Titel:
(Keine) Entlassung einer Lehrerin aus dem Vorbereitungsdienst wegen gesundheitlicher Gründe während der Schwangerschaft
Normenketten:
BeamtStG § 23 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 S. 2, § 26 Abs. 1
UrlMV § 22
BayGlG Art. 17, Art. 18
BayMuSchV § 11 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1 S. 1, Art. 33 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine Entlassungsverfügung ist formell rechtswidrig, wenn weder die Gleichstellungsbeauftragte am Verfahren beteiligt noch die Beamtin über ihr dahingehendes Antragsrecht informiert wurde; es kann insoweit auch nicht von einer Unbeachtlichkeit ausgegangen werden, da es sich bei einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf um eine Ermessensentscheidung handelt, sodass eine Auswirkung des Fehlers auf Erlass und Inhalt der Maßnahme nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. (Rn. 42 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beamtinnen auf Probe und Widerruf sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG bei dauernder Dienstunfähigkeit auch während der Mutterschutzzeit zu entlassen, wenn keine schwangerschafts- und mutterschaftsspezifischen Ursachen die dauernde Dienstunfähigkeit begründen (ebenso BayVerfGH BeckRS 2011, 52487). (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Entlassungsverfügung ist materiell rechswidrig, wenn sie das grundsätzliche Entlassungsverbot bei Schwangerschaft aus § 22 UrlMV nicht beachtet und aus ihr und den zugrundeliegenden Gutachten nicht eindeutig und klar hervorgeht, dass von einer schwangerschaftsunabhängigen dauernden Dienstunfähigkeit der Beamtin auf Widerruf auszugehen ist; ferner wären dann alternative Einsatzmöglichkeiten gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeamtStG zu prüfen gewesen. (Rn. 55) (Rn. 57 – 63) (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
4. Da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist, ist das Gericht nicht gehalten, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ein ergänzendes Gutachten einzuholen (ebenso OVG NRW, BeckRS 2017, 113186). (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamtin auf Widerruf (Lehrerin im Vorbereitungsdienst), Entlassung aus gesundheitlichen Gründen während der Schwangerschaft, Verhältnis § 23 Abs. 4 BeamtStG zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten, Dienstherr, Eignung, Erkrankung, Lebenszeit, gesundheitliche Eignung, Vorbereitungsdienst, Widerruf, dauernde Dienstunfähigkeit, Amtsermittlungsgrundsatz, Gutachten, alternative Einsatzmöglichkeiten
Fundstelle:
BeckRS 2020, 15057
Tenor
1. Der Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2018 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen im Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Wirkung zum 31. März 2018.
2
Die … 1976 geborene Klägerin wurde bereits als Studienreferendarin für das Lehramt an Realschulen in das Studienseminar 2010/2012 berufen. Im Prüfungstermin 2012 bestand sie die Zweite Staatsprüfung nicht. Während der sich anschließenden Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes im Studienseminar 2012/2014 wurde ein Sohn geboren, für den im Anschluss an die Mutterschutzzeiten Elternzeit bis einschließlich 31. Januar 2016 gewährt worden war. Eine Wiederholungsprüfung fand in dieser Zeit nicht statt. Mit Ablauf des 31. Januar 2016 wurde die Klägerin auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen.
3
Mit Antrag vom 1. April 2016 beantragte die Klägerin erneut die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen zum Termin September 2016.
4
Aus dem für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst erstellten Gesundheitszeugnis des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt …vom 23. Mai 2016 geht hervor, dass die Betroffene am 23. Mai 2016 amtsärztlich untersucht worden ist. Die Beurteilung stelle eine zusammenfassende Äußerung zu den Gutachtensfragen und zur Belastbarkeit dar und enthalte eine Wertung aller Besonderheiten, die sich aus Vorgeschichte, Untersuchung im Gesundheitsamt und gegebenenfalls ergänzenden Befunden unter Berücksichtigung etwaiger vom Auftraggeber bezeichneter Anforderungen ergeben hätten:
„Derzeit besitzt die Betroffene die erforderliche gesundheitliche Eignung für eine Tätigkeit als Lehrerin an Realschulen mit der Fächerkombination Englisch und Kunst im Beamtenverhältnis auf Widerruf.
Seh-, Hör- und Sprechvermögen sind ausreichend.
Aufgrund noch anzufordernder ärztlicher Befunde kann die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gegenwärtig nicht bescheinigt werden.
Nach Posteingang und entsprechender Wertung wird Ihnen unaufgefordert ergänzend berichtet.“
5
In einem weiteren Gesundheitszeugnis des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt … vom 3. Juni 2016 wurde auf das Gesundheitszeugnis vom 23. Mai 2016 verwiesen und festgestellt, dass die Betroffene die erforderliche gesundheitliche Eignung für eine Tätigkeit im Vorbereitungsdienst an Realschulen im Beamtenverhältnis auf Widerruf besitze, eine Aussage zur gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aber erst nach Durchführung einer nervenärztlichen Zusatzuntersuchung möglich sei.
6
Nach Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (BayStMUK) wurde von der Beauftragung eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens abgesehen, da vor einer Entscheidung über die Verbeamtung auf Lebenszeit erst die Wiederholungsprüfung der Zweiten Staatsprüfung erfolgreich abgelegt werden müsse.
7
Mit Wirkung zum 13. September 2016 wurde die Klägerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Studienreferendarin ernannt und dem Studienseminar an der Realschule …, Staatliche Realschule …, zur Wiederholung der Zweiten Staatsprüfung für die Dauer von 12 Monaten zugewiesen.
8
Aufgrund der Vorlage verschiedener Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im März 2017 veranlasste die Realschule … mit Schreiben vom 30. März 2017 eine weitere gesundheitliche Begutachtung durch das Staatliche Gesundheitsamt am Landratsamt … Aus dem Gesundheitszeugnis vom 3. April 2017 geht hervor:
„Die Betroffene wurde am 3.4.2017 amtsärztlich untersucht. Die Betroffene ist voraussichtlich bis einschließlich 23.4.2017 dienstunfähig erkrankt. Eine Teilnahme an Veranstaltungen des Referendariats bzw. an Lehrproben ist aus gesundheitlichen Gründen bis zum oben genannten Datum nicht möglich. Für den Fall des Fortbestehens der Dienstunfähigkeit über das oben genannte Datum hinaus empfiehlt sich eine erneute amtsärztliche Untersuchung.“
9
In einem weiteren Gesundheitszeugnis des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt … vom 2. Mai 2017 wird festgestellt:
„Die Betroffene wurde am 2. Mai 2017 amtsärztlich untersucht. Auf das Gesundheitszeugnis in gleicher Angelegenheit vom 3. April 2017 wird verwiesen.
