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OLG München, Endurteil v. 24.06.2020 – 20 U 6415/19
Titel:

Erbringung der Beförderungsleistung

Normenketten:
VO (EG) Nr. 593/2008 Art. 9 Abs. 3
BGB § 275 Abs. 1, § 631 Abs. 1
LuftVG § 21 Abs. 2 S. 3, § 21a S. 2
AGG § 3 Abs. 2, § 21 Abs. 2
Leitsätze:
1. Einem ausländischen Gesetz, das Verträge mit israelischen Staatsangehörigen verbietet (hier: kuwaitisches Einheitsgesetz zum Israel-Boykott) ist in der Bundesrepublik D. keine Wirkung zu verleihen. (Rn. 28 – 30)
2. Die Existenz und die tatsächlichen Auswirkungen eines solchen Gesetzes - hier: Einreiseverbot für israelische Staatsangehörige in K. - können jedoch ein tatsächliches Leistungshindernis für die Flugbeförderung eines israelischen Staatsbürgers mit Zwischenladung in K. darstellen. (Rn. 31 – 35)
3. Für eine Klage auf Geldentschädigung wegen Diskriminierung gegen eine nicht in der EU ansässige Gesellschaft sind die deutschen Gerichte international zuständig, wenn der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in D. hat. Das gilt unabhängig davon, ob der Entschädigungsanspruch als vertraglicher oder als deliktischer Anspruch qualifiziert wird. In diesem Fall ist deutsches Sachrecht anwendbar. (Rn. 23 – 26)
4. Das Vorliegen eines tatsächlichen Leistungshindernisses kann den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Diskriminierung ausschließen. (Rn. 50)
Schlagworte:
Alleingesellschafter, Anspruch, Beförderungsleistung, Beförderungspflicht, Botschaft, Diskriminierung, Einreise, Einreiseverbot, Entschädigung, Erfüllungsort, Flugbeförderung, Geldentschädigung, internationale Zuständigkeit, Leistungshindernis, Leistungserbringung, mittelbare Diskriminierung, Nichtbeförderung, Pflichtverletzung, Transitaufenthalt, unerlaubte Handlung, Unzumutbarkeit
Vorinstanz:
LG Landshut, Urteil vom 15.10.2019 – 24 O 61/19
Fundstellen:
MDR 2020, 1368
IPRax 2023, 182
RRa 2020, 276
NJW-RR 2020, 1061
LSK 2020, 15428
BeckRS 2020, 15428

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 15.10.2019, Az. 24 O 61/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahren zu tragen.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 23.600,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger begehrt von der beklagten Fluggesellschaft die Flugbeförderung von M. nach S. L. und zurück jeweils mit Transitaufenthalt in K.-Stadt, hilfsweise Feststellung, dass die Beklagte zur Beförderung verpflichtet war, sowie Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 20.000,00 Euro.
2
Der Kläger ist ein in D. lebender israelischer Staatsbürger. Alleingesellschafterin der beklagten Fluggesellschaft ist der Staat K..
3
Der Kläger buchte am 07.11.2018 über ein Online-Reiseportal einen Flug von M. nach S. L. für den 10.11.2018 und einen Rückflug für den 17.11.2018 jeweils mit Transitaufenthalt in K.-Stadt. Das Online-Reiseportal bestätigte zunächst die Buchung und übermittelte dem Kläger eine Buchungsnummer. Am Folgetag wurde die Buchung storniert. Zwischen den Parteien ist streitig, von wem die Buchung storniert wurde.
4
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat mit Endurteil vom 15.10.2019 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
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Ein Anspruch des Klägers auf Beförderung aus dem Beförderungsvertrag bestehe nicht, da die Leistungspflicht der Beklagten gem. § 275 Abs. 1 BGB erloschen sei. Zwar begründe das kuwaitische „Gesetz Nr. 21 des Jahres 1964 - Einheitsgesetz zum I.-Boykott“ kein Leistungshindernis. Denn diesem sei keine Wirkung zu verleihen, da es fundamentalen Grundwerten der deutschen Rechtsordnung widerspreche. Die Beförderung des Klägers sei der Beklagten jedoch tatsächlich unmöglich, weil der Kläger als Inhaber eines israelischen Reisepasses nicht nach K. reisen dürfe, selbst wenn er nicht in das Land einreisen, sondern sich lediglich zwecks Durchreise und Umstieg im Transitbereich aufhalten wolle. Dies ergebe sich aus den Angaben der von der IATA, dem internationalen Dachverband der Fluggesellschaften, betriebenen Datenbank T. (Anlage B 3) sowie einem Schreiben der K.ischen Botschaft in D. vom 10.10.2017 (Anlage B 4). Es sei der Beklagten auch nicht deshalb verwehrt, sich auf ein innerstaatliches Gesetz als Hindernis zu berufen, weil sie zu 100% im Eigentum des Staates K. stehe und die Verbotsnorm von diesem Staat geschaffen worden sei, denn die Beklagte als juristische Person und ihr Alleingesellschafter stellten unterschiedliche Rechtssubjekte dar. Das Verhalten der Beklagten stelle sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium als treuwidrig dar, wenn sie in D. Flugtickets in Kenntnis des Umstands anbiete, dass der Erbringung der Beförderungsleistung gegenüber israelischen Staatsbürgern ein tatsächliches Leistungshindernis entgegenstehe. Denn die Beklagte könne nicht beeinflussen, ob vor der Buchung über Internetplattformen die Staatsbürgerschaft eines jeden Fluggastes abgefragt werde. Dies sei Sache der Buchungsplattform. Zudem stünden dem Fluggast - so auch hier dem Kläger - die Rechte nach § 275 Abs. 4 BGB wegen der mit dem Leistungshindernis verbundenen vertraglichen Pflichtverletzung zu. Eine Beförderungspflicht ergebe sich aus den genannten Gründen auch nicht aus § 21 Abs. 2 Satz 3 LuftVG.
