Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 19.06.2020 – W 10 K 18.32495
Titel:

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen alleinstehenden,jungen und noch minderjährigen Mann aus Kamerun 

Normenketten:
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsätze:
1. Ein Flüchtling kann in einer anderen Stadt, wie Jaunde oder Douala, oder auch in anderen Landesteilen Kameruns eine den genannten Anforderungen genügende Ausweichmöglichkeit vorfinden. Diese Möglichkeit besteht gerade auch bei Verfolgung durch staatliche Sicherheitsbehörden bzw. lokale Behörden, zumal es kein zentrales Fahndungsregister gibt. Unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten wird er die Möglichkeit haben, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen und so jedenfalls seine elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen, selbst wenn unter Umständen nur ein Leben am Rand des Existenzminimums möglich wäre.  (Rn. 31 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Kamerun aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandmie möglicherweise verschlechtert,ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass der Kläger nicht mehr in der Lage wäre, zumindest sein Existenzminimum sicherzustellen.    (Rn. 39 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Herkunftsland Kamerun, alleinstehender junger, noch minderjähriger Mann, unglaubhaftes Verfolgungsvorbringen, politische Verfolgung, Ambazonia Defence, Force (ADF), inländische Fluchtalternative, Corona-(SARS-CoV2-/COVID 19-)Pandemie, kein Abschiebungsverbot, Abschiebungsandrohung, kamerunischer Staatsangehöriger, Minderjähriger, Furcht vor Verfolgung, Kamerun, innerstaatliche Fluchtalternative, Lebensunterhalt, Existenzgrundlage, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2020, 14399

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags und begehrt die Zuerkennung internationalen Schutzes sowie hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich Kamerun vorliegen.
2
1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein kamerunischer Staatsangehöriger christlichen Glaubens und dem Volk der Bamileke zugehörig. Zu seinem Geburtstag und -ort existieren unterschiedliche Angaben. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Geburtsurkunde wurde er am 26. Oktober 2002 in Jaunde geboren. Er verließ sein Herkunftsland nach seinen Angaben beim Bundesamt Ende April 2017 und reiste am 14. Juni 2018 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein. Am 15. August 2018 beantragte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die Zuerkennung internationalen Schutzes.
3
In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 20. November 2018 gab der Kläger an, nach der Trennung seiner Eltern habe er von seinem siebten oder achten Lebensjahr an bis zu seiner Ausreise Ende April 2017 mit seiner Mutter, seinen zwei Schwestern und seinem Bruder in Kumbo gelebt. Seine Mutter sei vor ca. einem Jahr verstorben, bevor er Kamerun verlassen habe. Wo sein Vater sei, wisse er nicht. In Kamerun habe er noch eine Schwester (neun oder zehn Jahre) und einen Bruder (dreizehn Jahre), die bei seiner Tante leben würden. Mit seinen Geschwistern und seiner Tante telefoniere er fast jedes Wochenende via Internet. Außerdem habe er noch eine Tante und einen Onkel, die beide in Douala leben würden. Er sei nicht auf der Schule gewesen, habe aber bei seiner Mutter und auf der Straße Schreiben gelernt. Er habe auch keine Berufsausbildung absolviert, in Kamerun aber als Obstverkäufer, als Maurergehilfe sowie als Maler gearbeitet. In Nigeria habe er auch gearbeitet, es seien Gelegenheitsarbeiten gewesen. Zu den Gründen seines Asylantrags und seinem Verfolgungsschicksal erklärte der Kläger, nachdem seine Eltern sich getrennt hätten, seien sie nach Kumbo, in anglophones Gebiet, umgezogen. Seine Mutter sei von dort gewesen und habe sehr viele Bekannte und Verwandte gehabt. Viele Leute aus dem Dorf hätten einen Universitätsabschluss, jedoch keine Arbeit gehabt, wie auch seine Mutter. Die Bewohner hätten sich benachteiligt gefühlt. Deshalb hätten sie sich ab Dezember 2016 immer wieder in der Wohnung der Familie des Klägers versammelt und seien demonstrieren gegangen. Die Veranstaltungen seien zweimal wöchentlich, donnerstags und sonntags gewesen. Bei der ersten Versammlung seien mehr als 15 Personen dabei gewesen, Sisiku Ayuk Tabe aber nicht. Der Kontakt mit ihm sei im Februar 2017 über den Dorfchef zustande gekommen. Von da an sei er regelmäßig bei den Veranstaltungen dabei gewesen, mindestens einmal die Woche. Seine Mutter habe für ihre Tätigkeit in der Versammlung Geld erhalten. Die Organisation, für die sie tätig gewesen seien, heiße ADF (Ambazonia Defence Force), Sisiku Ayuk Tabe sei der Chef gewesen. Die ADF sei in Kamerun seit Dezember 2016 verboten, da sie mit den Demonstrationen begonnen hätten. Die ADF habe es schon immer gegeben, seit der Kolonialzeit. Es sei eine sehr alte Organisation, der sie sich verbunden gefühlt hätten. Eine Funktion habe er nicht gehabt. Er habe Mitglieder angeworben, dafür habe er Geld erhalten. Es seien immer mehr Leute geworden. Irgendwann hätten sie dann eine Grundschule verbrannt, weil die Regierung sich nicht für ihr Problem interessiert habe. Deshalb habe die Regierung Soldaten und Polizisten geschickt, um für Ordnung zu sorgen. Im Februar 2017 habe er die Straße gesäubert. Da seien Leute gekommen und hätten ihn (später: „uns“) mitgenommen. Woher sie gewusst hätten, dass er Mitglied der ADF sei, wisse er nicht. Es gebe jedoch im Dorf Informanten und der Bereich, wo die Veranstaltung stattgefunden hätte, sei mit Farbe markiert gewesen. Als sie ihn festgenommen hätten, sei er auf der Versammlung gewesen. Sie hätten sie ins Gefängnis gebracht und zu ihrem Chef Sisiku befragt. Nach vier Tagen sei er aus dem Gefängnis entlassen worden, weil sein Onkel einen Anwalt eingeschaltet habe. Es habe keine Beweise gegeben, dass er bei den Demonstrationen teilgenommen habe. Sein Onkel habe für sie unterschrieben, dass sie nicht mehr demonstrieren würden. Seine Mutter sei damit jedoch nicht einverstanden gewesen und habe weiter demonstrieren wollen. Eine Woche später habe es in einem anderen Haus eine Veranstaltung gegeben. Alle Leute dort hätten Uniformen angehabt. Bei der anschließenden Demonstration seien Motorräder angezündet, auf Polizeireviere mit Steinen geworfen und Schulen demoliert worden. Es habe einen Monat lang Unruhen gegeben. Er habe gewollt, dass seine Mutter mit diesen Demonstrationen aufhöre, weil er nicht noch einmal ins Gefängnis gewollt habe. Die Demonstrationen seien immer größer geworden. Bei den Veranstaltungen seien sie ca. 200 Leute gewesen. Deshalb hätten sie immer ein Zelt aufgebaut. Sisiku habe gesagt, dass das Land nun geteilt werden solle. Irgendwann habe die Regierung beschlossen, alle festzunehmen, die an den Demonstrationen teilgenommen hätten. Auf Nachfrage erklärte der Kläger, das sei im Februar 2017 gewesen. Auf Vorhalt, dass nach den Erkenntnissen des Bundesamts die Demonstrationen der Partei SCACUF (Southern Cameroons Ambazonia Consortium United Front) im Oktober 2016 begonnen hätten und damit auch die Festnahmen, erklärte der Kläger, beide Daten seien richtig. Jedes Dorf habe seine eigene Regierung und bestimme dann auch, wenn die Festnahmen beginnen würden. Bei diesen Unruhen seien seine Schwester und seine Mutter umgekommen. Seine Mutter sei in den Rücken geschossen worden. Auf Nachfrage, ob er gesehen habe, wie seine Mutter verstorben sei, erklärte der Kläger, er habe seine Mutter nur auf dem Bauch liegen sehen und dass sie am Rücken geblutet habe. Der Wachmann habe ihm das erzählt. Er habe sich im Dorf danach erkundigt. Eine Polizistin habe ihm das erzählt. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe, dass der Wachmann nichts über seine Mutter erfahren habe, erklärte der Kläger, er habe ihm das nicht gesagt, seine Tante habe ihm das erzählt, als er aus dem Gefängnis geflohen sei. Er selbst sei Ende März 2017 auf einer Demonstration festgenommen und erneut ins Gefängnis gebracht worden. Zu einem Wachmann des Gefängnisses habe er Kontakt gehabt und ihm alles erzählt. Er habe ihm seine Hilfe angeboten und sich im Dorf nach seiner Mutter und seiner Schwester erkundigt. Er habe jedoch nur seinen kleinen Bruder und seine kleine Schwester gesehen. Das Dorf sei auch angezündet worden. Nach zwei Wochen habe ihm der Wachmann zur Flucht verholfen. Drei Tage später hätte er in das Zentralgefängnis gebracht werden sollen. Warum, wisse er nicht. Der Wachmann habe ihm 30.000 CFA gegeben und ihm gesagt, dass er nach Nigeria gehen solle, er habe ihm die Kontaktdaten eines Mannes dort gegeben. Außerdem habe er gesagt, dass er beschuldigt werden würde, Mitglied der Gruppe Ambazoniens zu sein, wenn er nicht weggehe. Er sei dann zurück in sein Dorf, habe seine jüngeren Geschwister genommen und zu seiner Tante gebracht, der er alles erzählt habe. Auch seine Tante habe ihm gesagt, dass er weggehen müsse, weil sie sonst selbst Probleme bekommen könnte, weil er aus dem Gefängnis geflohen sei. Seine Tante habe ihm dann noch 170.000 CFA gegeben. Daraufhin sei er nach Nigeria gereist, wo er für den Mann, dessen Kontaktdaten ihm der Wachmann gegeben habe, im Haushalt gearbeitet habe. Auf Vorhalt, dass er bei der Bundespolizei angegeben habe, sein Heimatland bereits 2016 verlassen zu haben, erklärte der Kläger, die Dolmetscherin damals habe falsch übersetzt. Bei einer Rückkehr nach Kamerun fürchte er das Gefängnis oder sogar den Tod. Er könne auch nicht in einen anderen Landesteil Kameruns, da er überall gesucht werde. Dies gelte besonders, da er aus einem Gefängnis geflohen sei. Das sei in Kamerun bekannt.
4
Mit Bescheid vom 23. November 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) sowie den Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 2) ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 3), forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Kamerun zur Ausreise auf (Ziffer 4) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 5).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Der Vortrag des Klägers, er sei aus Furcht vor der Regierung ausgereist, weil ihm unterstellt werden könnte, dass er Mitglied einer verbotenen Partei sei, sei nicht glaubhaft. Der Kläger habe nämlich unter anderem angegeben, er sei in der Organisation ADF tätig gewesen, die es bereits seit der Kolonialzeit gebe und deren Führer Sisiku Ayuk Tabe sei. Die ADF sei der „offizielle“ militärische Flügel der ambazonischen Separatistenbewegung. Sie sei erst im Jahr 2017 gegründet worden und führe erst seit September 2017 einen Guerillakrieg gegen die kamerunischen Streitkräfte im anglophonen Teil des Landes. Geführt werde sie von Dr. Ayaba Cho Lucas und Benedikt Kuah. Die Partei, die von Sisiku Ayuk Tabe, dem Vorsitzenden der Unabhängigkeitsorganisation, geleitet werde, heiße SCACUF. Daneben stelle auch die gesprochene Sprache des Antragstellers die Plausibilität des Sachvortrags infrage. In Kamerun sprächen 80% der Bevölkerung Französisch und nur 20% Englisch. Der Kläger habe bei seinem Asylantrag angegeben, nur Französisch zu sprechen. Auch der Reiseweg des Klägers trage nicht zur Plausibilität des Vortrags bei. So sei er nach seinem Vortrag über zahlreiche Ländergrenzen gereist, offenbar ohne vor Erreichen des Bundesgebiet Sicherheit erlangen zu können. Dies sei vor dem Hintergrund, dass er durch Italien gereist sei, unschlüssig. Zudem widersprächen seinen Angaben denen in der Befragung durch die Bundespolizei, die ihn am 14. Juli 2018 aufgegriffen habe. Dort habe er vorgetragen, dass er sein Heimatland bereits im Jahr 2016 verlassen habe und nicht wie beim Bundesamt vorgetragen, erst im April 2017. Daneben sei auch das Vorbringen, dass ein anglophoner Gefängniswärter ihm seine Hilfe angeboten habe, für ihn in sein Dorf gefahren sei, sich nach seinen Familienangehörigen erkundigt, eine Polizistin gefragt, ihm dann die Flucht ermöglicht und sogar 30.000 CFA sowie eine Kontaktadresse in Nigeria gegeben habe, wenig vorstellbar und eher lebensfremd. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Wachmann seine Position im Gefängnis riskiere, um einem unbekannten Kameruner aus Mitleid zur Flucht zu verhelfen und ihm sogar Geld überlasse. Nach Kenntnis des Bundesamts habe das durchschnittliche Jahresbruttogehalt 2014 1.350 USD betragen, dies entspreche einem Bruttomonatsgehalt von 65.000 CFA. Aufgrund der dargelegten Umstände und Tatsachen könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund seiner politischen Aktivitäten Kamerun verlassen habe, sondern sein Vorbringen aus reinen Opportunitätserwägungen im Hinblick auf sein Asylverfahren gewählt habe. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Kamerun führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge, da die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nicht erfüllt seien. Eine zu berücksichtigende Gefahrenlage ergebe sich nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. Auch die persönlichen Umstände des Klägers führten zu keiner anderen Beurteilung. Er sei in der Lage gewesen, die finanziellen Mittel für seine Reise nach Deutschland aufzubringen. Er habe bis zu seiner Ausreise als Verkäufer, Maurer und Maler gearbeitet und dadurch einen Verdienst erwirtschaftet. Darüber hinaus lebten noch Familienangehörige des Klägers in Kamerun. Hinsichtlich der weiteren Gründe wird auf den Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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2. Mit am 7. Dezember 2018 eingegangenem Schriftsatz ließ der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg durch den damaligen Amtsvormund Klage erheben und zuletzt beantragen,
1.
