Titel:
Asyl, Kuba: Unbegründete Asylrechtsklage
Normenketten:
AsylG § 3, § 4, § 28 Abs. 1, Abs. 1a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1
GG Art. 16a
Leitsätze:
1. Die der Klägerin widerfahrenen Disziplinierungsmaßnahmen seitens ihres vorgesetzten Dekans oder sonstiger Vorgesetzter und Arbeitskollegen haben kein asylrelevantes Maß erreicht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für die Klägerin, die gut ausgebildet ist und in Kuba auch Familienangehörige hat, zu welchen sie Kontakt pflegt, im Falle ihrer Rückkehr nach Kuba eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, da ihre Existenz aus gesichert ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unbegründete Asylrechtsklage einer Kubanerin, die Kuba ohne Vorfluchtgründe verlassen hat, fehlende Nachfluchtgründe asylerheblicher Art, Asyl, Abschiebungsandrohung, Kuba, Furcht vor Verfolgung, Vorverfolgung, Nachfluchtgrund
Fundstelle:
BeckRS 2020, 14316
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1
Die am …1970 in …, Kuba geborene Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 6. März 2020, mit dem ihr Asylbegehren in der Bundesrepublik Deutschland negativ verbeschieden und ihr die Abschiebung nach Kuba angedroht wird.
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Die Klägerin ist kubanische Staatsangehörige und hat im Verwaltungsverfahren Lichtbilder einer auf sie ausgestellten Identitätskarte des kubanischen Staates mit Gültigkeit bis zum 19. April 2028 vorgelegt. Die Klägerin ist nach eigenen Angaben geschieden und lebte vor ihrer Ausreise aus Kuba in ihrer Geburtsstadt. Einen Reisepass konnte die Klägerin nicht vorlegen, wobei sie dazu gegenüber dem Bundesamt angab, dieser habe sich in einer Tasche befunden, die sie auf dem Flughafen Frankfurt a.M. auf der Toilette liegengelassen habe und ihr dann von Unbekannten entwendet worden sei. Wegen dieses Sachverhaltes habe sie später eine Strafanzeige erstattet.
3
Die Ermittlungen des Bundesamtes ergaben aus der Anfrage aus der VIS-Antragsauskunft des Bundesverwaltungsamtes einen Treffer hinsichtlich der Erteilung eines Visums für den Schengen-Raum am 29. November 2018 durch die Deutsche Botschaft in Havanna mit Gültigkeitszeitraum vom 15. Dezember 2018 bis zum 14. März 2019.
4
Die Klägerin stellte am 5. September 2019 einen förmlichen Asylantrag, den sie nicht beschränkte.
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Die Anhörung der Klägerin zu ihrem Reiseweg und ihren Asylgründen erfolgte am 18. September 2019. Dabei gab die Klägerin im Wesentlichen an: Eingereist sei sie mittels des ihr erteilten Visums auf dem Luftweg am 20. Dezember 2018 in Frankfurt a.M., wobei sie ihr Herkunftsland einen Tag zuvor verlassen habe. Ihr Rückflug sei für den 15. März 2019 reserviert gewesen. Sie habe das Rückflugticket auch in Frankfurt bezahlen wollen. Ihr Aufenthalt in Deutschland sei mit einer Einladung einer hier lebenden Person möglich gewesen, mit der sie nicht verwandt sei. Es handle sich um einen kubanischen Freund, der dauerhaft schon seit 32 Jahren in Deutschland lebe. Sie habe diesen Freund bei einem ersten Deutschlandaufenthalt im Jahr 2002 kennengelernt. Sie pflege sei ca. zwei Jahren über eine Freundschaft hinausgehenden, intensiven Kontakt zu ihm und habe sich mit ihm auch in Kuba getroffen. Momentan sei sie mit ihm jedoch nicht mehr zusammen und habe auch keinen Kontakt zu ihm. Sie habe sich bei ihrem Freund zuletzt am 19. August 2019 gemeldet, um ihn mitzuteilen, dass sie sich in einer Aufnahmeeinrichtung befinde und es ihr gut gehe. Die Klägerin gab weiter an, in Kuba lebten ihre Eltern und noch zwei Geschwister, sowie Onkel und Tanten. Ebenso lebten ihre Tochter und ihr Enkelkind in … Hinsichtlich ihrer Schulbildung her habe sie das Abitur erlangt und dann