Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.01.2020 – 11 CS 19.1535
Titel:

Entzug der Fahrerlaubnis wegen Konsum von Cannabis

Normenketten:
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1 S. 1, Anl. 4 Nr. 9.2.1, Nr. 9.6
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Ein Fahrerlaubnisinhaber verliert seine Fahreignung durch einen über mehrere Monate anhaltenden, nicht ärztlich verordneten, regelmäßigen, dh nahezu täglichen Cannabiskonsum. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis iSv Anl. 4 Nr. 9.6 FeV nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist, ferner, dass das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, regelmäßiger Cannabiskonsum, ärztliche Verordnung ohne behandlungsbedürftige Grunderkrankung missbräuchliche Einnahme von Medizinal-Cannabis, Arzneimittel, Cannabiskonsum, Entziehung, Erkrankung, Fahreignung, Fahrerlaubnis, Krankenversicherung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 17.07.2019 – RN 8 S 19.657
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1237

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juli 2019 geändert.
II. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Deggendorf vom 26. März 2019 wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S durch das Verwaltungsgericht Regensburg.
2
Im Februar 2018 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Deggendorf durch ein Schreiben der Kriminalpolizei bekannt, dass gegen den Antragsteller wegen illegalen Handels mit Cannabis einschließlich Zubereitungen u.a. ermittelt wurde. Am 17. November 2017 hatte die Polizei in seiner Wohnung 464,6 g aus unerlaubtem Anbau von Cannabispflanzen gewonnenes Marihuana sowie drei zur Trocknung aufgehängte Cannabispflanzen (312,8 g Marihuana) gefunden. Der Antragsteller war im Besitz eines Cannabinoidausweises und eines ärztlichen Rezepts vom 2. Juni 2017 zum Erwerb von Cannabisblüten (5 g mit einem THC-Gehalt von 14% zum täglichen therapeutischen Konsum von 100 mg durch Verdampfen und Inhalieren). Er gab an, seine psychischen Erkrankungen (Burnout, Angststörung, Depressionen) würden mit 3 g Cannabis täglich behandelt. Da seine Krankenversicherung sich weigere, die Kosten für das medizinische Cannabis zu tragen, habe er dieses selbst angebaut. Er konsumiere seit etwa zwei Jahren Cannabis.
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Am 16. März 2018 legte der Antragsteller das Attest seines Hausarztes, eines Internisten und Chirotherapeuten, vom 14. März 2018 vor, wonach er unter chronischen Angst und Spannungszuständen leidet. Bisher seien alle Therapiemaßnahmen ohne durchschlagenden Erfolg geblieben. Durch den Konsum von Cannabis in therapeutischer Dosis habe eine deutliche Symptomverbesserung erzielt werden können. Zum Führen eines Kraftfahrzeugs sei der Antragsteller uneingeschränkt fähig. Weiter wurde ein am selben Tag ausgestelltes Rezept zur täglichen Einnahme von 100 mg Cannabisblüten (THC-Gehalt 14%, 5,0 g) durch Verdampfen und Inhalieren vorgelegt.
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Mit rechtskräftigem Strafurteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 10. Juli 2018 wurde der Antragsteller wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monate (zur Bewährung) verurteilt.