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Ein Anspruch auf Entschädigung gem. § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG bestehe nicht, da die Beklagte mit der Nichtbeförderung schon das Benachteiligungsverbot nicht verletzt habe. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass eine an die Nationalität anknüpfende Benachteiligung eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft darstelle. Allerdings führe hier die Nichtbeförderung von israelischen Staatsangehörigen nicht mittelbar zu einer Nichtbeförderung von Personen, die dem jüdischen Glauben angehören. Selbst wenn dadurch mittelbar eine unterschiedliche Behandlung - wie nicht - vorliegen würde, läge kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor. Eine unterschiedliche Behandlung wäre gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 AGG zulässig, weil mit der tatsächlichen Unmöglichkeit der Beförderung ein sachlicher Grund vorliege. Aus diesen Gründen bestehe auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG sowie aus § 823 Abs. 1 BGB.
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Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, mit welcher er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.
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Der Kläger macht geltend, dass der Beförderungsanspruch nicht aufgrund eines unüberwindbaren Leistungshindernisses erloschen sei. Die Erbringung der Beförderungsleistung sei nicht gem. § 21 Abs. 2 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 21a Satz 2 LuftVG, die als Spezialnormen dem § 275 BGB vorgingen, unzumutbar. Denn die Ursache des (vermeintlichen) Leistungshindernisses liege im Einflussbereich der Beklagten und müsse ihrer Verantwortungssphäre zugerechnet werden, so dass eine Unzumutbarkeit der Erbringung der Beförderungsleistung daran scheitere, dass sich die Beklagte gegenüber der sie beherrschenden Alleingesellschafterin noch nicht einmal um die generelle Beseitigung des (vermeintlichen) Leistungshindernisses bzw. eine Einzelfall-Lösung bemüht habe. Ferner verkenne das Landgericht, dass der Beklagten nicht die Leistungsfähigkeit, sondern die Leistungsbereitschaft fehle; die Interessen der Beklagten seien identisch mit der sie beherrschenden Anteilseignerin, sie transportiere daher generell keine Israelis, unabhängig von der konkreten Fluglinie. Ferner sei der Beklagten nach den Grundsätzen der sog. Gläubigerkollision die Leistung nicht subjektiv unmöglich, sondern sie sei danach vielmehr verpflichtet, sich die Dispositionsfreiheit über den Leistungsgegenstand wieder zu verschaffen. Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass sich die Beklagte treuwidrig verhalten habe. Der Kläger habe im Rahmen des Buchungsvorgangs über das Online-Reiseportal seine Nationalität angegeben; diese Kenntnis müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Ferner ist der Kläger der Auffassung, dass sich die Beklagte nicht hinter ihrer formaljuristischen Eigenständigkeit verstecken dürfe dem Staat K. sei eine Flucht ins Privatrecht verwehrt.
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Auch liege kein unüberwindbares Leistungshindernis i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB vor. Eine tatsächliche Unmöglichkeit scheide aus, da das (angebliche) Einreisehindernis überwindbar sei und im Rahmen der erforderlichen Einzelfallabwägung gem. § 275 Abs. 2 BGB bzw. § 275 Abs. 3 BGB von der Beklagten die Überwindung auch verlangt werden könne. Es mangele der Beklagten nicht an der Leistungsfähigkeit, sondern am Leistungswillen. Jedenfalls aber habe das Landgericht unzureichende Feststellungen für die Annahme eines unüberwindbaren Leistungshindernisses getroffen. Schon aus dem Wortlaut des Boykottgesetzes ergebe sich nicht, dass israelischen Passagieren das Betreten des Transitbereichs zum Zwecke des Weiterflugs verboten wird. Ferner sei nach den allgemeinen Transitregelungen K.s das Betreten des Transitbereichs am Flughafen K. International ohne Visum gestattet. Der vom Landgericht herangezogene Ausdruck aus „T.“ sowie das Schreiben der Botschaft des Staates K. in Berlin reichten zur Feststellung eines unüberwindbaren Leistungshindernisses nicht aus.
