Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 05.06.2020 – AN 4 E 20.00973
Titel:

Besetzung der Ausschüsse und Kommissionen des Stadtrates

Normenkette:
GO Art. 33 Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 5
Leitsätze:
1. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, wonach die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Gemeinderates sein müssen, wird durch den Ausgleich verschiedener widerstreitender Aspekte, namentlich das Mehrheitsprinzip, der Minderheitenschutz sowie die Effektivität der Ausschussarbeit verwirklicht. Die maßgeblichen Parameter sind vor allem die Größe der Ausschüsse sowie die Wahl des Berechnungsverfahrens. Dem Stadtrat kommt ein politischer Freiraum zu. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verboten ist eine Regelung für die Zusammensetzung der Ausschüsse, die sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richtet, mit dem alleinigen oder vorrangigen Ziel, ihre Tätigkeit zu beeinträchtigen und sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wahl des Berechnungsverfahrens für die Ausschusssitze steht im Ermessen der Gemeinde. Es ist nicht an das Berechnungsverfahren bei den Kommunalwahlen selbst gekoppelt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Ausschussgröße muss nicht zwingend so hoch sein, dass alle Gruppierungen berücksichtigt werden. Umgekehrt darf eine Gemeinde die Anzahl der Sitze eines Ausschusses nicht so weit verkleinern, dass kleinere Fraktionen und Gruppen dadurch in unerträglicher Weise von der Willensbildung ausgeschlossen würden. Die Ausschussgröße sollte so gewählt werden, dass auch hinsichtlich der kleineren Fraktionen und Gruppen der Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Gemeinderates bildet. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Demokratieprinzip, Ausschussbesetzung, Spiegelbild, Überkompensation, Spiegelbildlichkeit, Missbrauch (verneint), Ausschuss, Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, Missbrauch, Berechnungsverfahren, Ausschussgröße, Ausschussgemeinschaft, Mehrheitsprinzip, Minderheitenschutz
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 07.08.2020 – 4 CE 20.1442
Fundstelle:
BeckRS 2020, 12991

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Besetzung der Ausschüsse und Kommissionen des Stadtrates.
2
Am 15. März 2020 fand die Stadtratswahl in … statt. Dabei hat sich ausweislich des amtlichen Endergebnisses folgende Sitzverteilung ergeben:

Christlich-Soziale Union (CSU)

22

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

18

Bündnis 90 / Die Grünen

14

Alternative für Deutschland (AfD)

4

Die Linke

3

Freie Wähler (FW)

2

Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)

2

Freie Demokratische Partei (FDP)

1

Politbande

1

Partei / Piraten

1

Linke Liste

1

Die Guten

1

70

3
Die Antragsteller sind die gewählten Vertreter der AfD. Auf sie entfielen 5,69% der abgegebenen Stimmen.
4
Bei der konstituierenden Sitzung am 11. Mai 2020 gab sich der Stadtrat der Antragsgegnerin eine Geschäftsordnung, die insbesondere folgende Regelungen enthält:
„§ 6 Fraktionen Zusammenschlüsse von Stadtratsmitgliedern besitzen Fraktionsstatus, wenn sie kraft ihrer Stärke mit mindestens einem Mitglied in einem Stadtratsausschuss vertreten sind. Die Bezeichnung der Fraktionen sowie deren Vorsitzende und ihre Stellvertretungen werden in öffentlicher Sitzung mitgeteilt.“
II. Die Ausschüsse und Kommissionen
§ 7 Bildung, Auflösung
5
(1) In den Ausschüssen und Kommissionen (Anlage 1) müssen die im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergruppen gemäß ihren Vorschlägen nach dem Verhältnis ihrer Stärke im Stadtrat vertreten sein. Maßgebend ist somit nicht die Stimmenzahl, welche sie bei der Wahl erhalten haben, sondern die Zahl ihrer Mitglieder im Stadtrat. Stadtratsmitglieder können sich zur Entsendung gemeinsamer Vertreterinnen und Vertreter in die Ausschüsse zusammenschließen.
6
Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss ferner die Größe der Ausschüsse und Kommissionen auf 14 Sitze festzulegen und für die Besetzung das Verfahren nach d’H. anzuwenden. Die mit drei oder weniger Sitzen vertretenen Gruppierungen schlossen sich zu zwei Ausschussgemeinschaften zusammen: Die Vertreter von „Die Linke“, die Politbande und die Partei bilden die „Bunte Ausschussgemeinschaft“, die insgesamt fünf Sitze repräsentiert. Die Vertreter von FW, FDP, ÖDP, Linke Liste und von „die Guten“ bilden „Die Ausschussgemeinschaft“, die insgesamt sieben Sitze repräsentiert. Infolgedessen entfiel auf die von den Antragstellern vertretene Partei kein Sitz in den Ausschüssen.
7
Mit Schreiben vom 25. Mai 2020 ließen die Antragsteller hiergegen Klage erheben und beantragten zugleich sinngemäß einstweilig anzuordnen, dass die Antragsgegnerin die Sitze in den 17 ständigen Ausschüssen und drei Kommissionen mit 14 Stadtratsmitgliedern in der Weise zu verteilen hat, dass die Stadtratsgruppe der AfD jeweils einen Sitz erhält.
8
Zur Begründung lassen die Antragsteller im Wesentlichen vortragen, der Stadtratsgruppe der AfD komme nach der getroffenen Regelung kein Fraktionsstatus und aufgrund des gewählten Berechnungsverfahrens nach d’H. auch kein Sitz in einem Ausschuss oder in einer Kommission zu. Dies wäre aber bei jedem anderen Zählverfahren der Fall:

Hare-Niemeyer

d'Hondt

Sainte-Lague/Schepers (Höchstzahl)

Sainte-Lague/Schepers (Divisor)

CSU

4

5

4

4

SPD

4

4

4

4

Grüne

3

3

3

3

Die AG

1

1

1

1

Bunte AG

1

1

1

1

AfD

1

0

1

1

9
Die Antragsteller haben mit Schreiben vom 5. Mai 2020 bei der Antragsgegnerin beantragt, das H.N.-V. für die Sitzverteilung bei Stadtratsausschüssen anzuwenden. Mit bei der Antragsgegnerin am 7. Mai 2020 eingegangenen Schreiben beantragten die Fraktionen der CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie die Stadträte … (Freie Wähler), … (FDP), … (Die Linke) und … … (Politbande) die Verteilung der Sitze nach d’H. sowie die Festlegung der Größe der Ausschüsse und Kommissionen auf 14 Sitze.
10
Keine der kleineren Parteien sei bereit gewesen, mit der AfD eine Ausschussgemeinschaft zu bilden. Im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des Stadtrates, ebenso wie in dieser Sitzung selbst, hätten Vertreter aller Parteien sich dahingehend geäußert, nur mit „demokratischen Parteien“ zusammenarbeiten zu wollen. Nach dem aktuellen politischen Sprachgebrach bedeute dies, man wolle nicht mit der AfD koalieren oder in einer anderen Weise zusammenarbeiten, weil sie nach Auffassung dieser Parteien keine demokratische Partei sei. Insbesondere seitens der Fraktion der Grünen habe man die Absicht geäußert, die Bestimmung der Ausschussgröße und des Zählverfahrens dazu nutzen zu wollen, die AfD von den Ausschüssen fernzuhalten und eine Fraktionsbildung zu verhindern. Dies sei auch öffentlich kommuniziert worden. Das Zählverfahren nach d’H. sei offensichtlich ausschließlich deshalb verwendet worden, damit die Stadtratsgruppe der AfD keinen Ausschusssitz und damit keinen Fraktionsstatus erhält. Letzterer führe bekanntlich jedoch dazu, dass entsprechende Rederechte im Stadtrat im größeren Umfang bestehen und dass eine entsprechende Ausstattung mit Geschäftsräumen und Sachmitteln erfolgen müsse.
11
Der Gemeinderat müsse nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO bei der Besetzung der Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung tragen. Ferner müssen (Hervorhebung durch Antragstellervertreter) nach § 7 Abs. 1 der Geschäftsordnung des … Stadtrates die im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergruppen nach dem Verhältnis ihrer Stärke in den Ausschüssen vertreten sein. Dies sei als Ausfluss des Demokratieprinzips ein verfassungsrechtliches Gebot.
12
Diese Grundsätze habe auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem „Markt-Ergolding-Urteil“ (U.v. 17.3.2004, 4 BV 03.1159) angewendet. In diesem habe der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die Anwendung des Zählsystems nach d’H. nicht rechtens gewesen sei, da die ÖDP in diesem Fall keinen Ausschusssitz erhalte. Dies habe das Gebot der Spiegelbildlichkeit verletzt. Bei der Anwendung eines anderen Zählverfahrens als d’H. sei auch ausgeschlossen, dass die Stadtratsgruppe der Antragsteller überrepräsentiert sei. Der Sachverhalt liege daher anders im Fall des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz (U.v. 23.1.2018, VGH O 17/17). Es verstehe sich von selbst, dass unter den zu Verfügung stehenden Zählverfahren stets dasjenige zu wählen sei, das die Einhaltung des Spiegelbildlichkeitsgebots und somit die weitgehende Berücksichtigung des Wählerwillens ermögliche.
13
Hinzu komme, dass für die Kommunalwahl selbst schon das Zählverfahren nach S.-L./Sch. angewendet worden sei. In der Diktion des Bundesverfassungsgerichts müsse dann auf der zweiten Ebene der demokratischen Willensbildung ebenfalls dieses Wahlverfahren angewendet werden. Die Abbildung des Wählerwillens müsse durchgängig mit höchstmöglicher mathematischer Genauigkeit umgesetzt werden. Vor allem sei im vorliegenden Fall aber von einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten auszugehen, da das Verfahren nach d’H. erklärtermaßen ausschließlich deswegen zur Anwendung gekommen sei, weil die im Stadtrat vertretenen anderen Parteien der AfD weder einen Ausschusssitz noch Fraktionsstatus zuerkennen wollten. Dies sei rechtlich nicht haltbar.
14
Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Stadtrat seine Arbeit bereits aufgenommen habe. Die Antragsteller repräsentieren zusammen 5,69% der Wählerstimmen und würden in verfassungswidriger Weise an der vollständigen Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert. Bei einer üblichen Verfahrensdauer müsse, insbesondere unter Berücksichtigung des Instanzenzuges, mit einem wesentlichen Verstreichen der Legislaturperiode gerechnet werden.
15
Mit Schreiben vom 2. Juni 2020 lässt die Antragsgegnerin erwidern und beantragen Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
16
Die Antragsgegnerin lässt im Wesentlichen ausführen, dass die äußeren Tatsachen von den Antragstellern grundsätzlich zutreffend wiedergegeben werden. Auf der Übersicht fehle es allerdings am mathematischen Proporz. Dies erstaune, da das vom gegnerischen Bevollmächtigten zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2004 unter Rn. 20 gerade hierauf entscheidend abstellt:

d’H.

