Titel:
Erfolglose Klage auf Löschung einer Eintragung im Kriminalaktennachweis
Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
BayPAG Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 64 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Der Anspruch auf Löschung der in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (zu repressiven Zwecken) gewonnenen und für präventive Zwecke genutzten Daten nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG entsteht erst, wenn der dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tatverdacht (restlos) entfallen ist, was auch bei einem Freispruch nicht immer der Fall ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Recht des einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung kommt dem vorbeugenden Schutz der Bürger vor Straftaten nämlich ein hoher Rang zu. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei fortbestehendem Tatverdacht ist regelmäßig nicht auszuschließen, dass die gewonnenen Erkenntnisse für die Bekämpfung von Straftaten von Nutzen sein können, es sei denn, dass ausgeschlossen werden kann, dass die Daten die Arbeit der Polizei noch fördern können, etwa wenn nichts dafürspricht, dass der Betroffene erneut strafrechtlich oder gefahrverursachend in Erscheinung treten wird. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Löschungsanspruch bzgl. eines Eintrags aus dem Kriminalaktennachweis nach Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO (verneint), Kriminalaktennachweis, Löschungsanspruch, Ermittlungsverfahren, Daten, erkennungsdienstliche Unterlagen, informationelle Selbstbestimmung, Tatverdacht
Fundstelle:
BeckRS 2020, 15405
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Löschung einer Eintragung im Kriminalaktennachweis.
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Der Kläger betreibt einen Gewerbebetrieb und veräußert dort hauptsächlich Personenkraftwagen und Nutzfahrzeuge. In seiner Werkstatt hat der Kläger auch mehrere technische Geräte, die zur Tachojustierung eingesetzt werden können. Er verfügt nach eigener Aussage über die nötigen Kenntnisse, Tachostände zu justieren und hat auch bereits mehrfach Tachostände, etwa beim Ersetzen defekter Tachoeinheiten durch eine funktionierende Tachoeinheit, übertragen bzw. entsprechend justiert.
3
In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurde dem Kläger zur Last gelegt, in mehreren Fällen im Zeitraum vom 8. März 2014 bis 12. Februar 2015 in seiner Firma die Kilometerzähler an verschiedenen Fahrzeugen manipuliert zu haben, so dass entgegen der tatsächlichen Laufleistung die Kilometerzähler eine deutlich geringere Laufleistung, teilweise deutlich mehr als 150.000 km weniger, anzeigten. Der Kläger habe darüber hinaus dem anderweitig Verfolgten von ihm verfälschte Servicehefte, jeweils passend zum Kilometerstand, übergeben und ihm Verkaufstipps für die entsprechenden Fahrzeuge erteilt.
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Dieses Ermittlungsverfahren beruhte auf der Aussage des anderweitig wegen Betrugs im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kraftfahrzeugen unter Vorspiegelung von falschen Kilometerständen Verfolgten. Dieser hatte angegeben, er habe beim Kläger seine Fahrzeuge manipulieren lassen und diesbezüglich eine umfangreiche Zeugenaussage unter Skizzierung der örtlichen Verhältnisse in den Geschäftsräumen des Klägers abgegeben.
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Auf der Grundlage der o.g. Aussage kam es am 22. September 2016 zur Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers. Dabei konnten zwei Rechnungen mit der Leistung „Datenprogrammierung“ aufgefunden werden, die auf den Vater des anderweitig Verfolgten ausgestellt waren. Darüber hinaus wurden fünf Laptops und zwei Handys sichergestellt und forensisch ausgewertet. Die Feststellungen auf den sichergestellten Geräten erbrachten keine Hinweise auf eine durchgeführte rechtswidrige Manipulation an Tachoinstrumenten. Weiter aufgefunden wurden drei technische Geräte, die zur Veränderung des Kilometerstandes geeignet und u.a. auch bestimmt waren. Blanko-Servicehefte konnten nicht aufgefunden werden.
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Mit Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 1. Juni 2017 wurde das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
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Mit Schreiben vom 3. Dezember 2018 ließ der Kläger bei dem Beklagten beantragen, die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erfolgte Daten/ed-Behandlung sowie den diesbezüglichen Eintrag aus dem Polizeisystem (Polas) zu löschen.