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Zu Unrecht habe das Landgericht einen Anspruch auf Zahlung einer billigen Entschädigung wegen mittelbarer Diskriminierung des Klägers durch die Beklagte gem. §§ 21 Abs. 2 Satz 3, 19 Abs. 1 AGG abgelehnt. Die Nichtbeförderung israelischer Staatsangehöriger stelle eine verdeckte unmittelbare Benachteiligung, jedenfalls aber eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion und ethnischen Herkunft dar, denn 74,8% der Gesamtbevölkerung Israels seien jüdischen Glaubens. Eine Rechtfertigung einer verdeckten unmittelbaren Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft scheide gem. §§ 19 Abs. 1, 3 Abs. 1 AGG aus, eine Rechtfertigung der verdeckten unmittelbaren Benachteiligung wegen der Religion scheitere mangels Vorliegens eines sachlichen Grundes. Selbiges gelte bzgl. der jedenfalls vorliegenden mittelbaren Benachteiligung wegen der Religion und der ethnischen Herkunft, denn die Leistungserbringung sei der Beklagten weiterhin zuzumuten bzw. es bestehe kein für die Beklagte unüberwindbares Leistungshindernis. Die mittelbare Benachteiligung des Klägers sei auch nicht gem. § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Ein Verschulden der Beklagten sei beim Entschädigungsanspruch nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG nicht erforderlich, jedenfalls habe die Beklagte die Persönlichkeitsrechtsverletzung wegen der ethnischen Herkunft und Religion zu vertreten. Darüber hinaus stehe dem Kläger auch ein Anspruch auf billige Entschädigung in Geld gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 2 AGG sowie gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 1 Abs. 1 GG wegen schwerwiegender Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.
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Der Kläger beantragt,
1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 15.10.2019, Az. 24 O 61/19, wird die Beklagte verurteilt,
a. den Kläger zu einem vom Kläger zu bestimmenden Zeitpunkt und bei Verfügbarkeit in der gebuchten Flugpreiskategorie (Business Class) und einem Aufenthalt von sieben Tagen in C. auf dem Streckennetz des Beklagen auf den Strecken M. (MUC) - K. City (KWI) - C. (CMB) (Hinflug) und C. (CMB) - K. City (KWI) - M. (MUC) (Rückflug) jeweils mit Transitaufenthalt in K. City (KWI) zu befördern.
b. an den Kläger eine billige Entschädigung in Geld, jedoch in Höhe von mindestens 20.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise für den Fall es Unterliegens mit dem Antrag zu 1. a.:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 15.10.2019, Az. 24 O 61/19, wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, den Kläger am 10.11.2018 auf ihrem Streckennetz auf der Strecke M. (MUC) - K. City (KWI) - C. (CMB) (Hinflug) und am 17.11.2018 auf der Strecke C. (CMB) - K. City (KWI) - M. (MUC) (Rückflug) jeweils mit Transitaufenthalt in K. City (KWI) zu befördern.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufung sei unbegründet, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen habe.
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Die Beförderung des Klägers auf der gebuchten Strecke sei unmöglich, da der Kläger nicht die für die gebuchte Beförderung erforderlichen Reisepapiere vorweisen könne. § 21 Abs. 2 Satz 2 LuftVG sei nicht lex specialis gegenüber § 275 BGB. Jedenfalls ergebe sich aus der Anwendung des LuftVG für die Frage der Unmöglichkeit nichts anderes, weil sich die Frage, wann eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 3 LuftVG vorliege, nach dem allgemeinen Zivilrecht richte. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beklagte eine eigenständige juristische Person und als solche wie alle in K. tätigen natürlichen und juristischen Personen den Gesetzen des Staates K. unterworfen. Falsch sei die Annahme, der Beklagten fehle nicht die Leistungsfähigkeit, sondern die Leistungsbereitschaft. Denn der Kläger könne selbst nicht seine Verpflichtung erbringen, bei Antritt der Reise die nötigen Dokumente mitzuführen. Dass das E. K. diese Rechtslage ändern könne, sei ohne Belang; solange die Regelungen unverändert seien, müssten sie jedenfalls auch von der Beklagten beachtet werden. Der Beklagten sei auch kein treuwidriges Verhalten vorzuwerfen; die Beklagte habe auf die Gestaltung des Buchungssystems von Buchungsportalen keinen Einfluss. Im Übrigen komme es auf eine Kenntnis oder ein Verschulden im Rahmen des § 275 Abs. 1 BGB nicht an. Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung habe die Beklagte hinreichend nachgewiesen, dass der Kläger als Inhaber eines israelischen Reisepasses nicht nach K. reisen dürfe, und zwar auch dann nicht, wenn er nicht in das Land einreisen, sondern sich lediglich zwecks Durchreise und Umstieg im Transitbereich auf dem Flughafen in K.-Stadt aufhalten wolle.
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Ein Entschädigungsanspruch sei zu verneinen. Es fehle an einer mittelbaren Diskriminierung, denn die schlichte Befolgung der Einreisebestimmungen könne keine Diskriminierung seitens der Beklagten darstellen. Jede andere Fluggesellschaft wäre ebenso gehindert, den Kläger auf der von ihm ursprünglich gebuchten Strecke zu befördern.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 23.01.2020 (Bd. II Bl. 9/32 d.A.), die Berufungserwiderung der Beklagten vom 08.04.2020 (Bd. II Bl. 36/45 d.A.) und die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 03.06.2020 (Bd. II Bl. 58/73 d.A.) sowie der Beklagten vom 29.05.2020 (Bd. II Bl. 54/57 d.A.), samt Anlagen. Ferner wird auf den Hinweis des Senats vom 24.04.2020 (Bd. II Bl. 47/48 d.A.) Bezug genommen.