Die Betroffene ist bis Ende des Schuljahres 2016/2017 weiterhin dienstunfähig erkrankt, so dass die Teilnahme an Veranstaltungen des Referendariats bzw. an Lehrproben aus gesundheitlichen [fehlt; wohl: Gründen] unverändert nicht möglich ist.
Für den Fall eines Weiterbestehens über das Ende des Schuljahres 2016/2017 hinaus empfiehlt sich eine erneute amtsärztliche Untersuchung.“
10
Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 4. August 2017 mit, dass der Vorbereitungsdienst nicht wie vorgesehen mit Ablauf des 11. September 2017 ende, da die dritte Prüfungslehrprobe und die mündlichen Prüfungen im Rahmen der Wiederholung der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen nicht hätten abgelegt werden können. Die Klägerin bleibe auch über den 11. September 2017 hinaus mit allen Rechten und Pflichten im Status einer Beamtin auf Widerruf.
11
Telefonisch meldete sich die Klägerin am 11. September 2017 bei dem Beklagten für weitere vier Wochen arbeitsunfähig. In einem daraufhin beauftragten Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes vom 9. Oktober 2017 wird ausgeführt:
„Die Betroffene wurde am 9. Oktober 2017 aufgrund einer seit 13. April 2017 andauernden Dienstunfähigkeit amtsärztlich untersucht.
Die Betroffene nimmt regelmäßig nervenärztliche sowie interdisziplinär-somatische Vorstellungstermine wahr.
Allerdings findet weder eine medikamentöse noch eine psychiatrische/psychothera-peutische Behandlung statt.
Die Motivation für einen entsprechenden Behandlungsansatz wird als gering eingeschätzt.
Es besteht Alltagsstabilität bei erhaltenen kognitiven Funktionen.
Die Konzentrationsdauer und das Durchhaltevermögen sind reduziert.
Die Erschöpfbarkeit ist erhöht. Die erforderliche Regenerationszeit ist verlängert.
Die Interaktionsfähigkeit und die Konfliktfähigkeit gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und auch Schülern ist herabgesetzt.
Aufgrund der emotionalen Verletzbarkeit können im beruflichen Alltag nicht vermeidbare Situationen zur psychischen Dekompensation führen.
Die psychische Widerstandsfähigkeit ist gering, sodass die Kernkompetenzen für den Vorbereitungsdienst nicht mehr erbracht werden können.
Unter kritischer Würdigung der vorliegenden Unterlagen und der erhobenen Befunde ist aus amtsärztlicher Sicht davon auszugehen, dass eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes bzw. die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden kann.
Berufliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst werden derzeit nicht für erfolgversprechend erachtet.
Eine Erledigung der erforderlichen Tätigkeiten im Vorbereitungsdienst in angemessener Form und angemessener Zeit ist aufgrund der aktuellen Erkrankung auf absehbare Zeit nicht möglich.“
12
Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2017, mit Postzustellungsurkunde zugestellt am 18. Oktober 2017, mit, dass beabsichtigt sei, die Klägerin gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen. Nach Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Wirkung zum 13. September 2016 zur Wiederholung der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen sei die Klägerin seit 14. März 2017 ununterbrochen dienstunfähig gewesen, so dass eine amtsärztliche Untersuchung veranlasst worden sei. Nach den amtsärztlichen Untersuchungen am 3. April 2017 und 2. Mai 2017 sei in einem Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt … vom 9. Oktober 2017 festgestellt worden, dass eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes bzw. die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden könne. Gleichzeitig würden berufliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst als nicht erfolgversprechend erachtet. Eine Erledigung der erforderlichen Tätigkeiten im Vorbereitungsdienst in angemessener Form und angemessener Zeit sei aufgrund der aktuellen Erkrankung auf absehbare Zeit nicht möglich.
13
Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes könne ein Beamter auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG jederzeit entlassen werden. Ein sachlicher Grund liege in der derzeit fehlenden gesundheitlichen Eignung für den Lehrerberuf und damit auch für den Vorbereitungsdienst. Die krankheitsbedingte Abwesenheit vom Studienseminar sei auf einen erheblichen Umfang angewachsen. Vom Gesundheitsamt könne keine belastbare Prognose erstellt werden, ob und wann eine vollständige Dienstfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Daher könne in absehbarer Zeit nicht mit dem erfolgreichen Abschluss des Vorbereitungsdienstes gerechnet werden. Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 30. Oktober 2017 gegeben. Gleichzeitig wurde die Klägerin auf ihr Recht, gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 80 Abs. 2 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) die Mitwirkung des Hauptpersonalrats beim Bayerischen Staatsministerium für Bildung, Kultus, Wissenschaft und Kunst zu beantragen, hingewiesen.
14
Mit E-Mail und mit Schreiben jeweils vom 27. Oktober 2017 informierte die Klägerin den Beklagten über eine Schwangerschaft unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Die E-Mail war im Betreff als „Stellungnahme zur beabsichtigten Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst“ bezeichnet.
15
Mit weiterer E-Mail vom 8. Dezember 2017 gab die Klägerin dem Beklagten ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 MuSchG unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vom 6. Dezember 2017 bekannt.