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Mit Bescheid vom 10. Januar 2019 gab der Beklagte bekannt, dass er hinsichtlich der Eintragung zur erkennungsdienstlichen Behandlung vom 22. September 2016 die Löschung aus dem bayerischen Kriminalaktennachweis vornimmt. Die Löschung der Eintragung im Kriminalaktennachweis zum „Tattag 08.03.2014 - Verdacht des Betrugs (Warenbetrug)“ lehnte der Beklagte ab.
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Das Ermittlungsverfahren sei gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil der Tatverdacht nicht mit der für eine Klageerhebung notwendigen Sicherheit geführt werden konnte. Dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass die Unterlagen vernichtet werden müssten. Die Aufbewahrung von Unterlagen setze nach ständiger Rechtsprechung eine Verurteilung nicht voraus. Die Polizei prüfe, ob der Sachverhalt einen ausreichenden Verdacht dafür biete, dass die Speicherung für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Die Aufbewahrung personenbezogener Daten setze daher keinen hinreichenden Tatverdacht gem. § 203 StPO voraus. Für die Speicherung eines Vorgangs bei der Polizei sei entscheidend, ob nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Kläger als Beschuldigter weiterhin als Täter der ihm vorgeworfenen Straftat in Betracht komme. Auch wenn der Tatnachweis nicht geführt werden könne, könnten Zeugenaussagen oder sonstige konkrete Anhaltspunkte dafürsprechen, dass der Tatverdacht fortbestehe. Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO und auch ein rechtskräftiger Freispruch begründeten keinen Löschungsanspruch, sofern diese nicht auf erwiesener Unschuld, sondern auf der fehlenden Möglichkeit des Tatnachweises beruhten. Die Polizei könne die erhobenen personenbezogenen Daten weiterhin speichern, wenn ein Tatverdacht von ausreichender Substanz verbleibe und nicht auszuschließen sei, dass die Speicherung der Daten zur Person künftig bei der vorbeugenden Straftatenbekämpfung von Nutzen sein könnte. Es genüge bereits der Verdacht, wobei weder ein dringender noch ein hinreichender gefordert sei.
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Der für die Fortführung der Speicherung notwendige Resttatverdacht gründe in den Aussagen des anderweitig Beschuldigten sowie in der Tatsache, dass im Rahmen der Durchsuchung technische Geräte aufgefunden worden seien, die zu einer Manipulation des Tachostandes von Kraftfahrzeugen verwendet werden könnten. Beide Umstände zusammen ergäben den polizeilichen Resttatverdacht. Der Eintrag diene der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung, der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fiele sehr gering aus, zumal die Daten der erkennungsdienstlichen Behandlung gelöscht würden. Da die Eintragung auch nicht unverhältnismäßige Einschränkungen in der privaten Lebensführung des Klägers bringe, sei die Löschung abgelehnt worden.
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Der Kläger hat hiergegen am 13. Februar 2019 Klage erheben lassen und beantragt,
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Der Bescheid des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 10. Januar 2019 (Az. ...), zugegangen am 14. Januar 2019, wird insoweit aufgehoben, als die Löschung des Verdachts des Betrugs (Tattag - 8. März 2014) abgelehnt wurde.
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Der Beklagte wird gemäß dem Antrag des Klägers vom 3. Dezember 2018 verpflichtet, die Löschung des Verdachts des Betrugs (Tattag - 8. März 2014) aus dem Kriminalaktennachweis vorzunehmen.
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Die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (PAG) lägen vor. Die von dem Beklagten vertretene Rechtsauffassung sei lücken- und rechtsfehlerhaft.
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Im Rahmen der Einstellungsverfügung sei festgestellt worden, dass der Kläger grundsätzlich wegen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens und der damit verbundenen Strafverfolgungsmaßnahmen einen Schadenersatzanspruch geltend machen könne. Außerdem sei festgestellt worden, dass sämtliche im Rahmen der Ermittlungen sichergestellten Geräte dem Kläger wieder auszuhändigen seien.
