Inhalt

VG München, Beschluss v. 18.06.2020 – M 25 S 20.2010
Titel:

Vorläufiger Rechtsschutz auf Aufenthaltstitel zum Familiennachzug

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1, Abs. 3
AufenthG § 5 Abs. 2, § 28, § 60a, § 81 Abs. 3
AufenthV § 39 Nr. 3 und Nr. 5
Leitsätze:
1. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hinsichtlich einer Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis statthaft, falls die Versagung der Aufenthaltserlaubnis zum Erlöschen der Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG führt und ein Antragsteller auf Grund der Versagung der Aufenthaltserlaubnis vollziehbar ausreisepflichtig wird. Wenn ein Antrag keine solche Fiktionswirkung auslöst, ist vorläufiger Rechtsschutzes allein nach § 123 Abs. 1 bis Abs. 3 VwGO durch eine Aussetzung der Abschiebung aus verfahrensrechtlichen Gründen zu erstreben (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2018, 23535 Rn. 13). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels von einem nach Anhang II EU-Visum-VO (Verordnung (EU) 2018/1806) von der Visumspflicht befreiten Ausländer, der bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt anstrebt, begründet keine Fiktionswirkung, weil der Aufenthalt mangels Einreise mit dem erforderlichen Visum nicht rechtmäßig ist (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2018, 23535 Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)
3. Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung eines Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einer Einreise ohne das erforderliche Visum kaNN nur dann gewährt werden, wenn keine Zweifel am Anspruch auf die Titelerteilung oder der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens bestehen und keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Ablehnung rechtfertigen können (Anschluss an VGH München BeckRS 2020, 6745 Rn. 18) (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Montenegrinische Staatsangehörige, Familiennachzug zu deutschem Ehemann und Kind, Nachholung Visumverfahren, visumfreie Einreise für Kurzaufenthalt, Abschiebung, Aufenthalt, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsrecht, Aufenthaltstitel, Ausreise, Einreise, Ermessensentscheidung, Fiktionswirkung, Heimatland, Visum, Familiennachzug, Nachholung, Visumverfahren, Kurzaufenthalt
Fundstelle:
BeckRS 2020, 14026

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Ablehnung des beantragten Aufenthaltstitels nach § 28 AufenthG.
2
Die Antragstellerin ist montenegrinische Staatsangehörige und reiste am 2. Januar 2019 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 28. März 2019 heiratete die Antragstellerin vor dem Standesamt … einen deutschen Staatsangehörigen. Am 29. März 2019 beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung mit ihrem deutschen Ehegatten. Am 12. April 2019 endete der visumsfreie Aufenthalt der Antragstellerin. Mit Bescheid vom 24. April 2019 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG ab, forderte die Antragstellerin zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen auf und drohte ihr die Abschiebung nach Montenegro an. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde mit den fehlenden Deutschkenntnissen der Antragstellerin und der Einreise ohne das erforderliche Visum begründet. Am 17. Juli 2019 reiste die Antragstellerin aus der Bundesrepublik aus. Bei ihrer Ausreise war die Antragstellerin schwanger.
3
Im September 2019 bestand die Antragstellerin erfolgreich eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1.
4
Am 2. November 2019 reiste die Antragstellerin erneut visumsfrei in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldete sich unter der Adresse ihres Ehemannes an. Mit Schreiben vom 11. November 2019 wurde sie von dem Antragsgegner darauf hingewiesen, dass ihr visumsfreier Aufenthalt am 30. Januar 2020 endet.
5
Mit Schreiben vom 30. Januar 2020 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Am 29. Februar 2020 wurde das Kind der Antragstellerin geboren. Mit Bescheid vom 7. April 2020 lehnte der Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1), forderte die Antragstellerin zur Ausreise bis zum 28. April 2020 auf (Ziffer 2) und drohte die Abschiebung nach Montenegro an (Ziffer 3).