16
Mit Bescheid des Beklagten vom „4. Januar 2017“ (richtig: 4.1.2018), der Klägerin zugestellt mit Empfangsbekenntnis, wurde die Klägerin mit Ablauf des 31. März 2018 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Beamter auf Widerruf jederzeit entlassen werden könne. Es bestünden ernsthafte Zweifel, ob das Ziel des Vorbereitungsdienstes, der Erwerb der Befähigung für das angestrebte Lehramt, erreicht werden könne, da die gesundheitliche Eignung für den Lehrberuf und damit für den Vorbereitungsdienst sowie die Prüfungsfähigkeit der Klägerin derzeit und auf absehbare Zeit nicht gegeben seien. Zweifel hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung gründeten auf der langjährigen Erkrankung der Klägerin, welche in keinem Zusammenhang mit der aktuell bestehenden Schwangerschaft stehe. Eine Prognose, wann die vollständige Dienst- und Prüfungsfähigkeit wiederhergestellt werden könne, sei nicht möglich, so dass das schutzwürdige Interesse der Klägerin, den Vorbereitungsdienst ohne Unterbrechung vollständig abzuleisten und die Zweite Staatsprüfung abzulegen, hinter den Interessen der Allgemeinheit an einem sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln, insbesondere um die für den Vorbereitungsdienst geschaffenen Planstellen mit für den Lehrerberuf gesundheitlich geeigneten Bewerbern besetzen zu können, zurückzustehen hätte. Der Dienstherr sei nicht verpflichtet, auf Kosten der Allgemeinheit Bewerber auszubilden, wenn mangels gesundheitlicher Eignung nicht in absehbarer Zeit mit dem erfolgreichen Abschluss des Vorbereitungsdienstes zu rechnen sei. Durch die krankheitsbedingte Abwesenheit entstünden zudem Lücken in der Unterrichtsversorgung, die durch andere Lehrkräfte geschlossen werden müssten. Berücksichtigt worden sei auch, dass die Klägerin durch das Ablegen der Zweiten Staatsprüfung ihre langjährige Berufsausbildung abschließen und das erfolgreiche Absolvieren des Vorbereitungsdienstes berufliche Perspektiven auch außerhalb des staatlichen Schuldienstes eröffnen würde. Wegen des derzeitigen Gesundheitszustandes der Klägerin sei davon auszugehen, dass eine Beschäftigung als Lehrerin an einer kommunalen oder privaten Schule unwahrscheinlich sei. Die schutzwürdigen Interessen würden jedoch gewahrt, da die Klägerin ungeachtet der Entlassung nach Wiederherstellung der Dienst- und Prüfungsfähigkeit, die durch amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen sei, den Vorbereitungsdienst gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG fortsetzen könne.
17
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 2018, beim Beklagten eingegangen am 5. Februar 2018, Widerspruch ein. Bei der vorliegenden Dienstunfähigkeit handle es sich nicht um eine schwangerschaftsunabhängige Dienstunfähigkeit. Die Schwangerschaft habe bereits zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung durch das Gesundheitsamt des Landratsamtes … bestanden. Sie habe dem Arzt den Grund ihrer Befindlichkeit mitgeteilt. Am 6. Dezember 2017 habe sie von ihrer Ärztin ein Beschäftigungsverbot nach § 3 der Mutterschutzrichtlinien erhalten. Dieses finde in dem Bescheid keine Berücksichtigung. Aufgrund der Schwangerschaft nehme sie keine Medikamente mehr wegen einer Depression, sondern versuche, Stress so weit wie möglich zu vermeiden.
18
Die Klägerin legte drei weitere ärztliche Bescheinigungen vom 16. Januar 2018 und 28. Januar 2018 zur Beschreibung der schwangerschaftsbedingten Verfassung vor.
19
Daraufhin bat die Beklagte das Staatliche Gesundheitsamt beim Landratsamt … mit Schreiben vom 16. Februar 2018 um Stellungnahme zu der Frage, ob die bestehende Schwangerschaft einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis des Gutachtens vom 9. Oktober 2017 habe bzw. ob auch ohne die bestehende Schwangerschaft die Dienstfähigkeit der Klägerin in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden könne.
20
Das Staatliche Gesundheitsamt beim Landratsamt … erklärte daraufhin mit Schreiben vom 21. Februar 2018:
„Die Betroffene wurde beim Staatlichen Gesundheitsamt am 23.5.2016, 3.4.2017, 2.5.2017 und 9.10.2017 amtsärztlich untersucht.
Die nervenärztliche Vorgeschichte reicht bis 05/2005 mit erstmals dokumentierter Diagnose einer schweren Depression zurück. Bereits 01/2011 erscheint die hinreichende psychische Belastbarkeit aufgrund einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstruktur für den Beruf einer Lehrerin fraglich. Ein psychotherapeutischer und psychosomatischer Therapieansatz wurde von der Betroffenen trotz fachärztlicher Empfehlung in der Folgezeit nicht gewählt.
Bei der amtsärztlichen Untersuchung am 2.5.2017 bestand eine Medikation mit Methylphenidat und Opipramol. Eine Besserung des psycho-pathologischen Befundes ist durch die Medikation nicht eingetreten.
Zum Zeitpunkt der Untersuchung am 9.10.2017 hatte die Betroffene die Medikation aufgrund einer vermuteten Schwangerschaft abgesetzt. Insofern bestand zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung am 9.10.2017 unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs und der dokumentierten nervenärztlichen Krankheitsgeschichte über insgesamt 13 Jahre keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate. Das negative Leistungsbild im Gesundheitszeugnis über die amtsärztliche Untersuchung am 9.10.2017 beschreibt die Auswirkungen der von der Schwangerschaft unabhängigen nervenärztlichen Grunderkrankung auf das Tätigkeitsprofil einer Lehrerin.
Die den Beipackzetteln der jeweiligen Präparate entnommenen möglichen objektiven Auswirkungen auf eine Schwangerschaft sind als Anlage beigefügt.
Unabhängig von einer Medikation oder Schwangerschaft ist eine Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit nur mit einer psychotherapeutischen/psychosomatischen Therapie und einer umfassenden Hilfestellung im privaten Bereich aufgrund vielfältiger Problemkreise im familiären Umfeld zu erwarten. Aufgrund des seit 05/2005 dokumentierten Krankheitsverlaufs ist diese Wiederherstellung allerdings nicht innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung am 9.10.2017 zu erwarten.
Ein am 17.10.2017 durch den Sozialpädagogischen Dienst des Gesundheitsamtes ergänzend unterbreitetes Beratungsangebot wurde von der Betroffenen nicht wahrgenommen.