II.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519 ZPO).
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Das Landgericht hat jedoch zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erbringung der im Antrag bezeichneten Beförderungsleistung gegen die Beklagte verneint sowie den Hilfsantrag auf Feststellung, dass die Beklagte zur Beförderung verpflichtet war, abgewiesen. Auch steht dem Kläger kein Anspruch auf Geldentschädigung zu.
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1. Die Klage ist zulässig. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.
21
Mangels Sitzes der Beklagten in der EU richtet sich die internationale Zuständigkeit gem. Art. 6 Abs. 1 EuGVVO nach den Vorschriften der ZPO.
22
a. Für den Antrag auf die Erbringung der Beförderungsleistung kommt es mithin gem. § 29 ZPO auf den Erfüllungsort der streitgegenständlichen Beförderungsleistung an. § 29 ZPO geht dabei vom nach der lex causae zu bestimmenden materiellrechtlichen Erfüllungsort der streitigen Hauptleistungspflicht aus. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes ist zunächst das auf den Beförderungsvertrag anwendbare Sachrecht zu ermitteln. Anwendbar ist vorliegend deutsches Sachrecht: Mangels Rechtswahl führt die objektive Anknüpfung gem. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO zur Anwendbarkeit deutschen Sachrechts. Denn der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in D., wo auch der Abgangs- und Bestimmungsort der Flugbeförderung zu lokalisieren sind. In prozessualer Hinsicht ist Freising damit Erfüllungsort i.S.d. § 269 BGB, der zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte gem. § 29 ZPO führt (vgl. Thon, IPrax 2019, 301, 302; Mäsch, JuS 2019, 386, 387).
23
b. Für den Antrag auf Geldentschädigung kann im Ergebnis dahinstehen, ob man zur Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ebenfalls § 29 ZPO heranzieht oder aber auf § 32 ZPO abstellt.
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Zur Anwendung von § 29 ZPO gelangt man - zumindest für den auf der Grundlage des AGG geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch -, wenn man diesen als vertraglichen Anspruch qualifiziert. Begründen lässt sich dies mit Art. 12 Abs. 1 lit. c Rom I-VO, der die Folgen der teilweisen oder vollständigen Nichterfüllung der Verpflichtungen dem Vertragsstatut zuordnet. Vor diesem Hintergrund wird vertreten, Ansprüche aus dem AGG bei Bestehen eines Vertrags dem Schuldvertragsstatut zu unterwerfen (vgl. Thon, IPrax 2019, 301, 305 und BeckOGK-Mörsdorf, Stand: 15.02.2020, § 21 AGG Rn. 92 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch Mankowski, TranspR 2018, 104, 107).
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Qualifiziert man dagegen den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Geldentschädigung nach AGG als einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, kommt man zur Anwendung von § 32 ZPO. Für eine deliktische Qualifikation spricht, dass der Begriff der „unerlaubten Handlung“ im weiteren Sinn zu verstehen ist und jeden rechtswidrigen Eingriff in fremde Rechtssphäre umfasst (vgl. Zöller-Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 32 Rn. 4 m.w.N.). Einen solchen Eingriff macht der Kläger hier geltend; er stützt seine Geldentschädigungsansprüche darauf, wegen seines Glaubens bzw. seiner ethnischen Herkunft von der Beklagten benachteiligt worden zu sein. § 32 ZPO geht dabei vom nach der lex causae zu bestimmenden materiellrechtlichen Tatort aus. Zur Bestimmung des Tatorts ist zunächst das auf die unerlaubte Handlung anwendbare Sachrecht zu ermitteln. Gem. Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom II-VO sind außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten - um die es hier im Kern bei den wegen Diskriminierung geltend gemachten Geldentschädigungsansprüchen geht - vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgenommen. Die objektive Anknüpfung des § 40 Abs. 1 EGBGB führt mangels vorrangiger Rechtswahl zur Anwendung deutschen Sachrechts. Bei dem hier streitgegenständlichen Geldentschädigungsanspruch wegen Diskriminierung ist entsprechend den Ansprüchen aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen grundsätzlich der Wohnoder Aufenthaltsort als Tatort anzusehen (vgl. für Persönlichkeitsrechtsverletzungen nur Thomas/Putzo-Hüßtege, 41. Aufl. 2020, § 32 Rn. 10). Selbiges gilt, wenn man davon ausgeht, dass das Diskriminierungsverbot des § 19 AGG nicht den Schutz der Persönlichkeit des Diskriminierungsopfers, sondern die gleiche Teilhabe desselben am Markt für Güter und Dienstleistungen bezweckt und mithin zur Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO gelangt (vgl. BeckOGK-Mörsdorf, aaO, § 21 AGG Rn. 93). Danach ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt; dies ist vorliegend ebenfalls der Wohn- und Aufenthaltsort des Klägers. Da der Kläger in Frankfurt a.M. wohnt, sind gem. § 32 ZPO deutsche Gerichte international zuständig (vgl. Thomas/Putzo-Hüßtege, aaO, vor § 1 ZPO Rn. 6).