6
Mit Schreiben vom 11. Mai 2020 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, unter Aufhebung des Bescheids des Antragsgegners, der Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Er beantragte außerdem,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
7
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin Mutter einer deutschen Staatsangehörigen sei und ein Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Aufgrund der Corona Pandemie könne die Antragstellerin Deutschland nicht verlassen bzw. nach Montenegro reisen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass sie mit ihrem zwei Monate alten Kind reisen müsse. Weiterhin sei ihr aufgrund der derzeit geltenden Einreisebeschränkungen eine Rückreise nach Deutschland verwehrt.
8
Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2020 beantragte der Antragsgegner die Klage abzuweisen und, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
9
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Bescheid rechtmäßig sei und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletze. Dementsprechend überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts. Es wurde weiterhin mitgeteilt, dass der Antragsgegner bereit sei, der Antragstellerin, bei beabsichtigter Nachholung des Visumsverfahren im Heimatland, eine Duldung bis zum Botschaftstermin zu erteilen.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 25 K 20.2009 sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
11
I.) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig.
12
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hinsichtlich einer Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, trotz der Regelung des § 113 Abs. 5 VwGO, statthaft, falls die Versagung der Aufenthaltserlaubnis zum Erlöschen der Fiktionswirkung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG führt und ein Antragsteller auf Grund der Versagung der Aufenthaltserlaubnis vollziehbar ausreisepflichtig wird. Löste der Behördenantrag eine solche Fiktionswirkung nicht aus, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 bis Abs. 3 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung allein aus verfahrensrechtlichen Gründen zu erstreben (vgl. VGH BaWü, B.v. 20.9.2018 - 11 S 1973/ 18 - beckonline, Rn. 13).
13
Dem Antrag der Antragstellerin vom 30. Januar 2020 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kam eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG nicht zu. Sie hatte zu keinem Zeitpunkt einen Aufenthaltstitel und ihr Aufenthalt war zum Zeitpunkt der Antragstellung auch nicht rechtmäßig i.S.d. § 81 Abs. 3 AufenthG. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels von einem nach Anhang II EU-Visum-VO (Verordnung (EU) 2018/1806) von der Visumspflicht befreiten Ausländer, der bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt anstrebt, begründet keine Fiktionswirkung, weil der Aufenthalt mangels Einreise mit dem erforderlichen Visum nicht rechtmäßig ist. § 4 Abs. 1 EU-Visum-VO befreit von der Visumspflicht nur für geplante Aufenthalte von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen. Nur wenn der Ausländer subjektiv diese zeitliche Grenze nicht überschreiten will, ist der nachfolgende Aufenthalt nach Art. 20 Abs. 1 SDÜ rechtmäßig (vgl. Bergmann/Dienelt/Samel, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 81 Rn. 36; BayVGH, B.v. 21.6.2013 - 10 CS 13.1002 - juris; VGH BaWü, B.v. 20.9.2018 - 11 S 1973/ 18 - beckonline).
14
Basierend auf den Umständen der Aufenthalte der Antragstellerin in Deutschland spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie bereits bei ihrer Einreise beabsichtigte, in Deutschland ein Aufenthaltsrecht anzustreben. Die Antragstellerin hat bereits bei ihrem Aufenthalt von Januar bis Juli 2019 einen Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung beantragt, nachdem sie während ihres Aufenthaltes ihren deutschen Ehemann geheiratet hatte. Der Aufenthaltstitel wurde unter anderem abgelehnt, da sie die erforderlichen Deutschkenntnisse nicht besaß. Während ihrem 3,5-monatigen Aufenthalt in Montenegro hat sie - vor ihrer Wiedereinreise - eine Deutschprüfung abgelegt. Bei ihrer Wiedereinreise im November 2019 befand sich die Antragstellerin bereits in der 22. Schwangerschaftswoche. Dies zugrunde gelegt war der Aufenthalt der Antragstellerin im Zeitpunkt der Antragstellung nicht rechtmäßig i.S.d. § 81 Abs. 3 AufenthG.