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Aus einem vom Sozialgericht Landshut in einem Rechtsstreit gegen die Allgemeine Ortskrankenkasse Bayern (AOK) veranlassten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 12. Juli 2018 ergibt sich, dass der Antragsteller nach seinen Angaben seit ca. zwei Jahren täglich Cannabis konsumiert, das er sich einige Monate vor der offiziellen Verordnung selbst beschafft habe. Bei ihm lägen neben regelmäßigem Cannabiskonsum bzw. -missbrauch bzw. -abhängigkeit eine leichtgradige psychiatrische Störung vor, Angst und depressive Störung gemischt, zu deren Behandlung eine psychotherapeutische Maßnahme (ambulant, tagklinisch oder stationär), ggf. unter Weiterführung einer niedrig dosierten medikamentösen Behandlung mit einem Antidepressivum aus der Gruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer, z.B. Citalopram, in Betracht komme. Die Verordnung von Cannabis sei nicht erforderlich; ein Anspruch auf Versorgung mit medizinischem Cannabis ergebe sich nicht. Aus den aktuellen Angaben des Antragstellers ergebe sich ein ca. seit zwei Jahren bestehender täglicher Cannabiskonsum, wobei über den Tagesbedarf keine Angaben gemacht worden seien. Die Angaben seien vage und nicht aussagekräftig z.B. bezüglich Rezept, Menge, Apotheke oder sonstigen Bezugsquellen. Die Verordnungsmodalität, in Zusammenschau mit den Arbeitsunfähigkeitszeiten und den aktuellen Angaben des Antragstellers sprächen eindeutig dafür, dass das Antidepressivum Citalopram über längere Zeit vertragen worden sei und zu einer psychischen Stabilisierung geführt habe. Die Verordnung anderer Antidepressiva sei auf Anraten eines "ausgewiesenen Cannabis-Arztes" durchgeführt worden und habe offenkundig ausschließlich dem Zweck gedient zu dokumentieren, dass die verschiedenen Antidepressiva unverträglich seien und die psychische Störung des Antragstellers "austherapiert" sei. Einen ernsthaften Therapieversuch stelle dieses Vorgehen in keiner Weise dar. Diagnostisch liege weder eine behandlungsbedürftige Depression noch eine behandlungsbedürftige Angststörung vor. Aktuell finde sich eine akzentuierte Persönlichkeit mit ängstlich-selbstunsicheren Zügen und eine Neigung zu ängstlich-depressiver Anpassungsstörung. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 1. Oktober 2018 ging die Gutachterin auf verschiedene Einwände des Antragstellers näher ein. Sie stellte u.a. fest, den Ausdruck "Cannabismissbrauch" bewusst gewählt zu haben, da es sich bei ihm aktuell eindeutig um einen nicht-medizinischen Gebrauch von Cannabis handele, er nach eigenen Angaben seit Jahren täglich Cannabis konsumiere und es sich bei Cannabis in Deutschland um eine illegale Droge handle. Die Schlussfolgerung, dass die kurzzeitige Verordnung von verschiedenen Antidepressiva aus verschiedenen Substanzklassen keinen ernsthaften Therapieversuch darstelle, sei evident. Für die Versorgung mit medizinischem Cannabis seien die Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V zu berücksichtigen. Das Gutachten habe sich auf medizinisch fundierte Diagnosen aufgrund der persönlichen Untersuchung und der Kenntnis der Vorgeschichte zu stützen, nicht auf eine Vermutung, wie die psychische und physische Situation des Antragstellers ohne den aktuell nicht medizinischen Cannabiskonsum bzw. -missbrauch wäre.
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Mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 forderte das Landratsamt den Antragsteller gemäß § 11 Abs. 2 i.V.m. Anlage 4 Nr. 7, Nr. 9.6.2 FeV auf, bis 16. Dezember 2018 ein ärztliches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu verschiedenen mit seinen Erkrankungen und dem Cannabiskonsum zusammenhängenden Fragestellungen vorzulegen.
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Mit Urteil vom 18. Dezember 2018 (S 6 KR 310/17), gegen das der Antragsteller Berufung einlegte, wies das Sozialgericht Landshut die Klage gegen den Bescheid der AOK ab, mit dem diese die Kosten für die Versorgung des Antragstellers mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten abgelehnt hatte.
