Titel:
Zweitantrag nach Durchführung eines Asylverfahrens in Frankreich
Normenketten:
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1d
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 71a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Die aktuelle Corona-Pandemie-Situation lässt eine Überstellung nach Frankreich nicht tatsächlich und rechtlich unmöglich erscheinen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dublin-III-Verfahren, Abschiebungsanordnung, Frankreich, vorheriges Asylverfahren in Deutschland, Corona-Pandemie, SARS-CoV2-Virus, behördliche Aussetzung der Vollziehung, Unterbrechung der Überstellungsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2020, 13915
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. Januar 2020, der im Zuge eines Dublin-Verfahrens mit dem Rückführungszielland Fr. ergangen ist.
2
Die Kläger sind nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige christlicher Konfession und dem Volk der Yoruba zugehörig. Die Kläger zu 1. und 2. sind miteinander verheiratet und die Eltern des Klägers zu 4. Die Klägerin zu 2. ist darüber hinaus nach eigenen Angaben die Mutter der Klägerin zu 3. Der Kläger zu 4. wurde im Jahr 2016 in D. geboren. Die Kläger haben bereits in der Bundesrepublik D. im Zeitraum 2016/2017 ein Asylverfahren durchlaufen. Aus den beigezogenen Aktenvorgängen des Bundesamtes (Az. … die Kläger zu 1., 2. und 4. betreffend sowie Az. …die Klägerin zu 3. betreffend) ist zu entnehmen, dass die Kläger in jenem Verfahren angaben, ihr Heimatland über L. verlassen und mittels Schlauchboot in It. eingereist und sodann nach einem Aufenthalt dort von einem Monat weitergereist und gemeinsam am 12. Oktober 2015 erstmals in die Bundesrepublik D. eingereist zu sein. Ein Übernahmeersuchen an It. nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) aufgrund einer EURODAC-Treffermeldung für die Kläger zu 1. und 2. blieb nach Aktenlage unbeantwortet. In der Folge vermerkte das Bundesamt, dass das Stellen eines Aufnahmeersuchens nicht mehr möglich sei, da die Frist gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO bereits abgelaufen sei. Das Bundesamt erließ für die Kläger sodann Bescheide im nationalen Verfahren und lehnte die Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten ab. Diese Bescheide wurden nach erfolglosen gerichtlichen Verfahren im November 2017 bzw. Januar 2018 bestandskräftig. Ein Vollzug der Abschiebungsandrohungen nach N. ist nach Aktenlage des Bundesamtes nicht festzustellen.
3
Am 11. November 2019 reisten die Kläger erneut in das Bundesgebiet ein und stellten am 19. November 2019 erneut Asylanträge. In den Befragungen gab der Kläger zu 1. an, die Familie habe sich nach Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens nicht in ihrem Heimatland aufgehalten, sondern das Bundesgebiet nach Fr. verlassen. Dort seien sie von den Behörden angewiesen worden, nach D. zurückzukehren. Der Kläger zu 4. leide an Asthma und müsse regelmäßig medizinische betreut werden. Daher seien sie dann nach D. zurückgekehrt. Mit ihrer Weiterreise nach Fr. seien sie damals einer Abschiebung zuvorgekommen. Die Kläger legten im hier gegenständlichen Folgeverfahren dem Bundesamt Dokumente in französischer Sprache einer Frau Dr. …, … vor, von denen das Bundesamt keine Übersetzung anfertigen ließ.
4
Aufgrund einer Abfrage in der EURODAC-Datenbank, die für die Kläger zu 1. und 2. einen Treffer in Fr. mit Datum der Abgabe der Fingerabdrücke am 26. Februar 2018 und Stellung von Asylanträgen ebenda ergab, ersuchte das Bundesamt die Republik Fr. am 12. Dezember 2019 um Wiederaufnahme der Kläger unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. b) Dublin III-VO. Aufgrund einer Rückfrage der französischen Behörden am 13. Dezember 2019 zur Person des Klägers zu 4. teilte das Bundesamt am 16. Dezember 2019 gegenüber der Republik Fr. mit, dass das Wiederaufnahmeersuchen sich auch auf den Kläger zu 4. beziehe. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 akzeptierten die französischen Behörden das Wiederaufnahmeersuchen unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO.