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Die aufgefundenen Rechnungen lauteten auf den Vater des anderweitig Verfolgten, bezögen sich auf keines der Fahrzeuge, die dieser unter Angabe manipulierter Kilometerstände an Dritte veräußert habe, und stammten aus einem Zeitraum, der vor den behaupteten Taten liege. Sowohl die Auswertung der Handys als auch der Laptops hätten keine Treffer ergeben. Es seien im tatrelevanten Zeitraum auch keinerlei Rechnungen oder sonstige Bezugspunkte zu den zur Last gelegten Taten festgestellt worden. Der Kläger nehme nur im gesetzlich zulässigen Rahmen Tachojustierungen und Datenübertragungen vor. Dies erfolge bei einer Beschädigung des Tachos oder einer sonstigen Fehlfunktion durch Austausch des Tachogerätes, indem auf das Austauschgerät der Kilometerstand des Altgeräts mittels einer Spezialsoftware übertragen werde. Die Aussagen des Belastungszeugen seien durch die umfangreichen Ermittlungen widerlegt. Sämtliche Unterlagen/Dokumente und Urkunden, die Fahrzeugan- und -verkäufe des Klägers im behaupteten Tatzeitraum beträfen, seien von den Ermittlungsbehörden überprüft worden. Nachweislich habe festgestellt werden können, dass bei keinem einzigen Fahrzeug etwa die Kilometerangaben (vgl. Einkaufs- und Verkaufsvertrag) nicht übereinstimmten. Durch diese vollständige Dokumentation habe der Kläger im Ermittlungsverfahren nachgewiesen, dass er selbst an den von ihm vertriebenen Fahrzeugen keine Manipulationen vorgenommen habe. Es seien damit sämtliche Verdachtsmomente gegen den Kläger im Rahmen des Ermittlungsverfahrens objektiv widerlegt worden. Die vorliegende Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO sei nicht nur wegen einer Situation „Aussage gegen Aussage“ erfolgt, sondern käme einschränkungslos einem Freispruch im Ermittlungsverfahren gleich. Der einzige Tatverdacht, der sich gegen den Kläger gerichtet habe, beruhe auf den Angaben einer Person, die mehrfach einschlägig vorbestraft sei und deren Angaben widersprüchlich und falsch gewesen seien, soweit behauptet worden sei, gegen Rechnung bei dem Kläger entsprechende illegale Tätigkeiten in Anspruch genommen zu haben. Der anderweitig Verfolgte habe bewusst vorsätzlich versucht, durch wahrheitswidrige Sachverhaltsschilderungen seine eigenen Taten dem Kläger zuzuschreiben. Diese Tatsachen habe der Beklagte in seinem Bescheid unberücksichtigt gelassen. Der Beklagte habe sich nicht mit dem tatsächlichen Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers, die Inhalt der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte geworden seien, auseinandergesetzt. Es verbliebe keine ausreichende Substanz eines Tatverdachts, die die Speicherung der Daten zur Person des Klägers begründen könnten. Auch die Argumentation, die Speicherung diene der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung, sei haltlos. Gegen den Kläger sei noch niemals wegen einer Betrugsstraftat ermittelt worden, er verwende seine Gerätschaften ausschließlich legal. Würde man der Argumentation des Beklagten folgen, müsste nahezu jeder Autowerkstatt, die heutzutage zum Betrieb zwingend auf die Verwendung von technischen Auslesegeräten verfügten, ein potenzieller Manipulationsverdacht im Sinne eines Generalverdachts unterstellt werden. Unter der Berücksichtigung der fehlenden Rechtsgrundlage für die Speicherung der Daten zur Person stelle diese immer eine schwerwiegende Beeinträchtigung und einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar. Es läge weder Wiederholungsgefahr vor, noch rechtfertigten hohe Dunkelziffern an vorgenommenen Manipulationen im Bereich des Kfz-Handels die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers.
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Die Speicherung sei nicht verhältnismäßig, da der Kläger im Falle von Ermittlungsverfahren im Bereich seines Wohn- und Geschäftssitzes damit rechnen müsse, dass er aufgrund der Vorerkenntnisse als Verdächtiger geführt werde und immer wieder bei anderweitig gearteten Ermittlungsverfahren eine Überprüfung seiner Person stattfinde, was einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstelle.
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Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung billige dem Kläger das Recht zu, selbst darüber zu entscheiden, welche Daten von wem, in welcher Weise und zu welchem Zweck gespeichert würden. Da in dieses Grundrecht ein rechtserheblicher Eingriff vorliege, obliege dem Beklagten ein höherer Begründungszwang auch im Hinblick auf die vorgetragene Verhältnismäßigkeit. Rein formelhafte Begründungen reichten nicht aus.