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Nach dem vom Antragsteller beigebrachten Fahreignungsgutachten vom 10. Januar 2019 liegt bei ihm keine Erkrankung vor, die nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellt. Er sei aber wegen der Einnahme von Betäubungsmitteln/Medikamenten (Cannabisblüten) nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vollständig gerecht zu werden. Er habe keine drogeninduzierte Erkrankung. Körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen, die mit der Einnahme von Betäubungsmitteln bzw. fahreignungsrelevanten Arzneimitteln in Zusammenhang gebracht werden könnten, lägen nicht vor. Allerdings sei die Leistungstestung vom Begutachtungstag nicht aussagekräftig, da sie nicht unter Cannabismedikation durchgeführt worden sei. Es liege keine ausreichende Adhärenz vor. Die Frage, ob vor dem Hintergrund einer möglichen Wahrnehmungsbeeinträchtigung/Dauerbehandlung mit Arzneimitteln die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs je Fahrerlaubnisgruppe vorliege, habe nicht beantwortet werden können, da der Antragsteller in der Zeit vor der Begutachtung kein Cannabis eingenommen habe. Der Gutachterin lagen ein weiteres Attest des Hausarztes des Antragstellers vom 13. Dezember 2018 vor, wonach dieser an einer mittelgradigen depressiven Episode, einer generalisierten Angststörung und Panikstörung leidet, sowie das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 12. Juli 2018. Der Antragsteller gab u.a. an, Ende 2015 Cannabis ausprobiert zu haben. Dies habe ihm ein Spezialist in Nordrhein-Westfalen empfohlen. Er konsumiere Cannabis über einen Verdampfer, manchmal esse er die Blüten auch. Bei täglichem Konsum gebe es keine Rauschwirkung, es sei ein Medikament für ihn. Lediglich in der Einstellungsphase in den ersten zwei Monaten sei er vorsichtig gewesen und nicht Auto gefahren. Er nehme das Cannabis immer abends, zuletzt gestern, und könne dann jederzeit Auto fahren. Üblicherweise fahre er erst nach sechs bis sieben Stunden wieder. Seit 2016 trinke er keinen Alkohol mehr. Eine Urinprobe erbrachte keinen Nachweis einer der untersuchten Substanzen, darunter Cannabinoide.
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Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur Entziehung der Fahrerlaubnis gab der Antragsteller seinen Führerschein ab und verzichtete befristet für die nächsten drei Monate auf seine Fahrerlaubnis.
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Nachdem ihm das Landratsamt mitgeteilt hatte, dass ein befristeter Verzicht nicht möglich sei, entzog es ihm mit Bescheid vom 26. März 2019 wegen missbräuchlichen regelmäßigen Cannabiskonsums im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis aller Klassen.
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Am 11. April 2019 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage (RN 8 K 19.658) erheben, über die noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller nehme ausschließlich aus medizinischen Gründen zur Behandlung seiner seit Kindheit vorliegenden psychischen Erkrankungen Cannabis ein. Er sei noch nie im Straßenverkehr unter Cannabis auffällig geworden. Die Gutachterin beim TÜV Bayern habe keinerlei Erfahrungen mit dem medizinischen Einsatz von Cannabis und sei daher nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen. Dieses Gutachten habe dem Antragsgegner aber ausgereicht, um die Fahrerlaubnis zu entziehen. Sollte das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen Erfolg haben, sei die Existenz des Antragstellers gefährdet.
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Mit Beschluss vom 17. Juli 2019 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statt, da ein regelmäßiger Cannabiskonsum aufgrund des beigebrachten Gutachtens nicht nachvollziehbar sei. Die eigenen Angaben des Antragstellers zu seinem Konsumverhalten ließen sich nicht mit den toxikologischen Befunden bei der ärztlichen Untersuchung in Einklang bringen. In der Urinprobe seien keine Cannabinoide oder sonstige Hinweise auf Betäubungsmittel und Benzodiazepine nachgewiesen worden. THC-Abbauprodukte seien im Urin jedoch gewöhnlich noch nach Tagen, mitunter sogar nach einigen Wochen nachweisbar, was von Art und Dosis der eingenommenen Substanz, von der Regelmäßigkeit und Dauer des Konsums und von individuellen Faktoren wie Alter, Gewicht, Allgemeinzustand und genetischer Veranlagung abhänge. Wissenschaftliche Versuche zeigten, dass chronische Konsumenten bei streng kontrollierter Abstinenz bis zu 46 Tage in Folge positiv auf Cannabinoide im Urin untersucht worden seien. Bei dem vom Antragsteller angegebenen regelmäßigen Konsum über mehrere Jahre hinweg sei demnach nicht nachvollziehbar, wie es zu einem negativen Befund für Cannabinoide habe kommen können. Die Gutachterin sei selbst der Ansicht gewesen, dass die Leistungstests am Untersuchungstag keine Aussage über die Leistungsfähigkeit des Antragstellers für den Fall träfen, dass er unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug führe. Damit habe es weiterer Nachforschungen zum Konsumverhalten, ggf. durch eine Haaranalyse, bedurft, um nachzuweisen, dass der Antragsteller tatsächlich regelmäßig oder - z.B. entgegen seiner eigenen Einlassung - nur gelegentlich Cannabis konsumiere. Es könne auch nicht nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.4 oder Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV von einem Verlust der Fahreignung ausgegangen werden. Aus den dargelegten Gründen stehe gerade nicht fest, dass der Antragsteller das ihm verordnete Cannabis missbräuchlich eingenommen habe. Auch für eine Abhängigkeit aufgrund bestimmungsgemäßen (Dauer-)Gebrauchs von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln ergäben sich aus dem vorgelegten Fahreignungsgutachten oder aus anderen Unterlagen keine Anhaltspunkte.