5
In der weiteren Folge gelangte ein vorläufiger Arztbrief des Klinikums …, Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche vom 8. Januar 2020 zur Bundesamtsakte. Darin wird zum Kläger zu 4. berichtet. Unter dem Punkt Diagnose(n) ist aufgeführt: Interstitielle Pneumonie, V.a. Infext exazerbiertes Asthma bronchiale. Zum klinischen Verlauf und der Empfehlung ist im Wesentlichen aufgeführt, der vorgestellte drei Jahre alte Junge befinde sich in einem deutlich reduziertem Allgemein- und gutem Ernährungszustand. Der Verdacht einer interstitiellen Pneumonie habe sich bestätigt und sei antibiotisch behandelt worden. Unter der weiteren Therapie sei es zu einer raschen Besserung des Allgemeinzustandes sowie der respiratorischen Situation gekommen. Komplikationen seien nicht aufgetreten und ein Bedarf an zusätzlicher Sauerstoffgabe habe zu keiner Zeit bestanden. Der Patient habe spontan entfiebert. Es werde eine klinische Verlaufskontrolle und Fortsetzung der Inhalations- und Antibiotikatherapie empfohlen.
6
Am 13. Januar 2020 hörte das Bundesamt die Kläger zu 1. und 2. an. Hierbei gaben die Kläger an, sie hätten in Fr. Asylanträge gestellt, die erfolglos geblieben seien. Dagegen hätten sie nicht geklagt. Die Kläger zu 1. und 2. hätten 2014 in N. geheiratet. Für den Kläger zu 4. liege eine Vaterschaftsanerkennung vor. Der Kläger zu 1. habe in D. noch einen weiteren Sohn. In D. lebe ein Bruder des Klägers zu 1., der älter sei und in … wohne. In Fr. hätte sich nach der ablehnenden Asylentscheidung dort niemand mehr richtig um sie gekümmert. Wegen der Erkrankung des Klägers zu 4. seien sie wieder nach D. zurückgekehrt. Eine Beschwerde bei der Präfektur in Fr. habe nichts gebracht. Dort habe man sie auf D. verwiesen.
7
Unter dem 14. Januar 2020 erließ das Bundesamt den angegriffenen Bescheid. Die Anträge wurden als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1.). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.). Die Abschiebung der Kläger nach Fr. wurde angeordnet (Ziffer 3.) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG erstmals auf zehn Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.). Hinsichtlich der Gründe und Feststellungen wird auf den Bescheid verwiesen. Der Bescheid wurde den Klägern zu 1. und 2. am 22. Januar 2020 gegen Empfangsbestätigung in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung Zirndorf bekanntgegeben.
8
Die Kläger zu 1. und 2. erhoben gemeinsam für sich und ihre Kinder am 23. Januar 2020 zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes und stellten einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Eine Klagebegründung erfolgte nicht, sondern wurde angekündigt. Bislang ist eine solche schriftliche Begründung bei Gericht nicht eingegangen.
9
Die Kläger haben beantragt,
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2020 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nac60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
10
Die Beklagte äußerte sich mit Schriftsatz vom 28. Januar 2020 und beantragte,
11
Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe.
12
Der Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Az. AN 17 S 20.50045) wurde mit Beschluss des Einzelrichters vom 3. März 2020 abgelehnt.
13
Mit weiterem Beschluss der Kammer vom 12. März 2020 wurde der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung in der Hauptsache auf den Einzelrichter übertragen.
14
Mit Schriftsatz vom 14. April 2020 teilte das Bundesamt mit, dass der Vollzug der Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO im Hinblick auf die Auswirkungen der derzeit bestehenden Corona-Pandemie ausgesetzt werde. Diese Erklärung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere der Historie der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten des Bundesamtes sowie für den Gang der am 15. Juni 2020 stattgefundenen mündlichen Verhandlung auf die dazu gefertigte Niederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
16
Der zuständige Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung über die Rechtssache verhandeln und entscheiden, weil die Beteiligten auf diesen Umstand mit der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden waren (§ 102 Abs. 2 VwGO).
17
Die Klagen sind zulässig erhoben worden, inhaltlich aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klagen waren daher abzuweisen.
18
Der Einzelrichter macht zunächst von der ihm nach § 77 Abs. 2 AsylG eingeräumten Befugnis Gebrauch und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da er dem angegriffenen Bescheid inhaltlich folgt. Die Kläger haben im bisherigen gerichtlichen Verfahren gegenüber ihren Erklärungen vor dem Bundesamt keine neuen Tatsachen vorgetragen und auch nicht die mündliche Verhandlung zu einer Konkretisierung ihrer Klagen genutzt.