mathematischer Proporz

CSU

5

4,4

SPD

4

3,6

Grüne

3

2,8

Afd

0

0,8

AG1

1

1

AG2

1

1,4

17
Den Mutmaßungen des Antragstellerbevollmächtigten, zu den Beweg- und Hintergründen, die zu den Entscheidungen über die Sitzverteilung in den Ausschüssen geführt haben, werde widersprochen. Die gefundene Lösung sei keine „Verschwörung“ zu Lasten der Antragsteller, sondern lediglich die Fortführung der Praxis der vergangenen Kommunalwahlperioden.
18
So werden die Ausschusssitze in … seit jeher nach d’H. verteilt, was der Praxis in den meisten Gemeinden entsprechen dürfte (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 33 Rn. 10). Folglich habe ein Wechsel, um den Antragstellern zu schaden, auch nicht stattgefunden.
19
Bei den Ausschussgrößen bewege sich die Antragsgegnerin ebenfalls im bisherigen Rahmen. Die Antragsteller tragen selbst vor, dass in der letzten Wahlperiode die Ausschüsse aus 12 Mitgliedern bestanden haben. Eine Änderung zu Ungunsten der Antragsteller sei somit nicht erfolgt. In der vergangenen Wahlperiode hätten vier Stadtratsmandate ebenfalls nicht für einen Ausschusssitz gereicht. Das habe in der letzten Wahlperiode die Vertreter der Linken Liste betroffen.
20
Ferner sei der § 29 Abs. 2 Satz 2 der Stadtratsgeschäftsordnung unverändert geblieben. Dieser gewähre Stadtratsmitgliedern, die einen Antrag gestellt haben, aber im Ausschuss nicht vertreten sind, insoweit ein Recht auf Teilnahme an der Beratung.
21
Die Stadtratsbeschlüsse seien daher keine Verschwörung gegen die Antragsteller. Wenn sich das eine oder andere Stadtratsmitglied über das Ergebnis gefreut haben sollte, so sei dies politisch zu bewerten, habe aber rechtlich keine Bedeutung.
22
Rechtlich lässt die Antragsgegnerin weiter vortragen, dass die Antragsteller keinen Anspruch auf eine Berechnung nach einem anderen Verfahren haben. Art. 33 Abs. 1 GO schreibe kein bestimmtes mathematisches Verfahren vor. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof folgere hieraus in ständiger Rechtsprechung, dass der Stadtrat unter den verschiedenen anerkannten Berechnungsverfahren wählen könne. Dies werde besonders deutlich in dem vom Antragstellervertreter zitierten Urteil vom 17. März 2004. Besonders deutlich werde dies im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. März 2017 (Az. 4 ZB 16.1815), wonach es keinen Billigkeitsgrundsatz dahingehend gebe, dass Parteien durch die Wahl eines passenden Auswahlverfahrens so (über) repräsentiert werden müssten, dass auch sie einen Ausschusssitz erhalten könnten. Eine Ausnahme sei nur in den Fällen der sogenannten Überaufrundung geboten, wenn die Rundungsgewinne die Zahl von 0,99 übersteigen (vgl. hierzu das Urteil vom 17. März 2004 - Rn. 20). Eine derartige Aufrundung werde im … Stadtrat bei keiner Partei erzeugt. An der Gleichwertigkeit der Berechnungsverfahren ändere auch nicht, dass das Kommunalwahlgesetz für den Bereich der Berechnungsverfahren wiederholt gewechselt habe (Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O.; BeckOK KommunalR Bayern/ Wolff, GO Art. 33 Rn. 5 a).
23
Der Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes führe zu keinem anderen Ergebnis. Das Gesetz trage dem Minderheitenschutz in Art. 33 GO mit der Möglichkeit zur Bildung von Ausschussgemeinschaften Rechnung. Für einen Rückgriff auf Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GO bestehe kein Bedarf (BayVGH, U.v. 7.10.1992, 4 B 91.2372). Im Übrigen könne der Minderheitenschutz ohnehin allenfalls Grenzen bei der Bestimmung der Ausschussgröße, nicht aber bei der Wahl des Berechnungsverfahrens setzen (BayVGH, U.v. 17.3.2004 - Rn. 15 f.). Ferner sei nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Oktober 1992 ein Anteil von 10% der Sitze im Rat noch kein Kriterium, um einen Ausschusssitz zu erhalten. Dem kämen die Antragsteller noch nicht einmal nahe.
