Inhalt

OLG München, Beschluss v. 15.06.2020 – 32 Wx 140/20 Kost
Titel:

Notarkostenrechtliche Bewertung von Gesellschaftsanteilen an einem innovativen Unternehmen

Normenketten:
GNotKG § 31 Abs. 1, § 54 S. 1, § 86, § 97, § 129 Abs. 2
FamFG § 70
Leitsätze:
1. Die Summe der von den Gesellschaftern zu leistenden Einlagen und der in die Kapitalrücklage zu zahlenden Beträge ist meist ein ausreichender Anhaltspunkt für den Wert des Unternehmens und damit der Anteile an diesem. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das gilt nicht ohne Weiteres für ein eine neue Technologie entwickelndes Unternehmen, bei dem die interne Einschätzung der Gesellschafter auf Visionen oder auf ihrem subjektiven Vertrauen in die Fähigkeiten des Gründers beruht; hier können die Geldzuflüsse Anhaltspunkte liefern, die zumindest vorübergehend den Wert erhöhen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Rechtsbeschwerde nach § 129 Abs. 2 GNotKG bedarf der Zulassung durch das Oberlandesgericht. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beurkundung, Gesellschaftervertrag, Kapitalerhöhung, Startup, Kostenrechnung, Optionsvereinbarung, Rechtsbeschwerde, Zulassungsbedürftigkeit, Geschäftswert
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 03.03.2020 – 13 OH 11376/19, 13 OH 11565/19, 13 OH 11678/19, 13 OH 11891/19, 13 OH 11945/19, 13 OH 12432/19, 13 OH 554/20, 13 OH 555/20, 13 OH 556/20, 13 OH 557/20, 13 OH 558/20
Fundstellen:
NWB 2020, 2144
BWNotZ 2020, 160
BeckRS 2020, 13996
LSK 2020, 13996

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 03.03.2020, Az. 13 OH 11376/19, und die Kostenrechnungen der Antragsgegnerin vom 26.05.2017, ergänzt durch die Kostenrechnungen vom 18.12.2019, Rechnungsnummer 17W1185-1-so zur UR-Nr. 490/17, dahingehend abgeändert, dass sie folgende Gestalt erhält:

KV-Nr.

Gegenstand der Gebühr

Geschäftswert

Gebühr

21100

Beurkundungsverfahren

5.550,00 €

Geschäftswert nach § 97 GNotKG:

1.650.000,00 €

25200

Erteilung einer Bescheinigung nach § 21

Abs. 1 BNotO

15,00€

26001

Beurkundung in einer fremden Sprache

1.665,00 €

32001

Dokumentenpauschale (s/w)

564,30 €

32002

Dokumentenpauschale (Datei)