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Für den Beklagten ist beantragt,
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Der Beklagte wiederholte und vertiefte seinen bisherigen Vortrag und führt aus, dass sowohl der Hinweis auf einen Schadensersatzanspruch als auch die Herausgabe von Asservaten unbeachtlich seien für den streitgegenständlich geltend gemachten Löschungsanspruch.
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Die Begründung der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft stelle darauf ab, dass letztendlich Aussage gegen Aussage gestanden habe und weitere neutrale Beweismittel durch die polizeilichen Ermittlungen nicht hervorgebracht hätten werden können. Sie habe die Argumente, die für bzw. gegen den Wahrheitsgehalt der Aussage des anderweitig Beschuldigten sprechen, dargelegt. Damit untermauere die Staatsanwaltschaft den der Speicherung zugrundeliegenden Restverdacht. Der polizeiliche Restverdacht stütze sich im Wesentlichen neben den technischen Möglichkeiten, die dem Kläger zur Verfügung stünden und dem dazu notwendigen Wissen, über das der Kläger nach eigenen Angaben verfüge, auf die Äußerungen des anderweitig Verfolgten vom 16. September 2016. Der anderweitig Verfolgte sei 2013 persönlich zur Werkstatt des Klägers gefahren, nachdem er zuvor telefonisch einen Termin mit der Ehefrau des Klägers vereinbart habe. Im Vorgespräch mit dem Kläger hätten beide Gesprächspartner vereinbart, was an dem vorgestellten Fahrzeug geändert werden sollte. Nachdem sich beide Seiten einig gewesen seien, sei der Kläger mit dem Fahrzeug in seine Werkstatt gefahren und habe dort die vereinbarten Änderungen vorgenommen. Hierbei sei der anderweitig Verfolgte allerdings nicht anwesend gewesen, auch sei ihm der Blick aufgrund baulicher Gegebenheiten versperrt gewesen. Weiter habe er ausgeführt, dass er die ersten Male eine Rechnung erhalten habe, im weiteren Verlauf auf die Ausstellung von Rechnungen aber verzichtet worden sei. Die Bezahlung sei bar erfolgt. Zuletzt sei der anderweitig Verfolgte 2015 bei dem Kläger gewesen, um Datenänderungen vornehmen zu lassen.
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Die Einlassungen des Klägers sowie die Tatsache, dass der Kläger weder um eine Bestätigung über den Austausch zu erneuernder Tachogeräte seitens des anderweitig Verfolgten noch um die Ausfertigung einer eigenen Bestätigung über die Vornahme von derartigen Datenveränderungen gekümmert habe, lasse aus polizeilicher Sicht die Möglichkeit der durchgeführten Maßnahmen zum Nachteil eines (zukünftigen) Kunden zu. Dies werde dadurch untermauert, dass im Laufe der Geschäftsbeziehung auf die Erstellung einer Rechnung verzichtet worden sei. Auch dass der anderweitig Verfolgte im Zeitraum 2013 - 2015 wiederholt mit verschiedenen Fahrzeugen beim Kläger vorstellig geworden sei, bei denen ausnahmslos die Tachoeinheit ausgetauscht worden sein soll, habe den Kläger zumindest misstrauisch machen können oder von ihm auch die Bestätigung über den Austausch einer Tachoeinheit notwendig erscheinen lassen müssen.
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Die Aussage des anderweitig Verfolgten sei nicht als unglaubwürdig einzustufen. Der Umfang der Aussage lasse den Schluss zu, dass das sich von ihm geschilderte Geschehen aus seiner subjektiven Sicht so zugetragen haben könnte. Der Polizei lägen auch keine Hinweise vor, aus denen zu schließen wäre, dass die Aussage zielgerichtet gegen den Kläger getätigt worden sei. Der Hinweis des Klägers auf die ordnungsgemäße Buchhaltung sei in seiner Beweiskraft wesentlich beeinträchtigt, wenn im Geschäftsverlauf auf die Erstellung einer Rechnung verzichtet worden sei.
