Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 15.05.2020 – W 10 K 19.671
Titel:

Keine Erhöhung der Weiterbildungsbefugnis für Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie"

Normenketten:
BayHKaG Art. 31 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, Art. 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
BayWBO § 5 Abs. 5, § 6 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Einem Arzt kann die Erhöhung einer sechsmonatigen Weiterbildungsbefugnis für die Zusatz-Weiterbildung "Spezielle Schmerztherapie" auf zwölf Monate nicht erteilt werden, wenn er nicht über die an eine geeignete Weiterbildungsstätte für den vollen Zeitraum der Weiterbildung in der einschlägigen Zusatzbezeichnung gestellten strukturellen Voraussetzungen verfügt (hier: keine Anwendung multimodaler Schmerztherapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit in der Praxis bzw. fehlende erforderliche personelle Ausstattung). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für die Erteilung der Weiterbildungsbefugnis maßgeblichen Vorschriften der Weiterbildungsordnung sind von der Satzungsermächtigung in Art. 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BayHKaG gedeckt und im Übrigen mit höherrangigem Recht vereinbar. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsrecht der Ärzte, Weiterbildungsbefugnis, Zusatzbezeichnung Spezielle, Schmerztherapie, Weiterbildungsordnung der Bayer. Landesärztekammer, Weiterbildungsinhalte nach Abschnitt C Nr. 41, multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit, Satzungsermessen, Erhöhung, Zusatzbezeichnung, spezielle Schmerztherapie, Weiterbildungsordnung, Weiterbildungsinhalt, Ermächtigungsgrundlage
Fundstelle:
BeckRS 2020, 13786

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erteilung einer zwölfmonatigen Weiterbildungsbefugnis in der ärztlichen Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“.
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1. Der am … … 1953 geborene Kläger ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin mit den Zusatzbezeichnungen „Chirotherapie“, „Manuelle Medizin“, „Akupunktur“, „Sportmedizin“ und „Spezielle Schmerztherapie“.
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Am 26. April 2014 wurde dem Kläger eine Weiterbildungsbefugnis von sechs Monaten in der Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ auf der Grundlage der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 (im Folgenden: WBO) befristet bis zum 26. April 2016 erteilt. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 27. Mai 2015 eine Erhöhung der Weiterbildungsbefugnis auf zwölf Monate. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14. September 2015 gewährte die Beklagte dem Kläger nach Einholen der Stellungnahmen mehrerer Fachberater erneut die Befugnis zur Weiterbildung im Umfang von sechs Monaten. Eine Erhöhung der Weiterbildungsbefugnis auf zwölf Monate wurde jedoch nicht ausgesprochen.
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2. Mit Schreiben vom 24. September 2018, bei der Beklagten eingegangen am 26. September 2018, stellte der Kläger unter Beifügen bzw. Nachreichen entsprechender Unterlagen wiederum einen Antrag auf uneingeschränkte zwölfmonatige Weiterbildungsbefugnis in der Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“.
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Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger unter anderem aus, die in den Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung geforderten Erfahrungen und Fertigkeiten würden in seiner Praxis vermittelt. Die Leistungsinhalte der Ziffern 30700, 30702, 35100 und 35110 würden bei über 600 Patienten im Quartal seit vielen Jahren erfüllt. Die von einem Weiterbildungsassistenten nachzuweisenden Richtzahlen von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren könnten in seiner Praxis problemlos erreicht werden. Seine Praxis sei auch von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) als schmerztherapeutische Einrichtung anerkannt. Er habe in seiner Region maßgeblich daran mitgewirkt, ein dichtes Netzwerk der kollegialen Kooperation von Schmerztherapeuten mit den niedergelassenen Ärzten aller Fachrichtungen - unter anderem mit Kliniken, Pflegediensten, Physiotherapeuten und natürlich auch ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten - zu entwickeln. Problemfälle würden in der Regel in Einzelgesprächen telefonisch erörtert und komplexere Fälle in einer von ihm in Zusammenarbeit mit einem Orthopäden und Algesiologen moderierten Schmerzkonferenz vorgestellt. Diese Schmerzkonferenz und der anschließende Qualitätszirkel Schmerztherapie und Palliativmedizin, in dem anhand von Vorträgen neueste wissenschaftliche Entwicklungen in der Schmerztherapie diskutiert würden, finde alle vier Wochen statt. Hieran nähmen Hausärzte, Schmerztherapeuten, Fachärzte aus allen relevanten Disziplinen, leitende Ärzte von regionalen stationären schmerztherapeutischen Einrichtungen, Physiotherapeuten und auch Psychotherapeuten teil. Die Integration von Psychotherapeuten in ein Schmerztherapeutenteam sei im klinischen Bereich durchaus üblich. Im ambulanten Bereich würden die meisten Schmerztherapeuten diesen Weg jedoch nicht wählen. Nach seiner Auffassung gebe es derzeit nicht genügend Daten, um deren Einfluss auf den Verlauf bei Patienten mit chronischen Schmerzen abschließend beurteilen zu können. Konsequenterweise werde die obligate Existenz eines Psychotherapeuten in einem Schmerzteam in der Weiterbildungsordnung auch nicht gefordert. Neuere Metaanalysen zeigten überdies, dass der Effekt psychotherapeutischer Behandlungen massiv überschätzt werde. Es gebe keine empirischen Belege für die Wirksamkeit von psychologischen Behandlungen im Schmerzmanagement. Auch für die Effizienz der sogenannten „multimodalen Behandlung“, bei der eine Behandlung in einem Team von Schmerztherapeut, Psychotherapeut, Physiotherapeut erfolge, gebe es nach einer neuen Metaanalyse wenig Belege. Demgegenüber werde in seiner Praxis eine multimodale und multidisziplinäre Schmerztherapie durchgeführt, so dass die Weiterbildungsinhalte einer Zusatz-Weiterbildung in der Speziellen Schmerztherapie uneingeschränkt und in vollem Umfang gewährleistet seien.
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3. Nach mehrfacher Einholung der Stellungnahmen der Fachberater, Dr. med. B* … und Dr. med. M* …, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erhöhung der bisherigen Weiterbildungsbefugnis auf volle zwölf Monate mit Bescheid vom 13. Mai 2019, der dem Kläger am 14. Mai 2019 zugestellt wurde, ab.
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Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, nach den von dem Kläger eingereichten Unterlagen und unter Berücksichtigung der Häufigkeitsstatistiken der KVB müsse nach fachlicher Prüfung festgestellt werden, dass im Leistungsspektrum Einschränkungen bestünden, die eine höhere Weiterbildungsbefugnis nicht ermöglichten. Es sei ersichtlich, dass der Kläger als Allgemeinarzt ein besonderes Interesse für die Schmerztherapie zeige. Das schmerztherapeutische Leistungsspektrum umfasse vorwiegend interventionelle, beispielsweise chirotherapeutische Eingriffe an der Wirbelsäule (EBM - Einheitlicher Bewertungsmaßstab - 30201) oder Injektionsbehandlungen, Akupunktur (EBM 30791) sowie Anleitung des Patienten zur Selbstanwendung der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS, EBM 30791). Diese Leistungen würden durch den Kläger alleine ohne die Mitarbeit ärztlicher Kollegen oder Therapeuten durchgeführt. Die Psychosomatik-Ziffer (35110) sei nur selten abgerechnet worden. Die Angaben des Klägers, die Abrechnungsposition 30702 entspreche einer psychosomatischen Ziffer, treffe nicht zu. Die Ziffer 35110 fordere „die verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen mit einer Gesprächszeit von mindestens 15 Minuten“. Angesichts der ungewöhnlich hohen Zahl an Schmerzpatienten mit etwa 600 pro Quartal bleibe realistisch keine Zeit für längere Gespräche im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung. Der Kläger habe im Rahmen seines Schreibens vom 24. September 2018 die Wirksamkeit von psychologischen Verfahren bei der Behandlung von chronischen Schmerzen sowie den hohen Empfehlungsgrad der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) infrage gestellt. Nach Ansicht des die Beklagte beratenden Fachgremiums gebe es derzeit aber kein Verfahren, das beim chronifizierten Schmerz eine entsprechende Evidenz besitze wie die IMST. Daher müsse bei der Weiterbildung zum Schmerztherapeuten ein Teil der Weiterbildung in einer interdisziplinär arbeitenden Einrichtung erfolgen. Dies könne in der Praxis des Klägers aber nicht umfassend durchgeführt werden, da dort insbesondere kein Psychologe mitarbeite. Dies könne auch nicht durch eine Überweisung zur Mit- oder Weiterbehandlung ausgeglichen werden. Auch die interdisziplinäre Kooperation mit zuweisenden Ärzten oder Kollegen anderer Fachgebiete sei nicht ausreichend. Wesentlicher Weiterbildungsinhalt der Speziellen Schmerztherapie sei die Auseinandersetzung mit der Diagnostik und Therapie chronischer Schmerzen auf der Grundlage eines biopsychosozialen Krankheitsmodells. Eine Behandlung, die dieser Komplexität gerecht werde, könne nur durch ein interdisziplinäres Team erfolgreich erfolgen. Zentraler Inhalt der Weiterbildung sei das Erlernen der Behandlung chronischer Schmerzen. Hierbei sei die IMST unabdingbar, da die Arbeit in der IMST und in einem interdisziplinären Behandlungsteam Voraussetzung für eine qualifizierte und erfolgreiche Behandlung chronischer Schmerzpatienten sei. Zudem seien der Zubilligung einer vollen Weiterbildungsbefugnis Struktur-, Prozess- und Qualitätskriterien zu Grunde zu legen, wie sie auch in dem Logbuch für die Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ hinterlegt seien. Hier fänden sich eindeutig Inhalte, die nur unter Zuhilfenahme von Psychologie und Psychotherapie erbracht und nicht durch den Kläger alleine gewährleistet werden könnten.
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4. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Juni 2019, eingegangen am 6. Juni 2019, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg.
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Der Kläger b e a n t r a g t:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Mai 2019 verpflichtet, dem Kläger die am 8. Oktober 2018 beantragte uneingeschränkte zwölfmonatige Weiterbildungsbefugnis in der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Schmerztherapie (WBO 2004) zu erteilen.
