Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.01.2020 – 15 NE 19.2354
Titel:

Erfolgloser Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Normenkontrollverfahren gegen Bebauungsplan

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 35
BauNVO § 5
Leitsatz:
Zu den im konkreten Einzelfall fehlenden Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplanes (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollverfahren, Eilantrag, Eilrechtsschutz, Bebauungsplan, Dorfgebiet, Außenbereich
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1244

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich in einem Normenkontrollverfahren (15 N 19.2353) gegen den am 27. November 2019 von der Antragsgegnerin öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplan „S …“.
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Sie begehrt vorliegend mit einem Eilantrag (§ 47 Abs. 6 VwGO) vorläufigen Rechtsschutz und beantragt sinngemäß,
3
den streitgegenständlichen Bebauungsplan bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Normenkontrollantrag (in der Hauptsache) außer Vollzug zu setzen.
4
Sie trägt zur Begründung vor, der Bebauungsplan setze (u.a.) für ihr mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück und benachbarte weitere - im Außenbereich (§ 35 BauGB) befindliche - Grundstücke, auf denen sich ein metallverarbeitender Gewerbebetrieb befinde, als Art der baulichen Nutzung ein Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) fest. Ziel des Bebauungsplans sei es, die planungsrechtliche Zulässigkeit des Gewerbebetriebs, der „im Wesentlichen“ bisher nicht genehmigt sei, zu erreichen und die beabsichtigte Erweiterung des Gewerbebetriebs zu ermöglichen. Bauanträge seien bereits gestellt und mit der Genehmigung „jederzeit“ zu rechnen. Der Bebauungsplan sei unwirksam, weil es sich bei ihm um eine „reine Gefälligkeitsplanung“ zugunsten des Gewerbebetriebs handele und er deshalb städtebaulich nicht erforderlich sei (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Beim streitgegenständlichen Gewerbebetrieb handele es sich zudem um einen (wesentlich) „störenden“ Gewerbebetrieb, der nach Maßgabe des § 5 BauNVO in einem Dorfgebiet weder allgemein noch ausnahmsweise planungsrechtlich zulässig sei. Die Planung gehe damit „ins Leere“ und sei nicht „vollzugsfähig“. Der Bebauungsplan verstoße außerdem gegen Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB), verletze das Gebot der Entwicklung aus dem Flächennutzungsplan (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB), das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) und wegen des mangelnden Abstands zwischen Wohnen und Gewerbe ebenso das Trennungsgebot (§ 50 BImSchG). Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf die Schriftsätze ihres Bevollmächtigten vom 28. November 2019 und 9. Januar 2020 in diesem Verfahren sowie ergänzend auf den Schriftsatz vom 10. Dezember 2019 im Normenkontrollverfahren (15 N 19.2353) verwiesen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte in diesem Verfahren und dem Normenkontrollverfahren (15 N 19.2353) Bezug genommen.
II.
8
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Der begehrte Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung, mit welcher der streitgegenständliche Bebauungsplan vorläufig außer Vollzug gesetzt werden soll, ist weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (§ 47 Abs. 6 VwGO).
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Für die gerichtliche Entscheidung kann offenbleiben, welche Erfolgsaussichten für die Antragstellerin im Normenkontrollverfahren (15 N 19.2353) bestehen. Denn entgegen der Ansicht der Antragstellerin verbessert die von ihr begehrte vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans ihre Rechtsposition im Hinblick auf von ihr befürchtete und auf der Grundlage des Bebauungsplans zugunsten des Gewerbebetriebs erteilte etwaige Baugenehmigungen nicht, sondern würde diese im Gegenteil verschlechtern.
11
Wenn das Vorbringen der Antragstellerin zutrifft, dass es sich bei dem benachbarten Gewerbebetrieb, dessen Betriebsstätte dort seit 1994 besteht, um einen (wesentlich) störenden Gewerbebetrieb (jedenfalls nach der beabsichtigten Erweiterung) handelt, der nach Maßgabe des § 5 BauNVO in einem Dorfgebiet unzulässig ist, so wären Bauvorhaben wegen fehlender planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht genehmigungsfähig. Gleichwohl vom Landratsamt erteilte Baugenehmigungen wären für die Antragstellerin mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich angreifbar, weil sie sich - auch wenn sie durch das Bauvorhaben nicht unzumutbar beeinträchtigt und damit das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt wäre - jedenfalls auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen könnte und damit ein Bauvorhaben - allein mit der Begründung fehlender planungsrechtlicher Zulässigkeit im Dorfgebiet - nicht hinnehmen muss. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Bebauungsplan nicht (vorläufig) außer Vollzug gesetzt wird. Würde das Landratsamt hingegen eine Baugenehmigung erteilen und der Bebauungsplan unwirksam sein, so könnte die Antragstellerin gegen das dann im Außenbereich (§ 35 BauGB) befindliche Bauvorhaben nur noch einwenden, es verletze ihr gegenüber das Gebot der Rücksichtnahme, weil es sie unzumutbar beeinträchtige. Einen darüber hinausgehenden Gebietserhaltungsanspruch könnte sie dann jedoch nicht mehr geltend machen. Die Bauanträge zugunsten des Gewerbebetriebs und etwaige (mutmaßlich) in absehbarer Zeit hierüber zu erwartende Entscheidungen des Landratsamts begründen somit weder die Befürchtung, die Antragstellerin habe schwere Nachteile zu erwarten, wenn der streitgegenständliche Bebauungsplan nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt wird, noch sind andere wichtige Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorgetragen oder erkennbar.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang).
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).