drei Jahre lang Geographie studiert; einen Hochschulabschluss habe sie nicht erlangt. Gearbeitet habe sie zuletzt in der Verwaltung der … … in … …, wobei sie ihre wirtschaftliche Lage als durchschnittlich gut beschreiben würde. In der Fakultätsverwaltung sei sie für den Bereich Personalwesen verantwortlich gewesen. Aufgrund ihrer Stellung sei sie verpflichtet gewesen, Mitglied der Kommunistischen Partei Kubas zu sein. Sie sei mit vielem, was die Partei betreffe, nicht einverstanden gewesen, habe die Parteimitgliedschaft aber akzeptiert. Anderenfalls hätte sie ihren Posten aufgeben müssen bzw. verloren. An Versammlungen und Aktivitäten der Partei habe sie nicht teilnehmen wollen, was zu Problemen geführt habe. Sie sei immer wieder verwarnt worden und es sei ihr gedroht worden, sie zu ersetzen bzw. ihr eine Arbeit zuzuteilen, die nicht ihren Qualitäten entsprochen hätte (Putzkraft). Sie selbst teile die Ideologie der Partei „Movimiento Oppositor de Liberacion Cuba Libre“. Sie habe an einem Protest dieser Partei teilgenommen und Versammlungen im Hause ihres Onkels, der Führer dieser Partei sei, besucht. Das sei ihren Vorgesetzten ein Dorn im Auge gewesen. Im Zuge der Vorbereitung der Volksabstimmung über die neue Verfassung Kubas habe sie den Auftrag erhalten, eine Gruppe von Studenten davon zu überzeugen, dass diese bei der Abstimmung über die neue Verfassung mit „Ja“ stimmen. Diese Aufgabe sei überwacht und bewertet worden. Sie habe diese Aufgabe nicht mit sich selbst vereinbaren können und die Studenten lediglich aufgefordert, die einzelnen Artikel der Verfassung für sich selbst zu lesen und eine eigene Entscheidung zu treffen. Sie habe dann am 1. Oktober 2018 eine Bewertung über die Erledigung dieser Aufgabe erhalten, die sie nicht habe unterschreiben wollen. Eine Kollegin habe heimlich ein Foto dieser Bewertung angefertigt (Bl. 78/79 u. 82 der Bundesamtsakte). Seit ihrer Ausreise aus Kuba werde sie von Vorgesetzten der Dokumentenfälschung beschuldigt, was sie über ihre Tochter, die auch studiere, erfahren habe. Die Fakultätsleitung habe den Verdacht, sie, die Klägerin, habe die vorerwähnte Bewertung im Besitz. Sie sei heimlich ausgereist und habe nicht um Urlaub gebeten. Ihre Tochter sei auch einige Male in Anwesenheit anderer Studenten durch die Fakultätsleitung öffentlich bloßgestellt worden. Man habe erzählt, sie sei gegen die Revolution. Sie habe versucht, woanders Arbeit zu finden. Sie habe nur Absagen erhalten. Gegenüber ihrer Tochter sei auch erwähnt worden, die Fakultätsleitung habe Motive, mit welchem sie nach ihrer Rückkehr nach Kuba dafür sorgen könnten, dass sie, die Klägerin, verhaftet werde. Es sei auch gesagt worden, solche Gründe könne man auch schaffen. Sie sei von vorn herein nicht mit dem Gedanken ausgereist, in Deutschland zu bleiben, sondern habe auch wieder ausreisen wollen. Die Dinge hätten sich in der Zeit, in der sie sich in Deutschland befinde, verschlimmert. Letztlich sei ihre Ausreise auch an der am beabsichtigten Ausreisetag verschwundenen Tasche, in der sich ihr Reisepass und ihre Geldbörse befunden habe, gescheitert.
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Mit Bescheid vom 6. März 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3.) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4.). Die Abschiebung wurde - in erster Linie - nach Kuba angedroht (Ziffer 5.). Schließlich befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG erstmals auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6.). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die den Bescheid tragenden Feststellungen und Gründe Bezug genommen.
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Der Bescheid wurde der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 16. März 2020 bekanntgegeben.