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Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, das Hauptargument der Beklagten sei, dass die in dem Logbuch für die Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ hinterlegten Inhalte nur unter Zuhilfenahme von Psychologie und Psychotherapie erbracht werden könnten. Die Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie stelle jedoch klar, welche Qualifikationen von der Kassenärztlichen Vereinigung für anerkannte Schmerztherapeuten gefordert würden. Hier heiße es, die eingehende Beratung des Patienten und die gemeinsame Festlegung der Therapieziele sowie Vermittlung biopsychosozialer Zusammenhänge und von Schmerzbewältigungsstrategien gehöre ebenso zur Basisqualifikation eines niedergelassenen Schmerztherapeuten wie die Koordination und Einleitung von psycho- und physiotherapeutischen Maßnahmen. Diese Behandlungsverfahren seien nicht delegationsfähig. Diese Leistungsinhalte gehörten also eindeutig in den Qualifikationsbereich eines Schmerztherapeuten und dürften überhaupt nicht an einen Psychotherapeuten oder Psychologen delegiert werden. Die persönliche Kompetenz des Klägers für die psychosomatische Diagnostik resultiere bereits aus seiner langjährigen Tätigkeit als Facharzt für Allgemeinmedizin. Grundvoraussetzung für die Zulassung zu einer Facharztprüfung in der Allgemeinmedizin sei der Nachweis der Weiterbildung in der psychosomatischen Grundversorgung. Die Erstellung einer standardisierten Schmerzanamnese mit differentialdiagnostischer Abklärung psychosomatischer Aspekte sei die Basis des gesamten ambulanten schmerztherapeutischen Vorgehens, ohne die die Ziffern 30700 (Grundpauschale für einen Patienten im Rahmen der Versorgung gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nach § 135 Abs. 2 SGB V - QV-S -) und 30702 (Zusatzpauschale für die Versorgung gemäß der QV-S) nicht abrechenbar wären. Während die Ziffer 35100 (differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände) bereits in Ziffer 30702 inkludiert sei, werde der Leistungsinhalt der Ziffer 35110 (verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen) als Weiterbildungsinhalt in der Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ überhaupt nicht gefordert. Das therapeutische Gespräch beinhalte neben psychosomatischen Aspekten auch noch viele andere Themenbereiche, für die in seiner Praxis die Ziffer 30708 (Beratung und Erörterung und/oder Abklärung im Rahmen der Schmerztherapie) zum Ansatz komme. Die Aspekte der psychosomatischen Grundversorgung würden also durch den Leistungsinhalt der Ziffern 30702 und 30708 repräsentiert. Die klinische Diagnose „chronischer Schmerz“ sei ohne psychische Begleiterkrankung keine Indikation für eine durch die gesetzlichen Kassen erstattete Psychotherapie. Psychotherapeutische Leistungen seien nur erstattungsfähig, soweit und solange eine seelische Krankheit vorliege. Die dieser seelischen Erkrankung zugrundeliegenden Diagnosen könnten bereits durch den betreuenden Hausarzt, durch einen konsultierten Psychiater, spätestens aber durch den niedergelassenen Schmerztherapeuten gestellt werden. Im Übrigen werde die Wirksamkeit von psychologischen Behandlungen zur Schmerztherapie überbewertet und unterstützende empirische Beweise seien schwach. Es sei notwendig, den etablierten Ansatz von psychologischen Interventionen zur Linderung von Schmerzen neu zu bewerten. Diese Sichtweise finde sich auch in den Kriterien, welche für die Durchführung der IMST erforderlich seien. Bei der IMST handele es sich um eine mindestens siebentägige interdisziplinäre (teil) stationäre Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen, davon eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische Disziplin, nach festgelegtem Behandlungsplan mit ärztlicher Behandlungsleitung und Teambesprechung. Die Patienten müssten mindestens drei der nachfolgenden Kriterien aufweisen: eine manifeste oder drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität und/oder der Arbeitsfähigkeit, den Fehlschlag einer unimodalen Schmerztherapie, eines schmerzbedingten operativen Eingriffs oder einer Entzugsbehandlung, eine bestehende Medikamentenabhängigkeit oder bestehenden Medikamentenfehlgebrauch und eine schmerzunterhaltende psychische oder somatische Begleiterkrankung. Bei der psychischen Begleiterkrankung müsse es sich um eine unabhängige psychische Erkrankung wie Depression oder Angststörung mit Relevanz für das Schmerzgeschehen handeln. Die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren könne nicht angeführt werden. Ein großer Teil der Patienten mit chronischen Schmerzen erfülle diese Kriterien nicht. Selbstverständlich sei der niedergelassene Schmerztherapeut auch in der Lage, psychische Begleiterkrankungen zu diagnostizieren, ein Psychologe werde nicht gebraucht. Sollte sich eine Psychotherapie als zielführend erweisen, werde der Patient an einen Psychotherapeuten vermittelt. Der Nutzen von psychotherapeutischen Behandlungen für Schmerzpatienten wie bei der IMST sei bislang aber nicht belegt. In diesem Zusammenhang seien auch die aktuellen Richtlinien für ein Management-Programm bei chronischem Rückenschmerz des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sehr aufschlussreich. Der G-BA mache deutlich klar, dass die ambulante Schmerztherapie gemäß der Schmerztherapievereinbarung den Standard der schmerztherapeutischen Versorgung in Deutschland darstelle. Von der Notwendigkeit eines Psychologen sei nicht die Rede, psychotherapeutische oder psychosomatisch ausgerichtete Maßnahmen seien nur in Abhängigkeit vom Schweregrad der psychischen Störung und eben nicht bei jedem Patienten mit chronischen Schmerzen einzuleiten. Im ambulanten Bereich sei eine IMST weder für Patienten mit Rückenschmerzen noch für Patienten mit anderen chronischen Schmerzen vorgesehen. Es fehle auch an belastbaren Beweisen für die Wirksamkeit einer IMST zur Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen. Nach den Vorgaben des SGB V sei der Standard einer ambulanten Betreuung von Schmerzpatienten die ambulante Schmerztherapie gemäß der Schmerztherapievereinbarung durch niedergelassene Schmerztherapeuten. Selbstverständlich benötigten Patienten mit chronischen Schmerzen eine kompetente Anlaufstelle: den qualifizierten Hausarzt und in schwierigen Fällen den Speziellen Schmerztherapeuten, der eine multimodale Behandlung einleite, in der Region über ein interdisziplinäres Netzwerk verfüge und den Schmerzpatienten gegebenenfalls zu ergänzender Diagnostik und Therapie weiterleite. Interdisziplinär bedeute in diesem Zusammenhang, dass verschiedene Fachdisziplinen vor Ort, aber nicht in derselben Praxis zusammenarbeiteten. Zudem betreue er in seiner Praxis über 600 Schmerzpatienten pro Quartal und sei nahezu ausschließlich schmerztherapeutisch tätig. Er habe eine bedarfsbedingte Ermächtigung durch die Krankenversicherung, die Zusatzziffer 30704 abzurechnen, was seine Praxis als schmerztherapeutische Einrichtung klassifiziere und durchaus mit großen Schmerzzentren vergleichbar mache. Alle Ausbildungsinhalte, die für die Erteilung einer vollen Weiterbildungsbefugnis in der Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ erforderlich seien, würden in seiner Praxis angeboten. Einem Auszubildenden in seiner Praxis sei eine Auseinandersetzung mit der Diagnostik und der Therapie chronischer Schmerzen auf der Grundlage eines biopsychosozialen Krankheitsmodells auf Grund des breiten diagnostischen und therapeutischen Spektrums, der großen Zahl an Patienten mit chronischen Schmerzen und der großen Vielfalt an behandelten Schmerzpatienten in besonderer Weise möglich, insbesondere, weil die Patienten kontinuierlich über eine lange Zeit betreut würden. Die Erweiterung seiner Ausbildungsermächtigung sei daher sachlich in jeder Form begründet.
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5. Die Beklagte b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholte die Beklagte zunächst die Erwägungen des streitgegenständlichen Bescheides. Ergänzend wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer höheren Weiterbildungsbefugnis. Der Kläger verfüge unstreitig über die erforderliche fachliche und persönliche Eignung. Streitig sei alleine, ob die Praxis des Klägers als Weiterbildungsstätte das Versorgungs- und Leistungsspektrum sowie die personelle und materielle Ausstattung erfülle, die für die Erhöhung der Weiterbildungsbefugnis erforderlich seien. Für die volle Weiterbildungsbefugnis sei die Mitarbeit eines Psychologen unbedingt erforderlich. In Abschnitt C Nr. 39 WBO fänden sich unter „Weiterbildungsinhalt“ eindeutig Inhalte, die nur unter Zuhilfenahme von Psychologie und Psychotherapie erbracht werden könnten, beispielsweise Assessment-Anteile der standardisierten Schmerzanamnese (1. Spiegelstrich), differentialdiagnostische Abklärung (2. Spiegelstrich), psychosomatische Diagnostik (3. Spiegelstrich) sowie Schmerzbewältigungstraining einschließlich Entspannungsverfahren (7. Spiegelstrich). Es sei deshalb unabdingbar erforderlich, dass bei der Weiterbildung zum Schmerztherapeuten ein Teil der Weiterbildung in einer interdisziplinär arbeitenden Einrichtung erfolgen müsse. Der Kläger arbeite in seiner Praxis unidisziplinär und monomodal. Mit seinem Diagnostik- und Therapiespektrum könne er daher nur einen Teil der Inhalte vermitteln, die in der Weiterbildung vermittelt werden müssten. Daraus erschließe sich die berechtigte Forderung, dass Weiterzubildende einen Teil ihrer Weiterbildungszeit in einer Institution ableisten müssten, welche die IMST vorhalte. Die IMST komme immer dann zur Anwendung, wenn eine unidisziplinäre Behandlung nicht erfolgreich gewesen sei und bei Patienten mit einem erhöhten Risiko einer fortschreitenden Chronifizierung durch Anwendung einer IMST wirksam entgegengesteuert werden müsse. Die Bedeutung der abgestuften Vorgehensweise bei der Behandlung von chronischen Schmerzen finde sich auch in den Leitlinien wieder. So werde in der aktualisierten Auflage der Nationalen Versorgungsleitlinie „Nicht spezifischer Kreuzschmerz“ aus dem Jahr 2017 die IMST als Therapieverfahren mit hohem Empfehlungsgrad aufgeführt. Es werde nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es bei der IMST nicht um Multidisziplinarität, sondern um Interdisziplinarität gehe. Eine Summe von Einzeltherapien (Multidisziplinarität) ersetze nicht die aufeinander abgestimmte, integrative Zusammenarbeit der Disziplinen (Interdisziplinarität) in der IMST. Ein monomodal arbeitender Schmerztherapeut könne nicht mit großen Schmerzzentren gleichgesetzt werden. Auch eine interdisziplinäre Kooperation mit zuweisenden Ärzten und Kollegen anderer Fachrichtungen sei nicht ausreichend. Beim Kläger liege außerdem ein gedanklicher Fehler vor, wenn er mit den Kriterien der QV-S argumentiere, da es sich bei diesen um abrechnungsrelevante Strukturen für schmerztherapeutisch niedergelassene Ärzte handele, die nicht mit der von der Beklagten erteilten Weiterbildungsbefugnis oder einer Qualifikation als vollbefugter Weiterbilder vergleichbar seien. Wenn ein ärztlicher Kollege eine Weiterbildungsbefugnis erstrebe, seien die in der WBO 2004 hinterlegten Kriterien zu berücksichtigen. Es gehe alleine um die Tatsache, ob diese Kriterien erfüllt seien. Vorliegend gehe es um das Erfordernis, die IMST als Weiterbildungsinhalt erbringen zu können, ohne deren Vorhandensein die Erteilung einer vollen Weiterbildungsbefugnis nicht möglich sei. In Abschnitt C Nr. 39 WBO werde unter „Definierte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren“ die „Multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ genannt. Hierunter verstehe das die Beklagte beratende Fachberatergremium die IMST/MMST, wie sie im tagesklinisch-ambulanten oder stationären Setting erbracht werde. Die Anforderungen für diese Behandlungsmodelle seien klar definiert und beinhalteten eindeutig das unmittelbare Zusammenwirken verschiedener Berufsgruppen. Die multimodale Schmerztherapie werde von der Deutschen Schmerzgesellschaft als gleichzeitige, inhaltlich, zeitlich und in der Vorgehensweise aufeinander abgestimmte umfassende Behandlung von chronischen Schmerzsyndromen definiert, in die verschiedene somatische, körperlich übende, psychologisch übende und psychotherapeutische Verfahren nach vorgegebenem Behandlungsplan mit identischem, unter den Therapeuten abgesprochenem Therapieziel eingebunden seien. Die Behandlung werde von einem Therapeutenteam aus Ärzten, einer oder mehrerer Fachrichtungen, Psychologen bzw. Psychotherapeuten und weiteren Disziplinen in Kleingruppen von maximal acht Patienten erbracht. Unter ärztlicher Leitung stünden die Therapieformen und Disziplinen gleichberechtigt nebeneinander. Obligat sei eine gemeinsame Beurteilung des Behandlungsverlaufes innerhalb regelmäßiger vorgeplanter Teambesprechungen unter Einbeziehung aller Therapeuten. Der genannte Inhalt sei für die Erlangung der Weiterbildungsermächtigung aus Sicht des die Beklagte beratenden Fachberatergremiums essentiell und obligat. Ansonsten sei nur eine Teil-Weiterbildungsbefugnis möglich, wie sie auch im Falle des Klägers bestehe.