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Selbiges gilt für die aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG bzw. § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 AGG geltend gemachten Ansprüche auf Geldentschädigung.
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2. Der Anspruch des Klägers auf Erbringung der Beförderungsleistung, der deutschem Recht unterliegt, ist wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Leistung gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Es kann daher dahinstehen, durch wen die Flugbuchung storniert worden ist.
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a. Zwar ist der Anspruch des Klägers auf Leistung der streitgegenständlichen Flugbeförderung nicht wegen rechtlicher Unmöglichkeit ausgeschlossen, auch wenn das kuwaitische „Gesetz Nr. 21 des Jahres 1964 - Einheitsgesetz zum I.-Boykott“ u.a. juristischen Personen bei Strafe untersagt, selber oder über Dritte Vereinbarungen mit Personen abzuschließen, die die israelische Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. Anlage BB 2).
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Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urteil vom 25.09.2018 - 16 U 209/17, juris Rn. 37 ff.) an, die auf breite Zustimmung in der rechtswissenschaftlichen Literatur gestoßen ist (vgl. Thon, IPRax 2019, 301, 304 f.; Mäsch, JuS 2019, 386, 387 f.; Führich, MDR 2019, 1285, 1286; BeckOGK-Riehm, Stand: 01.02.2020, § 275 BGB, Rn. 363; Mankowski, RIW 2019, 180, 182; Weller/Lieberknecht, JZ 2019, 317, 324 f.):
30
Bei dem kuwaitischen Gesetz handelt es sich zwar um eine Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO, der aber nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO keine Wirkung verliehen werden kann, denn Art und Zweck des Gesetzes widersprechen fundamentalen Grundwerten der deutschen Rechtsordnung.
31
b. Die Beklagte kann die Beförderung des Klägers jedoch deshalb verweigern, weil ihrer Durchführung ein tatsächliches Leistungshindernis entgegensteht.
32
aa. Wie der EuGH in der Nikiforidis-Entscheidung klargestellt hat, entfaltet Art. 9 Rom I-VO eine Sperrwirkung nur insoweit, als es sich um die Berücksichtigung der Eingriffsnorm als Rechtsvorschrift handelt. Keine Sperrwirkung hat der EuGH dagegen hinsichtlich der Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen als Tatsache angenommen (vgl. EuGH, Urteil vom 18.10.2016 - Rs. C-135/15, Nikiforidis, EuZW 2016, 940, 942, Rn. 51). Denn das Forum kann fremdem Eingriffsrecht zwar die Anwendung versagen, die durch das Recht geschaffenen Fakten kann es aber nicht ignorieren, selbst wenn das ausländische Gesetz zu missbilligen ist (vgl. OLG Frankfurt, aaO, juris Rn. 50 ff.; Thon, IPRax 2019, 301, 305; Mäsch, JuS 2019, 386, 388; Führich, MDR 2019, 1285, 1286; BeckOGK-Riehm, aaO, § 275 BGB Rn. 364; Mankowski, RIW 2019, 180, 182; Mörsdorf, JZ 2018, 156, 159; MüKo-Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 BGB Rn. 44; Freitag, NJW 2018, 430, 433; a.A. Weller/Lieberknecht, JZ 2019, 317, 325, wonach das OLG Frankfurt die sich erst auf der Vollstreckungsebene stellenden Fragen vorweggenommen habe).
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Der Senat hält es wie das Landgericht aufgrund des von der Beklagten als Anlage B 3 vorgelegten Ausdruck aus T., einer von der IATA, dem internationalen Dachverband der Fluggesellschaften, betriebenen Datenbank sowie der Stellungnahme der K. Botschaft in D. vom 10.10.2017 (Anlage B 4) für nachgewiesen, dass der Kläger als Inhaber eines israelischen Reisepasses nicht nach K. reisen darf und zwar auch dann nicht, wenn er nicht in das Land einreisen, sondern sich lediglich zwecks Durchreise und Umstieg im Transitbereich aufhalten will.
34
Zwar ist grundsätzlich ein K.-Transit-Visum nur erforderlich, wenn der Transitbereich des Flughafens verlassen wird oder sich Reisende bei einer Durchreise mehr als 24 Stunden in K. aufhalten, was nach den Flugdaten des gebuchten Fluges nicht der Fall war. Die Beklagte hat jedoch belegt, dass dies nicht für israelische Staatsangehörige gilt, sondern diese den Transitbereich generell nicht betreten dürfen. Wie sich aus dem Ausdruck aus T. (Anlage B 3) entnehmen lässt, wird Inhabern von israelischen Reisedokumenten in K. die Einreise oder der Transit verweigert, selbst wenn sie nicht das Flugzeug verlassen und ihren Flug in derselben Maschine fortsetzen. Zwar handelt es sich hierbei nicht um ein amtliches Dokument. Gleiches folgt jedoch aus der Stellungnahme der K.ischen Botschaft in D. vom 10.10.2017 (Anlage B 4). Danach ist aufgrund der Vorschriften des Staates K. für israelische Staatsangehörige sowohl ein Flug zwecks Einreise nach K. unzulässig als auch eine Landung zum Zwecke des Transits bzw. der Weiterreise zu einem anderen Zielflughafen. Aufgrund beider Dokumente sieht es der Senat wie das Landgericht als hinreichend nachgewiesen an, dass der Kläger als Inhaber eines israelischen Reisepasses nicht nach K. reisen darf und zwar auch dann nicht, wenn er nicht in das Land einreisen, sondern sich lediglich zwecks Durchreise und Umstieg im Transitbereich auf dem Flughafen in K.-Stadt aufhalten will.