13
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, da der Antragsteller das ihm verordnete medizinische Cannabis nach den Erkenntnissen der fachärztlichen Gutachterin nicht zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung konsumiere. Zum gleichen Ergebnis komme auch das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 10. Juli 2018, wonach diagnostisch aktuell keine behandlungsbedürftige Depression oder Angststörung beim Antragsteller vorliege und die Notwendigkeit für eine Versorgung mit medizinischem Cannabis nicht bestehe. Der Cannabiskonsum des Antragstellers sei nach den gutachterlichen Feststellungen und seinen eigenen glaubhaften Angaben, wonach er seit etwa zwei Jahren Cannabisprodukte konsumiere und täglich abends Cannabisblüten zu sich nehme, als missbräuchlich einzustufen. Mit dem am 10. März 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BGBl I S. 403) habe der Gesetzgeber die Möglichkeiten zur Verschreibung von Cannabismedikamenten erweitert. Es werde die Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit von weiteren Cannabisarzneimitteln hergestellt, wie z.B. von getrockneten Cannabisblüten und -extrakten in standardisierter Qualität. Damit solle Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen nach entsprechender Indikation und bei fehlender Therapiealternative ermöglicht werden, die Arzneimittel zu therapeutischen Zwecken in standardisierter Qualität durch Abgabe in Apotheken zu erhalten. Bei der Verschreibung von Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakten in pharmazeutischer Qualität müssten arznei- und betäubungsmittelrechtliche Vorgaben eingehalten werden. Gemäß § 31 Abs. 6 SGB V hätten Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustands des Versicherten nicht zur Anwendung kommen könne, und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf und auf schwerwiegende Symptome bestehe. Es werde demnach vorausgesetzt, dass es sich bei den mit Cannabis therapierten Personen ausschließlich um schwerwiegend erkrankte Personen handle, sodass im Vordergrund einer Fahreignungsüberprüfung zunächst die Erkrankung mit ihrer verkehrsmedizinischen Relevanz stehe. Folglich sei die Cannabisversorgung beim Antragsteller nicht indiziert. Der Cannabiskonsum stelle sich nicht als legale Arzneimitteleinnahme dar, sondern als illegaler, missbräuchlicher und regelmäßiger Konsum. Daher stehe fest, dass dem Antragsteller die Fahreignung gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV fehle. Wollte man dennoch von einer medizinisch notwendigen Cannabisverordnung ausgehen, so ergäbe sich die fehlende Fahreignung jedenfalls aus Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV, da der Antragsteller das Cannabis seinen eigenen glaubwürdigen Angaben nach entgegen der ärztlichen Verordnung nicht nur mittels Verdampfens und Inhalierens zu sich nehme, sondern die Cannabisblüten verordnungswidrig auch manchmal esse. Die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig sei, richte sich, sofern höherrangiges oder spezielleres Recht nichts Abweichendes vorgebe, nach dem Recht, das geeignet sei, seinen Spruch zu tragen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es weiterer Nachforschungen zum Konsumverhalten des Antragstellers bedurft hätte, treffe nicht zu. Er habe bei verschiedenen Gelegenheiten (Beschuldigtenvernehmung am 17.11.2017, Fahreignungsuntersuchung am 7.12.2018) angegeben, täglich Cannabis zu