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6. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. September 2019 ließ der Kläger ergänzend vorbringen, es sei vorliegend alleine streitig, ob die Praxis des Klägers das Versorgungs- und Leistungsspektrum sowie die personelle und materielle Ausstattung als Weiterbildungsstätte gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 WBO erfülle, die für die Erhöhung der seit dem 12. September 2015 bestehenden sechsmonatigen Weiterbildungsbefugnis erforderlich sei. Mit Blick auf die zugrunde gelegte Definition der Ziffer 35110 sei deren Leistungsinhalt als eindeutig therapeutisch einzuordnen. Die Häufigkeit der Abrechnung dieser Ziffer sage also nichts darüber aus, welche Rolle die psychosomatische Diagnostik bei chronischen Schmerzpatienten in der Praxis des Klägers spiele. Diese dürfe nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gar nicht mit der Ziffer 35110 abgerechnet werden. Der EBM sehe für die differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände die Ziffer 35100 vor, welche allerdings nicht gemeinsam mit der Ziffer 30702 abgerechnet werden dürfe, da der Leistungsinhalt der Ziffer 35100 eine Teilmenge der Leistungsanforderungen der Ziffer 30702 darstelle. Der Leistungsinhalt der Ziffer 35110 werde zudem im Logbuch Dokumentation der Weiterbildung gemäß der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer als Weiterbildungsinhalt in der Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ überhaupt nicht gefordert. Die Beklagte habe dem Kläger mit der Erteilung der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ bescheinigt, dass er alle Voraussetzungen erfülle, die für eine adäquate Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten erforderlich seien. Die Annahme der Beklagten, dass ausschließlich die Arbeit in einem interdisziplinären Behandlungsteam Voraussetzung für eine erfolgreiche und qualifizierte Behandlung chronischer Schmerzpatienten sei und es unabdingbar erforderlich sei, dass ein Teil der Weiterbildung in einer interdisziplinär arbeitenden Einrichtung erfolgen müsse, stehe in offensichtlichem Widerspruch zu dieser Zertifizierung. Die psychosomatische Medizin sei eine primär ärztliche Disziplin. Es handele sich hierbei um eine basale Qualifikation jedes ärztlichen Schmerztherapeuten, der selbstverständlich keiner Hilfe durch einen Psychologen bedürfe. Die Psychosomatik sei im Pflichtcurriculum des Psychologiestudiums gar nicht verankert. In der Bundesrepublik Deutschland würden zudem über 4000 niedergelassene Schmerztherapeuten ohne Mitarbeit eines Psychologen hochqualifiziert und erfolgreich arbeiten und dabei über eine Million Patienten mit chronischem Schmerz versorgen. Die Argumentation der Beklagten sei widersprüchlich und werde vom Kläger als diskriminierend empfunden. Im Gegensatz zu der Ansicht der Beklagten handele es sich bei der QV-S um eine relevante Rechtsgrundlage. Sie lege die Kriterien der adäquaten schmerztherapeutischen Versorgung rechtsverbindlich fest. Die dort aufgeführten Voraussetzungen würden in der Einrichtung des Klägers erfüllt. Die Notwendigkeit eines interdisziplinären Teams ergebe sich weder aus dem Logbuch für die Zusatz-Weiterbildung noch aus der QV-S. Da der Kläger die Berechtigung habe, die Ziffer 30704 abrechnen zu dürfen, sei die Praxis des Klägers seitens der KVB als schmerztherapeutische Einrichtung anerkannt. Hierfür müsse die Einrichtung unter anderem eine kontinuierliche interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen nachweisen. Der Kläger habe bereits ausführlich beschrieben, dass die Untersuchungs- und Behandlungsverfahren in seiner Einrichtung, wie von der WBO gefordert - im besten Sinne multimodal und interdisziplinär seien. In der WBO sei von der Notwendigkeit, mit zwei nichtärztlichen Disziplinen monolokulär und synchron zusammenzuarbeiten, wie in der IMST vorgesehen - nicht die Rede. Interdisziplinär bedeute schlichtweg das kollegiale Zusammenarbeiten mit verschiedenen ärztlichen Fachdisziplinen. Unter Multimodalität sei ein schmerztherapeutisches Konzept zu verstehen, das medikamentöse, nichtmedikamentöse, semi-invasive und gegebenenfalls auch operative und strahlentherapeutische Verfahren kombiniere. Im Übrigen könne die IMST in der Formulierung „multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ gar nicht gemeint sein, da die WBO bereits im Jahr 2004 formuliert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die IMST sich noch im Experimentierstadium befunden. Die Beklagte bleibe einen nachvollziehbaren Beleg für ihre Auffassung, bei der IMST handele es sich nicht um eines von mehreren möglichen Verfahren, sondern quasi um eine „conditio sine qua non“ - d.h. eine notwendige Bedingung - der gesamten Schmerztherapie, weiterhin schuldig. Die Auffassung der die Beklagte beratenden Fachberater habe keinerlei Beweiswert. Zudem werde sie beeinflusst durch die Tatsache, dass beide Berater in stationären Abteilungen arbeiteten, welche schwerpunktmäßig mit der IMST arbeiteten, Frau Dr. B. habe sogar aktiv an der „ad hoc Kommission“ zur Definition der IMST mitgearbeitet. Von einer unvoreingenommenen Beratung der Beklagten könne also nicht die Rede sein. Es fehle insgesamt an belastbaren Beweisen für die Wirksamkeit der IMST, so dass die IMST für den Kläger keine rechtlichen Nachteile bedeuten könne. Die Beklagte überhöhe die IMST ohne rational nachvollziehbare Fakten zu einer Art „Königsdisziplin“ in der Schmerztherapie. Die Eignung des Klägers habe sich alleine an der Definition multimodaler Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit der WBO aus dem Jahr 2004 zu orientieren. Es sei unstrittig, dass der Kläger über die fachliche und persönliche Eignung verfüge. Die Beklagte verneine vielmehr grundsätzlich die Weiterbildungsfähigkeit von niedergelassenen Schmerztherapeuten insgesamt, da die Mitarbeit eines Psychologen für eine Weiterbildungsbefugnis unabdingbar sei. Eine Einschränkung, die beispielsweise lediglich eine Klinik als mögliche Ausbildungsstätte für Schmerztherapeuten verstehe (nur in größeren Kliniken seien Psychologen routinemäßig integriert), beschränke den Kreis der zur Weiterbildung potentiell berufenen Ärzte über den Wortlaut des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) hinaus und sei daher mit Art. 12 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar. Der Beklagten stehe als zuständiger Behörde kein Ermessensspielraum zu (mit Verweis auf OVG SH, U.v. 23.7.1992 - 3 L 323/91).
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7. Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2019 nach nochmaliger Beteiligung des Fachberatergremiums, vorliegend sei nicht relevant, ob der Leistungsinhalt einer verbalen Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen nach der Ziffer 35110 abgerechnet werden könne bzw. im Logbuch für die Zusatz-Weiterbildung gefordert sei. Die Argumentation der Gegenseite stelle eine rein fachliche Auseinandersetzung dar, die in den zuständigen Fachkreisen diskutiert und geklärt werden könne. Vorliegend sei jedoch alleine ausschlaggebend, welchen Leistungsinhalt das Fachberatergremium der Beklagten gemäß den geforderten Weiterbildungsinhalten nach der WBO und den dazu gehörigen Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung als erforderliches Kriterium für die Erteilung einer zwölfmonatigen Weiterbildungsbefugnis in Bayern festgesetzt habe und dementsprechend bei der Beurteilung aller Anträge auch gleichermaßen anwende. Das Fachberatergremium habe für eine zwölfmonatige Weiterbildungsbefugnis festgelegt, dass die unter „Weiterbildungsinhalt“ in Abschnitt C Nr. 39 WBO geforderte „psychosomatische Diagnostik bei chronischen Schmerzpatienten“ mit der Ziffer 35110 nachzuweisen sei. Diese werde jedoch nur selten in der Praxis des Klägers abgerechnet. Im Übrigen sei unzutreffend, dass die Ziffer 30702 einer psychosomatischen Ziffer entspreche. Auch die Ausführungen des Klägers zur Wirksamkeit der IMST könnten Thema einer Diskussion in Fachkreisen sein und dort auch durchaus zu unterschiedlichen Meinungen führen. Entscheidend sei aber, dass in den Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung in Abschnitt C Nr. 39 unter „Untersuchungs- und Behandlungsverfahren“ für die „multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ eine Richtzahl von 50 gefordert werde. Das Fachberatergremium sehe hierbei die IMST, die im tagesklinischen und stationären Setting durch multimodale Interventionen in einem multiprofessionellen Team erbracht werde, das integriert zusammenarbeite, als unabdingbar an. Zu einem solchen Team gehörten nicht nur die psychologisch-psychotherapeutische Berufsgruppe zur Durchführung psychotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen, sondern auch bewegungstherapeutische Disziplinen, zumeist Physiotherapie, Ergotherapie, Metatherapie oder Sporttherapie, Mitarbeiter aus der Gesundheits- und Krankenpflege bzw. medizinische Assistenzberufe sowie Kunst- und Musiktherapeuten. Der zur vollen Weiterbildung ermächtigte Schmerztherapeut könne und müsse diese Fähigkeiten inhaltlich nicht in seiner Person tragen, vielmehr sei die Idee der Weiterbildung, die weiterzubildenden Ärztinnen und Ärzte in die Lage zu versetzen, ein interdisziplinär und multimodal arbeitendes Team zu leiten, Therapiepläne aufzusetzen, Parameter zu messen, die Behandlungsinhalte zu koordinieren, Sitzungen zu leiten und die Ergebnisse zusammenzuführen. Hierbei werde deutlich, dass es sich um die „hohe Schule“ der Schmerztherapie handele, wie sie in der Regel nur in Zentren und stationären Einrichtungen angeboten werden könne, die diese Behandlungsinhalte und Professionen auch vorhielten. Im Einzelfall könne es durchaus möglich sein, dass auch im Bereich der niedergelassenen Medizin und dem ambulanten Sektor geeignete Behandlungsnetze vorgehalten würden, die eine IMST in enger Abstimmung des multiprofessionellen Teams ermögliche. Dies sei in der Praxis des Klägers jedoch nicht der Fall. Das von dem Klägerbevollmächtigten zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 23. Juli 1992 sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die dort zugrunde gelegten Bestimmungen nicht mehr aktuell seien. Bei der Weiterbildungsbefugnis stehe alleine die Qualitätssicherung der Facharztweiterbildung im Vordergrund. Da der Vorstand der Beklagten, der über einen Antrag auf Weiterbildungsbefugnis entscheide, selbst nicht über die erforderliche Sachkunde über alle medizinischen Gebiete und Teilgebiete verfüge, schalte er Fachberater ein, die keine eigene Entscheidung träfen. Die Stellungnahmen der Fachberater seien eine Hilfestellung bei der Bewertung des Bewerbers und seiner Unterlagen. Der Vorstand nutze den Sachverstand Dritter, um dem Aspekt der Qualitätssicherung bei seiner Entscheidung Rechnung zu tragen. Der Vorstand hole eine Art Sachverständigengutachten ein, sei jedoch an die Einschätzung der Fachberater nicht gebunden, weshalb er von der Empfehlung im Einzelfall auch abweichen könne (mit Verweis auf VG Regensburg, U.v. 16.4.2015, RN 5 K 14.345). Die Beklagte habe folglich keinen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 2 und 4 HKaG vorlägen. Die Weiterbildungsbefugnis sei also zu erteilen, wenn die genannten Voraussetzungen gegeben seien. Allerdings habe die Beklagte einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Weiterbildungsbefugnis (mit Verweis auf VG Würzburg, U.v. 22.11.2010, W 7 K 08.2253; BayVGH, B.v. 15.2.2012, 21 ZB 11.86). Der Vorstand könne nach § 5 Abs. 5 Satz 2 WBO Richtlinien für die in § 5 Abs. 5 Satz 1 WBO genannten Kriterien erlassen. Deshalb habe die Beklagte Beurteilungskriterien erstellt, die der Darlegung fachlicher Notwendigkeiten dienten und das Verwaltungshandeln widerspiegelten, um im Rahmen der Qualitätssicherung wesentliche Ausbildungsinhalte abzudecken und damit die Gleichbehandlung aller Antragsteller zu gewährleisten. Sie seien in Fachberatersitzungen ausführlich diskutiert und festgelegt worden. Für die Beurteilung der Anforderungen, die an eine Weiterbildungsstätte zu stellen seien, bediene sich die Beklagte eines Sachverständigengremiums, bei jedem einzelnen Antrag werde nochmals ein Fachberatergremium eingeschaltet. In den wenigen Fällen, in denen wie hier kein niedergelegtes Beurteilungsraster vorliege, richte die Beklagte ihre Beurteilung über die Höhe der Weiterbildungsbefugnis nach den Empfehlungen ihrer Fachberatergremien. Mit Erteilung einer vollen Weiterbildungsbefugnis garantiere die Beklagte, dass in der Mindestweiterbildungszeit alle nach der WBO und den dazu gehörenden Richtlinien geforderten Mindestweiterbildungsinhalte sowie alle geforderten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren vermittelt werden könnten. Die in der Praxis des Klägers nicht vorgehaltenen Leistungsinhalte, seien aus Sicht des Fachberatergremiums erforderlich und verpflichtend für eine volle Weiterbildungsbefugnis. Die Leistungsinhalte würden jedem Antrag auf Weiterbildungsbefugnis zugrunde gelegt, so auch beim Kläger.
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8. Zu diesen Ausführungen der Beklagten nahm der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 9. Januar 2020 Stellung. Das Fachberatergremium könne zwar beratend tätig werden, seine Richtlinien für die Erteilung einer vollen Weiterbildungsbefugnis dürften jedoch nicht willkürlich festgesetzt werden, sondern müssten wenigstens einen klar definierten Leistungsinhalt berücksichtigen, wenn es schon Ziffern des EBM als Kriterium benenne. Die in Abschnitt C Nr. 39 WBO geforderte „psychosomatische Diagnostik bei chronischen Schmerzpatienten“ sei definitiv nicht mit der Ziffer 35110 abrechenbar, da es sich bei dieser um eine therapeutische Ziffer und nicht um eine diagnostische Ziffer handele. Dieses Kriterium sei offensichtlich rechtsfehlerhaft.
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Der Begriff der interdisziplinären Zusammenarbeit in der WBO sei entgegen der Auffassung der Beklagten zweifelsfrei als das bewährte kollegiale und interaktive Zusammenarbeiten mit verschiedenen ärztlichen und nichtärztlichen Fachdisziplinen in der ambulanten und stationären Patientenversorgung zu verstehen, wie er wortgleich auch bereits in der Formulierung der allgemeinen Inhalte der Weiterbildung für die Abschnitte B und C der WBO gebraucht werde. Die in der IMST vorgesehene Notwendigkeit, mit zwei nichtärztlichen Disziplinen monolokulär und synchron zusammenzuarbeiten, ergebe sich weder aus dem Text der WBO noch aus deren aktueller Fassung aus dem Jahr 2018. Folglich dürfe die Frage, ob in einer Einrichtung die IMST angewendet werde, kein Kriterium für die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis sein. Zudem lasse die Argumentation der Beklagtenseite in vielen Punkten eine qualifizierte Auseinandersetzung mit dem Fall des Klägers vermissen, was somit nicht auf eine angemessene Einzelfallbetrachtung schließen lasse. Die Beklagte argumentiere von Anfang an hauptsächlich mit von den Beratern selbst festgelegten Kriterien, welche zum Teil objektiv falsch seien und zum anderen nicht nachvollziehbar belegt würden. Eine Einzelfallbetrachtung sei nicht erkennbar, die Argumente der Klägerseite fänden kaum Beachtung. Die Argumentation der Beklagten erschöpfe sich auf dem Beharren der bereits genannten Kriterien. Das Ermessen der Beklagten erstrecke sich auch auf die Auswahl eines Beraterteams, sowie auf die anschließende Berücksichtigung der Argumente der Berater im Wege einer eigenen Entscheidungsfindung. Diese eigene Entscheidungsfindung sei vorliegend nicht evident erkennbar. Die Argumentation der Beklagten erschöpfe sich in der wortlautgetreuen Übernahme der Beratermeinungen, was eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Thema vermissen und eine Einzelfallbetrachtung der schmerztherapeutischen Einrichtung des Klägers fragwürdig erscheinen lasse. Die Beklagte führe aus, dass sie in den wenigen Fällen, wie beispielsweise für die Zusatzweiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“, kein niedergelegtes Beurteilungsraster vorliege, sie sich mangels eigener Sachkenntnis nach den Empfehlungen ihrer Fachberatergremien richte. Die Beklagte sei sich dabei sicher bewusst, dass damit an das Beraterteam eine große Verantwortung und auch Macht übertragen werde. Um einseitige Entwicklungen und Fehlentscheidungen durch systematische Fehleinschätzungen zu vermeiden, wäre es aus Sicht des Klägers sinnvoll gewesen, sowohl Berater aus dem stationären als auch aus dem ambulanten Bereich zu wählen. Die Beklagte habe hingegen zwei Berater aus dem stationären Bereich mit enger Anbindung an die IMST, welche ihre Entscheidungskriterien ohne nachprüfbare Begründung und möglicherweise durchaus interessengesteuert so gestalteten, dass eine Ausbildung zum Schmerztherapeuten in Bayern ohne IMST faktisch unmöglich sei. Die Frage, inwieweit die Kriterien der Berater als systematische Fehleinschätzungen angesehen werden müssten, habe Implikationen, die über den vorliegenden Fall durchaus hinausgingen. So habe die Beklagte zu prüfen, welche Anträge aus dem niedergelassenen Bereich mit den fraglichen Argumenten der Berater zu Unrecht abgelehnt worden seien. Andererseits werde die Beklagte auch zu prüfen haben, ob Genehmigungen für stationäre IMST-Abteilungen aus Befangenheit möglicherweise zu Unrecht erteilt worden seien. Die Beklagte habe das Beratergremium einseitig gewählt und die Einschätzung des Beratergremiums für den klagerelevanten Fall nahezu wortlautgetreu übernommen. Die Beklagte habe somit klar ihren eigenen Prüfungs- und Ermessensspielraum verkannt und sich einseitig auf die Aussage einzelner Berater gestützt. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Urteil des OVG Schleswig-Holstein im vorliegenden Fall für die Verletzung des Grundrechts auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 GG sehr wohl von Bedeutung. Die Garantie der Berufsfreiheit schütze die berufliche Betätigung ohne Rücksicht darauf, ob dieser Ausdruck einer als typisch vorgegebenen Berufsfunktion sei oder nicht. Das heiße, auch das Recht auf Ausübung einer Weiterbildung werde durch dieses Grundrecht geschützt und zwar, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt seien, in vollem zeitlichen Umfang.
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9. Hierzu äußerte sich die Beklagte nochmals unter dem 23. April 2020 mit Verweis auf erneut eingeholte Stellungnahmen der Fachberater und Ausführungen in vorangegangenen Schriftsätzen. Der Vorstand der Beklagten bediene sich mangels eigener Fachkunde eines Sachverständigengremiums, welches für verschiedene medizinische Gebiete das von einer Weiterbildungsstätte zu erfüllende Versorgungs- und Leistungsspektrum herausarbeite. Dies habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet (mit Verweis auf BayVGH, B.v. 18.3.2015 - 21 ZB 14.924). Die Fachberater der Beklagten orientierten sich an den Vorgaben der Weiterbildungsordnungen und der dazu gehörenden Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung. Zudem sei die Fachberaterin Dr. B* … Mitglied der Fachgesellschaft Deutsche Schmerzgesellschaft. Dieselbe Fachberaterin sei zwar als Chefärztin der Abteilung für interdisziplinäre Schmerztherapie eines Krankenhauses ebenso wie die beiden anderen Fachberater aus dem stationären Bereich. Dennoch sei sie als Fachärztin eines Algesiologikums auch eine Fachberaterin aus dem ambulanten Bereich. Die fachliche Auseinandersetzung sei allein in den Fachgesellschaften zu diskutieren, im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht ausschlaggebend. Der Leistungsinhalt sei in den Weiterbildungsordnungen sowie den dazugehörigen Richtlinien festgelegt. Diesen ziehe das Fachberatergremium, welches zudem aus Mitgliedern der Fachgesellschaften bestehe, bei der Beurteilung über die Höhe der Weiterbildungsbefugnis nach bestimmten Auslegungskriterien heran, sodass eine gleiche Beurteilung aller Anträge stattfinde. Eine Änderung dieser Weiterbildungsinhalte bedürfe einer Entscheidung des Bayerischen Ärztetages. Die vom Kläger selten abgerechneten Ziffern 35100 bzw. 35110 seien mit einer Zeit hinterlegt, welche in einer Einzelpraxis mit immerhin durchschnittlich 600 Schmerzpatienten im Quartal nicht plausibel vorhanden sei. Somit fehle die Zeit für die oft sehr aufwändigen Gespräche, die notwendig seien, um die Patienten an die psychosomatischen Zusammenhänge der chronischen Schmerzerkrankung heranzuführen. Diese zeitintensiven ärztlichen Gespräche seien aber auch ein außerordentlich wichtiger Bestandteil bei der Betreuung von chronischen Schmerzpatienten und müssten deshalb im Rahmen einer Weiterbildung in der speziellen Schmerztherapie vermittelt werden. Das ärztliche Gespräch im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung ersetze nicht das Gespräch mit einem Psychotherapeuten. Es sei aber gerade auch für die zumeist somatisch fixierten Patienten wichtig, dass das biopsychosoziale Denken von allen in der Schmerztherapie tätigen Behandlern vertreten und vermittelt werde. Die psychotherapeutischen Gespräche in der interdisziplinären Schmerztherapie gingen weit über das hinaus und vertieften das, was in einem ärztlichen Gespräch im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung angesprochen werden könne. Abschnitt C Nummer 39 der Weiterbildungsordnung 2004 als auch der Weiterbildungsordnung 2018 beinhalte unter „definierte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren“ im zweiten Spiegelstrich die multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Das Fachberatergremium interpretiere dieses Kriterium als Synonym für die im tagesklinischen und stationären Krankenhaussetting durchzuführende interdisziplinäre Schmerztherapie, wie sie beispielsweise durch den Operationenund Prozedurenschlüssel (OPS) 8-918 (interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie) beschrieben werde. Ziel sei, dass der Weiterbildungsassistent lernen solle, einen inhaltlich und zeitlich gestuften multimodalen Therapieplan aufzustellen einschließlich der zur Umsetzung erforderlichen interdisziplinären, interprofessionellen und sozialmedizinischen Koordination. Der Weiterbildungsassistent solle lernen, Teamsitzungen zu leiten, mit den in die interdisziplinäre Schmerztherapie einbezogenen Berufsgruppen geeignet zu kommunizieren und die von den hinzugezogenen Berufsgruppen erstellten Befundberichte zu interpretieren, einschließlich einer Erstellung von Arztbriefen, welche eine schlussfolgernde Zusammenfassung dieser Befunde darstellten. Hierzu sei eine enge räumliche, aber auch fachlich-persönliche Zusammenarbeit zwingend, sie werde heute durch die genannte Therapieform nach der OPS 8-918 beispielhaft und als Goldstandard abgebildet, existiere darüber hinaus aber auch bereits seit Jahrzehnten beispielsweise im rehabilitativen Setting, aber auch in ambulanten Zentren, welche die hierzu erforderlichen mit- und zuarbeitenden Fachdisziplinen räumlich und inhaltlich-fachlich zusammenführten. Dabei sei die Vermittlung der multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit, wie sie heute beispielsweise durch die MMST/IMST als Goldstandard beschrieben werde, für die Zubilligung einer vollen Weiterbildungsermächtigung essentiell. Ohne das Vorhandensein dieses Kriteriums könne eine volle Weiterbildungsermächtigung nicht ausgesprochen werden. Eine grundsätzliche strategische Änderung dieser Bewertung würde zu einer Ungleichbehandlung der bisherigen Antragsteller führen. Wegen der Mitgliedschaft der beteiligten Fachberaterin Frau Dr. B* … in der Ad-hoc-Kommission interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. erübrige sich die Einholung einer Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgesellschaft. Als interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie werde die gleichzeitige, inhaltlich, zeitlich und in der Vorgehensweise aufeinander abgestimmte umfassende Behandlung von Patienten mit qualifiziertem Schmerzsyndrom bezeichnet, in welche verschiedene somatische, körperlich und psychologisch übende sowie psychotherapeutische Verfahren nach vorgegebenen Behandlungsplan mit identischem, unter den Therapeuten abgesprochenen Therapieziel eingebunden seien. Die Behandlung werde von einem Therapeutenteam aus Ärzten einer oder mehrerer Fachrichtungen, Psychologen bzw. Psychotherapeuten und weiteren Disziplinen wie Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Mototherapeuten sowie anderen in Kleingruppen von maximal acht Patienten erbracht. Unter ärztlicher Leitung ständen die beteiligten Therapieformen und Disziplinen gleichberechtigt nebeneinander. Verpflichtend sei eine gemeinsame Beurteilung des Verhandlungsverlaufs innerhalb regelmäßiger vorgeplanter Teambesprechungen unter Einbindung aller Therapeuten. Der auf die Weiterbildungsermächtigung eines Arztes sich hieraus ableitende und nachzuweisende Inhalt sei die Erlangung von Kompetenzen, Erfahrung und praktischen Fähigkeiten bei der ärztlichen Leitung dieser beteiligten Therapieformen und Disziplinen. Da der Kläger als ambulanter Schmerztherapeut alleine in einer Praxis arbeite, sei es ihm nicht möglich, diesen Weiterbildungsinhalt abzubilden. Gleiches gelte für die zu erlangende Kompetenz, eine regelmäßige und vorgeplante Teambesprechung aller beteiligten Therapeuten zu leiten. Gemäß der Stellungnahme von Prof. Dr. A* … würden die Inhalte der IMST bei Patienten mit chronischer Schmerzerkrankung, bei denen eine vorherige monomodale ambulante Behandlung nicht effektiv gewesen sei, im Rahmen des teilstationären bzw. stationären Aufenthalts in intensiver Form vermittelt. Dies betreffe auch die medikamentöse Einstellung. Im Anschluss würden Patienten ambulant multiprofessionell weiter betreut und der Therapieeffekt überwacht und konsolidiert. Im Falle einer eventuellen erneuten Verschlechterung des Zustandes erfolge eine erneute IMST Therapie im (teil) stationären Setting (sog. „Refresher“). Damit sei gewährleistet, dass die Patienten eine lange Zeit hinweg optimal interdisziplinär betreut und behandelt würden. Gemäß den Fachberatergremien sei die IMST auch unter Berücksichtigung der Entwicklung in der medizinischen Forschung nach wie vor unabdingbar für den Erwerb der Zusatzbezeichnung „spezielle Schmerztherapie“. Da die Bundesärztekammer sowie die Landesärztekammern, beraten durch die Deutsche Schmerzgesellschaft als höchstes wissenschaftliches Gremium in diesem Bereich zu der Einschätzung kämen, dass Kenntnisse und Kompetenzen im Bereich der multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit ein wesentliches Kriterium der Weiterbildung seien, sei es unerheblich, ob der Kläger Studien gefunden habe, welche vermeintlich gegen die Wirksamkeit einer solchen multimodalen Therapie sprechen könnten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten, hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll vom 15. Mai 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Verpflichtungsklage in der Gestalt der Versagungsgegenklage ist nicht begründet.
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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erhöhung seiner für die Dauer von sechs Monaten erteilten Weiterbildungsbefugnis für die ärztliche Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie auf die Höchstdauer von zwölf Monaten zu. Der Ablehnungsbescheid der Bayerischen Landesärztekammer vom 13. Mai 2019 ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Die Anspruchsgrundlage für die Erteilung der begehrten Weiterbildungsbefugnis ist Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2002 (GVBl. 2002, 42) i.V.m. mit § 5 Abs. 1 der auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HKaG erlassenen Weiterbildungsordnung der Beklagten (WBO) vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse vom 13. Oktober 2019, in Kraft getreten am 1. Mai 2020. Auf diesen Rechtsstand ist bei der Entscheidung über die vorliegende Verpflichtungsklage abzustellen. Eine zulässige Verpflichtungsklage hat in Ermangelung besonderer materiell-rechtlicher Regelungen Erfolg, wenn nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt besteht (BVerwG, U.v. 23.7.2015 - 7 C 10.13 - juris Rn. 34; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 57; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 217; jeweils m.w.N.).
22
Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 HKaG kann die Ermächtigung zur Weiterbildung nach Abs. 1 nur erteilt werden, wenn der Arzt fachlich und persönlich geeignet ist und wenn und soweit die Voraussetzungen nach Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 vorliegen. Gemäß Art. 31 Abs. 4 Satz 1 HKaG setzt die Zulassung einer Krankenhausabteilung (bzw. nach Satz 2 einer anderen Einrichtung, hier der Praxis des Klägers) als Weiterbildungsstätte voraus, dass (Nr. 1) Patienten in so ausreichender Zahl und Art behandelt werden, dass der weiterzubildende Arzt die Möglichkeit hat, sich mit den typischen Krankheiten des Gebiets, Teilgebiets oder Bereichs, auf das sich die Bezeichnung nach Art. 27 bezieht, vertraut zu machen und wenn (Nr. 2) Personal und Ausstattung vorhanden sind, die den Erfordernissen der medizinischen Entwicklung Rechnung tragen. Nach § 5 Abs. 1 WBO ist Befugnis im Sinn der Weiterbildungsordnung die Ermächtigung im Sinn des Abschnitts IV des Heilberufe-Kammergesetzes, mithin die Ermächtigung zur Weiterbildung. Die Weiterbildung zum Erwerb einer Facharzt- und/oder Schwerpunktbezeichnung wird unter verantwortlicher Leitung der vom Vorstand der beklagten Landesärztekammer befugten Ärzte in einer zugelassenen Weiterbildungsstätte durchgeführt. Gleiches gilt nach Maßgabe des Abschnitts C der WBO auch für den Erwerb einer Zusatzbezeichnung.
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Die Erteilung der Weiterbildungsbefugnis setzt zunächst gemäß § 5 Abs. 2 WBO voraus, dass der weiterbildungsbefugte Arzt die entsprechende Schwerpunkt- bzw. Zusatzbezeichnung führt, fachlich und persönlich geeignet ist und nach Abschluss seiner Weiterbildung mindestens die der Befugnisdauer entsprechende Zeit, jedoch nicht weniger als zwei Jahre in verantwortlicher Stellung einschlägig tätig war. Des Weiteren sind für die Erteilung der Befugnis nach § 5 Abs. 5 WBO unter Berücksichtigung der Anforderungen an Inhalt, Ablauf und Ziel der Weiterbildung folgende Kriterien maßgebend: (1.) Der Versorgungsauftrag, d.h. die Anzahl sowie Erkrankungs- und Verletzungsarten der Patienten, (2.) die Leistungsstatistik, d.h. die Art und Anzahl der ärztlichen Leistungen und (3.) die personelle und materielle Ausstattung der Weiterbildungsstätte. Die Zulassung von Praxen niedergelassener Ärzte als Weiterbildungsstätte setzt des Weiteren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 WBO voraus, dass mindestens einer der dort tätigen Ärzte zur Weiterbildung nach § 5 befugt werden kann. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 WBO werden die Zulassung gemäß Satz 3 und die Befugnis gemeinsam erteilt. Weiterbildungsstätten müssen nach § 6 Abs. 2 WBO insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllen: (1.) Die für die Weiterbildung typischen Krankheiten müssen nach Zahl und Art der Patienten regelmäßig und häufig genug vorkommen, (2.) Personal und Ausstattung der Einrichtung müssen den Erfordernissen der medizinischen Entwicklung Rechnung tragen.
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2. Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Weiterbildungsbefugnis für die Gesamtdauer der Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie, welche gemäß Teil C Nr. 41 zwölf Monate bei einem Weiterbilder für Spezielle Schmerztherapie (§ 5 Abs. 1 Satz 3 WBO) beträgt. Zwar verfügt der Kläger über die in Art. 31 Abs. 2 Satz 1 HKaG i.V.m. § 5 Abs. 2 Buchst. b WBO vorausgesetzte fachliche und persönliche Eignung (a)). Er verfügt aber nicht über die durch Art. 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 HKaG, § 5 Abs. 5 und § 6 Abs. 2 WBO an eine geeignete Weiterbildungsstätte für den vollen Zeitraum der Weiterbildung in der einschlägigen Zusatzbezeichnung gestellten strukturellen Voraussetzungen (b)), weil er in seiner Praxis keine multimodale Schmerztherapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit anwendet bzw. es an der hierfür erforderlichen personellen Ausstattung fehlt. Des Weiteren bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der einschlägigen Satzungsbestimmungen der WBO (c)).
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a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger, der selbst über die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie verfügt, auch die fachliche und persönliche Eignung zur Weiterbildung im Sinne des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 HKaG i.V.m. § 5 Abs. 2 Buchst. b WBO besitzt. Daran bestehen im Übrigen auch im Hinblick darauf keine Zweifel, dass der Kläger bereits im Besitz einer einschlägigen sechsmonatigen Weiterbildungsbefugnis ist.
26
b) Gemessen an den Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 HKaG, § 5 Abs. 5 und § 6 Abs. 2 WBO verfügt der Kläger aber nicht über eine geeignete Weiterbildungsstätte für die volle Weiterbildungsbefugnis im Umfang von zwölf Monaten, weil er nicht alle nach Abschnitt C der Weiterbildungsordnung vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte in seiner Praxis vermitteln kann. Ziel der ärztlichen Weiterbildung als Prozess der Spezialisierung ist es, die fachliche Kompetenz für die entsprechende Zusatzbezeichnung - hier: Spezielle Schmerztherapie - nach Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungszeit und Weiterbildungsinhalte zu erlangen. Die Erteilung einer vollen Weiterbildungsbefugnis für die gesamte Dauer der Weiterbildung setzt deshalb voraus, dass der Kläger an seiner Weiterbildungsstätte sämtliche Weiterbildungsinhalte der Zusatzbezeichnung, die im Abschnitt C, Nr. 41 WBO geregelt sind, lückenlos vermitteln kann.
27
aa) Maßgeblich sind hierfür nach § 5 Abs. 5 WBO die Kriterien des Versorgungsauftrags, der Leistungsstatistik sowie die personelle und materielle Ausstattung der Weiterbildungsstätte. Zwar handelt es sich bei dem Versorgungsauftrag, der Leistungsstatistik sowie der personellen und materiellen Ausstattung der Weiterbildungsstätte in § 5 Abs. 5 WBO i.V.m. Art. 31 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 HKaG um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe durch die Beklagte ist jedoch durch das Gericht voll überprüfbar, ein Beurteilungsspielraum ist der Beklagten - wie noch auszuführen sein wird - nicht eingeräumt (so auch VG Regensburg, U.v. 16.4.2015 - RN 5 K 14.345 - juris Rn. 36; anderer Ansicht: VG Würzburg, U.v. 22.11.2010 - W 7 K 08.2253; VG Osnabrück, U.v. 7.11.2007 - 6 A 96/06 - juris Rn 50 ff.; offen lassend: VG Bayreuth, U.v. 17.4.2013 - B 4 K 11.870 - juris Rn. 38; VG München, U.v. 11.3.2014 - M 16 K 13.1440 - juris Rn. 28). Der von der Beklagten zitierte Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 2015 (Az.: 21 ZB 11.86, juris) kann nicht so verstanden werden, dass darin ein Beurteilungsspielraum der Beklagten angenommen wird. Vielmehr hat der zuständige Senat unter Randnummer 17 des genannten Beschlusses ausgeführt, dass der vom Rechtsmittelführer aufgeworfenen Frage eines Überschreitens des (vom Erstgericht, VG Würzburg, U.v. 22.11.2010 - W 7 K 08.2253, angenommenen) Beurteilungsspielraums durch sachfremde Erwägungen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Ebenso wenig ist der Beklagten ein Ermessensspielraum im Sinne des Art. 40 BayVwVfG i.V.m. § 114 VwGO hinsichtlich der gewählten Rechtsfolge - volle oder beschränkte Befugniserteilung, ggf. in welchem zeitlichen Umfang - eingeräumt. Vielmehr folgt aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG im Falle des Vorliegens der im HKaG und der WBO geregelten Erteilungsvoraussetzungen als Berufsausübungsregelungen in der Gestalt eines präventiven Erlaubnisvorbehalts (siehe dazu unten c)) ein Rechtsanspruch auf die volle Weiterbildungsbefugnis (OVG SH, U.v. 23.7.1992 - 3 L 323/91 - juris Rn. 24; allgemein Grünewald, DÖV 2012, 185/187; anderer Ansicht: VG Ansbach, U.v. 10.5.2006 - AN 9 K 05.04526 - juris Rn. Rn. 28).
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Der durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) garantierte effektive Rechtsschutz gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt umfasst nicht nur den Zugang zu den Gerichten, sondern darüber hinaus auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes und eine daraus resultierende (grundsätzlich) volle gerichtliche Kontrolle. Deshalb kommt es nur in Ausnahmefällen in Betracht, die gerichtliche Kontrolle bestimmter Verwaltungsakte einzuschränken. Gleichwohl schließt der von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte lückenlose Rechtsschutz nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts normativ eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume nicht von vornherein aus, da die verwaltungsgerichtliche Überprüfung nicht weiterreichen kann als die materiell-rechtliche Bindung der Verwaltung (vgl. BayVGH, U.v. 14.3.2019 - 20 BV 17.1507 - juris Rn. 63 mit Verweis auf BVerfG, B.v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 - BVerfGE 88, 40 ff., juris Rn. 44, 55; BVerfG, B.v. 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82/111 = NJW 1982, 2173; BVerfG, B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34/50). Gerichtliche Kontrolle kann demnach nicht stattfinden, soweit das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das behördliche Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum in der Form eines Einschätzungs- oder Auswahlspielraumes belässt (vgl. BayVGH, a.a.O., juris Rn. 63 mit Verweis auf BVerfG B.v. 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 a.a.O., juris Rn. 73 m.w.N.).
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So sind in der Rechtsprechung derartige Beurteilungsermächtigungen beispielsweise anerkannt bei Prüfungs- oder prüfungsähnlichen Entscheidungen, für beamtenrechtliche Beurteilungen, bei Entscheidungen mit planerischem Einschlag, in Fällen, in denen eine Verwaltungsentscheidung wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie nur schwer nachvollzogen werden kann und die gerichtliche Kontrolle daher an ihre Funktionsgrenzen stößt, oder auch bei Wertungen, die das Gesetz sachverständigen oder pluralistisch zusammengesetzten Gremien anvertraut (vgl. zu den verschiedenen anerkannten Fallgruppen Rennert in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 59 ff.). Eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle setzt aber neben dem Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffs jedenfalls voraus, dass die Behörde durch das jeweilige Gesetz dazu ermächtigt worden ist, abschließend darüber zu befinden, ob die durch den unbestimmten Rechtsbegriff gekennzeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind (sog. normative Ermächtigungslehre). Diese Ermächtigung muss grundsätzlich dem Wortlaut des jeweiligen Gesetzes, der Vorschrift aber jedenfalls im Wege der Auslegung entnommen werden können, da es im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes die Aufgabe des Gesetzgebers ist, unter Beachtung der Grundrechte die subjektive Rechtsposition zuzuweisen und auszugestalten, deren gerichtlichen Schutz Art. 19 Abs. 4 GG voraussetzt und gewährleistet (vgl. BayVGH, U.v. 14.3.2019 - 20 BV 17.1507 - juris Rn. 65 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 16.5.2007 - 3 C 8/06; Rixen in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 86 Rn. 42 ff.; Rennert in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 51; Riese in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 114 Rn. 93 ff.).
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Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften sehen eine derartige Ermächtigung der Beklagten nicht vor. Dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 HKaG lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Vorliegen der darin festgelegten Voraussetzungen nicht der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen soll. Auch durch Auslegung des Gesetzes lässt sich ein derartiger Beurteilungsspielraum nicht ermitteln. Maßgeblich für die Auslegung ist dabei insbesondere der Sinn und Zweck der entsprechenden materiell-rechtlichen Vorschrift, ferner auch die Natur der Sache oder der Gesichtspunkt, dass die Rechtsprechung andernfalls an Funktionsgrenzen stoßen würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 24). Es handelt sich hierbei jedoch lediglich um Indizien, die für sich genommen nicht für die Annahme einer behördlichen Letztverantwortlichkeit ausreichen. Entscheidend sind vielmehr konkrete normative Anhaltspunkte, aus denen sich der deutliche Wille des Gesetzgebers zur Einräumung einer behördlichen Letztentscheidungsbefugnis ergibt (vgl. Riese in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 114 Rn. 93).
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Den in Art. 31 HKaG durch den Landesgesetzgeber normierten Voraussetzungen für die Ermächtigung zur Weiterbildung liegt das Erfordernis der Qualitätssicherung der ärztlichen Weiterbildung zugrunde. Die genannten unbestimmten Rechtsbegriffe enthalten aber keine prognostischen oder stark wertenden Elemente, die einzig von einer Behörde mit besonderer fachlicher Qualifikation und Legitimation entschieden werden könnten und hinsichtlich derer die gerichtliche Nachprüfbarkeit an ihre Grenzen stoßen könnte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Vorstand der Beklagten selbst nicht über die erforderliche Sachkunde in allen medizinischen Bereichen verfügt, in denen eine Weiterbildungsbefugnis erteilt werden kann (vgl. VG Regensburg, U.v. 16.4.2015 - RN 5 K 14.345 - juris Rn. 36). Vielmehr konsultiert der Vorstand der Beklagten in fachlichen Fragen selbst regelmäßig - und so auch hier - ein Fachberatergremium. Aus diesem Grund ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Verwaltungsgerichte nicht eigenständig beurteilen könnten, ob der betreffende Antragsteller fachlich und persönlich geeignet ist und über eine entsprechende Weiterbildungsstätte im Sinne des Art. 31 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 HKaG verfügt, welche eine umfassende und qualitativ hochwertige ärztliche Weiterbildung in dem entsprechenden Bereich sicherstellen kann. Zur Klärung dieser Frage kann das Gericht bei Bedarf ein Sachverständigengutachten einholen, wenn ihm selbst die ausreichende Sachkunde hierfür fehlt (vgl. dazu auch Grünewald, DÖV 2012, 185/188). Die Gerichte stoßen hierbei keinesfalls an ihre Grenzen, es handelt sich vielmehr um eine originär richterliche Aufgabe, auch komplexe und schwierige Sachverhalte - nötigenfalls unter Zuhilfenahme von Sachverständigen - zu beurteilen und unter das nach Auslegung ermittelte anzuwendende Recht zu subsumieren (vgl. BayVGH, U.v. 14.3.2019 - 20 BV 17.1507 - juris Rn. 89).
32
Die der Beklagten nach Art. 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HKaG durch den Landesgesetzgeber verliehene Rechtssetzungskompetenz hinsichtlich der Voraussetzungen für die Erteilung der Weiterbildungsermächtigung lässt ebenfalls nicht auf einen derartigen Beurteilungsspielraum der Beklagten schließen. Auch wenn der eigenständigen Schaffung rechtlicher Voraussetzungen ein gewisser Spielraum innewohnt, kann aus dieser Gestaltungsfreiheit der Beklagten bei der autonomen Rechtsetzung nicht abgeleitet werden, dass auch die Verwaltungsentscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Weiterbildungsermächtigung im Einzelfall letztverbindlich sein soll. Denn die Zulässigkeit einer durch die Körperschaft im Rahmen ihrer Satzungsautonomie geschaffenen materiellen Regelung ist von der Frage der gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Entscheidungen in Vollzug dieses Satzungsrechts zu trennen (vgl. Grünewald, DÖV 2012, 185, 189). Zwar kann die Funktionsgrenze der Rechtsprechung dort erreicht werden, wo ein Gericht zwischen verschiedenen jeweils vertretbaren fachwissenschaftlichen Positionen entscheiden müsste, da es nicht die Aufgabe des Gerichts ist, wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden oder eine solche Entscheidung durch die Erteilung von Forschungsaufträgen zu ermöglichen oder zu fördern (vgl. BayVGH, U.v. 14.3.2019 - 20 BV 17.1507 - juris Rn. 89 m.w.N.). Dies kann es im vorliegenden Fall gleichwohl nicht rechtfertigen, der Behörde hinsichtlich der Entscheidung, ob ein Arzt die Voraussetzungen für die Ermächtigung zur Weiterbildung erfüllt, eine Letztentscheidungskompetenz einzuräumen. Denn wissenschaftliche Streitfragen müssten allenfalls auf Ebene der materiellen Rechtmäßigkeit der durch die Beklagte in der Weiterbildungsordnung geregelten Kriterien entschieden werden (siehe dazu unter c)). Die gerichtliche Kontrolle dagegen auch auf der Ebene der Verwaltungsentscheidung über das Vorliegen der in der WBO geregelten Kriterien einzuschränken, würde gegen das in Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich garantierte Gebot effektiven Rechtsschutzes verstoßen. Die Entscheidung der Beklagten zur Erteilung der Weiterbildungsbefugnis unterliegt daher uneingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung.
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bb) Zu Recht geht die Beklagte davon aus, dass der Kläger die genannten Voraussetzungen für die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis für die gesamte Dauer der Weiterbildung von zwölf Monaten nicht erfüllt, weil er als Weiterbilder in seiner Praxis nicht alle vorgeschriebenen Inhalte nach Abschnitt C, Nr. 41 WBO vermitteln kann. Denn nach der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen vollen Überzeugung der Kammer (§ 108 Abs. 1 VwGO) kann der Kläger die im Abschnitt C, Nr. 41 WBO unter „definierte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren“, zweiter Spiegelstrich, sowie in den auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 WBO ergangenen norminterpretierenden Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung (Weiterbildungsrichtlinien, Abschnitt B Nr. 39) vorgesehene „multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ in seiner Praxis nach den Kriterien des § 5 Abs. 5 WBO als Weiterbildungsinhalt nicht vermitteln.
34
Zwar kann - wie die Fachberater der Beklagten, Frau Dr. B* … und Herr Dr. M* …, in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert haben - der Begriff der „multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ in der WBO nicht auf die sog. Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie (IMST) verengt werden. Dies überzeugt schon deshalb, weil die IMST bei Erlass der WBO im Jahr 2004 zwar schon in einzelnen Kliniken als Behandlungsmethode eingeführt, jedoch fachlich noch nicht allgemein anerkannt war. Darauf kommt es jedoch zur Überzeugung der Kammer nicht entscheidend an. Denn der Kläger kann den Weiterbildungsinhalt der „multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ im Sinne der WBO nicht erfüllen. Im Wortlaut der WBO ist vorangestellt und damit besonders hervorgehoben der Begriff des „Multimodalen“. Unter multimodaler Therapie ist, wie die Fachberaterin Dr. B* … in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargestellt hat und wie sich auch aus verschiedenen allgemein zugänglichen Quellen nachvollziehen lässt, ein Behandlungsansatz zu verstehen, bei dem sich die (Schmerz-)Therapie nicht auf eine Behandlungsmethode beschränkt, sondern aus mehreren Bausteinen verschiedener Fachrichtungen zusammengestellt wird. Des Weiteren hat die Fachberaterin Dr. B* … in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass maßgeblich die Unterscheidung zwischen „multidisziplinärer“ und „interdisziplinärer“ Behandlung sei. Multidisziplinär bedeute in diesem Zusammenhang, dass verschiedene Fachbereiche parallel arbeiteten. Interdisziplinär bedeute hingegen, dass die verschiedenen Fachbereiche präsent seien und gemeinsam, nicht nebeneinander an einen Patienten herangingen. Multimodale Therapie bedeute somit, dass die verschiedenen Bausteine an einem Ort ineinandergreifen.
35
Diese fachlichen Einschätzungen begegnen keinem rechtlichen Einwand. Zwar dürfen die Ärztekammern und ihre Fachberater nicht außerhalb der WBO eigene Beurteilungsraster und Entscheidungskriterien entwickeln. Sie sind jedoch rechtlich nicht gehindert, auf der Grundlage der WBO bestimmte Kriterien als Auslegungshilfen heranzuziehen und sich bei der Entscheidung im Einzelfall daran zu orientieren (BayVGH, B.v. 18.3.2015 - 21 ZB 14.924 - juris Rn. 22). Die Auslegung des Begriffs der „multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ in der WBO durch die Fachberater der Beklagten lässt sich anhand allgemein zugänglicher Quellen nachvollziehen. So wird die multimodale Therapie (von lateinisch multos, d.h. viel, groß, stark und lateinisch modus, d.h. Maß, Ziel, Vorschrift, Art und Weise), auch interdisziplinäre Therapie genannt, allgemein definiert als eine „therapeutische Vorgehensweise, bei der unterschiedliche Behandlungsansätze miteinander kombiniert werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen“ (Wikipedia: Multimodale Therapie). Als multimodale Schmerztherapie wird definiert ein therapeutischer Ansatz, welcher von einer kombinierten Schmerzbehandlung ausgeht, die eine mindestens siebentägige interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen (z.B. Wirbelsäulenleiden, einschließlich Tumorschmerzen) unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen, davon eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologische Disziplin nach einem ärztlichen Behandlungsplan mit Behandlungsleitung umfasst. Unter dieser Bezeichnung gibt es verschiedene standardisierte Verfahren mit einer Dauer von bis zu fünf Wochen, die teilweise zusätzlich nach einer längeren Behandlungspause eine erneute, kurze Behandlung zur Auffrischung der Behandlungsinhalte einschließen (Wikipedia; Multimodale Schmerztherapie; vgl. auch Dr. med. Arnold, Multimodale Schmerztherapie in Bayern, Bayerisches Ärzteblatt, Heft 3/2005, S. 216).
36
Das Gericht sieht aufgrund der überzeugenden Ausführungen der von der Beklagten herangezogenen Sachverständigen (Fachberater) keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Die Verwertung eines von den Parteien vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung durch den Sachverständigen erläuterten Sachverständigengutachtens durch das Gericht ist nur dann unzulässig, wenn das Gutachten grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters bestehen (BVerwG, U.v. 9.7.2009 - 4 C 12.07 - juris Rn. 11 m.w.N.; OVG NW, U.v. 30.10.1996 - 21 D 2/89.AK - juris Rn. 154). Die Stellungnahmen der sachkundigen Fachberater der Beklagten, welche im Laufe des Gerichtsverfahrens mehrfach erläutert und präzisiert sowie durch die Einholung von Stellungnahmen von Prof. Dr. A* … (Anlagen B 14, 26) nochmals durch einen dritten Sachverständigen bestätigt wurden, sind uneingeschränkt verwertbar. Sie weisen keine Mängel auf, welche sie im gerichtlichen Verfahren zur Feststellung des Sachverhaltes ungeeignet erscheinen lassen. Die Beurteilung der Fachberater wurde auch nicht durch substantiierten Vortrag des Klägers ernsthaft erschüttert (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 - 4 C 12.05 - juris Rn. 71). Des Weiteren liegen auch keine Hinweise für eine Voreingenommenheit der Sachverständigen vor. Zwar hat der Kläger eingewandt, die Auswahl der Fachberater durch die Beklagte sei tendenziös, da lediglich Fachberater aus dem stationären Bereich ausgewählt worden seien. Dies trifft aber nicht zu, weil die Fachberaterin Dr. B* … auch im ambulanten Bereich tätig ist. Im Übrigen hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar das Verfahren der Bestellung der Fachberater erläutert und dem Kläger auch die Möglichkeit aufgezeigt, selbst Personen als Fachberater vorzuschlagen, welche innerhalb kurzer Zeit, d.h. innerhalb von drei Monaten bis zur nächsten Sitzung des Vorstands, bestellt werden könnten. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Fachberater im Sinne des Art. 21 BayVwVfG sieht das Gericht nicht unter dem Aspekt, dass diese eine wissenschaftlich anerkannte - wenn auch nicht unumstrittene - Meinung vertreten, welcher der Kläger nicht folgt. Entscheidend ist, dass die fachlichen Stellungnahmen nachvollziehbar und nicht willkürlich sind. Die Stellungnahmen der Fachberater gehen auch von einem zutreffenden Sachverhalt aus, insbesondere wurden die Ausführungen des Klägers zu seinem Behandlungsansatz ausführlich gewürdigt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Aussagen der Fachberater aus allgemein zugänglichen Quellen nachvollzogen werden können, hat das Gericht deshalb keine Zweifel an der Verwertbarkeit der fachlichen Stellungnahmen.
37
Somit steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass der Begriff der „multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ in Abschnitt C Nr. 41 WBO einen Therapieansatz bezeichnet, welcher die gleichzeitige, inhaltlich eng aufeinander abgestimmte und ineinandergreifende Behandlung Schmerzkranker durch ein aus mehreren Vertretern unterschiedlicher therapeutischer Disziplinen, nämlich zumindest der ärztlichen und der psychologischen bzw. psychotherapeutischen Fachrichtung, zusammengesetztes Behandlerteam in ineinandergreifender Zusammenarbeit beinhaltet.
