Titel:
Abgewiesene Klage im Streit um Zwangsgeldandrohung
Normenketten:
VwGO § 43
BayVwZVG Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Abs. 3 S. 3, Art. 37 Abs. 1 S. 1, Art. 38 Abs. 1 S. 3
Leitsatz:
Der Adressat einer sofort vollziehbaren Baueinstellungsverfügung hat als Pflichtiger dafür Sorge zu tragen, dass auch von ihm in seinem Betrieb Beschäftigte oder Familienangehörige einem gegen ihn ergangenen Unterlassungsgebot nachkommen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fälligstellung eines Zwangsgeldes, Zurechnung Fehlverhaltens, Dritter, erneute Zwangsgeldandrohung, Baueinstellung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 13422
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Fälligstellung eines Zwangsgeldes in Höhe von 3.000,- EUR wegen der Zuwiderhandlung gegen eine Baueinstellung sowie gegen die Androhung eines erneuten Zwangsgeldes in Höhe von 6.000,- EUR.
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Der Kläger ist Pächter der Grundstücke Fl.Nrn.,... und... der Gemarkung.... Die Grundstücke liegen im Außenbereich und werden als Kleinprivatwald genutzt. In diesem Bereich stellte der Beklagte Anfang Juli 2019 Aufschüttungen auf den vorhandenen Waldwegen auf einer Fläche von rund 650 m² fest.
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Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 8. Juli 2019 alle Bau- und Auffüllarbeiten auf den Grundstücken Fl.Nrn.,... und... der Gemarkung... ab sofort bis auf weiteres ein (Ziff. 1.), erklärte Ziffer 1. des Bescheids für sofort vollziehbar (Ziff. 2) und drohte für den Fall einer Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR an (Ziff. 3). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die für eine Baueinstellung erforderliche formelle Illegalität der Bauarbeiten gegeben sei. Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO seien Aufschüttungen von mehr als 500 m² und höher als 2 m genehmigungspflichtig. Der Ausspruch der Baueinstellung liege im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, wobei grundsätzlich ein öffentliches Interesse an der Unterbindung formell unzulässiger Bauarbeiten bestehe. Vorliegend sei nichts dafür ersichtlich, weshalb eine Einstellung ausnahmsweise unterbleiben könne. Ein Bauantrag werde nicht gefordert, da aufgrund der unsachgemäßen Ausführung und des verwendeten Materials die Auffüllung komplett beseitigt werden müsse.
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Die hiergegen vom Kläger am 6. August 2019 erhobene Klage wird unter dem Az. Au 4 K 19.1149 geführt.
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Anlässlich einer weiteren Baukontrolle am 23. Juli 2019 wurden neue, weitere Auffüllungen festgestellt.
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Daraufhin stellte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Juli 2019 das mit Bescheid vom 8. Juli 2019 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR fällig und drohte zugleich mit Bescheid ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 6.000,- EUR an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei einer Ortseinsicht am 23. Juli 2019 festgestellt worden sei, dass die Bau- und Auffüllarbeiten fortgeführt und mit weiteren Auffüllungen die Wegverzweigungen verlängert worden seien. Aufgrund der Zuwiderhandlung sei das Zwangsgeld zur Zahlung fällig geworden. Die erneute Androhung eines erhöhten Zwangsgeldes sei zulässig, weil die vorangegangene Zwangsgeldandrohung keine Wirkung gezeigt habe.
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Hiergegen ließ der Kläger am 6. August 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für ihn ist beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2019 aufzuheben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger mit einem Dritten abgesprochen habe, dass dieser wenige LKWs mit Aushubmaterial von Baggerarbeiten im Rahmen von Breitbandausbaumaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr.... aufbringen könne. Dass absprachewidrig zu viel Aushubmaterial und darüber hinaus auch auf die Grundstücke Fl.Nrn.... und... verbracht worden sei, habe der Kläger erst im Bescheid vom 8. Juli 2019 erfahren. Auch die ihm vorgeworfene Fortführung der Auffüllarbeiten habe er nicht veranlasst. Er habe insbesondere den Dritten nicht angewiesen, Veränderungen am Bestand herbeizuführen. Dieser habe erklärt, sich beim Beklagten bezüglich der „Problematik“ (…) zu „kümmern“. Der Kläger habe demnach nicht davon ausgehen können, dass der Dritte dem Bescheid zuwider handeln würde.
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Der Beklagte trat der Klage unter dem 19. September 2019 entgegen. Für ihn ist beantragt,
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Bei einer weiteren Baukontrolle am 23. Juli 2019 sei festgestellt worden, dass die Bauarbeiten entgegen der für sofort vollziehbar erklärten Baueinstellung und Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 8. Juli 2019 fortgeführt worden seien. Deswegen sei das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden. Das Zwangsgeld sei entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen festgesetzt worden.
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Am 21. April 2020 erklärten der Beklagte und am 24. April 2020 der Kläger den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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I. Hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung ist nicht die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO mangels Verwaltungsaktqualität statthaft, sondern eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Nach der Regelung in Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG ist bereits die Androhung eines Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer Leistungsbescheid, weshalb die Vollstreckung von Zwangsgeldern nicht den Erlass weiterer Bescheide voraussetzt, sondern unmittelbar aufgrund der erfolgten Androhung in die Wege geleitet werden kann. Die zeitlich nachfolgende Fälligkeitsmitteilung hat nur deklaratorische Wirkung und ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 21.1.2015 - 1 CE 14.2460, 1 CE 14.2520 - juris Rn. 10).
