Inhalt

VGH München, Urteil v. 15.05.2020 – 3 BV 18.216
Titel:

Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Festsetzung der Versorgungsbezüge

Normenketten:
BayBeamtVG Art. 18 S. 1 Nr. 1, Art. 24 Abs. 3
BayBG Art. 64 Nr. 1
Leitsatz:
Die Beurteilung der Hauptberuflichkeit einer Tätigkeit nach Art 24 Abs. 3 BayBeamtVG bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Festsetzung der Versorgungsbezüge oder des Eintritts des Ruhestands (Bestätigung des Beschlusses vom 1. Juni 2017 - 3 ZB 14.1030 - juris Rn. 7 f.; Klarstellung zum Urteil vom 5. April 2017 - 3 B 15.238 - juris Rn. 30). (Rn. 13)
Schlagworte:
Beamtenversorgungsrecht, Sog. „unterhälftige Beschäftigung“, Begriff der Hauptberuflichkeit, Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage, Anerkennung, Arbeitszeit, Aufhebung, Revision, Ruhestand, Widerspruchsbescheid, Beamtenversorgung, unterhälftige Beschäftigung, Hauptberuflichkeit, Beamter, Tätigkeit, Versorgungsbezüge
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 12.12.2017 – AN 1 K 17.1111
Fundstelle:
BeckRS 2020, 14665

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die 1953 geborene Klägerin stand zuletzt als Studiendirektorin an einer staatlichen Berufsoberschule im Dienst des Beklagten. Mit Ablauf des 31. August 2017 wurde sie gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG in den Ruhestand versetzt.
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Ihre Verpflichtungsklage auf Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der Zeiten vom 14. September 1982 bis 28. Februar 1989 und vom 27. Juli 1989 bis 31. August 1989, während der sie als Lehrkraft im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst jeweils unterhälftig teilzeitbeschäftigt war, hat das Verwaltungsgericht aus im Wesentlichen folgenden Gründen abgewiesen: Ausgehend von Art. 18 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG liege das Merkmal der Hauptberuflichkeit für die von der Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen ausgeübte Tätigkeit wegen ihrer unterhälftigen Beschäftigung nicht vor. Maßgeblich sei die zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung (1.9.2017) für bayerische Beamte geltende Regelung des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG, nach dessen eindeutigem Wortlaut auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der jeweiligen Dienstleistung abzustellen sei. Nach Nr. 24.3.4.1 BayVV-Versorgung habe zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Tätigkeit der Klägerin, mithin vor dem 1. Juli 1997, der zeitliche Mindestbeschäftigungsumfang der Hauptberuflichkeit mindestens die Hälfte der seinerzeit für bayerische Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (1.10.1974 bis 31.3.1989) bzw. 39 Stunden (1.4.1989 bis 31.3.1990) betragen. Diesen zeitlichen Umfang habe die Tätigkeit der Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen jedoch unstreitig nicht erreicht.
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Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Das Urteil weiche von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 5.4.2017 - 3 B 15.238 - juris Rn. 30 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 2 C 5.07 - juris Rn. 13) ab, der für die Frage der Hauptberuflichkeit - ohne die anderslautende Vorschrift des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG zu berücksichtigen - auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand abstelle. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.5.2005 - 2 C 20.04 - juris Rn. 21) könne von einer hauptberuflichen Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht erst dann gesprochen werden, wenn diese mindestens die Hälfte der für Beamte geltenden Regelarbeitszeit in Anspruch nehme. Nach den Lebensumständen der Klägerin habe die damals erfolgte Teilzeitbeschäftigung ihren Tätigkeitsschwerpunkt ausgemacht. Die zuständige Bezirksregierung selbst habe in ihrem Schreiben vom 31. März 1988 die Tätigkeit der Klägerin vom 1. Januar 1988 bis 31. August 1988 als die einer hauptberuflichen Lehrerin bezeichnet.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 12. Dezember 2017 den Bescheid des Beklagten vom 10. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Versorgungsbezüge der Klägerin unter Berücksichtigung der Zeiten vom 14. September 1982 bis 28. Februar 1989 sowie vom 27. Juli 1989 bis 31. August 1989 neu festzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behörden- und Personalakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten (Schriftsätze vom 30.9.2019 und 14.10.2019) ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Verpflichtungsklage auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin unter Berücksichtigung der Zeiten vom 14. September 1982 bis 28. Februar 1989 sowie vom 27. Juli 1989 bis 31. August 1989 abgewiesen. Der Bescheid vom 10. Mai 2017 über die Festsetzung der Höhe der Versorgungsbezüge der Klägerin und der Widerspruchbescheid der Beklagten vom 29. Mai 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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Ob der Klägerin für die im Klageantrag begehrte Berücksichtigung des Zeitraums vom 27. Juli 1989 bis zum 31. August 1989 bei der Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehlt, weil sie diesen im Widerspruchsbescheid verbeschiedenen Zeitraum nicht in ihrem Widerspruchsschreiben vom 10. Mai 2017 genannt hat, kann dahin stehen, weil die Klage jedenfalls unbegründet ist.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Festsetzung der Versorgung nach der Sach- und Rechtslage des Eintritts in den Ruhestand vorzunehmen ist (BVerwG, U.v. 25.8.2011 - 2 C 22.10 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 6.3.2017 - 3 ZB 16.868 - juris Rn. 20). Denn der Anspruch auf Ruhegehalt entsteht mit dem Beginn des Ruhestands (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG). Da die Klägerin mit Ablauf des 31. August 2017 in den Ruhestand versetzt wurde, richtet sich die Festsetzung ihres Ruhegehalts nach dem BayBeamtVG in der am 31. August 2017 maßgeblichen Fassung (BayVGH, U.v. 19.3.2020 - 3 B 18.2496).
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Für die Beurteilung, ob die streitgegenständlichen Vordienstzeiten hauptberuflich im Sinne des Art. 18 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG und damit ruhegehaltsfähig sind, ist auf Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG abzustellen (vgl. auch Ziffer 18.1.8.1 BayVV-Versorgung). Danach kommt es für die Hauptberuflichkeit einer Tätigkeit u.a. darauf an, dass der (damalige) Beschäftigungsumfang im gleichen Zeitraum im Beamtenverhältnis zulässig gewesen wäre. Mit der Vorschrift des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG stellt der Gesetzgeber klar, dass es auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Festsetzung der Versorgungsbezüge ankommt (LT-Drs. 16/3200, S. 468). Soweit der Senat mit Urteil vom 5. April 2017 (3 B 15.238 - juris Rn. 30) vor dem Hintergrund der Anerkennung ruhegehaltsfähiger Vordienstzeiten nach Art. 22 Satz 4 Halbsatz 2 BayBeamtVG in der Fassung vom 5. August 2010 den Eindruck vermittelt haben sollte, die Frage der Hauptberuflichkeit (auch i.S.v. Art. 18 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG) würde sich unter Außerachtlassung von Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand beantworten, hält er hieran nicht fest. Dies ergibt sich bereits aus seinem Beschluss vom 1. Juni 2017 (3 ZB 14.1030 - juris), in dem der Senat feststellt, dass Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG eine Legaldefinition des Begriffs Hauptberuflichkeit enthält und daher auf den zulässigen Teilzeitumfang der seinerzeit für bayerische Beamte geltenden Arbeitszeit abzustellen ist (dort Rn. 8).
14
Auf die zum Beamtenversorgungsgesetz des Bundes ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.5.2005 - 2 C 20.04 - juris Rn. 21) kann sich die Klägerin nicht berufen. Dieser Rechtsprechung lag mit §§ 10, 11 BeamtVG in der geltenden Fassung vom 20. September 1994 eine abweichende Rechtsgrundlage zugrunde (zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Dezember 2019, § 10 Rn. 55 ff.; OVG Saarl, U.v. 19.9.2011 - 1 A 207/11 - juris Rn. 41 ff. und Rn. 46 ff. zur Vereinbarkeit des vergleichbaren § 10 Satz 2 BBeamtVG SL mit höherrangigem Recht). Wohingegen bundesrechtlich das Merkmal der Hauptberuflichkeit gesetzlich nicht umschrieben ist (BVerwG, U.v. 25.5.2005 a.a.O. Rn. 19), hat der bayerische Landesgesetzgeber, dem infolge der Föderalismusreform I mit Wirkung ab dem 1. September 2006 u.a. die Gesetzgebungszuständigkeit für das Versorgungsrecht seiner Landesbeamten zugewachsen ist (BGBl. I 2006, S. 2034), mit Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Begriff der Hauptberuflichkeit für sich landesrechtlich selbst zu definieren (LT Drs. 16/3200, S. 468; Mohr in PdK Bay C-21, Stand 2017, BayBeamtVG Erl. 4 zu Art. 24). Dabei hat er sich dafür entschieden, als Kriterium einer Hauptberuflichkeit zu fordern, dass der Beschäftigungsumfang der Tätigkeit mindestens der im gleichen Zeitraum im Beamtenverhältnis zulässigen Teilzeitbeschäftigung entsprechen muss. Da die Möglichkeit einer unterhälftigen Beschäftigung von Beamten in Bayern erst mit Wirkung ab dem 1. Juli 1997 geschaffen wurde (Art. 80b BayBG in der damaligen Fassung), gilt nach Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG, dass unterhälftige Vordienstzeiten, die vor diesem Zeitpunkt liegen, nicht hauptberuflich ausgeübt wurden und daher nicht ruhegehaltsfähig im Sinne des Art. 18 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG sein können. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Tätigkeit der Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen den seinerzeitigen zeitlichen Mindestbeschäftigungsumfang von mindestens der Hälfte der damals für bayerische Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (1.10.1974 bis 31.3.1989) bzw. 39 Stunden (1.4.1989 bis 31.3.1990; vgl. Ziffer 24.3.4.1 BayVV-Versorgung) nicht erreicht.
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Mit ihrem Einwand, nach ihren Lebensumständen habe die damals erfolgte Teilzeitbeschäftigung deren Tätigkeitsschwerpunkt ausgemacht, gelingt es der Klägerin daher nicht, die landesrechtlichen Voraussetzungen der Hauptberuflichkeit zu erfüllen. Dies gilt in gleicher Weise für ihren Verweis auf ein Schreiben der zuständigen Bezirksregierung. In diesem Zusammenhang weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass diese für die versorgungsrechtliche Beurteilung der Hauptberuflichkeit nach Art. 18 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG nicht zuständig ist (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
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2. Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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3. Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht zuzulassen.