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Mit Schreiben vom 23. März 2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am 26. März 2020 eingegangen, teilte die Klägerin mit, sie lege zu dem Bescheid vom 6. März 2020 „Widerspruch“ ein. Eine weitergehende Begründung erfolgte nicht. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2020 zum Az. … wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiter hilfsweise, für die Klägerin Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
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Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 1. April 2020 geäußert und beantragt,
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Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe.
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Mit Beschluss der Kammer vom 13. Mai 2020 wurde der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
12
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Gangs des behördlichen und des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der am 3. Juni 2020 stattgefundenen mündlichen Verhandlung wird auf die Gerichts- und die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte (Az. …*) verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid vom 6. März 2020 ist im Umfange des Klagebegehrens rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Ihr steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG (Hauptantrag) noch auf Zuerkennung des subsidiären Flüchtlingsstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge) zu.
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1. Vorliegend ist kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben. Wegen der Identität der Schutzgüter wäre im selben Umfang auch ein Anspruch auf Asyl aus Art. 16a GG unbegründet, wobei sich die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beschränkte.
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Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i.S.d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
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Ergänzend hierzu bestimmt § 3a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3e AsylG den internen Schutz. § 3a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss.
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Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.
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Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.
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Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Kuba mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.
22
Die Klägerin konnte nicht glaubhaft darlegen, dass sie unmittelbar vor ihrer Ausreise Maßnahmen staatlicher Stellen in Anknüpfung an in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründen mit der erforderlichen Eingriffsintensität ausgesetzt war und dass sie Opfer diskriminierend angewandter Maßnahmen des kubanischen Staates oder von Organisationen, die der staatlichen Kontrolle unterliegen, gewesen ist. Das ergibt sich für das Gericht schon aus dem Vortrag der Klägerin selbst, die in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt bekundet hat, zunächst Kuba mit der Intention verlassen zu haben, dorthin wieder zurückzukehren und dazu in der mündlichen Verhandlung ergänzte, bis zu ihrer Ausreise auch seitens ihres Arbeitgebers weder gekündigt worden noch in eine Arbeitsstelle außerhalb der Fakultätsverwaltung im Hinblick auf unzuverlässig eingestuftes Verhalten im Zusammenhang mit der Indoktrination kubanischer Studenten umgesetzt worden zu sein.
23
Überdies ist das Gericht davon überzeugt, dass die der Klägerin widerfahrenen Disziplinierungsmaßnahmen seitens ihres vorgesetzten Dekans oder sonstiger Vorgesetzter und Arbeitskollegen kein asylrelevantes Maß erreicht haben. Soweit demnach im Sinne eines herabgesetzten Beweismaßstabes (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.1977, Buchholz 402.24, § 28 AuslG Nr. 11; U.v. 16.4., 1.10. und 12.11.1985, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nrn. 32, 37 und 41) zu Gunsten der Klägerin als wahr angenommen werden kann, dass sie sich nicht sonderlich für Parteiveranstaltungen der kommunistischen Partei Kubas interessiert hat und im Zusammenhang mit der Abstimmung der kubanischen Bevölkerung über die neue kubanische Verfassung den ihr gesetzten Auftrag, die Studenten ihrer Fakultät zu einem positiven Abstimmungsverhalten anzuhalten, aus Sicht ihrer Vorgesetzten nur unzureichend erfüllt hat, sind die daran anknüpfenden, von der Klägerin geschilderten Gespräche mit dem Dekan der Fakultät etwas, das jeder kubanische Staatsbürger in der Situation der Klägerin aufgrund des allgemein vorherrschenden Systems ebenso hinzunehmen hätte. Arbeitsrechtliche Konsequenzen im Zusammenhang mit einer politischen Einstellung des Asylantragstellenden sind dabei aber nur ausnahmsweise geeignet, flüchtlingsrechtliche Qualität zu erreichen, nämlich, wenn diese Maßnahmen die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates auf Grund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (VG Augsburg B.v. 25.4.2001 - Au 2 S 01.30186, BeckRS 2001, 29463). Das ist bei der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts nicht in der erforderlichen Intensität erreicht.
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Eine exilpolitische Betätigung in der Bundesrepublik hat die Klägerin nicht dargelegt.