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Die vorhandenen Verdachtsmomente hätten zwar nicht für eine Klageerhebung seitens der Staatsanwaltschaft ausgereicht, allerdings seien sie aus polizeilicher Sicht von solcher Substanz, die eine Fortführung der Speicherung im Kriminalaktennachweis rechtfertige. Dies stehe der generellen Unschuldsvermutung nicht entgegen, sondern spiegele nur den Stand von geführten polizeilichen Ermittlungen wegen des Verdachts einer Straftat wider. Es sei unzutreffend, dass die Polizei einen grundsätzlichen Anfangsverdacht gegen alle Inhaber von Gerätschaften hege, die zur Manipulation von Kilometerständen geeignet seien. Der vorhandene Verdacht sei mit der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft nicht ausgeräumt worden. Erst die erwiesene Unschuld stelle einen Löschungsgrund dar. Eine solche sei jedoch nicht festgestellt worden.
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Die Speicherung solle den Kläger davon abhalten, die Gerätschaften zu illegalen Zwecken einzusetzen und sei geeignetes Mittel zur Kriminalprävention. Die Speicherung sei auch verhältnismäßig, was sich aus der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ergebe. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um einen Datenspeicher handele, der lediglich der Polizei zur Verfügung stehe und nur den Stand der geführten Ermittlungen widerspiegele. Der Kläger bleibe eine Begründung zur unverhältnismäßigen Speicherung und der damit verbundenen Einschränkungen der privaten Lebensführung schuldig.
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Die ursprünglich beim Bayerischen Verwaltungsgericht ... am 13. Februar 2019 eingereichte Klage (Az. ...) ist mit Verweisungsbeschluss vom 12. März 2019 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Augsburg abgegeben worden. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. August 2019 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, der Kläger mit Schriftsatz vom 3. September 2019.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie auf die vorgelegten Behördenakten, insbesondere auch auf die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft ... (Az. ...), Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten darauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann keinen Anspruch auf die begehrte Löschung des Verdachts des Betrugs (Tattag - 8. März 2014) aus dem Kriminalaktennachweis geltend machen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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1. Ein Löschungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG.
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Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG erlaubt es der Polizei insbesondere personenbezogene Daten, die sie im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, zu speichern und anderweitig zu verarbeiten, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrundeliegende Verdacht, sind die Daten unverzüglich zu löschen (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG).
33
1.1 Der Anspruch auf Löschung der in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (zu repressiven Zwecken) gewonnenen und für präventive Zwecke genutzten Daten nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG entsteht - der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur insoweit nahezu inhaltsgleichen Regelung des Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F. folgend - wenn der dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tatverdacht (restlos) entfallen ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 21.1.2009 - 10 B 07.1382 - juris Rn. 35, B.v. 24.2.2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn. 17 m.w.N.). Der für die weitere Aufbewahrung von Polizeiunterlagen erforderliche Tatverdacht im Sinne des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG bzw. Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F. entfällt dabei nicht schon mit der Einstellung der Ermittlungen, sondern erst, wenn der Verdacht einer Straftat oder Tatbeteiligung des Betroffenen restlos ausgeräumt ist. Daher kann die Aufbewahrung der polizeilichen Unterlagen selbst im Falle eines rechtskräftigen Freispruchs zulässig bleiben, wenn ein Restverdacht fortbesteht (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2008 - 10 C 08.2087 - juris Rn. 5 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 16.5.2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231; VG München, U.v. 18.2.2020 - M 7 K 18.4570 - juris Rn. 20), etwa, wenn der Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn. 18). Im Falle eines Freispruchs oder wie vorliegend einer Verfahrenseinstellung bedarf es daher der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnenen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen. Von einem fortbestehenden (Rest-)Tatverdacht kann insbesondere dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht festgestellt wurde, dass der Verdacht danach vollständig entfallen ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2015 - 10 CE 14.1798 - juris Rn. 21; B.v. 10.6.2013 - 10 C 13.62 - juris Rn. 4). Bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO kann der Tatverdacht aber fortbestehen, wenn die Einstellung nicht wegen gänzlich ausgeräumten Tatverdachts, sondern aus anderen Gründen erfolgt ist (BayVGH, B.v. 31.10.2007 - 24 C 07.1078 - juris Rn. 5). Nach § 170 Abs. 2 StPO stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein, wenn gegenüber dem Beschuldigten kein hinreichender Tatverdacht besteht. Denn bei einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren macht der Staatsanwalt von seiner Befugnis zur Einstellung deswegen Gebrauch, weil ein Tatnachweis vor Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geführt werden kann. Die Beendigung eines Strafverfahrens durch Einstellung, sowohl nach §§ 153 ff. StPO als auch nach § 170 Abs. 2 StPO, räumt den Straftatverdacht daher auch nicht notwendig aus und schließt deshalb auch die weitere Datenspeicherung zu Zwecken präventiver Gefahrenabwehr nicht aus (st.Rspr., vgl. etwa BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn. 18; Schmidbauer, in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 5. Aufl. 2020, Art. 54 Rn. 37). Vielmehr bedarf es, wie dargelegt, der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn. 19). Für den Fortbestand der Speicherung der personenbezogenen Daten wird dabei nicht ein für die Anklageerhebung hinreichender Tatverdacht i.S.v. § 203 StPO vorausgesetzt, sondern es genügt ein weiterhin bestehender Anfangsverdacht (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2015 - 10 CE 14.1798 - juris Rn. 21; B.v. 20.2.2013 - 10 ZB 12.2455 - juris Rn. 5; VG München, U.v. 18.2.2020 - M 7 K 18.4570 - juris Rn. 21).