35
Wie das Landgericht zu Recht ausführt, kann der Kläger zwar den Flug von München nach K.-Stadt als erste von der Beklagten zu erbringende Teilleistung in Anspruch nehmen. Nach der Zwischenlandung auf dem Flughafen in K.-Stadt ist jedoch zu erwarten, dass die Behörden vor Ort den Weiterflug nach Sri Lanka verweigern und die Beklagte anweisen werden, den Kläger unverzüglich auf ihre Kosten wieder zurück nach München zu fliegen. Diese Teilunmöglichkeit steht hier der vollständigen Unmöglichkeit gleich, da nur die vollständige Leistung - Anschlussflug nach Sri Lanka und Rückflug über K.-Stadt nach München - dem Vertragszweck entspricht und die Teilleistung - Flug von München nach K.-Stadt - für den Kläger sinnlos wäre (vgl. BGH, Urteil vom 17.2.1995 - V ZR 267/93, juris Rn. 15).
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bb. Am Vorliegen eines tatsächlichen Leistungshindernisses ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen handelt, dessen Anteile zu 100% von dem Staat K. gehalten werden.
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Soweit die Ansicht vertreten wird, ein Leistungshindernis sei unter dem Gesichtspunkt zu verneinen, dass aufgrund dieser gesellschaftsrechtlichen Struktur die Beklagte auf den Staat K. Einfluss nehmen könne, um das Leistungshindernis zu beseitigen, ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, welche Einflussmöglichkeiten die Beklagte als Gesellschaft auf das Verhalten ihres Alleingesellschafters haben soll, konkret, wie die Beklagte als Gesellschaft auf den Staat K. als den sie kontrollierenden Alleingesellschafter Einfluss nehmen soll, so dass dieser die Gesetze bzgl. des Transitbereichs in seinem Hoheitsgebiet ändert.
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Soweit geltend gemacht wird, dass der Beklagten als Staatsunternehmen das Verhalten ihres kontrollierenden Alleingesellschafters zuzurechnen ist und mithin kein externes Leistungshindernis vorliege (vgl. Mörsdorf, JZ 2018, 165, 159 f.), kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte als juristische Person und ihr Alleingesellschafter stellen unterschiedliche Rechtssubjekte dar. Das Hindernis, dass ein israelischer Staatsbürger nicht mit einem Zwischenaufenthalt in K. befördert werden kann, betrifft auch jede andere Fluggesellschaft. Darüber hinaus kann der Staat K. aufgrund seiner völkerrechtlich anerkannten Gebietshoheit bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Fremde sein Staatsgebiet betreten dürfen, und zwar unabhängig davon, ob er als Staatsunternehmen eine Fluggesellschaft betreibt (vgl. OLG Frankfurt, aaO, Rn. 60).
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Selbst wenn man der Ansicht des Klägers folgt, dass ein Staat aus der von ihm frei gewählten Organisationsform keine privatrechtlichen Vorteile ziehen darf (vgl. auch Freitag, NJW 2018, 430, 434 und ihm folgend Mäsch, JuS 2019, 386, 388), vermag dies vorliegend nichts daran ändern, dass sich die Beklagte hier auf das Vorliegen eines tatsächlichen Leistungshindernisses berufen kann. Das kuwaitische „Gesetz Nr. 21 des Jahres 1964 - Einheitsgesetz zum Israel-Boykott“ gilt in K. gleichermaßen für private wie für staatliche Unternehmen. Die Beteiligung des Staates an der Fluggesellschaft spielte für den Erlass des Boykottgesetzes keine Rolle. Dann kann diese Beziehung aber nicht zur Annahme einer Personenidentität mit der Folge führen, dass das Boykottgesetz der Fluggesellschaft zuzurechnen ist mit der Folge, dass der Fluggesellschaft die Berufung auf das Vorliegen einer tatsächlichen Unmöglichkeit verwehrt wird. Eine Berufung auf das Vorliegen einer tatsächlichen Unmöglichkeit käme andernfalls lediglich bei privaten Fluggesellschaften in Betracht; im Ergebnis würde hieraus eine Schlechterbehandlung staatlicher Fluggesellschaften resultieren. Von Vorteilen kann dann keine Rede mehr sein (vgl. Thon, IPrax 2019, 301, 305).
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cc. Entgegen der Berufung ist die faktische Unmöglichkeit der Leistungserbringung auch nicht unter Heranziehung der Grundsätze der sog. Gläubigerkollision zu verneinen.