15
II.) Aus einer am Rechtsschutzbegehren (§ 88 VwGO) ausgerichteten Auslegung des Antrags ergibt sich ein Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners nach § 123 VwGO einstweilen die Abschiebung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Klageantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auszusetzen.
16
Dieser Antrag führt jedoch ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, der durch eine Verfahrensduldung im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichern wäre. Ein durch eine einstweilige Aussetzung der Abschiebung zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG wurde von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Ebensowenig hat die Antragstellerin einen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a AufenthG glaubhaft gemacht.
17
1.) Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG scheitert bereits an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 AufenthG.
18
a) Die Antragstellerin ist nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist für längerfristige Aufenthalte ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Antragstellerin ist jedoch aufgrund von Art. 15 AufenthV, Art. 20 SDÜ, Art. 6 SGK, Art. 4 Abs. 1 EU-Visum-VO i.V.m. Anhang II EU-Visum-VO für 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen visumsfrei eingereist.
19
b) Die Antragstellerin konnte den Aufenthaltstitel nicht nach § 39 Nr. 3 bzw. Nr. 5 AufenthV im Inland beantragen.
20
(1) Zwar ist die Antragstellerin Staatsangehörige eines in Anhang II EU-Visum-VO aufgeführten Staates, allerdings hat sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Die Befreiung von der Visumpflicht gemäß Art. 4 Abs. 1 EU-Visum-VO gilt nur für einen Kurzaufenthalt, also einen Aufenthalt der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet. Die Befreiung greift daher nicht, wenn der Aufenthalt über einen Kurzaufenthalt hinausgehen soll. Wer als Positivstaater von vornherein einen 90 Tage übersteigenden Aufenthalt beabsichtigt, reist ohne das erforderliche Visum und unerlaubt ein (Bergmann/Dienelt/Samel, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 5 Rn. 98-100, 122). Die Antragstellerin hat bereits bei ihrer Einreise einen längerfristigen Aufenthalt beabsichtigt (s.o.). Eine unerlaubte Einreise zieht einen unrechtmäßigen Aufenthalt nach sich (BayVGH B.v. 21.6.2013 - 10 CS 13.1002 - juris).
21
(2) Die Abschiebung der Antragstellerin war auch zu keinem Zeitpunkt nach § 60a AufenthG ausgesetzt. Die verlängerten Grenzüberschreitungsbescheinigungen sind nicht mit einer Duldung nach § 60a AufenthG gleichzusetzen. Eine fiktive Aufenthaltserlaubnis nach § 81 Abs. 3 AufenthG bestand ebenfalls nicht (s.o.).
22
c) Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, nicht von dem Erfordernis der Nachholung des Visumsverfahrens nach § 5 Abs. 2 AufenthG abzusehen, ist auch nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Denn grundsätzlich kann vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung eines Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einer Einreise ohne das erforderliche Visum nur dann gewährt werden, wenn keine Zweifel am Anspruch auf die Titelerteilung oder der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens bestehen und keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Ablehnung rechtfertigen können (BayVGH B.v. 16.3.2020 - 10 CE 20.326 - Rn. 18).
23
Die Antragstellerin hat sich nicht mit der Ermessenserwägung des Antragsgegners, dass sie visumsfrei nach Deutschland eingereist ist, obwohl sie durch die vorherige Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wusste, dass für längerfristige Aufenthalte ein Visum erforderlich ist, auseinandergesetzt. Diese Ermessenserwägung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass der ablehnende Bescheid vom 24. April 2019 unter anderem auf fehlende Deutschkenntnisse gestützt war und die Antragstellerin während ihres Aufenthaltes in Montenegro eine Deutschprüfung abgelegt hat. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte die Antragstellerin in Montenegro auch ein Visum zur Familienzusammenführung mit ihrem deutschen Ehemann beantragen können. Dies hat sie jedoch nicht getan, sondern ist erneut visumsfrei - für einen kurzzeitigen Aufenthalt - nach Deutschland eingereist.