24
Das gewählte Berechnungsverfahren und die Ausschussgröße führten zu einem vernünftigen Gesamtergebnis. Bei den Stärkeverhältnissen im … Stadtrat gebe es eine deutliche Zäsur zwischen den drei großen Parteien (CSU, SPD und Grüne) und den übrigen Gruppierungen. Es wäre vielmehr kaum zu erklären, wenn die Antragsteller mit vier Sitzen einen Ausschusssitz erhielten, Die Linken mit drei Sitzen aber keinen mehr. Daher sei die Möglichkeit von Ausschussgemeinschaften sachgerecht. Ob und in welcher Form diese zustande kommen, bliebe den Wählergruppen überlassen. Ein Zwang zur Bildung von Ausschussgemeinschaften bestehe nicht.
25
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begegne zudem hinsichtlich des Anordnungsgrundes Bedenken, der zumindest in der Gestalt der Vorwegnahme der Hauptsache noch nicht glaubhaft gemacht worden sei.
26
Die Antragsteller erweitern mit Schriftsatz vom 4. Juni 2020 ihre Klage um einen zweigliedrigen Hilfsantrag und lassen ergänzend Stellung nehmen. Vorliegend liege ein Verbot der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten vor. Die Behauptung, dass das Zählverfahren nach d’H. lediglich eine Fortführung der bisherigen Praxis ohne politische Hintergedanken sei, sei offensichtlich falsch. Über diesen Vortrag seien die Antragsteller überrascht, da das politische Motiv vor und nach der Ausschusswahl auch öffentlich kommuniziert worden sei. Im gleichen Sinne wie der Fraktionsvorsitzende der Grünen, dass man das Zählverfahren nach d’H. wähle, damit die AfD als nicht demokratische Partei nicht in den Ausschüssen repräsentiert werde, äußerten sich bei der konstituierenden Sitzung die Stadträte … (Die Linke) und der Fraktionsvorsitzende der SPD. Ergänzend werde ein in der … Zeitung veröffentlichter Artikel in Vorlage gebracht.
27
Die angefochtene Beschlussfassung zur Besetzung der Ausschüsse leide an einem weiteren rechtlich erheblichen Mangel. Dies betreffe auch die Bildung von Ausschussgemeinschaften durch kleinere Parteien, die abgesehen von ihrer Aversion gegen die Antragsteller so gut wie keine Gemeinsamkeiten haben. Damit werde der Wählerwille grob verfälscht. Ein Spiegelbild ergebe sich ferner nicht bei einem Zusammenschluss zu bloßen Zählgemeinschaften. Sie verfolgen keine über die Ausschusswahlen hinausgehenden gemeinsamen politischen Ziele (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2003, 8 C 18.03). Die Ausschussgemeinschaften seien vorliegend auch nicht von der Vorschrift des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO gedeckt. Dieser sei verfassungskonform auszulegen. Die Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass auch Gruppen von Gemeinderatsmitgliedern, die einer politischen Partei angehören oder über eine gemeinsame Wählerliste in den Gemeinderat gewählt worden seien, sich zwecks Entsendung gemeinsamer Vertreter in einen Ausschuss zusammenschließen können. Die Wähler der FDP einerseits und die Partei Die Linke andererseits verbinde politisch nichts. Die Zählgemeinschaft diene allein dazu, Ausschusssitze zu erlangen. Vorliegend zeige sich die Verfälschung des Wählerwillens deutlich, da den Antragstellern ohne Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaften ein Sitz zustehen würde.
28