38
cc) Die so verstandene „multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ wendet der Kläger in seiner Praxis nicht an, weshalb er sie einem in der Weiterbildung befindlichen Arzt nicht vermitteln kann. Nach den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie in den vorbereitenden Schriftsätzen arbeitet dieser in seiner Praxis als Therapeut alleine. Zwar findet einmal im Monat eine vom Kläger moderierte Schmerzkonferenz statt, in welcher schwierige Fälle aus dem Blickwinkel verschiedener Fachrichtungen diskutiert werden. Der Kläger hat auch erläutert, dass er Patienten, bei welchen seine eigene Behandlung nicht zufriedenstellend anschlage, zunächst an Kollegen anderer Fachrichtungen im ambulanten Bereich, beispielsweise aus der psychiatrischen Fachrichtung, überweise, bevor er soweit erforderlich eine Überweisung in eine stationäre Behandlung veranlasse. Damit räumt der Kläger aber ein, dass er selbst in seiner Praxis keinen multimodalen Ansatz in interdisziplinärer Zusammenarbeit anbietet. Die vom Kläger veranstaltete Schmerzkonferenz kann die fehlende Interdisziplinarität seines Behandlungsansatzes nicht ersetzen. Zum einen fehlt es, wie die Fachberaterin Dr. B* … in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, an der Interdisziplinarität des Behandlungsansatzes, weil nicht alle an der Behandlung beteiligten Fachdisziplinen an einem Ort im Zusammenwirken einen Behandlungsplan für den Patienten erstellen und umsetzen. Zum anderen kann die Beklagte bei der Vorgehensweise des Klägers auch kaum nachprüfen, ob die objektiven Anforderungen an die erforderliche Interdisziplinarität dauerhaft erfüllt werden.
39
dd) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nach § 135 Abs. 2 SGB V (Qualitätssicherungsvereinbarung) bzw. auf die von ihm abgerechneten Behandlungsziffern. Aus § 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung ergibt sich eindeutig, dass diese die Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Schmerztherapie chronisch schmerzkranker Patienten regelt. Es handelt sich somit, ebenso wie bei den vom Kläger angeführten Abrechnungsziffern, um Abrechnungsregelungen im Rechtsverhältnis des Klägers zur Kassenärztlichen Vereinigung bzw. zu den gesetzlichen Krankenkassen. Eine Aussage für die fachliche Eignung der vom Kläger betriebenen Weiterbildungsstätte und damit für das Vorliegen der Voraussetzungen einer vollen Weiterbildungsbefugnis lässt sich daraus nicht ableiten. Maßgeblich für die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis sind vielmehr allein die in der WBO aufgestellten fachlichen Kriterien.
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c) Die hier maßgeblichen Vorschriften, insbesondere § 5 Abs. 5, § 6 Abs. 2 WBO i.V.m. dem Abschnitt C Nr. 41 sind auch von der Satzungsermächtigung in Art. 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HKaG gedeckt und im Übrigen mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verlassen auch nicht den durch das Satzungsermessen der Beklagten gezogenen Rahmen.
41
aa) Die einschlägigen Vorschriften der Weiterbildungsordnung sind von der Ermächtigung in Art. 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HKaG gedeckt, welche der Beklagten ausdrücklich die Befugnis überträgt, durch Satzung die Voraussetzungen für die Erteilung der Weiterbildungsermächtigung und -zulassung zu regeln. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung in Art. 35 Abs. 2 Nr. 4 HKaG bestehen nicht, insbesondere verstößt diese nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts. Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, bedarf die Regelung der „statusbildenden Formen“ der Facharztanerkennung in den Grundzügen eines förmlichen Gesetzes, um dem Gesetzesvorbehalt zu genügen (BVerfG, B.v. 9.5.1972 - 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, Facharztbeschluss - BVerfGE 33, 125, juris Rn. 101 ff., insbesondere Rn. 113). Im vorliegenden Falle geht es nicht um statusbildende Regelungen, d.h. die Voraussetzungen, die Mindestdauer, das Anerkennungsverfahren und Rücknahmegründe für eine Facharztanerkennung, sondern um die Befugnis eines Arztes zur Weiterbildung anderer Ärzte auf dem Gebiet einer Zusatzbezeichnung, hier konkret der Speziellen Schmerztherapie. Der Landesgesetzgeber durfte deshalb in Art. 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HKaG die Voraussetzungen für die Erteilung der Weiterbildungsbefugnis der Beklagten zur Regelung durch autonomes Satzungsrecht überlassen.
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bb) Die einschlägigen Regelungen, insbesondere § 5 Abs. 5 und § 6 Abs. 2 WBO sind auch mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere sind die damit verbundenen Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Indem die Beklagte in ihrer Weiterbildungsordnung die Voraussetzungen für die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis regelt, regelt sie Aspekte der ärztlichen Berufsausübung. Es handelt sich demgegenüber nicht um subjektive oder gar objektive Zulassungsschranken im Sinne der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichtes, da der ausbildende Arzt auch bei Erteilung nur einer beschränkten Weiterbildungsbefugnis nicht in seiner Berufsausübung gehindert wird und auch weiterhin als Arzt praktizieren kann (vgl. HessVGH, U.v. 12.3.1996 - 11 UE 2853/94 - juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 28.2.2014 - 21 ZB 13.1882 - juris Rn. 11). Dass die Beklagte eine bestimmte Behandlungsform als zwingenden Weiterbildungsinhalt fordert, beeinträchtigt nicht die Wahlfreiheit des Klägers zwischen mehreren ihm zur Verfügung stehenden anerkannten Behandlungsmethoden, sondern bestimmt nur die Entscheidung darüber mit, in welchem Umfang ihm eine Weiterbildungsbefugnis zu erteilen ist. Regelungen der Berufsausübung sind gerechtfertigt, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, hier die Sicherung der Qualität der ärztlichen Weiterbildung im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Patienten sowie die Sicherung der Qualität ärztlicher Behandlungen, vorliegen. Im Hinblick auf diese hochrangigen Schutzzwecke sind die einschlägigen Regelungen auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Dafür spricht auch, dass die Beklagte die Möglichkeit hat, eine zeitlich begrenzte Weiterbildungsbefugnis zu erteilen, wenn zwar nicht alle Weiterbildungsinhalte vermittelt werden können, im Übrigen aber die an Inhalt, Ablauf und Zielsetzung der Weiterbildung gestellten Anforderungen erfüllt werden. Durch diese Möglichkeit einer beschränkten Befugniserteilung wird der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung auf das unbedingt notwendige Maß reduziert. In diesem Sinne wurde dem Kläger auch eine zeitlich beschränkte Weiterbildungsbefugnis erteilt.
43
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, da alle Antragsteller für die Erteilung einer vollen Weiterbildungsbefugnis in der einschlägigen Zusatzbezeichnung dieselben Kriterien erfüllen müssen. Jedenfalls liegt aber in der Differenzierung zwischen Weiterbildungsstätten, welche alle vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte vermitteln können, und solchen Weiterbildungsstätten, welche nur einen Teilausschnitt dieser Weiterbildungsinhalte vermitteln können, auch ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor. Dass diese Kriterien im ambulanten Bereich schwieriger oder gar nicht zu erfüllen sein mögen, liegt in der Natur der Sache, weil im ambulanten Bereich häufig - wie auch im Falle des Klägers - nicht alle einschlägigen Fachrichtungen in einer Praxis vereint sind.
44
cc) Des Weiteren überschreitet die Beklagte bei der Aufstellung der entsprechenden inhaltlichen Anforderungen an die Weiterbildung, insbesondere der Anforderung der Behandlungsmethode „multimodale Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ in Abschnitt C Nr. 41 WBO, auch nicht das ihr zukommende Satzungsermessen. Bei dem mit der gesetzlichen Ermächtigung, eigenes Satzungsrecht zu erlassen, eingeräumten Normsetzungsermessen handelt es sich nicht um ein Verwaltungsermessen i.S.d. Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO, sondern um einen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers vergleichbaren Gestaltungsspielraum, mit dem eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle einhergeht (Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 217; Ossenbühl in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III § 66 Rn. 47). Das Gericht kann deshalb - neben der Einhaltung des von der Ermächtigungsgrundlage gezogenen gesetzlichen Rahmens sowie der Vereinbarkeit der getroffenen Satzungsregelungen mit sonstigem höherrangigen Recht - nur überprüfen, ob die Beklagte mit der konkreten Satzungsregelung den Rahmen des Vertretbaren verlassen hat. Es handelt sich um eine Willkürkontrolle (Schmidt-Aßmann a.a.O. Rn. 217a; Ossenbühl a.a.O. Rn. 48).
45
Gemessen daran hat die Beklagte mit der Forderung des Behandlungsverfahrens der „multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit“ als zwingendem Weiterbildungsinhalt ihren satzungsrechtlichen Gestaltungsspielraum nicht verlassen. Die Festlegung dieses Kriteriums ist sachlich begründet und damit willkürfrei. Wie die Stellungnahmen der Fachberater der Beklagten deutlich gemacht haben und sich auch anhand allgemein zugänglicher Quellen nachvollziehen lässt, bilden im Bereich der Schmerztherapie multimodale Ansätze den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung ab, auch wenn diese nicht unumstritten sein mögen. Der Fachberater Dr. M* … hat hierzu in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass die Beklagte bei der Aufstellung der fachlichen Weiterbildungsinhalte sich an einschlägige fachliche Richtlinien hält. Demgegenüber äußert der Kläger zwar Zweifel an der wissenschaftlichen Evidenz interdisziplinärer Ansätze, insbesondere der IMST, er vermag damit jedoch die oben genannten sachverständigen Äußerungen nicht zu erschüttern. Dass der Kläger seinerseits auf Studien Bezug nimmt, welche die Wirksamkeit der IMST in Frage stellen sollen, stellt keinen substantiierten Angriff gegen die fachlichen Stellungnahmen dar. Der von ihm in der mündlichen Verhandlung auszugsweise zitierte Artikel aus der Zeitschrift „Der Schmerz“, Jahrgang 2020, Heft 34, S. 127/128, mag dafür sprechen, dass es zur Evidenz der IMST tatsächlich unterschiedliche Auffassungen gibt. Dies führt aber nicht dazu, dass die der multimodalen Therapie in interdisziplinärer Zusammenarbeit zugrundeliegenden wissenschaftlichen Meinungen unvertretbar sind. Zum einen ist, wie ausgeführt, der Begriff der multimodalen Therapie in der Weiterbildungsverordnung nicht auf die IMST zu verengen. Zum anderen hat der Fachberater Dr. M* … in der mündlichen Verhandlung auch nachvollziehbar erläutert, dass der vom Kläger angeführte sich mit einem Einzelfall einer einzelnen Klinik befasst und keine allgemeine wissenschaftliche Tendenz darstellt. Dass vom Kläger konsultierte Fachkollegen ähnliche Erfahrungen haben oder Meinungen vertreten, genügt nicht, um die fachliche Plausibilität der Aussagen der Fachberater zu erschüttern. Es handelt sich somit offensichtlich um eine wissenschaftliche Streitfrage, welche im Verwaltungsprozess nicht abschließend geklärt werden kann und auch keiner Klärung bedarf, da hierdurch nicht die sachliche Begründbarkeit des Kriteriums der multimodalen Therapie entfällt.
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3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
47
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.