Der Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2018 wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5, 7 AufenthG bezüglich Kamerun festzustellen.
7
Zur Begründung ließ der Kläger ausführen, der Entscheider habe den familiären Hintergrund des Klägers nicht richtig erfasst. Die Mutter des Klägers stamme aus dem englischsprachigen Teil des Landes und gehöre damit der Minderheit an. An ihren Protesten gegen die Regierung hätten sich auch der Kläger und sein Freund beteiligt. Der Gefängniswächter, der mit dem Kläger sympathisiert und ihm zur Flucht verholfen habe, sei ein Bekannter aus dem englischsprachigen Teil des Landes gewesen. Die vom Entscheider gesehenen Widersprüchlichkeiten könnten entkräftet werden. Daneben sei dem Kläger von seiner Tante aus Kamerun die Ausgabe der kamerunischen Tageszeitung „The Guardian Post“ vom 29. Januar 2019 übersandt worden. Die Zeitung berichte auf Seite 3 über den Fall des Klägers und seiner Mutter. Dem Kläger sei nicht bekannt, woher die Zeitung ihre Informationen habe. Übereinstimmend mit seinen Angaben beim Bundesamt werde berichtet, dass er zusammen mit seiner Mutter im Gefängnis gewesen sei, dass sie nach ihrer Freilassung von hinten erschossen worden sei und der Kläger im März 2017 ein zweites Mal verhaftet worden sei. Die Zeitung stütze sich auf Menschenrechtsaktivisten in Kamerun. Bestätigt werde auch, dass dem Kläger am 30. April 2017 die Flucht aus dem Gefängnis gelungen sei. Abweichend von den Angaben des Klägers berichtet die Zeitung von einer ersten zweiwöchigen Inhaftierung und von zwei jüngeren Brüdern des Klägers. Richtig blieben jedoch die Angaben des Klägers, dass die erste Inhaftierung mit seiner Mutter nur vier Tage lang gedauert und er einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester habe. Gestützt auf Angaben von Dorfbewohnern berichte der Reporter, dass Sicherheitskräfte weiterhin nach dem Kläger suchen würden. Als aktives Mitglied der ambazonischen Verteidigungskräfte müsse der Kläger mit Folter und einer langen Haftstrafe rechnen.
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Für die Beklagte beantragt das Bundesamt,
die Klage abzuweisen.
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3. Mit Beschluss vom 16. Januar 2020 hat die Kammer den Rechtstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2020, wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11
Das Gericht konnte durch die Einzelrichterin entscheiden, nachdem dieser das Verfahren durch Beschluss der Kammer zur Entscheidung übertragen worden ist, § 76 Abs. 1 AsylG.
12
Die zulässige Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden durfte, ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die begehrten Entscheidungen des Bundesamts zu seinen Gunsten. Der streitgegenständliche Bescheid vom 23. November 2018 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Ablehnung der Asylanerkennung (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids) ist bereits unanfechtbar geworden.
13
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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a) Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065, S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
15
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen.
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Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 - Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Lands (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die §§ 3 ff. AsylG setzen die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie - QRL, Amtsblatt-Nr. L 337, S. 9) in deutsches Recht um.
17
Dem Ausländer muss eine Verfolgungshandlung drohen, die mit einem anerkannten Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) eine Verknüpfung bildet, § 3a Abs. 3 AsylG. Als Verfolgungshandlungen gelten gemäß § 3a AsylG solche Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die für eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG relevanten Merkmale (Verfolgungsgründe) sind in § 3b Abs. 1 AsylG näher definiert. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung sowohl von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2) (interner Schutz bzw. innerstaatliche Fluchtalternative).
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Maßgeblich für die Beurteilung, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb des Heimatlands befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der dem Maßstab des „real risk“, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bei der Prüfung des Art. 3 EMRK anwendet, entspricht (vgl. EGMR, U.v. 28.2.2008 - 37201/06, NVwZ 2008, 1330 Rn. 125 ff.; U.v. 23.2.2012 - 27765/09, NVwZ 2012, 809 Rn. 114). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist die Furcht des Ausländers begründet, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 32; U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 -, juris Rn. 32 ff.; NdsOVG, U.v. 21.9.2015 - 9 LB 20/14 -, juris Rn. 30).
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Wurde der betroffene Ausländer bereits verfolgt oder hat er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht und weisen diese Handlungen und Bedrohungen eine Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund auf, greift zu dessen Gunsten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Vorverfolgung bzw. Vorschädigung einen ernsthaften Hinweis darstellt, dass sich die Handlungen und Bedrohungen im Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 15). Die Vorschrift privilegiert den betroffenen Ausländer durch eine widerlegliche Vermutung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Widerlegung der Vermutung ist möglich, wenn stichhaltige Gründe gegen eine Wiederholung sprechen. Durch Art. 4 Abs. 4 QRL wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte davon befreit, stichhaltige Gründe dafür vorzubringen, dass sich die Bedrohungen erneut realisieren, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.