Rechtsmissbräuchlich sei ferner die Wahl der Ausschussgrößen. Wäre die Ausschussgröße, wie bisher, mit 16 Sitzen gebildet worden, hätten die Antragsteller einen rechnerischen Anspruch auf einen Sitz im Ausschuss gehabt und damit eine Fraktion bilden können. Die Zahl von lediglich vier Mitgliedern des Stadtrates habe im Übrigen in früheren Jahren der Zuerkennung des Fraktionsstatus nicht entgegengestanden. Die Grünen hatten nach der Stadtratswahlen 1984 und 2002 jeweils vier Mitglieder. 1972 habe die FDP mit vier Mitgliedern eine Fraktion gebildet. 1990 haben CSU und SPD gegen die Stimmen der Grünen beschlossen, dass der Fraktionsstatus erst ab sechs Sitzen im Stadtrat zugebilligt werden könne. Hintergrund sei die Wahl der Republikaner in den Stadtrat mit vier Sitzen gewesen. Die Grüne habe in ihrer Broschüre „Grüne Arbeit im Stadtrat von 2002-2006“ ausdrücklich die Anwendung des d’H.-Verfahrens statt des gerechteren Hare-Niemeyer-Verfahrens kritisiert, da kleinere Parteien tendenziell benachteiligt werden würden. Bei der Kommunalwahl werde nunmehr das Sainte-Lague/Schepers-Verfahren angewendet. Es sei daher systemwidrig und sogar missbräuchlich, ein anderes Verfahren zu wählen, das zu dem hier angefochtenen Ergebnis führe. Dies verletze das Willkürverbot, was eine Regelung verbiete, die sich gegen eine bestimmte politische Gruppe richte, mit dem alleinigen oder vorrangigen Ziel, ihre Tätigkeit zu beeinträchtigen und sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten (BayVGH, U.v. 16.2.200, 4 N 98.1341, Rz. 31 m.w.N.). Im vorliegenden Fall liege der Missbrauch auf der Hand, da Zahl der Ausschusssitze und Zählverfahren so gewählt worden seien, um die Antragsteller von den Ausschüssen und der Möglichkeit einer Fraktionsbildung fernzuhalten.
29
Vorliegend stelle sich das Problem der Überaufrundung nicht. Das heiße aber nicht, dass nicht die Zählverfahren nach Hare/Niemeyer oder Sainte-Lague/Schepers anwendbar wären. Nur das Verfahren nach d’H. führe dazu, dass die Antragsteller keinen Ausschusssitz erhalten. Durch die Zulassung von Ausschussgemeinschaften komme aber auch kleineren Gruppierungen ein Sitz zu.
30
Mit weiterem Schriftsatz vom 4. Juni 2020 lassen die Antragsteller noch vortragen, die Antragsgegnerin trage unrichtig vor, da die Linke Liste im Jahr 2014 nicht mit vier, sondern mit drei Stadträten in den Stadtrat eingezogen sei. Ferner habe die Linke Liste mit Schreiben vom 29. April 2014 die Anwendung des Zählverfahrens nach Hare/Niemeyer beantragt, weil dieses den Wählerwillen besser abbilde. Außerdem empfehle auch der Gemeindetag die Anwendung dieses Verfahrens. Auch hieraus folge, dass die Anwendung des d’H.-Verfahrens vorliegend ausschließlich mit Blick auf das Ergebnis angewendet worden sei. Die als undemokratisch diffamierte Partei solle mit Rechenkunststücken von den Ausschüssen ferngehalten werden.
31
Die Antragsgegnerin nimmt ergänzend mit weiterem Schriftsatz vom 4. Juni 2020 Stellung. Sie gesteht zu, sich bei der Zahl der Vertreter der Linken Liste im Stadtrat von 2014 geirrt zu haben: Die Linke habe tatsächlich nur drei Stadträte gestellt. Indessen bestätige der Vortrag der Antragsteller, dass auch schon 2014 das Verfahren nach d’H., wie seit jeher, angewendet worden sei. Die Linke Liste kam 2014 bei den Ausschüssen ebenfalls nicht zum Zuge und habe sich insofern in derselben Situation befunden, wie die Antragsteller. Ein Wechsel des mathematischen Verfahrens habe gerade nicht stattgefunden. Die Antragsteller verkennen mit ihrem Vortrag das Wesen von Ausschussgemeinschaften. Diese seien reine Zweckbündnisse von Stadtratsmitgliedern, die nur auf diese Weise einen Stadtratssitz erhalten. Wie sich die Ausschussgemeinschaften bilden, ist allein den entsprechenden Gruppen überlassen. Im Übrigen werde der Beschluss des Stadtrats vom 2. Mai 2014 übersendet, wonach die regulären Ausschüsse wie vorgetragen 12 Mitglieder besaßen.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Gründe