19
Ergänzend ist auszuführen, dass der hier streitgegenständliche Bescheid sich nach Überzeugung des Einzelrichters auch nicht vor dem Hintergrund der vormals durch die Beklagte getroffenen Entscheidung im nationalen Verfahren mit der Ablehnung der Anträge auf Asylanerkennung und Zuerkennung subsidiären Schutzes als rechtswidrig erweist. Zwar führte der unanfechtbare Abschluss jenes Vorgängerverfahrens dazu, dass die Zuständigkeitsfrage nach der Dublin III-VO nicht mehr aufgeworfen wird, da die Kläger - unwiderlegt - nach eigenen Angaben das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten der Dublin III-VO seitdem nicht für eine Dauer von mehr als drei Monaten verlassen haben (vgl. Art. 18 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO). Die von den Klägern vorgenommene freiwillige Ausreise nach Fr. und dortige erneute Asylantragstellung hätte vielmehr der Republik Fr. Anlass geben können, die Beklagte um Wiederaufnahme der Kläger nach Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO zu ersuchen. Auch soll im europäischen gemeinsamen Asylverbund im Anwendungsbereich der Dublin III-VO die Zuständigkeitsfrage grundsätzlich nur einmal aufgeworfen und abschließend behandelt werden, insbesondere, um sog. „Ping-Pong“-Zuständigkeiten zu vermeiden (vgl. ausführlich: VG München, B.v. 16.5.2019 - M 9 S 18.52510 - BeckRS 2019, 9566). Damit handelte es sich bei allen weiteren Asylanträgen der Kläger um sog. Folgeanträge im Sinne des Art. 33 Abs. 2 lit. d) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrens-RL), hinsichtlich derer das deutsche Asylverfahrensrecht wiederum zwischen Folge- und Zweitantrag unterscheidet (§§ 71, 71a AsylG).
20
Die vorliegende Konstellation eines „europäischen“ Folgeantrages zeichnet sich jedoch durch den Umstand aus, dass die Republik Fr. kein Wiederaufnahmeersuchen an die Beklagte gerichtet hatte, sondern - auch insoweit werden die unwidersprochenen Ausführungen der Kläger zugrunde gelegt - eine eigene Entscheidung über die Asylanträge der Kläger, die diese in Fr. gestellt hatten, getroffen hat. Zwar sind die näheren Umstände dieses Entscheidungsprozesses und auch der Inhalt der Entscheidung der französischen Behörden nicht näher bekannt und auch durch das Bundesamt nicht näher aufgeklärt worden. Ungeachtet dessen ist unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags anzunehmen, dass den französischen Behörden gleichwohl die ursprüngliche Zuständigkeit der Bundesrepublik D. bekannt war, da sie die Kläger auf die Rückkehr nach D. verwiesen haben. Dass insoweit dann durch die französischen Behörden trotzdem eine Entscheidung über die Asylanträge getroffen wurde, ohne, dass es zu einem Wiederaufnahmegesuch gegenüber der Beklagten gekommen war, ist insoweit nur mit einem Selbsteintritt Fr.s (Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) erklärbar, auch, wenn sich ein solcher Selbsteintritt entgegen Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 Dublin III-VO nicht im EURODAC-Datenbanksatz für die Kläger abgebildet hat. Dafür spricht letztlich auch die von den französischen Behörden in ihrer Antwort an das Bundesamt auf dessen Wiederaufnahmegesuch angegebene Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO, wonach der zuständige Staat verpflichtet ist, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, unter den dort weiter bezeichneten Voraussetzungen wiederaufzunehmen. Damit hat die Republik Fr. ihrerseits die Verantwortlichkeit für die abschließende Entscheidung über den Folgeantrag der Kläger übernommen, so dass sich nach Überzeugung des Gerichts hieran auch ein neues Wiederaufnahme-Verfahren nach der Dublin III-VO anschließen konnte. Der dann von den Klägern nach ihrer Wiedereinreise in die Bundesrepublik D. gestellte weitere Asylantrag, über den das Bundesamt mit hier klagegegenständlichem Bescheid im Sinne einer Unzulässigkeit befunden hat, wäre demnach nicht mehr als Folgeantrag im Sinne de§ 71 AsylG - bezogen auf den unanfechtbaren Abschluss ihres ersten Asylverfahrens in den Jahren 2016/2017 -, sondern als Zweitantrag nach § 71a Abs. 1 AsylG zu behandeln, für den sich ausweislich des Gesetzeswortlauts zunächst die Zuständigkeitsfrage für die Beklage richtigerweise erneut stellte (vgl. auch: BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 - ZAR 2017, 236).