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Dem Ausländer obliegt gleichwohl die Pflicht, seine Gründe für die Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen, was bedeutet, dass ein in sich stimmiger Sachverhalt geschildert werden muss, aus dem sich bei Wahrunterstellung und verständiger Würdigung ergibt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht. Dies beinhaltet auch, dass der Ausländer die in seine Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse, die geeignet sind, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, wiedergeben muss (vgl. § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO; OVG NW, U.v. 2.7.2013 - 8 A 2632/06.A -, juris Rn. 59 f. mit Verweis auf BVerwG, B.v. vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, InfAuslR 1989, 349 (juris Rn. 3 f.); B.v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38 (juris Rn. 8); B.v. 3.8.1990 - 9 B 45.90 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 225 (juris Rn. 2)).
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Der Asylsuchende muss dem Gericht glaubhaft machen, weshalb ihm in seinem Herkunftsland die Verfolgung droht. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 - m.w.N.).
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b) Unter Berücksichtigung vorgenannter Voraussetzungen und Maßstäbe sind die Voraussetzungen des § 3 AsylG bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlands zu befinden. Zudem kann der Kläger zumutbaren internen Schutz i.S.d. § 3e Abs. 1 AsylG in Anspruch nehmen.
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aa) Die erkennende Einzelrichterin konnte nicht die notwendige Überzeugung gewinnen, dass sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslands befindet. Das Vorbringen des Klägers erscheint insgesamt nicht als glaubhaft, sondern asyltaktisch motiviert.
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Kamerun hat seit Ende der deutschen Kolonialzeit einen anglophonen und einen frankophonen Teil. Die Frankophonen machen 80% der Bevölkerung aus und dominieren in der Regierung. Seit Oktober 2016 kommt es in den beiden anglophonen Regionen Kameruns South West und North West zu verschiedensten Protestaktionen gegen Benachteiligungen durch die Regierung. Mittlerweile werden Forderungen nach einer verstärkten politischen Teilhabe der anglophonen Regionen bis hin zu ihrer Loslösung von Kamerun gestellt. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen, die zu zahlreichen Todesopfern und Verletzten geführt haben. Die beiden die Proteste ursprünglich tragenden Organisationen, die „Cameroon Anglophone Civil Society“ (CACS) und die bereits 1994 geründete separatistische „Southern Cameroons National Council“ (SCNC) wurden am 17. Januar 2017 für illegal erklärt und verboten. Im Verlauf der Auseinandersetzungen wurden Mitglieder der beiden Organisationen und andere Teilnehmer an den Protestaktionen festgenommen und strafrechtlich verfolgt. Am 1. Oktober 2017 riefen Separatisten die „Republic of Ambazonia“ aus. Die bisherigen Einigungsbemühungen, u.a. der Beschluss des kamerunischen Parlaments vom 19. Dezember 2019, den anglophonen Konfliktregionen einen Sonderstatus einzuräumen, waren nicht von Erfolg gekrönt. In der jüngsten Vergangenheit kam es im Zusammenhang mit den Parlaments- und Kommunalwahlen am 9. Februar 2020 zu Gewalt, Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den beiden westlichen Regionen, die sowohl von Separatisten als auch von Sicherheitskräften verübt wurden. Der Konflikt hat bisher mehr als 700.000 Menschen zur Flucht gezwungen, darunter ca. 680.000 Binnenflüchtlinge (vgl. Länder-Informations-Portal (im Folgenden: LIPortal), https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Stand: April 2020; UK Home Office, Country Policy and Information Note - Cameroon: Anglophones vom 18.3.2020, S. 7 f., 31 ff., 71; United States Departement of State (im Folgenden: USDOS), Kamerun 2019 Human Rights Report vom 11.3.2020, S. 1; Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), CAMEROON: North-West and South-West Situation Report Nr. 16 vom 29.2.2020, S. 1; Bundesamt, Briefing Notes vom 13.1.2020, 10.2.2020 und 17.2.2020; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (im Folgenden: BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Kamerun vom 17.5.2019, Stand: 11.2.2020, S. 5 f., 10, 22; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kamerun vom 15.1.2019, Stand: Oktober 2018 (im Folgenden: Länderbericht Kamerun), S. 7; Amnesty International, A Turn for the Worse: Violence and Human Rights Violations in anglophone Cameroon vom Juni 2018, S. 5, 9 f.; Human Rights Watch (im Folgenden: HRW), „These Killings can be stopped“ vom Juli 2018, S. 1 f., 15 ff.).
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Dem Kläger ist es jedoch nicht gelungen, ein plausibles und schlüssiges Verfolgungsgeschehen zu schildern. Vielmehr sind seine Schilderungen in verschiedenster Hinsicht inkonsistent und widersprüchlich. So sind beispielsweise seine Ausführungen rund um den ersten Kontakt zu Sisiku Ayuk Tabe unstimmig. Denn bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt führte er aus, dieser Kontakt sei erst im Februar 2017 zustande gekommen. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger dagegen, Sisiku Ayuk Tabe sei schon in der Organisation gewesen, als er und seine Mutter beigetreten seien.
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Des Weiteren fehlt es dem Kläger, wie im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, an Basiswissen zu der angeblich von ihm unterstützten Organisation ADF. Zunächst ist deren Anführer nicht der von ihm benannte Julius Sisiku Ayuk Tabe, sondern Ayaba Cho Lucas und Benedict Kuah. Darüber hinaus wurde diese Organisation erst 2017 gegründet (vgl. UK Home Office, a.a.O., S. 60; HRW, a.a.O., S. 27; Amnesty International, a.a.O., S. 10) und nicht, wie vom Kläger behauptet, schon in der Kolonialzeit. Diesen Widerspruch konnte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht ausräumen, auch wenn er diese Angabe insoweit revidierte, als er erklärte, er wisse gar nicht, wann die Gründung gewesen sei. Er habe damals gedacht, dass er nach dem Beginn der Rebellion gefragt worden sei. Dass die Gründung in der Kolonialzeit erfolgt sei, habe nicht er gesagt, sondern die Anhörerin. Das lässt sich allerdings nicht mit dem Inhalt der Niederschrift der Anhörung in Einklang bringen, die dem Kläger rückübersetzt wurde und bezüglich der er bestätigt hat, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gab.