34
Ausgehend von diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist der Tatverdacht nicht restlos ausgeräumt.
35
Das geführte Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 1. Juni 2017 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Für das gänzliche Entfallen des Tatverdachts ergeben sich weder aus den Einstellungsgründen, noch aus den Ermittlungsakten oder dem Klägervorbringen hinreichende Anhaltspunkte. Die Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO erfolgte aus tatsächlichen Gründen, da der Tatnachweis nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit geführt werden konnte, nicht jedoch wegen erwiesener Unschuld. Ausweislich der Begründung zur Einstellungsverfügung ergab die Auswertung der bei der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers sichergestellten Beweismittel keinen Nachweis für entsprechende Tachomanipulationen des Klägers. Die Fahrgestellnummern der Pkws, die der anderweitig Verfolgte mit verändertem Tachostand weiterveräußert hat, wurden nicht in den Datenträgern des Klägers gefunden. Auch wurden beim Beschuldigten keine Blankoservicehefte oder Stempel gefunden. Es stand somit letztlich nur die Aussage des anderweitig Verfolgten gegen die Aussage des Klägers. Für die Aussage des anderweitig Verfolgten spricht nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in der Begründung der Einstellungsverfügung, dass der Kläger tatsächlich Geräte hatte, die geeignet sind, den Kilometerstand eines Fahrzeugs entsprechend zu verändern. Weiter sprach danach für die Aussage des anderweitig Verfolgten, dass die örtlichen Gegebenheiten so waren, wie von ihm geschildert. Gegen dessen Aussage spricht, dass keinerlei Hinweise auf die konkreten manipulierten Pkws gefunden werden konnten. Der Kläger ist darüber hinaus bisher in keinster Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten und auch die Pkws, die beim Kläger gesichtet worden sind, haben keinerlei Tachoveränderungen aufgewiesen. Bei einer Gesamtbetrachtung kommt die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass letztlich nicht mit der für eine Anklage erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Aussage des anderweitig Verfolgten glaubhafter sei als die Aussage des Klägers, so dass letztlich der Tatnachweis nicht mit der erforderlichen Sicherheit geführt werden kann.
