zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.
62
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).