25
Auch allein die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland hat keine politische Verfolgung unverfolgt und legal aus Kuba ausgereister kubanischer Staatsangehöriger im Falle ihrer Rückkehr dorthin zur Folge (BVerwG, B.v. 7.12.1999 - 9 B 474.99; BayVGH, U.v. 29.7.2002 - 7 B 01.31054; B.v. 6.10.2003 - 7 ZB 03.31113; B.v. 5.6.2008 - 15 ZB 07.30102; VG Augsburg, U.v. 5.7.2011 - Au 7 K 10.30473; VG Ansbach, U.v. 24.9.2015 - AN 3 K 14.30542; alle juris).
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Diese Einschätzung wird im Wesentlichen durch die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen bestätigt.
27
In der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe „Kuba: Rückkehr, 16. Februar 2009“ (im Folgenden „Schweizerische Flüchtlingshilfe“) wird z.B. ausgeführt, dass Personen, die im Ausland einen Asylantrag stellen, von der kubanischen Regierung als Regimekritiker eingestuft werden können und in diesem Fall bei ihrer Rückkehr nach Kuba von willkürlichen stattlichen Repressalien bedroht sind (z.B. Entzug der Lebensmittelmarken, Beschlagnahme von Privatbesitz, erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt).
28
Die Asylantragstellung allein kann dann zu Problemen beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Sozialleistungen führen, wenn die kubanischen Behörden von der Asylantragstellung erfahren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom März 2017 Ziffer 21 (im Folgenden „Länderinformationsblatt“); Schweizerische Flüchtlingshilfe Ziffer 2).
29
Jedoch ist bei der Klägerin nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie von solchen Repressalien im Falle ihrer Rückkehr betroffen sein wird. Denn den Quellen lässt sich nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die kubanischen Behörden zu derartigen Repressalien greifen. Die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung reicht für die Annahme einer Rückkehrgefährdung nicht aus.
30
Die demnach nicht vorverfolgt aus Kuba ausgereiste Klägerin hat nach Auffassung des Gerichts im Falle einer Rückkehr nach Kuba nicht mit einer im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigenden Rückkehrgefährdung zu rechnen.
31
Insbesondere liegen keine Nachfluchtgründe im Sinne des § 28 Abs. 1 u. 1a AsylG vor. Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die durch den Ausländer im Asylverfahren lediglich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises (VG Regensburg, U.v. 28.07.2017 - RO 2 K 16.32418 - BeckRS 2017, 140156). Dazu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung indes nur Spekulationen geäußert und keine Anhaltspunkte unter Beweis gestellt, dass sie seitens der kubanischen Behörden tatsächlich wie eine Staatsfeindin behandelt wird. Denn insbesondere der Vortrag, mehrere Kommilitonen ihrer Tochter, die an derselben Universität studiere, an der sie gearbeitet habe, hätten schlecht über sie gegenüber ihrer Tochter gesprochen, genügt nicht, einen derartigen Schluss zu ziehen. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass Gerede unter Studenten auf einen willkürlichen, staatlichen Akt zurückzuführen ist, um die Klägerin dauerhaft zu diskreditieren. Zum anderen ist nicht erklärbar, warum der kubanische Staat die engste Verwandtschaft einer Person, die er als Staatsfeindin behandelt und bei der den kubanischen Behörden oppositionelles Verhalten gerade auch im weiteren Verwandtenkreis bekannt ist, unbesehen weiter studieren lässt. Die in § 28 AsylG geforderte Verknüpfung zwischen den die Furcht vor Verfolgung begründeten Ereignissen, die nach der Ausreise eingetreten sind und einer Betätigung, die im Ausland aufgrund einer schon im Herkunftsland bestehenden gefestigten politischen Einstellung fortgesetzt wird, erkennt das Gericht im Fall der Klägerin unter Zugrundelegung ihres Vortrags nicht.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
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2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu.
34
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
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Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.
36
3. Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben.
37
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.
38
Ebenso wenig besteht im Falle der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für die Klägerin, die gut ausgebildet ist und in Kuba auch Familienangehörige hat, zu welchen sie Kontakt pflegt, im Falle ihrer Rückkehr nach Kuba eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, da ihre Existenz aus vorgenannten Gründen gesichert ist.
40
4. Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreisesaufforderung unter Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.
41
5. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr im Rahmen des § 11 Abs. 1 und 3 AufenthG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, bestehen nicht und wurden von der Klägerin nicht vorgetragen.
42
Die Klage war demnach abzuweisen.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.