36
Der Verdacht einer Straftat des Klägers ist damit nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft v.a. wegen der Zeugenaussage also gerade nicht restlos ausgeräumt. Der Zeuge konnte die örtlichen Gegebenheiten detailliert skizzieren und detailreich die Vorgänge in der klägerischen Werkstatt schildern. Die Staatsanwaltschaft hat die Aussage auch nicht als per se unglaubhaft eingeordnet. Den Akten und dem Klägervorbringen lassen sich auch keine Hinweise entnehmen, aus denen zu schließen wäre, dass die Aussage zielgerichtet gegen den Kläger getätigt wurde. Der Kläger besitzt zudem entsprechende Gerätschaften und die nötigen Kenntnisse zur Vornahme entsprechender Anpassungen des Kilometerstands. Auch ist der klägerische Hinweis auf die „eindeutige und ausführliche Dokumentation“, aus der sich keine Manipulationen ergeben hätten, nicht geeignet, den Tatverdacht restlos auszuräumen. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Einlassungen des Klägers sowie die Tatsache, dass sich der Kläger weder um eine Bestätigung über den Austausch zu erneuernder Tachogeräte seitens des anderweitig Verfolgten noch um die Ausfertigung einer eigenen Bestätigung über die Vornahme von derartigen Datenveränderungen gekümmert hat, aus polizeilicher Sicht die Möglichkeit der durchgeführten Maßnahmen zum Nachteil eines (zukünftigen) Kunden zulasse. Dies wird dadurch untermauert, dass im Laufe der Geschäftsbeziehung auf die Erstellung einer Rechnung verzichtet worden sei. Insofern ist der Beweiswert einer (dann lückenhaften) Dokumentation eingeschränkt. Damit besteht in der Zusammenschau nach der Einstellungsverfügung auch weiterhin ein Restverdacht, der den Fortbestand der Speicherung rechtfertigt. Diesen Resttatverdacht hat der Beklagte auch unter hinreichender und einzelfallbezogener Begründung, wie dargestellt, rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt (vgl. Schmidbauer, in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 54 Rn. 35; sowie noch zur alten Fassung: Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Auflage 2010, Art. 38 Rn. 12).
37
1.2 Bei einem wie hier fortbestehenden Restverdacht steht auch die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Unschuldsvermutung der weiteren Aufbewahrung polizeilicher Unterlagen nicht entgegen (BVerfG, B.v. 16.5.2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 = juris Rn. 11). Denn die Berücksichtigung von Verdachtsgründen stellt keine Schuldfeststellung oder -zuweisung dar, wenn und soweit sie bei Wiederholungsgefahr anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient (BVerwG, U. v. 9.6.2010 - 6 C 5/09 - juris Rn. 26). Die Vermutung der Unschuld gilt nämlich bis zu einem etwaigen richterlichen Schuldspruch. Kommt es nicht dazu, gilt sie fort. Bei der Verfahrensbeendigung durch Einstellung oder bei einem Freispruch, der ausweislich der Gründe aus Mangel an Beweisen erfolgt, ist aber der Straftatverdacht wie dargestellt nicht notwendig ausgeräumt. Darf er Grundlage für Maßnahmen der weiteren Datenspeicherung sein, so steht die Unschuldsvermutung als solche dem nicht entgegen (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 16.5.2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 = juris Rn. 11).
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1.3 Dass im Rahmen der Einstellungsverfügung darauf hingewiesen worden ist, dass der Kläger grundsätzlich wegen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens und der damit verbundenen Strafverfolgungsmaßnahmen einen Schadenersatzanspruch geltend machen könne, ist gesetzliche Folge der Einstellung (§ 9 Abs. 1 Satz 5 Strafverfolgungsentschädigungsgesetz) und für die hier streitgegenständliche Frage einer möglichen Löschungsverpflichtung aus dem Kriminalaktennachweis genauso wenig von Belang wie die Aushändigung der im Rahmen der Ermittlungen sichergestellten Gerätschaften an den Kläger.
39
1.4 Die (Fortführung der) Speicherung erweist sich auch als verhältnismäßig, was sich aus einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der Gefahrenabwehr und vorbeugenden Straftatbekämpfung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers ergibt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um einen Datenspeicher handelt, der lediglich der Polizei zur Verfügung steht und die Speicherung im Kriminalaktennachweis grundsätzlich zeitlich befristet ist (Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG). Auch ist kein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dadurch zu sehen, dass seine Person bei entsprechenden Verdachtsmomenten bei künftigen Ermittlungsverfahren überprüft werden könnte. Die mit einer weit höheren Eingriffsintensität in die Grundrechte des Klägers verbundenen Daten der erkennungsdienstlichen Behandlung wurden von dem Beklagten gelöscht. Zudem ist zu sehen, dass nach der detailreichen Aussage des anderweitig Verfolgten die Aktivitäten zur Tachojustierung über mehrere Jahre hinweg stattgefunden haben sollen und der Kläger auch tatsächlich über Gerätschaften und die Kenntnisse zur Tachojustierung verfügt, so dass in der Zusammenschau eine Fortführung der Speicherung im Kriminalaktennachweis nicht unverhältnismäßig erscheint, zumal auch unter Berücksichtigung der detaillierten Aussage des anderweitig Verfolgten eine Wiederholungsgefahr nicht von der Hand zu weisen ist. Diese für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr sprechenden Umstände begründen auch die Erforderlichkeit einer weiteren Datenaufbewahrung im Kriminalaktennachweis. Im Verhältnis dazu erleidet der Kläger durch die Speicherung bzw. Aufbewahrung seiner Daten bis zum Ende der Aufbewahrungsfrist keine derart schwerwiegende Beeinträchtigung in seinen Rechten, dass sie ihm gegenüber unangemessen erschiene. Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Recht des einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung kommt dem vorbeugenden Schutz der Bürger vor Straftaten nämlich ein hoher Rang zu (BayVerfGH, E.v. 19.10.1994 - Vf. 12-VII-92, Vf. 13-VIII-92 - juris Rn. 252; BayVGH, U.v. 4.3.1996 - 24 B 94.2020 - juris Rn. 34).