24
Weiterhin fehlt eine genauere Auseinandersetzung mit dem Angebot des Antragsgegners, bei Vorlage eines konkreten Botschaftstermins, bis zu diesem Termin eine Duldung zu erteilen. Der generelle Verweis der Antragstellerin auf den Hinweis auf der Internetseite der deutschen Botschaft in Montenegro, dass keine Visumsanträge angenommen werden, verfängt nicht. Laut den Angaben der Botschaft werden Visumsanträge angenommen, wenn dargelegt wird, dass zwingende Gründe vorliegen, die eine der vorgesehenen Ausnahmen von den Einreisebeschränkungen rechtfertigen. Eine Ausnahme von den Einreisebeschränkungen (gültig bis vorläufig zum 30. Juni 2020) besteht für unmittelbare Familienangehörige (Ehegatten, Eltern minderjähriger Kinder) deutscher Staatsangehöriger, wenn diese an ihren deutschen Wohnort zurückkehren. Darüberhinaus soll ab dem 1. Juli 2020 das Erfordernis der Rückkehr zu einem deutschen Wohnort entfallen. Dementsprechend hat es die Antragstellerin in der Hand, sich mit der deutschen Botschaft in Montenegro in Verbindung zu setzen, den frühestmöglichen Termin für eine Abgabe eines Visumantrags in Erfahrung zu bringen, diesen über das online System zu buchen und unter Vorlage des konkreten Termins die angebotene Duldung von dem Antragsgegner zu erhalten. Die Anreise zu einem Botschaftstermin ist der Antragstellerin auch möglich, da inzwischen wieder direkte Flugverbindungen von Deutschland nach Montenegro bestehen. Nach einem Botschaftstermin wird die Einreise der Antragstellerin nach Deutschland auch möglich sein, da entweder eine Ausnahme von den Einreisebeschränkungen vorliegt oder die Einreisebeschränkungen bereits aufgehoben sind.
25
Schließlich ergibt sich auch aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keine Ermessensreduzierung auf Null. Es ist grundsätzlich mit dem Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK vereinbar, einen Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumsverfahrens wichtigen öffentlichen Interessen dient. Die (nachträgliche) Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug ist auch nicht als bloße Förmlichkeit anzusehen. Der Ausländer hat es zudem durch die Gestaltung seiner Ausreise selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumsverfahrens erforderliche Dauer seiner Abwesenheit im Bundesgebiet möglichst kurz zu halten, indem er z.B. eine Vorabzustimmung der zuständigen Ausländerbehörde nach § 31 Abs. 3 AufenthV einholt. Auch ein kleines Kind ist regelmäßig nicht als besonderer Umstand des Einzelfalls zu werten, der die Nachholung des Visumsverfahrens unzumutbar macht, da es im Verantwortungsbereich des Ausländers liegt, die Ausreisemodalitäten und den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten (vgl. BayVGH B.v. 16.3.2020 - 10 CE 20.326). Der Antragsgegner hat durch sein Angebot einer Erteilung einer Duldung bis zu einem konkreten Botschaftstermin bereits Schritte unternommen um die Abwesenheit der Antragstellerin möglichst familienfreundlich zu gestalten. Dies ist bisher an der fehlenden Bereitschaft der Antragstellerin einen Termin zu vereinbaren gescheitert. Die Bearbeitungsdauer für die Erteilung eines Visums ist, laut Angaben der Deutschen Botschaft, bis zu drei Monaten. Der Antragstellerin steht es offen, sich mit dem Beklagten bereits vorab in Verbindung zu setzen, um eine Vorabzustimmung der Ausländerbehörde zu erhalten und so die Bearbeitungsdauer zu reduzieren. Jedoch erscheint auch eine Dauer von drei Monaten, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und den Wertungen von Art.6 GG und Art. 8 EMRK, nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar.
26
2.) Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a AufenthG glaubhaft gemacht, da ihre Abschiebung nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Eine rechtliche Unmöglichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 6 oder Art. 8 EMRK (s.o.). Andere Gründe für eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
27
III.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
28
IV.) Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 8.1 des Streitwertkatalogs.