33
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch auf die Berücksichtigung ihrer Gruppierung mit einem Sitz in den Ausschüssen und Kommissionen glaubhaft gemacht.
34
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl der Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz begehrt, als auch der Anordnungsgrund, der sich insbesondere aus der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Anordnung ergibt, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
35
1. Nach Sachstand entspricht die Bildung der Ausschüsse und Kommissionen (deren Bildung sich nach der Geschäftsordnung des Stadtrats der Antragsgegnerin nach den Regelungen für Ausschüsse richtet) den gesetzlichen Voraussetzungen.
36
Nach Art. 33 Abs. 1 der Gemeindeordnung (GO) regelt der Gemeinderat die Zusammensetzung der Ausschüsse in der Geschäftsordnung (Satz 1 HS. 1). Dabei hat der Gemeinderat dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen (Satz 2). Diesen Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, wonach die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Gemeinderates sind, steigert die Geschäftsordnung des Stadtrates der Antragsgegnerin (GeschO) in § 7 Abs. 1 sprachlich dahingehend, dass in den Ausschüssen und Kommissionen die im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergruppen gemäß ihren Vorschlägen nach dem Verhältnis ihrer Stärke im Stadtrat vertreten sein müssen. Es ist indessen nicht ersichtlich, dass sich aus dem Wort „müssen“ eine Modifikation des allgemeinen Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit ergeben soll. Vielmehr ist die Spiegelbildlichkeit ihrer normativen Natur nach ein möglichst zu erreichendes Ziel.
37
Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, wonach die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Gemeinderates sein müssen, wird durch den Ausgleich verschiedener widerstreitender Aspekte verwirklicht. Ein perfektes Spiegelbild ist regelmäßig nicht möglich. Vielmehr sind für die Verwirklichung der Spiegelbildlichkeit verschiedene Aspekte in Ausgleich zu bringen, namentlich das Mehrheitsprinzip, der Minderheitenschutz sowie die Effektivität der Ausschussarbeit. Die maßgeblichen Parameter sind dabei vor allem die Größe der Ausschüsse sowie die Wahl des Berechnungsverfahrens. Dem Stadtrat kommt dabei ein politischer Freiraum zu, da es sich um einen Akt der Organisationshoheit einer Selbstverwaltungskörperschaft handelt (vgl. Wolff in BeckOK, Kommunalrecht Bayern, Stand: März 2020, GO Art. 33 Rn. 4).
38
Dieser Freiraum darf indessen nicht willkürlich ausgeübt werden. Verboten ist daher eine Regelung, die sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richtet, mit dem alleinigen oder vorrangigen Ziel, ihre Tätigkeit zu beeinträchtigen und sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten (BayVGH, U.v. 16.2.2000 - 4 N 98.1341 - juris Rn. 32). Eine solche missbräuchliche Schlechterstellung ergibt sich aber nicht schon aus der politischen Erklärung, mit einer bestimmten Gruppierung nicht zusammenarbeiten oder von den Ausschüssen fernhalten zu wollen, sondern aus einer mit dem Gesetz nicht vereinbaren Gestaltung (eben Regelung) der Ausschussbesetzung. Eine gesetzlich unzulässige Gestaltung ist nach derzeitigem Sachstand nicht glaubhaft gemacht.
39
a) Das Berechnungsverfahren entspricht den gesetzlichen Rahmenbedingungen.
40
aa) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es keinen Anspruch auf Anwendung eines mathematisch vorzugswürdigen Verfahrens gibt (BayVGH, B.v. 20.3.2017 - 4 ZB 16.1815 - juris Rn. 12 mit Bezug auf BVerwG, B.v. 25.2.1997 - 8 B 19/97 - juris Rn. 2; BVerwG, U.v. 10.12.2003 - 8 C 18/03 - juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.1159 - juris Rn. 46 und 63: Ungeeignetheit nur bei sog. Überaufrundung; Überprüfung nur ergebnisbezogen, nicht verfahrensbezogen). Vielmehr sind die verschiedenen Berechnungsverfahren gleichermaßen anerkannt und grundsätzlich gleichwertig.
41
Die Wahl des Berechnungsverfahrens für die Ausschusssitze steht im Ermessen der Gemeinde (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, Stand: Mai 2018, BayGO Art. 33 Rn. 2 am Ende). Es ist nicht an das Berechnungsverfahren bei den Kommunalwahlen selbst gekoppelt. Das für die Kommunalwahl angewendete Verfahren hat in der Vergangenheit mehrmals gewechselt ohne dass Praxis, Literatur oder Rechtsprechung hieran Folgen geknüpft haben (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, Stand: Mai 2018, BayGO Art. 33 Rn. 10). Vielmehr wäre im Fall einer doppelten Anwendung eines Berechnungsverfahrens zu befürchten, dass sich dessen mathematische Nachteile für die Spiegelbildlichkeit tendenziell verstärken würden (so der Bayerische Verfassungsgerichtshof für die doppelte Anwendung des d’H.-Verfahrens bei der Landtagswahl, vgl. BayVerfGH, BayVBl. 1992, S. 397). Die Wahl des d’H.-Verfahrens für die Berechnung der Ausschusssitze ist daher nicht zu beanstanden.
42
Es ist zutreffend, dass die Anwendung des d’H.-Verfahrens mathematisch günstig für größere Gruppierungen ist. Umgekehrt sind die Verfahren nach Hare/Niemeyer bzw. Sainte-Lague/Schepers günstiger für kleinere Gruppierungen. Damit sind allen Berechnungsverfahren spezielle Fehler immanent. Eine Korrektur der Berechnungsverfahren aufgrund von Billigkeitserwägungen findet nicht statt. Ob das Leitbild der Spiegelbildlichkeit im Einzelfall hinreichend verwirklicht wurde ist nur anhand des Ergebnisses und im Einzelfall zu beurteilen (BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - juris Rn. 47 und 49).
43
bb) Das Ergebnis der Berechnung ist nicht zu beanstanden. Die Überkompensationsrechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach eine Sitzverteilung fehlerhaft ist, wenn der Unterschied des genauen mathematischen Proporzes 0,99 übersteigt und aufgrund von Rundungsdifferenzen einer Gruppierung ein Sitz mehr zukommt, als ihr zusteht, ist vorliegend nicht einschlägig. Insoweit kann auf die von der Antragsgegnerin in Vorlage gebrachte Tabelle sowie zum mathematischen Hintergrund auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen werden (BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - juris Rn. 62).
44
Die Anwendung der Verfahren nach Hare/Niemeyer bzw. Sainte-Lague/Schepers (vgl. die insoweit von den Antragstellern vorgelegte Tabelle) hätten zur Folge, dass sich die Sitzverteilung in den Ausschüssen von den repräsentierten Wählerstimmen weit entfernen und vor allem zu einer wesentlichen Unwucht zu Lasten der CSU führen würde. Zur Veranschaulichung kann folgende Tabelle dienen:

Sitze (Stadtrat)

Anteil (Stadtrat)

Wahler-gebnis

Anteil (Ausschüsse) nach d'Hondt

Anteil (Ausschüsse) and. Verfahren

CSU

22

31,43%

31,34%

35,71%

28,57%

SPD

18

25,71%

25,73%

28,57%

28,57%

Grüne

14

20,00%

19,97%

21,43%

21,43%

45
Die Tabelle zeigt auf, dass die CSU bei dem gewählten Verfahren nach d’H. in den Ausschüssen im Vergleich zum Stadtrat überrepräsentiert ist. Bei Wahl eines anderen Verfahrens würde die CSU in den Ausschüssen jedoch unterrepräsentiert sein und den Abstand zur SPD als zweitgrößte Gruppierung einbüßen, obwohl sie im Stadtrat vier Sitze mehr hat als die SPD. Ferner hätte die CSU lediglich einen Sitz mehr als die Grünen, die im Stadtrat nur 60% der Sitze der CSU haben. Dieser Vorsprung der CSU von knapp 40% der Sitze gegenüber den Grünen im Stadtrat würde in den Ausschüssen sogar auf lediglich 25% schrumpfen. Im Ergebnis heißt dies, dass der von den Antragstellern angestrebte Minderheitenschutz durch die Wahl eines anderen Verfahrens eine Verzerrung der wiedergegebenen Mehrheitsverhältnisse zur Folge hätte.
46
Noch gravierender erscheint dem Gericht aber der Umstand, dass aus dem Gebot der Spiegelbildlichkeit auch folgt, dass sich die maßgeblichen Mehrheiten im verkleinerten Abbild des Stadtrats wiederfinden. Diese Mehrheiten sind in einer Demokratie regelmäßig entscheidend. CSU und Grüne haben im Stadtrat zusammen die Mehrheit von einem Sitz. Diese Mehrheit wird aber nur in den Ausschüssen mitabgebildet, wenn das Verfahren nach d’H. zur Anwendung kommt. Sollten sich beide Gruppierungen in einer Frage zu einer Kooperation entscheiden, so könnten sie trotz ihrer kraft im Stadtrat bestehenden Mehrheit die Kooperation nicht in den beschließenden Ausschüssen umsetzen.
47
cc) Soweit die Antragsteller vortragen, das Verfahren nach d’H. sei nur deswegen gewählt worden, um sie von einer Berücksichtigung in den Ausschüssen fernzuhalten, kann dies nach dem derzeitigen Sachstand nicht bestätigt werden. In diesem Fall hätte das Berechnungsverfahren mit dem alleinigen oder vorrangigen Ziel gewählt werden muss, um die Antragsteller als unerwünschte politische Kraft auszuschalten (BayVGH, U.v. 16.2.2000 - 4 N 98.1341 - juris Rn. 32). Vielmehr zeigt das Ergebnis der Berechnung, dass das Leitbild der Spiegelbildlichkeit weitgehend verwirklicht wurde. Aufgrund der Organisationshoheit jedes neu gewählten Stadtrats kann insoweit nur als Indiz gegen die Behinderungsabsicht herangezogen werden, dass das d’H.-Verfahren auch in der Vergangenheit schon Anwendung bei der Berechnung der Ausschusssitze gefunden hatte.
48
b) Auch die Wahl der Größe der Ausschüsse begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
49
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass kleinere Ausschüsse die Effektivität der Ausschussarbeit verbessern. Die Ausschussgröße muss nicht zwingend so hoch sein, dass alle Gruppierungen berücksichtigt werden. Umgekehrt darf eine Gemeinde die Anzahl der Sitze eines Ausschusses allerdings nicht so weit verkleinern, dass kleinere Fraktionen und Gruppen dadurch in unerträglicher Weise von der Willensbildung für die Gemeinde ausgeschlossen würden. Die Ausschussgröße sollte vielmehr so gewählt werden, dass auch hinsichtlich der kleineren Fraktionen und Gruppen der Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Gemeinderates bildet (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, Stand: Mai 2018, BayGO Art. 33 Rn. 2).
50
Auch hinsichtlich der Ausschussgröße kann nicht festgestellt werden, dass sie nur deswegen so gewählt wurde, um die Antragsteller von einer Berücksichtigung in den Ausschüssen fernzuhalten. Die Größe ermöglicht, unter Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaften, dass fast alle im Stadtrat vertretenen Gruppierungen in den Ausschüssen angemessen (vgl. oben) repräsentiert werden. Als Indiz gegen eine willkürliche Gestaltung ist weiter anzumerken, dass die Größe des Ausschusses gegenüber der vorigen Wahlperiode von 12 auf 14 gestiegen ist, wie die Antragsgegnerin durch Vorlage des entsprechenden Beschlusses nachgewiesen hat.
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c) Die im Stadtrat der Antragsgegnerin vertretenen kleineren Gruppierungen konnten sich zu zwei Ausschussgemeinschaften zusammenschließen ohne die durch das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 und 38 Abs. 1 GG) gesteckten verfassungsrechtlichen Grenzen zu verletzen.
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aa) Die Möglichkeit zur Bildung von Ausschussgemeinschaften ist gesetzlich in Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO geregelt. Erhalten Ausschussgemeinschaften durch ihren Zusammenschluss einen Sitz in den Ausschüssen, so ist rechnerisch notwendiger Umkehrschluss, dass ein Sitz weniger zugunsten der anderen Gruppierungen vergeben wird. Insoweit liegt eine punktuelle Durchbrechung des Leitbilds der Spiegelbildlichkeit vor, die der Verwirklichung des im Demokratieprinzip angelegten Gesichtspunktes des Minderheitenschutzes dient. Eine solche Ausschussgemeinschaft steht dann einer Wählergruppe gleich (BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - juris Rn. 44 f.). Die Bildung einer Ausschussgemeinschaft wäre indessen nicht erforderlich, wenn die Gruppierung von vorneherein auf demselben Wahlvorschlag in den Stadtrat eingezogen wäre. Die von den Antragstellern angeregte verfassungskonforme Auslegung läuft daher ins Leere.