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Nach der Auffassung des Klägers sei vorliegend ein Fall der sog. Gläubigerkollision gegeben: In diesen Fällen trete allein durch die Doppelverpflichtung noch keine Unmöglichkeit der Leistung ein; der Schuldner sei vielmehr verpflichtet, sich die Dispositionsfreiheit über den Leistungsgegenstand wieder zu verschaffen. Allerdings ist die hier vorliegende Fallkonstellation nicht vergleichbar mit den zur sog. Gläubigerkollision führenden Fällen einer Doppelverpflichtung. Eine solche Doppelverpflichtung liegt dann vor, wenn sich der Schuldner gegenüber mehreren Gläubigern zu der gleichen Leistung vertraglich verpflichtet (vgl. die Beispiele in der vom Kläger zitierten Fundstelle BeckOGK-Riehm, Stand: 01.07.2019, § 275 Rn. 136-138). Vorliegend ist die Beklagte nicht zwei vertragliche Verpflichtungen eingegangen. Eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten besteht nur gegenüber dem Kläger; gegenüber dem Staat K. ist die Beklagte wie jedermann im Hoheitsgebiet des Staates K. den dort geltenden Gesetzen unterworfen. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den der sog. Gläubigerkollision unterfallenden Fallkonstellationen, so dass die Grundsätze der sog. Gläubigerkollision hier nicht anwendbar sind.
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dd. Ob die Beklagte generell keine I. unabhängig von der Flugstrecke transportiert, ist nicht entscheidungserheblich für die Frage, ob in der hier konkret vorliegenden Fallkonstellation ein Leistungshindernis besteht. Denn zum einen war der Transitaufenthalt in K.-Stadt Teil der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien und wurde von dem Kläger auch ausdrücklich zum Gegenstand seines Klageantrags gemacht. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine solche Beförderung über einen anderen Transitflughafen oder als Non-Stopp-Flug überhaupt anbietet.
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ee. Soweit der Kläger der Ansicht ist, dass sich die Beklagte nach dem Grundsatz venire contra factum proprium nicht auf das tatsächliche Leistungshindernis berufen könne, da sich die Beklagte treuwidrig verhalte, wenn sie in Kenntnis der Staatsangehörigkeit des Klägers mit diesem einen Beförderungsvertrag schließe, den zu erfüllen sie nicht in der Lage ist, kann dem nicht gefolgt werden. Selbst wenn der vom Kläger vorgenommene Eintrag seiner Staatsbürgerschaft in der Online-Buchungsmaske des Online-Reiseportals eine Kenntnis der Beklagten von der israelischen Staatsbürgerschaft des Klägers begründen würde, wäre diese Kenntnis unerheblich, da es für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1 BGB vorliegen, nicht auf „Kenntnis“ bzw. „Unkenntnis“ des Leitungshindernisses ankommt. Ob der Schuldner von dem Leistungshindernis Kenntnis hatte, wird erst im Rahmen der Prüfung der Rechte des Gläubigers nach den in § 275 Abs. 4 BGB aufgeführten Vorschriften relevant.
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ff. Zu keinem anderen Ergebnis kommt man, wenn man die Spezialnorm des § 21 Abs. 2 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 21a Satz 2 LuftVG anwendet. Danach ist die Beförderungsverpflichtung eines Luftfahrtunternehmens ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn dem Luftfahrtunternehmen die Erfüllung seiner Leistungspflicht unzumutbar ist. Die Frage, wann „Unzumutbarkeit“ gegeben ist, richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (vgl. Begründung der Bundesregierung, BR-Drs. 113/02, S. 16), mithin § 275 BGB (vgl. Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand: Januar 2019, § 21 AGG Rn. 33). „Unzumutbarkeit“ ist gleichsam die LuftVG-Variante von Unmöglichkeit (vgl. Mankowski, RIW 2019, 180, 183). Mithin ist der zugrunde zu legende Maßstab bei der Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 3 LuftVG sowie § 275 Abs. 1 BGB im Ergebnis vergleichbar (vgl. Mankowski, RIW 2019, 180, 183). Wie dargestellt, hat die Beklagte nachgewiesen, dass der Durchführung der Beförderung des Klägers durch die Beklagte ein tatsächliches Leistungshindernis entgegensteht. Sofern der Kläger einwendet, dass die Beklagte das Leistungshindernis aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Struktur hätte abwenden können und daher hier die „Unzumutbarkeit“ der Leistungserbringung zu verneinen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits dargestellt, ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, welche Einflussmöglichkeiten die Beklagte als Gesellschaft auf das Verhalten ihres Alleingesellschafters haben soll, konkret, wie die Beklagte als Gesellschaft auf den Staat K. als den sie kontrollierenden Alleingesellschafter Einfluss nehmen soll, so dass dieser die Gesetze bzgl. des Transitbereichs in seinem Hoheitsgebiet ändert.