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Zudem erklärte er, die ADF sei seit Dezember 2016 (mithin vor ihrer Gründung) verboten worden, da sie mit den Demonstrationen begonnen habe. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger die Organisation gemeint hat, deren Chef Sisiku Ayuk Tabe ist, führt das nicht weiter. Denn diese Organisation, SCACUF, wurde ebenfalls erst 2017 und zwar in Nigeria gegründet. Noch dazu wurde Ayuk Tabe erst am 8. Juli 2017 zu ihrem Anführer (vgl. HRW, a.a.O., S. 23), also ebenfalls zu einem Zeitpunkt, in dem der Kläger Kamerun nach seinen Schilderungen bereits verlassen hatte. Im Hinblick darauf, dass der Kläger das Geschehen hautnah miterlebt haben will - zumal die Versammlungen zunächst bei ihm Zuhause stattgefunden haben sollen - wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger korrekte Angaben zu der beteiligten Organisation machen kann.
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Der vorgelegte Zeitungsartikel aus „The Guardian Post“ vom 29. Januar 2019 vermag die Angaben des Klägers nicht zu plausibilisieren und ihnen Konsistenz zu verleihen. Dies gilt selbst für den Fall, dass man von seiner Echtheit ausgeht, obwohl in Kamerun auf Bestellung angefertigte Artikel mit denen eine angebliche Verfolgung bewiesen werden soll, jedenfalls in lokalen Zeitungen leicht erhältlich sind (vgl. Auswärtiges Amt, Länderbericht Kamerun, S. 5). Denn zum einen gibt es keine Gewähr bzw. Nachweise dafür, dass die dortigen Aussagen, die wohl von Dorfbewohnern und Menschenrechtsaktivisten stammen, tatsächlich zutreffen. Zum anderen weist der Artikel in wesentlichen Punkten Widersprüche zum Vortrag des Klägers auf, wie der Kläger selbst einräumt. So gab der Kläger an, bei ihrer gemeinsamen Haft (seiner ersten Festnahme) seien seine Mutter und er nach vier Tagen wieder freigekommen. Auch die Ausführungen zur zweiten Haft des Klägers lassen sich mit seinen eigenen Angaben nicht in Einklang bringen. Zunächst übereinstimmend ist von der Festnahme im März 2017 die Rede. Dann aber gehen die Schilderungen auseinander. Während der Kläger selbst angibt, er habe nach zwei Wochen fliehen können, berichtet der Zeitungsartikel davon, er sei am 30. April aus dem Polizeigewahrsam entkommen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Festnahme Ende März war - wie vom Kläger geschildert - so bleibt es bei einer zweiwöchigen Diskrepanz. Das weiteren ist in dem Zeitungsartikel die Rede davon, dass der Kläger die Kampagne für die bedingungslose Freilassung des festgenommenen Ambazonia-Anführers Sisiku Ayuk Tabe angeführt habe. Hierfür finden sich in seinen eigenen Schilderungen keinerlei Anhaltspunkte, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, wäre dies tatsächlich der Fall gewesen. Dies gilt umso mehr, als er nicht einmal von einer sonstigen herausgehobenen Position berichtete, sondern im Gegenteil angab, er habe keine Funktion in der Organisation gehabt. Darüber hinaus lässt sich diese Schilderung auch mit den Erkenntnissen des Gerichts nicht in Einklang bringen. Denn die Festnahme von Sisiku Ayuk Tabe erfolgte im Januar 2018 (vgl. USDOS, a.a.O., S. 12), während der Kläger angab, Kamerun spätestens Ende April 2017 verlassen zu haben. Auch im Hinblick auf die jüngeren Geschwister des Klägers weichen die Schilderungen voneinander ab. Während der Kläger selbst erklärt, er habe eine jüngere Schwester und einen jüngeren Bruder, berichtet der Artikel von zwei jüngeren Brüdern.
29
Schließlich vermag der Artikel auch nichts daran zu ändern, dass die Angaben des Klägers zu der Organisation ADF, für die er tätig gewesen sein will, sowie zu deren angeblichem Anführer, Sisiku Ayuk Tabe nicht mit den dem Gericht zur Verfügung stehenden Informationen in Einklang zu bringen sind. Hätte der Kläger eine wie im Artikel beschriebene zentrale bzw. herausgehobene Position gehabt, dann hätte er korrekte Angaben machen können, insbesondere dazu, wer der Anführer der ADF ist bzw. welcher Organisation Sisiku Ayuk Tabe vorsteht.
30
bb) Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Klägers sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bereits deshalb nicht erfüllt, weil er sich auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen muss, § 3e AsylG. Nach dieser Vorschrift wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
31
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls in einer anderen Stadt, wie Jaunde oder Douala, oder auch in anderen Landesteilen Kameruns eine den genannten Anforderungen genügende Ausweichmöglichkeit vorfinden wird. Diese Möglichkeit besteht gerade auch bei Verfolgung durch staatliche Sicherheitsbehörden bzw. lokale Behörden, zumal es kein zentrales Fahndungsregister gibt (vgl. Auskunft des Auswärtiges Amts an das Bundesamt vom 15.1.2020; Länderbericht Kamerun, S. 14). Vor diesem Hintergrund fehlt an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die einmalige Veröffentlichung des Fotos des Klägers in dem oben genannten Zeitungsbericht sowie einem entsprechenden Fernsehbericht darüber hieran etwas ändert, zumal der Kläger nach seinen eigenen Angaben keine besondere Funktion oder gar herausgehobene Stellung in der Rebellenorganisation innehatte. Das Gericht teilt zudem die Befürchtung des Klägers nicht, er werde insbesondere deshalb überall in Kamerun gesucht, weil er aus einem Gefängnis geflohen sei. Denn es gibt in Kamerun bereits kein Zentralregister, in dem nach Verhaftungen gesucht werden könnte (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Bundesamt vom 5.8.2019).