47,20 €

32004

Post und Telekommunikationsentgelte

47,60 €

32011

Auslagen Einsicht Handelsregister

67,50 €

Netto-Gesamtsumme

7.956,60 €

32014

19 % Umsatzsteuer

1.511,75€

Rechnuhgsbetrag

9.468,35 €

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner 1/4 und die Antragsgegnerin 3/4. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen die Kostenrechnungen der Antragsgegnerin vom 28.05.2017, ergänzt durch die Kostenrechnungen vom 18.12.2019, in Höhe von 36.427,80 €, die diese für Beurkundung eines „Investment und Shareholders' Agreements“ (d.h. eines „Anlage- und Gesellschaftervertrags“) in englischer Sprache stellte, welches zum einen eine Kapitalerhöhung bezüglich der Antragstellerin zu 7 und zum andern Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern, insbesondere Optionsvereinbarungen enthält. Insoweit wird auf die beglaubigte Übersetzung des Vertrags in Anlage zum Schriftsatz der Antragsteller vom 20.04.2020 verwiesen. Dabei legte die Antragsgegnerin einen Geschäftswert von 11.621.000 € (Kapitalerhöhung: 825.000 €, sonstige Vereinbarungen: 10.796.000 €) zu Grunde.
2
Die Antragsteller sind der Ansicht, dass der Geschäftswert nur 825.000 € beträgt.
3
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die oben genannnten Kostenrechnungen und den angefochtenen Beschluss des Landgerichts Bezug genommen.
4
Das Landgericht wies mit Beschluss vom 03.03.2020 den Antrag zurück.
5
Gegen diesen am 6./7.03.2020 zugestellten Beschluss legten die Antragsteller noch im März 2020 formgerecht Beschwerde ein.
II.
6
Die zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet.
7
1. Der Antragsgegnerin steht nur der im Tenor ausgewiesene Betrag zu, da nur ein Geschäftswert von 1.650.000 € zu Grunde zu legen ist.
8
a) Bezüglich der Beurkundung der Kapitalerhöhung mit Agio (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 26.02.2018 - 32 Wx 405/17 Kost = JurBüro 2018, 424 = NJW-RR 2018, 668) ist der Ansatz eines Geschäftswerts von 825.000 € nicht zu beanstanden. Auch die Antragsteller erheben hiergegen keine Einwendungen.
9
b) Zu Recht haben die Antragsgegnerin und das Landgericht die Kapitalerhöhung und die so genannten Optionsvereinbarungen unter den Gesellschaftern als verschiedene Beurkundungsgegenstände im Sinne des § 86 GNotKG angesehen. Der Geschäftswert für die „Optionsvereinbarungen“ ist daher zu dem Geschäftswert für die Beurkundung der Kapitalerhöhung nach § 31 Abs. 1 GNotKG zu addieren.
10
c) Bei der Bewertung dieser zusätzlichen Vereinbarung ist, da alle Anteile betroffen sind, der Wert aller Anteile an der Antragstellerin zu 7 maßgebend, deren Wert nach § 54 Satz 1 GNotKG mangels Vorliegens von Anhaltspunkten für die Anwendung von dessen Satz 2 und 3 zu bestimmen ist. Diese Vorschrift bestimmt, dass sich der Wert nach dem Eigenkapital im Sinne von § 266 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs, das auf den jeweiligen Anteil oder die Beteiligung entfällt, bemisst, wenn keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften bestehen. Diese Anhaltspunkte können sich aus dem Inhalt des Geschäfts, den Angaben der Beteiligten, den amtlich bekannten Tatsachen und den offenkundigen Tatsacher ergeben (vgl. § 46 Abs. 2 GNotKG). Nach der Anlage 1 des Schriftsatzes der Beschwerdegegnerin vom 04.09.2019 wurde nicht mitgeteilt, dass die Gesellschaft vor der Investition bereits einen Wert von ca. 10.000.000 € aufweist. Trotz des Hinweises des Berichterstatters in der Verfügung vom 03.04.2020 wurde auch keine konkrete andere Mitteilung oder Erkenntnisquelle für die Angabe der Pre-Money-Bewertung in der Präambel des Vertrages in Höhe von 10.000.000 € genannt. Damit verbleibt als einzelner Anhaltspunkt, dass die Summe von der jeweils von den einzelnen Gesellschaftern zu leistenden Einlage und des in die Kapitalrücklage zu zahlenden Betrages jeweils geteilt durch die Beteiligungsquote ca. 10 Mio. € ergibt. Der Antragsgegnerin ist sicher zuzugeben, dass diese (rein) internen Wertverhältnisse meist ein ausreichender Anhaltspunkt für den Wert des Unternehmens und daher auch der Anteile sind, da ein Kaufmann wirtschaftlich handelt und deshalb für einen Anteil nicht über Wert bezahlt. Dies gilt jedoch nicht ohne Weiteres für ein eine neue Technologie entwickelndes Unternehmen - wie es hier gegeben ist, bei dem bei den Anlegern in besonderen Maße das Prinzip Hoffnung gilt. In diesen Fällen existiert auch meist kein objektiver Vergleichswert, vielmehr beruht die interne Einschätzung der betroffenen Gesellschafter auf Visionen bzw. auf ihrem eigenen rein subjektiven Vertrauen in die Fähigkeiten des Gründers. Allerdings können die Geldzuflüsse Anhaltspunkte liefern, da sie zumindest vorübergehend den Wert erhöhen, so dass für die Beurkundung der Wert der sonstigen Vereinbarungen den Geschäftswert um 825.000 € erhöht. Da die Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern umfassend war und sich nicht auf die in § 50 Nr. 1, § 51 GNotKG genannten Vereinbarungen beschränkte, war auch der volle Wert anzusetzen.
11
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 130 Abs. 3 GNotKG, §§ 80, 81, 84 FamFG. Die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller war nach billigem Ermessen nicht veranlasst (§ 130 Abs. 3 GNotKG, § 81 Abs. 1 FamFG).
12
3. Die trotz § 129 Abs. 2 GNotKG nach § 70 Abs. 1 FamFG zulassungsbedürftige Rechtsbeschwerde (Hartmann Kostengesetze 47. Aufl. § 129 GNotKG Rn. 10; Korintenberg/Sikora GNotKG 19. Aufl. § 129 Rn. 17; Fackelmann/Heinemann GNotKG § 129 Rn. 33; Bormann/Dien/Sommerfeld/Neie GNotKG § 129 Rn. 34; Rohs/Wedewer GNotKG Stand Dezember 2016 § 129 Rn. 64, 68) war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen. Die Zulassungsbedürftigkeit der Rechtsbeschwerde folgt aus § 129 Abs. 2 KostO, § 70 Abs. 1 FamFG. Zwar bestimmt § 129 Abs. 2 GNotKG, dass die Rechtsbeschwerde stattfindet, doch wird dadurch nur bestimmt, dass die Vorschriften über die Rechtsbeschwerde Anwendung finden; anders als § 70 Abs. 3 FamFG enthält § 129 Abs. 2 GNotKG nicht den Zusatz „ohne Zulassung“.
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4. Eine Geschäftswertfestsetzung war nicht veranlasst, da die Gebühr nach VV-Nr. 19110 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GNotKG eine Festgebühr ist und nach § 33 Abs. 1 RVG der sich vorliegend nach § 23 Abs. 1 RVG, § 61 GNotKG bemessende Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nur auf Antrag festzusetzen ist.