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Die so verstandene Klage (vgl. § 88 VwGO) ist zwar zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
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Soweit sich die Klage im oben ausgeführten Sinn gegen das mit Bescheid vom 8. Juli 2019 angedrohte und mit Fälligkeitsmitteilung vom 23. Juli 2019 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR richtet, ist die Klage unbegründet. Das angedrohte Zwangsgeld wurde von Seiten des Beklagten zu Recht fällig gestellt, nachdem der Kläger die mit Bescheid vom 8. Juli 2019 mit Sofortvollzug angeordnete und mit Zwangsgeldandrohung versehene Baueinstellung auf den Grundstücken Fl.Nr.,... und... Gemarkung... nicht befolgt hat (vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
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Mit der Verpflichtung des Klägers zur Baueinstellung vom 8. Juli 2019, gestützt auf Art. 75 BayBO, liegt ein grundsätzlich vollziehbarer Grundverwaltungsakt vor. Dessen Vollziehbarkeit ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG aufgrund der Anordnung des Sofortvollzugs.
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Damit liegt gegenüber dem Kläger eine grundsätzlich vollziehbare Unterlassungsverpflichtung vor. Überdies ist darauf zu verweisen, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung im Vollstreckungsverfahren nicht zu prüfen ist, da es ausschließlich auf die Vollziehbarkeit der der Vollstreckung zugrundeliegenden Maßnahme ankommt.
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Der der Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt ist auch nicht unwirksam. Eine Nichtigkeit, die nach Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG zur Unwirksamkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsakts führen würde, ist nicht erkennbar. Insbesondere liegt kein Fall von Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG vor, wonach ein Verwaltungsakt insbesondere dann nichtig ist, wenn er von niemand ausgeführt werden kann. Die vom Kläger geforderte Handlungspflicht (Baueinstellung) ist dem Grunde nach durchaus erfüllbar.
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Das Gericht ist nach den vorgelegten Lichtbildern und der Einlassung des Klägers im Verfahren überzeugt, dass der Kläger der Baueinstellungsverfügung des Beklagten vom 8. Juli 2019 zuwidergehandelt hat, so dass das im Bescheid angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR fällig geworden ist. Die vom Beklagten anlässlich der Baukontrolle vom 23. Juli 2019 gefertigten Fotografien (Behördenakte Bl. 66 - 69) belegen dies hinreichend. Dies wird vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten. Soweit er geltend macht, die Fortführung der Arbeiten nicht veranlasst bzw. auf eine Klärung der „Problematik“ durch seinen Auftragnehmer mit den Behörden vertraut zu haben, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Anwendungsermessens (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG; vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2001 -1 ZE 01.2820 - BayVBl 2002, 437, B.v. 1.3.2012 - 9 ZB 11.2528 - juris Rn. 17) ergeben sich daraus nicht. Denn der Beklagte durfte zu Recht darauf abstellen, dass der Kläger Adressat der sofort vollziehbaren Baueinstellungsverfügung ist. Er war damit für die Einhaltung der im Bescheid getroffenen Anordnung verantwortlich. Als Pflichtiger hat er dafür Sorge zu tragen, dass auch von ihm in seinem Betrieb Beschäftigte oder Familienangehörige einem gegen ihn ergangenen Unterlassungsgebot nachkommen. Er kann sich seiner Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass er bspw. die Betriebsführung und die damit verbunden die Sorge für die Einhaltung der Unterlassungspflicht vollends anderen überlässt (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1975 - V 76.74 - juris Rn. 12 m.w.N.; Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 6). Ausgehend hiervon ist dem Kläger das Fehlverhalten seines Auftragnehmers entsprechend dem in § 278 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken zuzurechnen (Mosbacher in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 11. Aufl. 2017, vor §§ 6 - 18 Rn. 10 m.w.N.).
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Das mit Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2019 angedrohte Zwangsgeld konnte demnach gegen den Kläger fällig gestellt werden, dessen Klage bleibt insoweit ohne Erfolg.
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II. Gleiches gilt bezüglich der erneuten Androhung eines erhöhten Zwangsgeldes im mit der Klage angegriffenen Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2019. Diese erneute Zwangsgeldandrohung, diesmal über einen Betrag von 6.000,- EUR, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Da es sich um eine isolierte, nicht mit dem zugrundeliegenden Grundverwaltungsakt verbundene Androhung eines Zwangsgeldes handelt, ist die Anfechtbarkeit gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG eingeschränkt. Die Zwangsgeldandrohung kann nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt sind damit ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, B.v. 24.1.2007 - Vf. 50-VI-05 - juris Rn. 53). Möglich ist nur noch die Rüge von Rechtsverletzungen, die die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittelandrohung als solche betreffen.
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Die erneute Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 und Art. 36 VwZVG. Es liegen sowohl die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) als auch die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt, die Baueinstellung vom 8. Juli 2019 war zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG aufgrund der Anordnung des Sofortvollzugs vollstreckbar. Die Pflicht zur Befolgung der Baueinstellung stellt sich als eine Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einem Unterlassen i.S.v. Art. 31 VwZVG dar, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld gemäß Art. 31 Abs. 1 VwZVG das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel darstellt. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 6.000,- EUR ist im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG nicht zu beanstanden.
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Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die in Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG geforderte Erfolglosigkeit der ersten Zwangsgeldandrohung meint nicht, dass vor erneuter Androhung das zuvor angedrohte Zwangsgeld erfolgreich beigetrieben werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 - 10 ZB 10.2439 - juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 23.6.2015 - 7 B 351/15 - juris Rn. 9 ff.). Es soll nämlich nicht von der Zahlungsmoral des Pflichtigen abhängen, ob die Behörde ein erneutes Zwangsgeld androhen darf.
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Für das Vorliegen von Ermessensfehlern bei der Auswahl des Zwangsmittels und dessen Höhe i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO ist nichts ersichtlich.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.