21
Fr. hat sich zur Wiederaufnahme der Kläger auch bereit erklärt.
22
Auch die aktuelle Corona-Pandemie-Situation lässt eine Überstellung der Kläger nach Fr. nicht tatsächlich und rechtlich unmöglich erscheinen. Zwar war die Republik Fr. innerhalb der Europäischen Union mit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen und hatte nach offizieller Zählung immerhin 29.410 Todesfälle bei 194.153 gemeldeten Infiziertenfällen im direkten Zusammenhang mit dem SARS-CoV2- Virus zu verzeichnen (John-Hopkins-Universität, https:// ... Stand: 15.06.2020). Zwischenzeitlich wurde das öffentliche Leben in Fr. jedoch wieder weitgehend normalisiert und sind insbesondere Grenzübertritte von D. nach Fr. ohne größere Besonderheiten möglich (vgl. Auswärtiges Amt, Reise- und Sicherheitshinweise zu Fr., abrufbar unter: https:// ... Stand: 15.06.2020). Überdies ist die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit dem Corona-Virus in Fr. bei weitem nicht im Bereich eines „real risk“ bzw. einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzusiedeln. Die Ansteckungsgefahr unterscheidet sich allenfalls unwesentlich von der in D.. Auch in Fr. ist unter Zugrundelegung der Zahlen der John-Hopkins-Universität insgesamt nur ein geringer Bevölkerungsanteil Virusträger und damit potentiell ansteckend. Für eine Ansteckung besteht bei Einhaltung der in Fr. angeordneten Einschränkungen nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, jedenfalls eine kaum höhere Wahrscheinlichkeit als in D.. Im Übrigen ist auch im Falle einer Infizierung des Klägers zu 5. mit dem Virus die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs angesichts seines Alters und unter Zugrundelegung des Ergebnisses des ärztlichen Entlassungsberichtes des Klinikums … zu Art und Verlauf der mitgeteilten Erkrankung und der Besserung des Allgemein- und Gesundheitszustandes nicht besonders hoch, so dass die Gefahrenschwelle des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG („erhebliche konkrete Gefahr“) bei weitem nicht erreicht ist. Im Übrigen steht einem Abschiebungshindernis die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG entgegen. Bei allgemeinen Gefahren kann ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht angenommen werden, sondern ist gegebenenfalls eine Aussetzung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 AufenthG notwendig. Ein Ausnahmefall im Sinne einer verfassungswidrigen Schutzlücke (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 32 m.w.N.) liegt nicht vor. Eine hohe Wahrscheinlichkeit bei Vorliegen einer extremen Gefahrenlage ist in Fr. - wie dargelegt - nicht gegeben.
23
Die Erklärung des Bundesamts im Schriftsatz vom 14. April 2020, dass derzeit keine Überstellungen durchgeführt werden bzw. nicht vertretbar erscheinen und die Vollziehung der Abschiebungsanordnung deshalb ausgesetzt werde, begründet selbst auch keine Unmöglichkeit der Abschiebung, da die Aussetzung jederzeit widerrufen bzw. beendet werden kann, was sich die Beklagte ja auch ausdrücklich vorbehalten hat. Für den vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die behördliche Aussetzung der Vollziehung zu einer Verlängerung des vom Gericht zugrunde gelegten Prognosezeitraums von sechs Monaten, innerhalb derer die Überstellung nach Fr. voraussichtlich erfolgen wird (vgl. grundlegend dazu die Kammerrechtsprechung: VG Ansbach, B.v. 25.5.2020 - 17 S 20.50147 - BeckRS 2020, 11994 dort. Rn. 39 f.), führt, weil eine behördliche Aussetzung die Unterbrechung der Überstellungsfrist bewirken kann (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 8.1.2019 - 1 C 16/18 - juris) und es damit im Falle einer rechtmäßigen Aussetzung gerechtfertigt sein könnte, für die Prognose sogar den so verlängerten Überstellungszeitraum heranzuziehen. Im hier zu entscheidenden Fall ist die sechsmonatige Überstellungsfrist seit der Zustellung des Beschlusses des Gerichts im Verfahren AN 17 S 20.50045 bei weitem noch nicht abgelaufen, so dass es auf Fristunterbrechungen nicht ankommt. Die Überstellung der Kläger steht im Zeitpunkt nach § 77 Abs. 1 AsylG damit fest im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
24
Die Klage war im Ergebnis mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, wobei Gerichtskosten nach § 83b AsylG nicht erhoben werden.