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Soweit der anwaltliche Vertreter der Antragsteller auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 (Az. 8 C 18/03) verweist, so ergibt sich aus diesem jedenfalls nicht die Unvereinbarkeit der Bildung von Ausschussgemeinschaften mit den grundgesetzlichen Anforderungen aus dem Demokratieprinzip. Folge der Entscheidung ist vielmehr, dass sich kleinere Gruppierungen nur dann zusammenschließen dürfen, wenn sie sonst in den Ausschüssen nicht vertreten wären (Widtmann/Grasser/Glaser, Stand: Mai 2018, BayGO Art. 33 Rn. 12; sowie BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - juris Rn. 43).
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Nach dem in zulässiger Weise gewählten Verfahren nach d’H. käme Der Linken als größter sonstiger Gruppierung mit drei Sitzen kein Ausschusssitz zu, so dass die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 (Az. 8 C 18/03) aufgestellten Anforderungen an das Demokratieprinzip eingehalten werden. Der Grenze, wonach sich zu Ausschussgemeinschaften nur kleinere Gruppen zusammenschließen dürfen, wurde vorliegend Rechnung getragen. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass bei dem in der Geschäftsordnung vorgesehenen Verfahren ein Fall der Überkompensation vorliegen würde. Abzustellen ist auf das festgesetzte Verfahren und nicht auf das Korrekturverfahren: Hierfür sprechen der Grundsatz der Rechtsklarheit sowie der in Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO zum Ausdruck kommende Minderheitenschutz (so auch VG Regensburg, U.v. 8.3.2016 - RO 3 K 05.2175 - juris Rn. 41).
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Ferner ergibt sich dies nicht zuletzt daraus, dass Der Linken - anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall - als Mitglied der Ausschussgemeinschaft „Bunte Ausschussgemeinschaft“ kein Sitz mehr zusteht als dies nach Durchführung eines Korrekturverfahrens möglicherweise der Fall wäre.
56
Weiter ist vorliegend zu berücksichtigen, dass Die Linke ohne Beteiligung an der Ausschussgemeinschaft „Bunte Ausschussgemeinschaft“ nicht aus eigener Kraft einen Ausschusssitz erhalten hätte, sondern nur aufgrund des Umstandes, dass es wegen der Vielzahl kleinerer Gruppierungen im Stadtrat leichter zu einer Überrepräsentation großer Gruppierungen kommt mit den entsprechenden Korrekturfolgen.
57
bb) Eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Ausschussgemeinschaften und Demokratieprinzip bleibt dem Hauptsachverfahren vorbehalten. Hierzu sind an dieser Stelle lediglich folgende Ausführungen veranlasst.
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Es gehört zum Wesen der repräsentativen Demokratie, dass einzelne Wählerstimmen im Ergebnis unrepräsentiert bleiben. Das ergibt sich auf der Ebene der Kommunalwahl schon daraus, dass nicht jede angetretene Gruppierung zwingend im Gemeinderat vertreten ist. Umgekehrt hat auch nicht jede im Gemeinderat vertretene Gruppierung einen zwingenden Anspruch auf Berücksichtigung in einem der Ausschüsse.
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cc) Dass sich die insgesamt acht verschiedenen Gruppierungen allein oder vorrangig zu dem Zweck zusammengeschlossen haben, um die Antragsteller als unerwünschte politische Kraft auszuschalten, wurde derzeit nicht glaubhaft gemacht.
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Die Antragsteller weisen zu Recht darauf hin, dass sich in den Ausschussgemeinschaften teilweise sehr heterogene Gruppierungen wiederfinden. In wie weit die bundesrechtlichen Regelungen zu Fraktionen auf den Gemeinderat übertragbar sind, ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Vorliegend ist vielmehr anzumerken, dass die Ausschussgemeinschaften dauerhafte Kooperation der zusammengeschlossenen Gruppierungen erfordert. Das überparteiliche Bilden von Mehrheiten gehört indessen zum Wesen der Demokratie. Dass diese Mehrheiten vorrangig zu dem Zweck des Ausschaltens der Antragsteller gebildet wurden, kann anhand der zitierten Äußerungen, vor allem von Vertretern nicht betroffener Gruppierungen, wie der SPD und der Grünen, nicht festgestellt werden.
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2. Damit war der Antrag abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 GO.
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Der Streitwert ergibt sich aus Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013). Da von den Antragstellern mit der einstweiligen Regelung die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wurde, war der Streitwert nicht abzusenken (Nr. 1.5 Satz 2 Streitwertkatalog 2013).