Zusammenfassend hat die am 16.10.2017 frauenärztlich festgestellte Schwangerschaft keinen Einfluss auf das am 9.10.2017 festgestellte positive und negative Leistungsbild.“
21
Mit Schreiben vom 7. März 2018 zeigten sich die Bevollmächtigten der Klägerin an und wiesen darauf hin, dass der Bescheid vom „4. Januar 2017“ rechtsfehlerhaft sei. Der Dienstherr habe bei der nach Art. 33 Abs. 2 GG durchzuführenden Beurteilung der Eignung immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspreche. Daher sei eine Prognose über die weitere gesundheitliche Entwicklung des Beamten erforderlich. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einer Entscheidung vom 25. Juli 2013 (2 C 12/11, ZBR 2014, 89) entschieden, dass ein Beamtenanwärter gesundheitlich nicht geeignet sei, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen sei. Es müssten also tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten werde. Dies müsse von amtsärztlicher Seite festgestellt werden. Der Amtsarzt habe jedoch gerade keine Prognose getroffen. Auf die Frage fehlender gesundheitlicher Eignung bei häufigeren Erkrankungen komme es nicht mehr entscheidend an, da hierauf der Bescheid nicht gestützt werde und solche häufigeren Erkrankungen auch nicht vorlägen. Auch hier müsse im Übrigen der Beamte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen. Ließen sich vorzeitige, dauernde Dienstunfähigkeit und krankheitsbedingte erhebliche und regelmäßige Ausfallzeiten nach Ausschöpfen der zugänglichen Beweisquellen weder feststellen noch ausschließen, so ginge dies zu Lasten des Dienstherrn, denn die Voraussetzungen für die Annahme der mangelnden gesundheitlichen Eignung eines Bewerbers seien nur dann nicht erfüllt. Die Ernennungsbehörde habe somit bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung keinen Beurteilungsspielraum. Der Amtsarzt habe gerade keine negative Prognose festgestellt. Darüber hinaus sei der Bescheid inhaltlich völlig undifferenziert. Es werde lediglich darauf hingewiesen, dass die Klägerin seit dem 15. März 2017 arbeitsunfähig erkrankt sei. Nicht eingegangen werde auf die Schwangerschaft und die damit verbundenen starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die dann auch zu weiteren Krankschreibungen und einem Beschäftigungsverbot geführt hätten. Die vorher bestehenden psychischen Beschwerden würden durch die Schwangerschaft nachhaltig beeinflusst. Eine amtsärztliche Begutachtung in einer Ausnahmesituation sei erkennbar wenig aussagekräftig.
22
Mit Schreiben vom 12. März 2018 wurde der Klägerin das Ergebnis der Überprüfung des Gutachtens des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt … mitgeteilt und erläutert.
23
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2018, den Bevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbestätigung am 30. April 2018 zugestellt, wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Januar 2018 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass weiter ernsthafte Zweifel, ob das Ziel des Vorbereitungsdienstes erreicht werden könne, bestünden. Im Widerspruch seien keine Anhaltspunkte vorgetragen worden, die die Wiederherstellung der Dienst- und Prüfungsfähigkeit derzeit oder in absehbarer Zeit belegen könnten. Damit habe das amtsärztliche Schreiben vom 9. Oktober 2017, ergänzt durch das Schreiben vom 21. Februar 2018, unverändert Gültigkeit. Da eine Prognose über die vollständige Wiederherstellung der Dienst- und Prüfungsfähigkeit nicht möglich sei, überwiegten die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit.
24
Hiergegen ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 30. Mai 2018, eingegangen per Telefax am 30. Mai 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth, Klage erheben und beantragen,
- 1.
-
Der Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtigerweise 4.1.2018) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2018 wird aufgehoben.
- 2.
-
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
25
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine Entlassung nicht vorlägen. Es müsse eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze der Beamte über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfalle und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen werde. Der Amtsarzt habe erklärt, keine Prognose treffen zu können. Es werde auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2013 verwiesen. Ließen sich vorzeitige, dauernde Dienstunfähigkeit und krankheitsbedingte, erhebliche und regelmäßige Ausfallzeiten nach Ausschöpfung der zugänglichen Beweisquellen weder feststellen noch ausschließen, so gehe dies zu Lasten des Dienstherrn, denn die Voraussetzungen für die Annahme der mangelnden gesundheitlichen Eignung eines Bewerbers seien nur dann nicht erfüllt. Mangels Prognose lägen diese Voraussetzungen nicht vor.
26
Zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung sei die Klägerin schwanger gewesen und habe auf die damit verbundenen erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Untersuchung hingewiesen. Dies werde nicht in Abrede gestellt. Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb der Amtsarzt ohne jegliche Begründung meine, die von ihm zum Untersuchungszeitpunkt festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien in keinerlei Zusammenhang mit der Schwangerschaft zu sehen. Es entspreche allgemeinem medizinischen Erfahrungssatz, dass eine Schwangerschaft regelmäßig auf die gesamte Körperverfassung Einfluss nehme und vielfach auch weitere zusätzliche Schwangerschaftsrisiken mit sich bringe. Woher der Amtsarzt diese Erkenntnis habe und warum hier keinerlei Zusammenhang vorliege, werde nicht ausgeführt. Jede Schwangerschaft bringe zusätzlichen Stress und weitere Belastungen mit sich. Eine amtsärztliche Begutachtung in einer solchen Ausnahmesituation sei nicht geeignet, sich ein verbindliches Bild über die langfristige gesundheitliche Entwicklung zu machen, da eben nicht ein „Normalzustand“ begutachtet werde, sondern ein Ausnahmezustand. Gegen die Entlassung bestünden zudem verfassungsrechtliche Bedenken, da jede Frau zeitnah zur Entbindung Entlassungs- und Kündigungsschutz genieße. Bedenken bestünden auch gegen die vorgebrachte Begründung, dass nach einer nervenärztlichen Krankheitsgeschichte über 13 Jahre keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit gegeben sei. Eine Begründung hierfür werde nicht gegeben. Wie der Amtsarzt zu der Erkenntnis gelangt sei, dass eine Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit nur mit einer psychotherapeutischen/psychosomatischen Therapie möglich wäre, werde ebenfalls nicht begründet. Woher entsprechende Fachkenntnisse des Amtsarztes im Bereich der Psychotherapie stammten, bleibe unbekannt.
27
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten verwies das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. Juni 2018 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Ansbach.