32
Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass es dem Kläger möglich und zumutbar ist, sich bei einer Rückkehr nach Kamerun anderswo niederzulassen und dort ein neues Leben aufzubauen. Trotz der gewalttätigen Auseinandersetzungen im Norden bzw. in den anglophonen Gebieten gilt Kamerun noch als Anker der Stabilität in einer krisengeschüttelten Region (vgl. LIPortal, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft/, Stand: Februar 2020; BFA, a.a.O., S. 27). Die Verfassung und weitere Gesetze gewährleisten die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung, auch wenn diese Rechte manchmal eingeschränkt und in den Krisengebieten behindert werden (vgl. BFA, a.a.O., S. 32). Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 2015 geschätzte 38,4 Milliarden USD, pro Kopf ca. 1.545 USD. Dennoch müssen 25% der kamerunischen Bevölkerung mit weniger als 1,9 USD auskommen. Bei den Armutsindikatoren gibt es große regionale Unterschiede. Die kamerunische Regierung verfolgt das Ziel, bis 2035 Schwellenland zu werden. Das entsprechende Entwicklungskonzept „Vision 2035“ umfasst eine Erhöhung des Wirtschaftswachstums, die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, Förderung von Investitionen und eine Senkung des Bevölkerungswachstums. Die Arbeitslosigkeit und die Armut sollen reduziert und die Infrastruktur verbessert werden. Außerdem haben die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse besondere Bedeutung. Makroökonomisch wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt: 2017 erreichte Kamerun ein Wirtschaftswachstum von ca. 3,2%, 2018 lag das Wachstum bei knapp 4%. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht jedoch nicht aus, um Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen und die Armutsrate von ca. 30% nachhaltig zu senken (vgl. LIPortal, https://www.liportal.de/kamerun/wirtschaft-entwicklung/, Stand: April 2020; BFA, a.a.O., S. 34 f.). Seriösen Vermutungen zufolge erwirtschaftet der informelle Sektor Kameruns mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50%) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich Chancen, den Lebensunterhalt zu verdienen (vgl. LIPortal, https://www.liportal.de/kamerun/wirtschaft-entwicklung/, Stand: April 2020). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in Kamerun grundsätzlich durch eigene landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittelimporte gesichert. Allerdings besteht ein Verteilungsproblem, das insbesondere in den drei nördlichen Provinzen zu Lebensmittelengpässen führt. Nach dem im September 2018 von UNICEF herausgegebenen Humanitarian Situation Report waren über 3,26 Millionen Kameruner auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen. Zudem sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind (vgl. Auswärtiges Amt, Länderbericht Kamerun, S. 17).
33
Vor diesem Hintergrund ist das Gericht in Anbetracht der persönlichen Situation des Klägers davon überzeugt, dass dieser unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten die Möglichkeit haben wird, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen und so jedenfalls seine elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen, selbst wenn unter Umständen nur ein Leben am Rand des Existenzminimums möglich wäre. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach kamerunischem Recht erst mit 21 volljährig wird. Denn unabhängig von diesem formalen Umstand ist der Kläger mit seinen gut 17 Jahren in einem Alter, in dem eine ausreichende Reife und Selbständigkeit erwartet werden kann, die ihn befähigt, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bereits im Oktober - also in etwa vier Monaten - 18 Jahre alt und damit nach dem gemäß § 12 Abs. 2 AsylG maßgeblichen deutschen Recht volljährig wird, § 2 BGB. Im Hinblick auf die üblichen Vorlaufzeiten für eine zwangsweise Rückführung erscheint es zudem sehr wahrscheinlich, dass der Kläger bis zu einer etwaigen Abschiebung bereits das 18. Lebensjahr vollendet haben wird. Selbst für den Fall, dass er bereits zuvor abgeschoben würde, käme ihm die Vorschrift des § 58 Abs. 1a AufenthG zugute, wonach sich die (Ausländer-)Behörde vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers zu vergewissern hat, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.
34
Der Kläger verfügt nach seinen Angaben zwar weder über Schulbildung, noch hat er einen Beruf erlernt. Er kann jedoch schreiben und hat sowohl in Kamerun als auch in Nigeria bei Gelegenheitsarbeiten berufliche Erfahrungen in verschiedensten Bereichen gemacht, etwa als Haushaltshilfe, Obstverkäufer, Maler oder Maurer. Damit hat er bereits in deutlich jüngeren Jahren unter Beweis gestellt, dass er für sich selbst sorgen kann, sogar in einem für ihn fremden Land. Es ist somit nicht ersichtlich, dass es dem Kläger als jungem und gesundem Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen nunmehr in seiner Heimat, mit deren Sprache und Gepflogenheiten er vertraut ist, trotz seiner formalen Minderjährigkeit nicht möglich sein wird, Fuß zu fassen und seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, auch wenn er nicht auf ein familiäres Netzwerk in Kamerun zurückgreifen könnte. Dass er sich alleine in einer ihm unbekannten Umgebung behaupten kann, hat er darüber hinaus durch seine alleinige Reise nach Europa bewiesen (vgl. VG München, U.v. 9.11.2018 - M 21 K 17.42545 - juris Rn. 30). Erforderlich und ausreichend ist zudem, dass der Kläger durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem notwendigen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - NVwZ 2007, 590; OVG NW, U.v. 17.11.2008 - 11 A 4395/04.A - juris Rn. 47). Durch seine in Europa gesammelten Erfahrungen befindet sich der Kläger zudem in einer vergleichsweise guten Position, da er von diesen auch zukünftig in Kamerun profitieren kann. Darüber hinaus spricht der Kläger Französisch, zumal er seine ersten Lebensjahre in Jaunde, also auf frankophonem Gebiet, verbracht hat, so dass er bei einer Rückkehr nicht auf die anglophonen Regionen beschränkt ist. Dies gilt umso mehr, als rund 500.000 Anglophone im französischsprachigen Teil Kameruns leben. In Douala und der Hauptstadt Jaunde gibt es etwa anglophone Gemeinschaften sowie zweisprachige Schulen (vgl. UK Home Office, a.a.O., S. 13, 28 f.; BFA, a.a.O., S. 23).
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Ohne, dass es darauf noch ankäme, verfügt der Kläger in Kamerun über ein familiäres Netzwerk, auf dessen Unterstützung er insbesondere in Notsituationen bzw. zur Überwindung von Anfangsschwierigkeiten zählen kann, auch wenn er nicht (dauerhaft) bei seinen Angehörigen leben könnte. So steht er nach wie vor mit seiner Tante in regem Kontakt. Sie hat ihre Unterstützungsbereitschaft nicht nur dadurch dokumentiert, dass sie dem Kläger die von ihm im hiesigen Verfahren vorgelegte kamerunische Tageszeitung übersandt hat. Darüber hinaus hat sie dem Kläger Geld für seine Ausreise überlassen. Auch auf seinen Onkel kann der Kläger zählen, der ihn schon einmal aus dem Gefängnis geholt und dafür sogar einen Anwalt eingeschaltet hat. Gegebenenfalls könnte der Kläger sich auch an seinen Vater wenden, auch wenn er möglicherweise derzeit keinen unmittelbaren Kontakt zu ihm hat. Denn es ist ihm bereits gelungen, über einen Freund seiner verstorbenen Mutter Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen, der daraufhin die Geburtsurkunde des Klägers zur Verfügung gestellt hat. Schließlich verfügt der Kläger nach seinen Angaben beim Bundesamt auch noch über eine Tante und einen Onkel in Douala.
36
Des Weiteren werden Rückkehrer durch ein Büro des Centrums für Internationale Migration und Entwicklung im Haus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Jaunde logistisch und materiell unterstützt (vgl. Auswärtiges Amt, Länderbericht Kamerun, S. 18). Überdies steht es dem Kläger frei, seine finanzielle Situation in Kamerun aus eigener Kraft zu verbessern und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen oder sich an karitative Einrichtungen vor Ort zu wenden, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten und erste Anfangsschwierigkeiten gut überbrücken zu können. So können kamerunische ausreisewillige Personen Leistungen aus dem REAG-Programm, dem GARP-Programm, dem Reintegrationsprogramm ERRIN sowie dem „Bayerischen Rückkehrprogramm“ erhalten (https://www.returningfromgermany. de/de/countries/cameroon; http://www.lfar.bayern.de/assets/stmi/lfar/ bayerische_richtlinie_zur_förderung_der_freiwilligen_rückkehr_-_bayerisches_ rückkehrprogramm_-_vom_30.08.2019.pdf). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Kamerun freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
37
An Vorstehendem ändert auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts, zumal der Kläger nicht substantiiert vorgebracht hat, dass und inwieweit ihm persönlich aufgrund der Pandemie zum jetzigen Zeitpunkt eine konkrete Gefahr mit beachtlicher bzw. hoher Wahrscheinlichkeit drohen könnte.
38
Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln bzw. allgemein zugänglichen Quellen gibt es in Kamerun seit der ersten bestätigten Coronainfektion am 6. März 2020 im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 12.592 bestätigte Corona-Fälle. Davon sind 10.100 Personen genesen. Außerdem gibt es 313 Todesfälle (s. etwa Johns Hopkins University, CSSE, COVID 19 Dashboard, https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6; Coronavirus Worldometer - Kamerun, https://www.worldometers.info/coronavirus/country/ cameroon/ Abruf jeweils am 25.6.2020; Bundesamt, Briefing Notes vom 18.5.2020, S. 5). Jedoch bleibt der kamerunische Staat nicht tatenlos. Vielmehr hat die Regierung zur Eindämmung von COVID-19 am 17. März 2020 ein Maßnahmenpaket bekanntgegeben, das u.a. verstärkte Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen und Einreisesperren umfasst. Am 18. März 2020 hat Kamerun seine Landesgrenzen geschlossen. Die Einreise per Flugzeug, Schiff oder Fahrzeug ist seitdem nicht mehr möglich. Ausnahmen bestehen für die Einfuhr von Versorgungsgütern. Daneben wurden beispielsweise Schulen und Universitäten geschlossen sowie Zusammenkünfte von mehr als 50 Personen verboten. Bars und Restaurants mussten nach 18 Uhr schließen (vgl. Auswärtiges Amt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit/208874, Abruf am 25.6.2020; Internationaler Währungsfonds (im Folgenden IWF), Policy Responses to COVID-19, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#C, Abruf am 25.6.2020). Am 10. April 2020 ergriff die Regierung zusätzliche Maßnahmen, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern. Diese traten am 13. April 2020 in Kraft und beinhalteten unter anderem eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum, die lokale Produktion von Medikamenten und Screeningtests, den Aufbau spezialisierter Behandlungszentren in allen regionalen Hauptstädten sowie die Intensivierung der Screenings und der Sensibilisierungskampagne (vgl. IWF, Policy Responses to COVID-19, a.a.O.).
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Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Kamerun aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandmie möglicherweise verschlechtert, hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass der Kläger nicht mehr in der Lage wäre, zumindest sein Existenzminimum sicherzustellen.
40
Das Gericht bezweifelt dabei nicht, dass die derzeitige COVID-19-Pandemie und insbesondere die damit verbundenen Einschränkungen und Ausgangssperren zu weltweit spürbaren negativen wirtschaftlichen Auswirkungen führen werden. Allerdings werden für Kamerun trotz der im Vergleich zu anderen zentralafrikanischen Ländern hohen Infektionsrate momentan keine massiven wirtschaftlichen Einbrüchen erwartet. Man rechnet mit einem um 3% verminderten Wirtschaftswachstum, womit die Konjunkturdaten noch im positiven Bereich von 1 bis 2% blieben, auch wenn in der Zentralafrikanischen Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft über eine Abwertung des CFA-Franc diskutiert wird (LIPortal, https://www.liportal.de/kamerun/wirtschaft-entwicklung/, Stand: April 2020). Zudem ist gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern des kamerunischen Staats erkennbar. So wurden am 30. April 2020 verschiedene Erleichterungen verkündet, unter anderem Lockerungen im Hinblick auf Bars und Restaurants sowie öffentliche Verkehrsmittel. Außerdem wurde die Wiederöffnung der Schulen für den 1. Juni 2020 angekündigt. Der Präsident gab zudem finanzielle Maßnahmen bekannt, die zum Ziel haben, die negativen sozioökonomischen Auswirkungen der Krise abzumildern. Hierzu gehören vorübergehende Steuererleichterungen für Unternehmen, die von der Krise direkt betroffen sind, sowie Unterstützung für Haushalte. Daneben wurden spezifische Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie ergriffen. Darüber hinaus gab die Zentralafrikanische Zentralbank verschiedene Maßnahmen zur Lockerung der Geldpolitik bekannt (vgl. IWF, Policy Responses to COVID-19, a.a.O.). Des Weiteren hat der IWF für Kamerun eine Nothilfefazilität in Höhe von 226 Millionen USD gewährt (vgl. IWF, COVID 19 - Emergency Financing and Debt Relief, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/COVID-Lending-Tracker#AFR, Abruf am 25.6.2020). Das Gericht geht zudem davon aus, dass gerade der für viele Kameruner als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor auch dem Kläger zur Verfügung stehen wird, zumal es keine Ausgangssperren gibt. 2.
41
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise beantragte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
42
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die Art der Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG).
43
Wie ausgeführt, sind die vom Kläger geschilderten Verfolgungshandlungen nicht glaubhaft. Dem Gericht fehlen zudem im Hinblick auf die obigen Ausführungen zur Situation infolge der COVID-19-Pandemie in Kamerun Anhaltspunkte für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, weil nicht ersichtlich ist, dass - bezogen auf eine mögliche COVID-19-Erkrankung - eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im vorgenannten Sinn droht.