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2. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG - soweit man diese Rechtsgrundlage vorliegend überhaupt neben Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG für anwendbar hält, da es sich vorliegend bei den zur Löschung beantragten Daten ausschließlich um aus einem laufenden Ermittlungsverfahren gewonnene handelt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn. 23 ff.).
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Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG gewährt einen alle Daten in polizeilichen Sammlungen betreffenden allgemeinen Löschungsanspruch, wenn ihre Erhebung oder weitere Verarbeitung unzulässig war (Nr. 1), sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen (Nr. 2) oder bei der zu bestimmten Fristen oder Terminen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist (Nr. 3).
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Vorliegend ist jedenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Daten in unzulässiger Weise erhoben oder verarbeitet wurden (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG) oder sonst eine rechtliche Verpflichtung zur Löschung besteht (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG). Dass vorliegend die Aufbewahrungsfrist (Art. 54 Abs. 2 Satz 3 oder 4 i.V.m. Art. 53 Abs. 5 PAG) bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufen wäre, ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, so dass auch Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAG nicht einschlägig ist. Ebenso wenig ist die Erforderlichkeit im Rahmen des Art. 62 Abs. 2 Nr. 3 PAG entfallen. Die Erforderlichkeit der Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen bemisst sich danach, ob der Betroffene künftig mit guten Gründen in den Kreis potentieller Beteiligter einer noch aufzuklärenden Straftat einbezogen werden und ob die gespeicherten Daten die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen überführend oder entlastend - fördern können (BayVGH, B.v. 2.9.2008 - 10 C 08.2087 - juris Rn. 6). Bei fortbestehendem Tatverdacht wie hier ist regelmäßig nicht auszuschließen, dass die gewonnenen Erkenntnisse für die Bekämpfung von Straftaten von Nutzen sein können (Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, Art. 38 Rn. 9), es sei denn, es kann ausgeschlossen werden, dass die Daten die Arbeit der Polizei noch fördern können, wie etwa, wenn nichts dafürspricht, dass der Betroffene erneut strafrechtlich oder gefahrverursachend in Erscheinung treten wird (Berner/Köhler/Käß, a.a.O.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn der sachgerechte Einsatz der Polizei bei der Bekämpfung von Straftaten erleichtert werden kann (BVerwG, B.v.12.11.1992 - 1 B 164/92 - juris Rn. 3). Das ist vorliegend der Fall.
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3. Schließlich folgt auch aus dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) kein weitergehender Löschungsanspruch (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn. 22 m.w.N.; VG München, U.v. 18.2.2020 - M 7 K 18.4570 - juris Rn. 30). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches vor der unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten schützt, ist nicht schrankenlos gewährleistet und findet in den Regelungen der jeweiligen Landespolizeigesetze für den Bereich der Polizeidaten und Kriminaldaten in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG und Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG eine verfassungsmäßige Grenze (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2012 - 10 ZB 11.2438 - juris Rn. 7). Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich ein Anspruch auf Löschung der über den Betroffenen gespeicherten polizeilichen Daten daher nur, soweit deren Aufbewahrung und Speicherung nicht durch diese gesetzlichen Grundlagen gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn. 22). Dies ist hier jedoch, wie dargestellt, nicht der Fall.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.