28
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 23. Juli 2018,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
29
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass seitens der Klägerin unzutreffend angeführt werde, dass es erforderlich gewesen wäre, festzustellen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze der Beamte über Jahre hinweg krankheitsbedingt ausfallen müsse und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen würde. Ein solcher Maßstab der gesundheitlichen Eignung gelte nicht für Beamte auf Widerruf (im Vorbereitungsdienst), sondern für Beamte, die in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen werden sollten. Bei Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gelte hingegen, dass gesundheitliche Störungen nicht nur vorübergehender Art, die einer ordnungsgemäßen Teilnahme an der Ausbildung oder der rechtzeitigen Prüfungsablegung entgegenstünden, einen sachlichen Grund für die Entlassung bilden könnten. So könne insbesondere entlassen werden, wer auf unabsehbare Zeit prüfungsunfähig sei (Zängl in: Bayerisches Beamtenrecht, § 23 BeamtStG Rn. 214). Im Rahmen des Vorbereitungsdienstes habe die Prüfungsbehörde im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens unter Abwägung der dienstlichen Interessen und der persönlichen Belange zu entscheiden, in welchem Umfang Verzögerungen aus gesundheitlichen Gründen hingenommen würden. Hierbei sei sowohl die tatsächliche Dauer der Erkrankung als auch eine Prognose über eine absehbare Genesung zu würdigen. Schließlich diene der Vorbereitungsdienst der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung (Zängl in: Bayerisches Beamtenrecht, § 23 BeamtStG Rn. 214). Die Klägerin sei vorliegend, nachdem sie am 13. September 2016 zur Wiederholung der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen erneut in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden sei, seit dem 14. März 2017 ununterbrochen dienstunfähig. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 habe das zuständige Gesundheitsamt mitgeteilt, dass eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden könne. Vor diesem Hintergrund sei im Rahmen des Ermessens und unter Würdigung, dass die Klägerin nach halbjähriger dienstlicher Tätigkeit bereits über ein Jahr erkrankt gewesen sei und eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes nicht absehbar gewesen sei, die Entlassung aufgrund mangelnder gesundheitlicher Eignung ausgesprochen worden. Die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Entlassung ändere hieran nichts. Nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2011 (Az. Vf. 27-VII/10) sei eine Entlassung trotz Schwangerschaft bei dauernder Dienstunfähigkeit möglich, wenn die Dienstunfähigkeit nicht mit der Schwangerschaft in Zusammenhang stehe. Nach § 11 Abs. 3 BayMuSchV i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG seien Beamtinnen auf Probe oder auf Widerruf auch während der Mutterschutzzeit bei dauernder Dienstunfähigkeit zu entlassen. Aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich, dass (lediglich) bei schwangerschafts- und mutterschaftsspezifischen Ursachen eine Entlassung nicht ausgesprochen werden könne. Das zuständige Gesundheitsamt habe mitgeteilt, dass die Dienstunfähigkeit der Klägerin in keinem Zusammenhang mit der Schwangerschaft stehe. Gründe, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, seien nicht ersichtlich.
30
Im Übrigen sei der Klägerin eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes nicht gänzlich verwehrt. Im streitgegenständlichen Bescheid werde sie darauf hingewiesen, dass die Klägerin den Vorbereitungsdienst fortsetzen könne, wenn sie nach Wiederherstellung der Dienst- und Prüfungsfähigkeit einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Wiederholung der Zweiten Staatsprüfung stelle. Insofern sei das schutzwürdige Interesse der Klägerin auf die Möglichkeit des Abschlusses ihrer Ausbildung gewahrt.
31
Die Bevollmächtigten der Klägerin replizierten mit Schriftsatz vom 18. Februar 2019. Unter Verweis auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2013 (Az. 2 C 12/11) und vom 30. Oktober 2013 (2 C 16/12) habe der Beklagte einen falschen Maßstab angewandt. Der Beklagte beziehe sich auf eine Erklärung des Gesundheitsamtes vom 9. Oktober 2017, wonach eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden könne. Woher diese Erkenntnis stamme und wie diese medizinisch begründet werde, bleibe offen. Eine Entlassung trotz Schwangerschaft bei dauernder Dienstunfähigkeit sei nur dann möglich und zulässig, wenn die Dienstunfähigkeit nicht mit der Schwangerschaft im Zusammenhang stehe. Auch hier beziehe sich der Beklagte lediglich auf eine Mitteilung des Gesundheitsamtes, ohne zu hinterfragen, auf welchen medizinischen Untersuchungen und Erkenntnissen diese Mitteilung beruhe. Da jegliche Begründung diesbezüglich fehle, könne inhaltlich nicht weiter Stellung genommen werden. Es sei daher festzustellen, dass die Aussagen des Gesundheitsamtes in keiner Weise substantiiert und begründet seien und auch nicht auf konkreten Untersuchungen beruhten. Eine nachvollziehbare Begründung fehle vollständig.
32
Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22. Oktober 2019, dass die Klägerin verkenne, dass die zitierten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sich jeweils auf die Frage der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bezögen. Vorliegend habe sich die Klägerin jedoch in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf befunden, welches an die gesundheitliche Eignung andere Anforderungen stelle. Der qualitative Unterschied zwischen den Anforderungen an die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bzw. für die Tätigkeit im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf sei darin begründet, dass das Beamtenverhältnis auf Widerruf von dessen Natur aus endlich gestaltet sei. Der Vorbereitungsdienst und das damit zusammenhängende Beamtenverhältnis auf Widerruf seien nicht auf das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze angelegt. Vor diesem Hintergrund müssten sich Lehrkräfte, die nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes als Lehrkraft an staatlichen Schulen im Beamtenverhältnis tätig sein wollten, beim Staatsministerium bewerben und gegebenenfalls einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung unterziehen. Diese Einstellungsuntersuchung für eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe, welches auf eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit angelegt sei, erfolge nach den Maßgaben des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2013 (Az. 2 C 12/11).
33
Nicht zu beanstanden sei auch, dass die Entlassung der Klägerin nach Erhalt des amtsärztlichen Gutachtens ausgesprochen worden sei. Anlass für Zweifel an dem amtsärztlichen Gutachten bestünde nicht. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die ärztliche Untersuchung von Beamten dem Gesundheitsamt obliege. Die amtsärztlichen Zeugnisse seien hierbei gutachterliche Stellungnahmen, die einer daraufhin ergehenden Entscheidung der die Untersuchung beauftragenden Behörde zugrunde gelegt werden könnten, und zwar auch in Form eines zusammenfassenden Berichts (BVerwG, U.v. 15.6.1989 - 2 A 3/86). Der zusammenfassende Bericht des Amtsarztes sei vorliegend sowohl hinsichtlich der Erkrankung selbst als auch bezüglich der Frage, ob die Erkrankung unabhängig von der Schwangerschaft vorliege, schlüssig und nachvollziehbar. Es sei nicht zu beanstanden, dass im amtsärztlichen Gutachten keine näheren Inhalte zu den Untersuchungen etc. enthalten gewesen seien. Aufgrund der Schweigepflicht des untersuchenden Arztes sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. zum Schutz der persönlichen Sphäre des Untersuchten sei es konsequent, der personalverwaltenden Stelle lediglich einen zusammenfassenden Bericht zukommen zu lassen, während die Beurteilungsgrundlage selbst mit dem genauen Untersuchungsbefund beim Gesundheitsamt verbleibe (Baßlsperger in: Bayerisches Beamtenrecht, § 9 BeamtStG Rn. 29).
34
Mit gerichtlichem Schreiben vom 15. April 2020 wurden die Beteiligten darüber informiert, dass beabsichtigt sei, die beim Staatlichen Gesundheitsamt am Landratsamt … vorhandenen, die Klägerin betreffenden Unterlagen beizuziehen. Es wurde gebeten, insoweit eine Erklärung der Klägerin zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorzulegen. Eine Reaktion der Klägerin erfolgte hierauf nicht.
35
Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. Mai 2020 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich aus den vorgelegten Behördenakten eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bzw. ein Hinweis an die Klägerin, dass eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten auf Antrag erfolgen könne, nicht ergebe. Auch wurde mitgeteilt, dass eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf bei Erkrankungen ohne schwangerschafts- oder mutterschaftsspezifische Ursachen entsprechend dem Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2011 (Vf. 27-VII-10) wohl nur bei einer dauernden Dienstunfähigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG möglich sein dürfte.
36
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
37
Die zulässige Klage ist begründet, da der Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24. April 2018 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38
1. Der Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018), mit dem die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen worden ist, stützt sich auf § 23 Abs. 4 BeamtStG.
39
a) Dabei bestehen schon Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides.
40
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus als Einstellungsbehörde hat zuständigerweise die Entlassung ausgesprochen, Art. 56 Abs. 2 BayBG. Die Entlassungsverfügung wurde unter Angabe des Grundes und des Zeitpunkts der Entlassung zugestellt, Art. 56 Abs. 3 BayBG. Dabei ist es ausreichend, wenn sich sowohl der Grund als auch der Zeitpunkt der Entlassung aus der Begründung des Bescheides ergeben, eine Angabe im Tenor ist nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 15.5.2019 - 3 CS 19.655 - juris Rn. 18 ff.). Die Entlassung wurde unter Berücksichtigung der Sechs-Wochen-Frist zum Quartalsende zum 31. März 2018 wirksam, Art. 56 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 BayBG.
41
Der Klägerin wurde vor Erlass der Entlassungsverfügung mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dabei wurde sie auch rechtzeitig auf das Antragsrecht hinsichtlich der Beteiligung der Personalvertretung gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3, 2. Halbsatz BayPVG hingewiesen.
42
Allerdings wurde vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügung weder die Gleichstellungsbeauftragte am Verfahren beteiligt noch die Klägerin über die Möglichkeit, die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten gemäß Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGlG zu beantragen, informiert.
43
Gemäß Art. 17 BayGlG fördern und überwachen die Gleichstellungsbeauftragten den Vollzug des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes und des Gleichstellungskonzepts und unterstützen dessen Umsetzung. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit wirken die Gleichstellungsbeauftragten an allen Angelegenheiten des Geschäftsbereichs mit, die grundsätzliche Bedeutung für die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und die Sicherung der Chancengleichheit haben können. Sie beraten Beschäftige zu Gleichstellungsfragen und unterstützen diese in Einzelfällen. Gemäß Art. 18 Abs. 2 BayGlG sind die Gleichstellungsbeauftragten zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, bei Personalangelegenheiten spätestens gleichzeitig mit der Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens. Gemäß Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGlG findet eine Beteiligung in Personalangelegenheiten auf Antrag der Betroffenen statt.
44
Nach der Kommentierung in BeckOK BeamtenR Bayern/Weißgerber/Maier, BayBG, Art. 56 Rn. 32, führt eine unterbliebene Unterrichtung der Gleichstellungsbeauftragten zur formellen Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung. Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, B.v. 1.6.2010 - 6 A 470/08 - juris Rn. 46 ff.) nimmt bei einer fehlenden Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nach der - von den bayerischen Regelungen der Art. 17, 18 BayGlG abweichenden - nordrhein-westfälischen Landesregelungen der §§ 17, 18 LGG eine formelle Rechtswidrigkeit einer Entlassungsverfügung an. Jedenfalls dürfte unter Berücksichtigung, dass nach Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGlG eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei Personalangelegenheiten nur auf Antrag erfolgt, zumindest erforderlich sein, dass die Dienststelle, welche die beabsichtigte Maßnahme treffen will, den betroffenen Beamten auch auf die Möglichkeit hinweist, die Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten zu beantragen (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2014 - 3 CS 14.1864 - BeckRS 2014, 58937 zu Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayPVG).
45
Eine Unbeachtlichkeit des unterbliebenen Hinweises auf die Möglichkeit, die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zu beantragen, gemäß Art. 46 BayVwVfG - wie sie vom Bundesverwaltungsgericht bei einem Fehler bei der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung an einer beabsichtigten Personalmaßnahme für möglich erachtet wird (z.B. BVerwG, B.v. 16.7.2012 - 2 B 16/12 - juris Rn. 21) - scheidet aus, da es sich bei einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG um eine Ermessensentscheidung handelt, sodass eine Auswirkung des Fehlers auf Erlass und Inhalt der Maßnahme nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.
46
b) Jedenfalls ist die Entlassungsverfügung materiell rechtswidrig.
47
Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ besitzt nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Zur Rechtfertigung der Entlassung genügt jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BayVGH, B.v. 30.8.2019 - 3 ZB 18.508 - juris Rn. 7. m.w.N.). Grundsätzlich stellt die fehlende gesundheitliche Eignung einen sachlichen Grund für die Entlassung eines Beamten auf Widerruf dar (BayVGH, B.v. 9.7.2013 - 3 CS 13.302 - juris Rn. 30).
48
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist, sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (BayVGH, B.v. 30.8.2019 - 3 ZB 18.508 - juris Rn. 8 m.w.N.).
49
Die Sollvorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Die Entlassung eines Widerrufsbeamten ist dann ermessensfehlerfrei möglich, wenn die tragenden Ermessenserwägungen mit Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen. Dies ist anerkanntermaßen der Fall, wenn der Widerrufsbeamte wegen seines Gesundheitszustandes auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert ist. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Ursachen dieser Zustand zurückzuführen ist. Maßgebend ist, dass der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann. Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung. Widerrufsbeamte können nicht verlangen, auf unabsehbare Zeit im Vorbereitungsdienst zu bleiben und Unterhaltsleistungen zu erhalten, obwohl sie das Ausbildungsziel aus gesundheitlichen Gründen nicht erreichen können (BVerwG, B.v. 26.1.2010 - 2 B 47.09 - juris Rn. 6).
50
Dies steht nach Überzeugung des Gerichts im Falle der Klägerin aufgrund der amtsärztlichen Gutachten insbesondere vom 9. Oktober 2017 und vom 21. Februar 2018, an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, fest. So ist im Gutachten vom 9. Oktober 2017 festgestellt, dass „unter kritischer Würdigung der vorliegenden Unterlagen und der erhobenen Befunde aus amtsärztlicher Sicht davon auszugehen ist, dass eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes bzw. die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden kann. Berufliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst werden derzeit nicht für erfolgversprechend erachtet. Eine Erledigung der erforderlichen Tätigkeiten im Vorbereitungsdienst in angemessener Form und angemessener Zeit ist aufgrund der aktuellen Erkrankung auf absehbare Zeit nicht möglich.“
51
Dabei kann die sachverständige Feststellung des beauftragten Amtsarztes auch in Form eines zusammenfassenden Berichts - zugrunde gelegt werden. Die Übermittlung einer zusammengefassten Beurteilung mit dem Ergebnis der Untersuchung an die entscheidende Behörde, während der genaue Befund beim Gesundheitsamt verbleibt, trägt der Schweigepflicht des Arztes und dem Recht des Beamten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung und ist rechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 9.7.2013 - 3 CS 13.312 - juris Rn. 30 f.).
52
Im Übrigen hat die Klägerin die im amtsärztlichen Gutachten getroffenen Feststellungen inhaltlich nicht - z.B. durch Vorlage eines privatärztlichen Attests - fundiert in Zweifel gezogen, wobei hier nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von einem Vorrang der Begutachtung eines Amtsarztes gegenüber einer abweichenden Beurteilung eines Privatarztes auszugehen gewesen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2013 - 3 CS 13.312 - juris Rn. 35 hinsichtlich der Voraussetzungen des Vorrangs).
53
Im Rahmen der erforderlichen Ermessensausübung hat der Beklagte auch ausreichend die Vorgaben des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG bedacht, indem er ausgeführt hat, dass bei der Abwägung auch berücksichtigt worden sei, dass durch das Ablegen der Zweiten Staatsprüfung die lange Berufsausbildung abgeschlossen würde und das erfolgreiche Absolvieren der Vorbereitungsdienstes Perspektiven auch außerhalb des Staatsdienstes eröffnen würde, jedoch aufgrund des derzeitigen Gesundheitszustandes davon auszugehen sei, dass eine Beschäftigung als Lehrerin an einer kommunalen oder privaten Schule unwahrscheinlich sei. Insoweit hat der Beklagte nicht verkannt, dass es sich bei dem Vorbereitungsdienst für Lehrer um eine allgemeine Ausbildungsstätte handelt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 1.6.2010 - 6 A 470/08 - juris Rn. 58), und hat darüber hinaus der Klägerin auch die Möglichkeit eingeräumt, nach Wiederherstellung der Dienst- und Prüfungsfähigkeit den Vorbereitungsdienst fortzusetzen.
54
Allerdings hat der Beklagte mit dem Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) und dem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2018 nicht die besondere Schutzvorschrift des § 22 UrlMV in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung vom 27. November 2017 berücksichtigt. Gemäß § 22 Abs. 1 UrlMV darf eine Beamtin auf Probe oder auf Widerruf gegen ihren Willen
- 1.
-
während der Schwangerschaft,
- 2.
-
bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und
- 3.
-
bis zum Ende der Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung, nicht entlassen werden, wenn dem Dienstvorgesetzten der Sachverhalt bekannt war.
55
Bei § 22 Abs. 1 UrlMV handelt es sich um ein grundsätzliches Entlassungsverbot (v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 18. Update Februar 2020, § 46 Ziff. X.12 (Entlassungsverbot) Rn. 163 und § 23 Ziff. XXI Rn. 846 ff.). Da eine mit § 4 Abs. 2 MuSchEltZV bzw. § 17 Abs. 2 MuSchG vergleichbare Regelung, wonach die oberste Dienstbehörde in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Beamtin in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Entlassung für zulässig erklären kann, in § 22 UrlMV gerade nicht vorgesehen ist, kann eine Entlassung einer Beamtin auf Widerruf gemäß § 22 Abs. 3 UrlMV grundsätzlich nur in den Fällen des § 22, § 23 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtStG und Art. 29 LlbG bzw. gemäß § 22 Abs. 2 UrlMV bei Vorliegen eines Sachverhaltes, bei dem eine Beamtin auf Lebenszeit im Wege des gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt werden könnte, erfolgen (Weißgerber/Maier in: BeckOK BeamtenR Bayern, Brinktrine/Voitl, BayBG Art. 56 Rn. 33).
56
Damit steht § 22 Abs. 1 UrlMV einer Entlassung nach § 23 Abs. 4 BeamtStG zwingend entgegen. Eine Entlassung der Klägerin wäre allein nach § 22 Abs. 3 UrlMV i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG in Betracht gekommen. Dabei kommt es nicht alleine darauf an, dass eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen fehlender gesundheitlicher Eignung während einer Schwangerschaft nicht aus schwangerschafts- bzw. mutterschutzspezifischen Gründen erfolgt. Vielmehr muss die zusätzliche Voraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, nämlich eine dauernde Dienstunfähigkeit, vorliegen. Insoweit stellte der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.6.2011 (Az. Vf. 27-VII-10 - juris Rn. 69 f.) fest, dass Beamtinnen auf Probe und Widerruf nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG bei dauernder Dienstunfähigkeit auch während der Mutterschutzzeit zu entlassen sind, wenn keine schwangerschafts- und mutterschaftsspezifische Ursachen die Dienstunfähigkeit begründen.