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3. Der vom Kläger begehrten hilfsweise Feststellung, dass die Beklagte am 10.11.2018 bzw. 17.11.2018 auf der streitgegenständlichen Flugroute zur Beförderung des Klägers verpflichtet war, kann ebenfalls nicht stattgegeben werden. Da der Erbringung der Beförderungsleistung ein tatsächliches Leistungshindernis entgegenstand, konnte die Beklagte die Beförderung des Klägers verweigern. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
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4. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Geldentschädigung zu. Auf den geltend gemachten Anspruch auf Geldentschädigung ist, wie oben dargelegt, deutsches Recht anwendbar.
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a. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Geldentschädigung aus § 21 Abs. 2 AGG liegen nicht vor.
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aa. Entgegen der Ansicht des Klägers kann die Nichtbeförderung des Klägers als israelischem Staatsangehörigen nicht als verdeckte unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG wegen der Religion oder ethnischen Herkunft eingeordnet werden. Eine verdeckte unmittelbare Benachteiligung liegt nämlich nur dann vor, wenn nach einem scheinbar objektiven, nicht diskriminierenden Kriterium unterschieden wird, das jedoch in untrennbarem Zusammenhang mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal steht und damit kategorial ausschließlich Träger eines Diskriminierungsmerkmals trifft (vgl. BAG, NZA 2014, 372, Rn. 46). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Grund für die Nichtbeförderung des Klägers ist seine israelische Staatsangehörigkeit. Aufgrund der Zusammensetzung des israelischen Staatsvolks weit überwiegend aus Menschen jüdischen Glaubens sind von der Nichtbeförderung aufgrund der Staatsangehörigkeit vor allem Menschen jüdischen Glaubens betroffen. Allerdings trifft die Nichtbeförderung aufgrund der israelischen Staatsangehörigkeit nicht nur Israelis jüdischen Glaubens, sondern ebenso Israelis, die anderen Religionsgemeinschaften zugehörig sind. Die Nichtbeförderung aufgrund der israelischen Staatsangehörigkeit trifft damit nicht kategorial ausschließlich Träger eines Diskriminierungsmerkmals, so dass die Voraussetzungen einer verdeckten unmittelbaren Benachteiligung i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG nicht vorliegen.
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bb. Aber selbst wenn man in der Nichtbeförderung des Klägers als israelischem Staatsangehörigen aufgrund der Zusammensetzung des israelischen Staatsvolks weit überwiegend aus Menschen jüdischen Glaubens jedenfalls als mittelbare Benachteiligung wegen der Religion oder ethnischen Herkunft i.S.d. § 3 Abs. 2 AGG qualifiziert, ist ein Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung hier vorliegend zu verneinen.
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Denn führt die Anknüpfung an ein neutrales Differenzierungsmerkmal zur besonderen Benachteiligung, liegt nach § 3 Abs. 2 2. HS AGG keine mittelbare Diskriminierung vor, wenn die Maßnahme durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel dazu angemessen und erforderlich sind. Vorliegend kann sich die Beklagte auf einen sachlichen Grund für die Nichtbeförderung des Klägers berufen: Grund für die Nichtbeförderung des Klägers ist dabei entgegen der Auffassung des Klägers nicht das kuwaitische Boykottgesetz, sondern das Vorliegen eines tatsächlichen Leistungshindernisses. Der Beklagten war es unmöglich, die vertraglich vereinbarte Beförderungsleistung zu erbringen, weil ihr jedenfalls die Weiterbeförderung des Klägers ab K.-Stadt tatsächlich unmöglich gewesen wäre, da der Kläger aus kuwaitischer Sicht nicht über ein gültiges Reisedokument verfügte und damit den Staat K. auch nicht zur Durchreise betreten durfte (vgl. Thon, IPrax 2019, 301, 305). Ebenso wäre auch jede andere Fluggesellschaft gehindert, den Kläger oder einen anderen Passagier mit einem israelischen Pass auf einem Flug mit Zwischenlandung in K.-Stadt zu befördern.
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Daran vermag auch die Tatsache nicht zu ändern, dass es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen handelt, dessen Anteile zu 100% von dem Staat K. gehalten werden. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. b. bb. Bezug genommen.
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Auch ist die Berufung der Beklagten auf das Vorliegen des tatsächlichen Leistungshindernisses nicht treuwidrig. Denn für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 2. HS AGG kommt es auf die „Kenntnis“ bzw. „Unkenntnis“ des tatsächlichen Leistungshindernisses nicht an.
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Die Frage, ob man wie Teile der Literatur davon ausgeht, dass der Anspruch auf Geldentschädigung anders als der Anspruch auf Schadensersatz nach § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG verschuldensunabhängig gewährt wird, kann mithin vorliegend dahinstehen.
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b. Aus denselben Gründen kann der Kläger ferner keinen Anspruch auf Geldentschädigung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG bzw. gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG herleiten. Denn vorliegend kann sich die Beklagte auf einen sachlichen Grund für die Nichtbeförderung des Klägers berufen, da sie - wie jede andere Fluggesellschaft auch daran gehindert ist - den Kläger oder einen anderen Passagier mit einem israelischen Pass auf einem Flug mit Zwischenlandung in K.-Stadt zu befördern (vgl. im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, aaO, Rn. 74; a.A. Mäsch, JuS 2019, 386, 388).
III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Es handelt sich um Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall.