Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 18.05.2020 – Au 9 K 17.33950
Titel:

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes 

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsätze:
1. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen der Verfolgungsgründe ist ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es liegt keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Kongo vor.  (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse im Kongo begründen kein Abschiebungsverbot. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
DR Kongo, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (verneint), keine Anknüpfung an asylrechtlich relevantes Merkmal glaubhaft gemacht, subsidiärer Schutz (verneint), Abschiebungsverbote (verneint), Asylverfahren, Kongo, glaubhafter Sachvortrag, Innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, Gefahrendichte, schlechte wirtschaftliche Verhältnisse
Fundstelle:
BeckRS 2020, 13627

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten in die DR Kongo bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.
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Die am ... 1986 in ... (Demokratische Republik Kongo, DR Kongo) ist kongolesische Staatsangehörige mit Volkszugehörigkeit der Bakongo und christlichem Glauben.
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Ihren Angaben zufolge reiste die Klägerin im September 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie unter dem 30. Juni 2016 Asylerstantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrages gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.
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Die persönliche Anhörung der Klägerin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 6. Oktober 2016. Die Klägerin trug hierbei im Wesentlichen vor, dass sie am 27. Januar 2015 das Haus verlassen habe, um zur Arbeit zu gehen. Wegen der Unruhen hätte sie sich in der Zeit vom 19. bis 27. Januar nicht aus dem Haus getraut. Im Krankenhaus, wo sie gearbeitet habe, habe sie Leichen in Empfang nehmen und mit Nummern versehen müssen. Es seien die ganze Zeit Leichen und Verletzte gebracht worden. Um 15.00 Uhr sei der Leichenraum voll besetzt gewesen. Als weitere Verletzte hinzugekommen seien, habe ein Soldat gesagt, man solle die Verletzten in die Leichenkammer bringen. Der Soldat habe mit ihrem Chef diskutiert, mit dem Ellbogen auf den Schädel eines Verletzten eingeschlagen und dann habe er die Pistole genommen und ihren Chef einfach erschossen. Der Soldat, der ihren Chef erschossen habe, habe dann eine Spritze mit Formol gefüllt und dem Verletzten in den Hals gerammt. Die Verletzten seien normale Zivilisten gewesen. Der Soldaten habe bis zum Abend jedem Verletzten die tödliche Spritze gesetzt. Fünf ihrer Kollegen hätten die Leichen dann in den Leichenraum bringen müssen. Abends sei der General ... und der Bruder des Präsidenten,, mit vielen weiteren Soldaten gekommen. Sie hätten die Leichen auf einen Lkw geladen und auch ihre fünf Kollegen dazu gezwungen, auf die Ladefläche zu steigen. Sie seien zu einem Haus verbracht worden. Ein Soldat sei zu ihnen gekommen. Die Klägerin sei dann brutal vergewaltigt worden. Es seien immer weitere andere Soldaten gekommen, um sie und ihre Kollegen zu vergewaltigen. Eines Tages sei ein Soldat gekommen, der denselben Dialekt wir der ältere Kollege gesprochen habe. Sie hätten den Soldaten um Hilfe gebeten. Der Soldat habe Hilfe zugesagt. Wenn er ein entsprechendes Signal gebe, müssten sie weglaufen. An der Straße sei sie zu einem Pick-Up gekommen. Der Fahrer habe gerufen, dass er auf sie warten würde. Nach ein paar Minuten sei er mit ihr weggefahren. Sie seien zu einem Haus gekommen, wo sie Kleidung, Perücke, Brille bekommen habe. Der Fahrer habe sie dann direkt zum Flughafen gebracht, dort habe er ihr einen Reisepass gegeben, ein Handy und ein Flugticket für die Türkei. In der Türkei habe sie dann versucht, ihren Ehemann und ihren Bruder zu erreichen, was nicht gelungen sei. Später habe sie erfahren, dass die Soldaten ihren Mann nach Mitternacht abgeholt hätten. Weiter gab die Klägerin an, dass sie nichts mit Politik zu tun habe. Es seien damals die Unruhen um Kabila gewesen und er sei immer noch an der Macht. Bei einer Rückkehr befürchte sie, umgebracht zu werden, weil sie eine Zeugin gewesen sei. Ihre Familie sei umgebracht worden und ihr Mann sei verschwunden.
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Für das weitere Vorbringen der Klägerin wird auf die vom Bundesamt über die persönliche Anhörung gefertigte Niederschrift verwiesen.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 11. Juli 2017 (Gz: ...) wurden die Anträge der Klägerin auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass der Klägerin auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor (Nr. 4). In Nr. 5 wird die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde der Klägerin die Abschiebung in die DR Kongo bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt u.a. aus, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorlägen. Die Klägerin sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. An den Angaben der Klägerin bestünden erhebliche Zweifel. Die Klägerin habe ihre begründete Furcht vor Verfolgung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Vortrag der Klägerin sei gekennzeichnet durch pauschale oberflächliche Angaben. Auch ließen sich für die Angaben der Klägerin keine Nachweise finden. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin nicht von tatsächlichen Erlebnissen berichtet habe. Erhebliche Zweifel bestünden auch hinsichtlich der Behauptung, die Klägerin habe die Ausreise aus der DR Kongo und die Einreise in der Türkei auf dem Luftweg angetreten, obwohl sie von Behörden der DR Kongo verfolgt worden sei. Auch wegen der in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten Asylantragstellung oder des illegalen Auslandsaufenthalts bestehe keine beachtliche Verfolgungsgefahr. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Der Klägerin drohe in ihrem Herkunftsland nicht die Vollstreckung oder Verhängung der Todesstrafe. Es sei auch davon auszugehen, dass es seit 2004 keine Vollstreckung der Todesstrafe gegeben habe. Eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheide ebenfalls aus. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich diese aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der DR Kongo führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch nach der Rechtsprechung bestehe trotz der angespannten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der DR Kongo für Rückkehrer in den Großraum Kinshasa in der Regel keine Gefahrenlage. Die Klägerin stamme aus, habe 12 Jahre lang die Schule besucht und sei diplomierte Krankenschwester. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Klägerin sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe der Klägerin auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 11. Juli 2017 wird ergänzend verwiesen.
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Die Klägerin hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 19. Juli 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 11. Juli 2017 (Gz.: ...) verpflichtet, die Klägerin als Flüchtling anzuerkennen sowie festzustellen, dass bei der Klägerin hinsichtlich des Landes DR Kongo die Voraussetzungen der §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 1 - 3 AsylG sowie des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass der mit der Klage angegriffene Bescheid rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Klägerin sei aufgrund der zahlreichen und ganz massiven Vergewaltigungen bzw. sexuellen Missbräuche traumatisiert und bedürfe einer intensiven, nachhaltigen fachärztlichen psychotherapeutischen Behandlung. In der DR Kongo bestehe eine extreme allgemeine Gefahrenlage. Alleinreisende Minderjährige, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Alte, Kranke, Gebrechliche und in sonstiger Weise hilfsbedürftige Personen. Die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage stelle sich in der DR Kongo als außerordentlich schwierig dar. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebe am Rande des Existenzminimums. Auch innerhalb der Großfamilie gelinge es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Lage der Frauen und Kinder sei als noch deutlich schlechter anzusehen. Nach Schätzungen von Hilfsorganisationen sei jede dritte erwachsene Frau im Kongo mindestens einmal vergewaltigt worden.
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Auf den weiteren Vortrag im Klageschriftsatz vom 19. Juli 2017 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 29. September 2017 wurde für die Klägerin ein Attest des Bezirkskrankenhauses ... vom 31. August 2017 vorgelegt, auf dessen Inhalt verwiesen wird.
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Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Januar 2020 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Mit weiteren Gerichtsbeschluss vom 15. Januar 2020 wurde der von der Klägerin gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.
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Am 18. Mai 2020 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der die Klägerin informatorisch angehört wurde, wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Über den Rechtsstreit konnte trotz Ausbleibens der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2020 entschieden werden. In der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen worden.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), auf Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) bzw. auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der DR Kongo bzw. eines anderen aufnahmebereiten Staats. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 11. Juli 2017 (Gz.: ...) ist auch hinsichtlich der erfolgten Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig, so dass die Klage auch insoweit ohne Erfolg bleibt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid des Bundesamtes vom 11. Juli 2017 ist, soweit er mit der Klage angegriffen ist, daher rechtmäßig. Es wird zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Darüber hinaus wird das Folgende ausgeführt:
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 - Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
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Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
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Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 - 2 BvR 2141/06 - juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 - 23 K 5187/11.A - juris Rn. 26).
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Gemessen an diesen Maßstäben konnte die Klägerin eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft machen. Aus dem Vortrag der Klägerin ist bereits keine asylrechtlich relevante Vorverfolgung im Sinne der § 3 ff. AsylG erkennbar. Selbst wenn man dem Vortrag der Klägerin beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2020 Glauben schenken würde, knüpft das Vorbringen der Klägerin gerade nicht an eine Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG). Die Klägerin schildert allenfalls von ihr erlittenes kriminelles Unrecht, welches asylrechtlich ohne Relevanz bleibt. Die Klägerin ist insoweit auf die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zu verweisen. Somit kann letztlich dahingestellt bleiben, ob man dem Vorbringen der Klägerin beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung Glauben schenkt. Selbst wenn man die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Klägerin unterstellt, bleibt deren Vortrag asylrechtlich ohne Relevanz.
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Im Übrigen begegnet der Vortrag der Klägerin beim Bundesamt auch erheblichen Glaubwürdigkeitszweifeln. Das gesamte Vorbringen der Klägerin insbesondere in Bezug auf die von ihr geschilderte Flucht aus dem Haus, in das sie angeblich verbracht worden sei, wirkt konstruiert und unglaubwürdig. Das Gericht ist insoweit der Überzeugung, dass die Klägerin nicht von selbst Erlebtem berichtet, sondern ihr Vorbringen in wesentlichen Punkten frei erfunden ist. Dass der Klägerin mit Hilfe einer Perücke und gefälschten Papieren unmittelbar die Flucht auf dem Luftweg aus der DR Kongo in die Türkei gelungen sein sollte, erscheint abwegig. Letztlich bedürfen die von ihr dargestellten Gründe aber aus den vorgenannten Gründen keiner vertiefenden Betrachtung.
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Nach allem war der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf der Grundlage der §§ 3 ff. AsylG abzulehnen. Der Klägerin steht kein diesbezüglicher Anspruch zur Seite.
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2. Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG.
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Solcher ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG durch einen Akteur im Sinne des § 3c i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 AsylG die Verhängung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die §§ 3c bis 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG).
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Die Klägerin hat, wie oben dargelegt, keine asylrechtlich-relevante Verfolgung glaubhaft dargelegt. Auch ergeben sich im Hinblick auf die humanitäre Situation in der DR Kongo keine Hinweise darauf, dass ihm ein ernsthafter Schaden droht. Dies gilt zumindest in Bezug auf, den Geburts- und vormaligen Aufenthaltsort der Klägerin.
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Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
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Unabhängig davon, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, liegt jedenfalls keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen Konflikts vor. Die Klägerin stammt ihren eigenen Angaben zufolge aus ... Dort hat sie auch bis zu ihrer Ausreise aus der DR Kongo im Jahr 2016 zusammen mit ihrer Mutter gelebt. Lediglich im Osten der Demokratischen Republik Kongo, insbesondere auch in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (vgl. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo des Auswärtigen Amts vom 27. Februar 2018, Stand: Dezember 2017, S. 5). Bei den andauernden Konflikten im Osten bzw. Nordosten der Demokratischen Republik Kongo handelt es sich u.a. um komplexe soziale Auseinandersetzungen um regionale bzw. lokale Vorherrschaft, Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen, befeuert von inter-ethnischen Spannungen. Angesichts der Gesamteinwohnerzahl der Provinz Nord-Kivu mit etwa 6,6 Mio. Einwohner und Süd-Kivu von etwa 5,7 Mio. Einwohner hat der dem Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt aber kein so hohes Niveau, dass davon ausgegangen werden kann, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Im Übrigen handelt es sich nicht um einen landesweiten Konflikt. Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Klägerin selbst aus ... stammt. Bei der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlichen Gefahrenprognose im Falle eines - wie hier - regional begrenzten, nicht landesweiten Konflikts ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17). Dies zugrunde gelegt scheidet für die Klägerin die Gewährung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus. Die Klägerin stammt aus der Großraumregion ... und hat dort auch vor ihrer Ausreise gelebt.
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3. Der Abschiebung der Klägerin steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen.
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Ein solches liegt zu Gunsten der Klägerin nicht vor. Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Gemäß § 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder der ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen.
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Diese Voraussetzungen liegen mangels erkennbarer Vorverfolgung der Klägerin nicht vor.
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Eine unmenschliche Behandlung droht der Klägerin auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in der DR Kongo. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können nur in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend“ sind. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind. Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, so ist zu berücksichtigen, ob es dem Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR, U.v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 ff.; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalles ist hierbei ein sehr hohes Niveau der Gefährdung zu verlangen (BayVGH, U.v. 21.10.2014 - 13a B 14.30285 - juris).
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Dies zugrunde gelegt ist hier davon auszugehen, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bei einer Rückkehr in die DR Kongo erneut sichern kann. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung einen 12-jährigen Schulbesuch vorzuweisen. Sie ist diplomierte Krankenschwester mit dreijährigem Universitätsbesuch. Auch hat sie in der DR Kongo bereits in dem von ihr erlernten Beruf gearbeitet. So war sie nach ihrem eigenen Vorbringen sieben Jahre lang als Krankenschwester in einem Krankenhaus in ... tätig. Auch halten sich zumindest noch die drei minderjährigen Kinder der Klägerin in der DR Kongo auf. Nach eigener Aussage der Klägerin werden diese derzeit von einem Nachbarn betreut. Der Klägerin kann insoweit zugemutet werden, von Deutschland aus den Kontakt zu ihrer im Heimatland noch lebenden Rest-Familie wiederherzustellen und so ihre Rückkehr vorzubereiten.
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Der Abschiebung der Klägerin steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG entgegen.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
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Individuelle, nur der Klägerin drohende Gefahren liegen nicht vor. Deren Vorbringen hinsichtlich einer drohenden Verfolgung begründet nach Auffassung des Gerichts keine konkrete Gefahr für die Klägerin.
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Die Klägerin hat aber auch keine sie betreffenden gesundheitlichen Aspekte im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG glaubhaft vorgetragen. Das letzte von der Klägerin im Verfahren vorgelegte fachärztliche Attest der Bezirkskliniken ... (Gerichtsakte Bl. 41) datiert bereits vom 31. August 2017. Weitere ärztliche Atteste konnte die Klägerin auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht vorlegen. Sie hat vielmehr auf Nachfrage ausgeführt, dass sie nicht mehr in andauernder psychiatrischer Behandlung sei. Sie suche die Bezirkskliniken ... - Bezirkskrankenhaus ... - nur noch auf, um sich entsprechende medizinische Präparate verordnen zu lassen. Das ihr verordnete Medikament Mirtazapin nehme sie jedoch nicht mehr ein, da sie befürchte, erneut erheblich zuzunehmen. Auf dieser Grundlage kommt die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen zugunsten der Klägerin nicht in Betracht. Es fehlt insoweit bereits an der Vorlage aktueller aussagefähiger ärztlicher Atteste im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AsylG in entsprechender Anwendung.
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4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
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Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 AufenthG bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt ebenfalls nicht. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich gemäß § 114 Satz 2 VwGO beschränkten Prüfung ordnungsgemäß ausgeübt. Die erforderliche Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer kann in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes auch in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2011 (§ 11 Abs. 2 AufenthG n.F.) gesehen werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 - 1 C 21.17 - juris).
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5. Die Klage war mithin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
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6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.