57
Auch wenn der Beklagte den Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) auf § 23 Abs. 4 BeamtStG gestützt hat, kann das Gericht prüfen, ob die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist. Eine Umdeutung wäre grundsätzlich möglich, da es sich bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG nicht um eine Ermessensentscheidung handelt. Allerdings ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus den eingeholten Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt Nürnberger Land nicht ausreichend deutlich, dass eine dauernde Dienstunfähigkeit der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorlag.
58
Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist dienstunfähig, wer wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Als dienstunfähig kann gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
59
Dauernd unfähig zur Erfüllung seiner Dienstpflichten ist ein Beamter, wenn die Behebung der Unfähigkeit aufgrund der bestehenden Mängel nach sachkundiger Bewertung der Umstände des Einzelfalles voraussichtlich in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Unfähigkeit wahrscheinlich lebenslänglich bzw. bis zum Erreichen der Altersgrenze bestehen bleibt; abzustellen ist vielmehr auf einen voraussehbaren und angemessenen Zeitraum (Brockhaus in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht - Kommentar, § 25 BeamtStG Rn. 36). Dabei ist die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG mit heranzuziehen. Es muss nicht mit Gewissheit feststehen, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb von sechs weiteren Monaten unwahrscheinlich ist. Es reicht vielmehr aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass der Beamte für einen Zeitraum von mindestens sechs weiteren Monaten dienstunfähig sein wird. Aufklärungsdefizite gehen zu Lasten des Dienstherrn, den insoweit die materielle Beweislast für die Feststellung der Dienstunfähigkeit trifft. Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen deshalb zunächst die gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen des Beamten festgestellt und deren voraussichtliche Entwicklung prognostisch bewertet werden (BayVGH, U.v. 28.2.2018 - 3 B 16.1996 - juris Rn. 57 f.).
60
Diesen Anforderungen genügen die eingeholten Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt … jedoch nicht. So wird im Gutachten vom 23. Mai 2016 festgestellt, dass noch weitere Befunde einzuholen seien, um die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bescheinigen zu können. Die Gutachten vom 3. April 2017 und 2. Mai 2017 treffen Momentaufnahmen bis einschließlich 23. April 2017 bzw. Schuljahresende und erachten bei einer fortbestehenden Dienstunfähigkeit eine erneute amtsärztliche Begutachtung für erforderlich. Das Gutachten vom 9. Oktober 2017 stellt ausschließlich fest, dass unter kritischer Würdigung der vorliegenden Unterlagen und der erhobenen Befunde aus amtsärztlicher Sicht davon auszugehen sei, dass eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes bzw. die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden könne und dass berufliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst derzeit nicht für erfolgversprechend erachtet würden und befasst sich damit ausdrücklich nur mit der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst, nicht aber mit einer dauernden Dienstunfähigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, die für Lebenszeitbeamte und Beamte auf Probe bzw. Widerruf einheitlich zu bewerten ist.
61
Erstmals das Gutachten vom 21. Februar 2018 führt aus, dass zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung am 9. Oktober 2017 unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs und der dokumentierten nervenärztlichen Krankheitsgeschichte über insgesamt 13 Jahre keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate bestehe. Unabhängig von einer Medikation oder Schwangerschaft sei eine Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit nur mit einer psychotherapeutischen/psychosomatischen Therapie und einer umfassenden Hilfestellung im privaten Bereich aufgrund vielfältiger Problemkreise im familiären Umfeld zu erwarten. Aufgrund des seit 05/2005 dokumentierten Krankheitsverlaufs sei diese Wiederherstellung allerdings nicht innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung am 9. Oktober 2017 zu erwarten.
62
Diese Ausführungen befassen sich zwar grundsätzlich mit den sich aus § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG ergebenden Voraussetzungen einer dauernden Dienstunfähigkeit der Klägerin, lassen aber eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Maßstäben der Dienst(un) fähigkeit für den Vorbereitungsdienst und der dauernden Dienstunfähigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG vermissen. Insbesondere weil der amtsärztlichen Stellungnahme vom 21. Februar 2018 keine erneute Begutachtung der Klägerin zugrunde lag, sondern erläuternd Bezug genommen wurde auf die dem amtsärztlichen Gutachten vom 9. Oktober 2017 vorausgegangene Begutachtung der Klägerin, erschließt sich dem Gericht nicht, weshalb nicht bereits in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 9. Oktober 2017 die dauernde Dienstunfähigkeit der Klägerin festgestellt worden ist, sodass der Beklagte eine nicht ermessensabhängige Entscheidung nach der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, die grundsätzlich vorrangig gegenüber der Vorschrift des § 23 Abs. 4 BeamtStG ist (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 23 BeamtStG Rn. 7, 214), hätte erlassen können. Vielmehr bewertete das Staatliche Gesundheitsamt am Landratsamt … den bei der Untersuchung am 9. Oktober 2017 festgestellten Gesundheitszustand einmal dahingehend, dass eine Erledigung der erforderlichen Tätigkeiten im Vorbereitungsdienst in angemessener Form und angemessener Zeit aufgrund der aktuellen Erkrankung auf absehbare Zeit nicht möglich sein werde, und zum anderen am 21. Februar 2018 dahingehend, dass die volle Dienstfähigkeit nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Begutachtung am 9. Oktober 2017 wiederhergestellt werden könne.
63
Unklar bleibt auch, weshalb das Staatliche Gesundheitsamt im Gutachten vom 23. Mai 2016 weitere ärztliche Befunde für eine Prognose über die weitere Entwicklung der gesundheitlichen Eignung für erforderlich gehalten hat, dann aber in dem Gutachten vom 21. Februar 2018 über die weitere Krankheitsdauer aufgrund eigener Fachkunde entscheiden konnte. Insoweit wäre nach Überzeugung des Gerichts hinsichtlich der Feststellung einer dauernden Dienstunfähigkeit, insbesondere hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufes, ein fachärztliches Gutachten - wie vom Staatlichen Gesundheitsamt ursprünglich vorgesehen - erforderlich gewesen, das jedoch nicht eingeholt worden ist.
64
Da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (OVG NRW, B.v.12.6.2017 - 6 B 1450/16 - juris Rn. 10), war das Gericht auch nicht gehalten, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ein ergänzendes Gutachten einzuholen.
65
Im Übrigen würde bei Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG eine Auseinandersetzung mit alternativen Einsatzmöglichkeiten gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeamtStG fehlen.
66
Der Klage war daher stattzugeben.
67
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
68
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.