44
Des Weiteren kann sich der Kläger nicht auf eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG berufen. Zwar spricht einiges dafür, dass für die Feststellung, ob ein solcher - hier innerstaatlicher - bewaffneter Konflikt vorliegt, auf die Region North West als Herkunftsregion des Klägers abzustellen ist, da er dort nach seinen Angaben seit seinem siebten oder achten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise gelebt hat und bei Zugrundelegung seines Vortrags davon auszugehen ist, dass er voraussichtlich wieder dorthin zurückkehren wird (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17). Es kann jedoch dahinstehen, ob durch die dortigen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen bereits ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gegeben ist. Denn der Kläger muss sich auf die bestehende Möglichkeit und Zumutbarkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG. Insoweit sei auf obige Ausführungen verwiesen.
45
3. Dem Kläger steht letztlich auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
46
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
47
§ 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die EMRK, soweit sich aus dieser zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse ergeben. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung unterworfen werden. Insbesondere genügt nach der Rechtsprechung des EGMR der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht auszugleichen (EGMR, U.v. 27.5.2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 44). Etwas anderes gilt nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen. Ein Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, liegt beispielsweise dann vor, wenn die Versorgungslage im Herkunftsland völlig unzureichend ist (vgl. EGMR, a.a.O. Rn. 42; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952).
48
Die - wie dargestellt - ungünstigen humanitären und wirtschaftlichen Bedingungen in Kamerun begründen für sich genommen kein Abschiebungsverbot. Wie bereits ausgeführt, wird der Kläger nach Überzeugung des Gerichts im Fall seiner Rückkehr nach Kamerun in der Lage sein, zumindest das Existenzminimum sicherzustellen. Ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG kommt daher nicht in Betracht.
49
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
50
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei ist unerheblich, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, die Regelung stellt alleine auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324). Es gilt der Gefahrenmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
51
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt das Vorliegen einer zielstaatsbezogenen Gefahr voraus, die den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betrifft. Eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet allerdings dann aus, wenn die Gefahr eine Vielzahl von Personen im Herkunftsland in gleicher Weise betrifft, so z. B. allgemeine Gefahren im Zusammenhang mit Hungersnöten oder Naturkatastrophen, § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Diese allgemeinen Gefahren sind stattdessen bei Aussetzungsanordnungen durch die obersten Landesbehörden nach § 60 Abs. 7 Satz 5 i.V.m. § 60a Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Gleichwohl kann ein Ausländer nach der Rechtsprechung des BVerwG im Hinblick auf die im Herkunftsland herrschenden Existenzbedingungen trotz Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz beanspruchen, wenn er im Fall der Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG, dem betroffenen Ausländer im Wege verfassungskonformer Auslegung Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09, NVwZ 2011, 48 Rn. 14 f.). Wann sich allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot verdichten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Es muss sich aber jedenfalls um Gefahren handeln, die nach Art, Ausmaß und Intensität von erheblichem Gewicht sind. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 ff. m.w.N.; BayVGH. U.v. 17.2.2009 - 9 B 08.30225 - juris m.w.N.; für den Fall einer schlechten Lebensmittelversorgung, die den Betroffenen im Fall der Rückkehr nach seiner speziellen Lebenssituation in die konkrete Gefahr des Hungertods bringen würde: vgl. etwa BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 -; BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 -; BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 -; BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 -; BayVGH, U.v. 16.1.2014 - 13a B 13.30025 -, alle juris). Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen.
52
Wie ausgeführt, ist die Versorgungslage in Kamerun problematisch. Die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage kann aber kein generelles Abschiebungsverbot im Sinne § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen, da es sich hierbei um eine allgemeine Gefahr handelt, die einen Großteil der kamerunnischen Bevölkerung betrifft, mit der Folge, dass grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Gleiches gilt für die derzeitige COVID-19-Pandemie. Ausgehend von den oben dargestellten Maßstäben kann alleine in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehende Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit angenommen werden, welche die allgemeine Gefahr zu einem Abschiebungsverbot verdichtet.
53
Im Fall des Klägers kann eine derartige Extremgefahr nicht prognostiziert werden. Auch insoweit gilt, wie bereits ausgeführt, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass es ihm möglich sein wird, seine Lebensgrundlage - auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie - durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr für den Kläger, sich in Kamerun mit SARS-CoV-2 zu infizieren, nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ist, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, er werde in erheblicher Weise ein Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage.
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Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist für den Kläger im Hinblick auf die Verbreitung des „Coronavirus“ für das Gericht derzeit nicht erkennbar. Der knapp 18 Jahre alte Kläger ohne erkennbare Vorerkrankungen gehört nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19-Erkrankung (vgl. Robert Koch-Institut, Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf; https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html, Stand: 13.5.2020). Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Kamerun derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher der Kläger angehört. Er muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen auch, im Bedarfsfall auf die Möglichkeiten des kamerunischen Gesundheitssystems verweisen lassen, auch wenn dies nicht dem europäischen Standard entsprechen mag (vgl. Konrad-Adenauer-Stiftung, Covid-19 in Kamerun vom 21.04.2020, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/covid-19-in-kamerun, Abruf am 15.6.2020; BFA, a.a.O., S. 36 f.; Auswärtiges Amt, Länderbericht Kamerun, S. 18). Allerdings wurden in einigen größeren Städten - wie bereits ausgeführt - spezielle Anlaufstellen für Personen mit entsprechenden Krankheitssymptomen geschaffen wurden (vgl. Konrad-Adenauer-Stiftung, a.a.O.). Darüber hinaus bestehen - wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland - individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren. Das Gericht verkennt - auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie - nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Kamerun. Diese betreffen jedoch kamerunische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
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Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger in einer solch speziellen Lebenssituation befindet, dass er im Fall einer Rückkehr in sein Heimatland sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde.
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Ohne dass es darauf noch ankäme, scheidet ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aktuell auch deshalb aus, weil im Hinblick auf den durch § 58 Abs. 1a AufenthG vermittelten Schutz des Klägers als (derzeit noch) unbegleiteten Minderjährigen eine Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG mangels Erforderlichkeit nicht möglich ist (vgl. BVerwG U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris Rn. 13 ff., insb. Rn. 15 ff.).
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4. Letztlich bestehen auch an der Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung und der auf §§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG beruhenden Abschiebungsandrohung nach Kamerun keine Bedenken. Dies gilt auch im Hinblick auf die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) sind weder ersichtlich, noch vorgetragen.
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Die Einzelrichterin nimmt ergänzend Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids, folgt ihr und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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5. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.