konsumieren. Diese Angaben seien im wesentlichen Aussagegehalt glaubhaft, da eine Motivation für das Vortäuschen einer tatsächlich überhaupt nicht gegebenen Konsumhistorie nicht ersichtlich sei. Auch nach dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10. Juli 2018, das zur Prüfung erstellt worden sei, ob ein Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten bestehe, nehme der Antragsteller nach eigenen Angaben seit etwa zwei Jahren regelmäßig täglich Cannabis ein. Es gehe weiter daraus hervor, dass er sich vor der ärztlichen Verordnung illegal Cannabis beschafft sowie täglich konsumiert habe und bei ihm regelmäßiger Cannabiskonsum bzw. -missbrauch oder -abhängigkeit vorliege. Auch in der Klagebegründung vom 8. April 2019 werde ausgeführt, dass der Antragsteller regelmäßig Cannabis konsumiere und die Abwägung, ob er ohne Cannabis unter Schmerzen und Ausfallerscheinungen leben möge, zugunsten von Cannabis getroffen habe. An der Richtigkeit der schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Antragstellers und seines Bevollmächtigten zum Cannabiskonsum bestünden hieran keine Zweifel. Der hierzu auf den ersten Blick in Widerspruch stehende negative Befund für Cannabinoide im Urinscreening bei der toxikologischen Untersuchung am 7. Dezember 2018 lasse sich schlüssig dadurch auflösen, dass der Antragsteller ganz offenkundig im Vorfeld der Untersuchung bewusst auf die Einnahme von Cannabis verzichtet habe, um ein für ihn negatives Untersuchungsergebnis zu vermeiden, wodurch er im Übrigen wiederum entgegen der ärztlichen Verordnung gehandelt habe. Nach den Beurteilungskriterien seien THC und Metabolite im Urin von Dauerkonsumenten wie dem Antragsteller zwei bis sechs Wochen, in Einzelfällen ggf. länger nachweisbar. Die Nachweiszeiten schwankten also stark. Auch könne der Abbau von THC z.B. durch viel Sport, Saunabesuche und eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme beschleunigt werden. Die Gutachtensanordnung sei dem Antragsteller ca. sieben Wochen vor der Untersuchung zugestellt worden. Er habe also genügend Zeit gehabt, den Cannabiskonsum zu seinem vermeintlichen Vorteil bei der Leistungstestung zu regulieren bzw. zu unterbrechen, um dadurch bei der Urinuntersuchung zu einem negativen Befund hinsichtlich Cannabinoiden zu kommen. Seine dem widersprechende Aussage, er habe zuletzt am Vorabend der Urinuntersuchung Cannabis konsumiert, müsse als durch die Untersuchung widerlegt qualifiziert werden. Als Motivation hierfür könne die Vortäuschung eines verordnungsgemäßen Konsumverhaltens als gesichert angesehen werden.
14
Der Antragsteller beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Er leugne nicht, -ausschließlich aus medizinischen Gründen - Cannabis zu konsumieren. Über sein Begehren, durch Verordnung/Kostenerstattung seiner Krankenkasse mit Cannabis versorgt zu werden, sei bis heute nicht rechtskräftig entschieden. Es gebe keinerlei Verkehrsverstöße und keinerlei Blut-, Urin-, Gewebe- oder Haarproben, die zu seinen Lasten die Annahme einer missbräuchlichen Einnahme (regelmäßiger übermäßiger Gebrauch) von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen rechtfertigen würden (vgl. Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV). Ob eine die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Erkrankung oder ein derartiger Mangel vorliege, sei in der Regel durch ärztliches Gutachten festzustellen. Die Feststellung eines Mangels müsste sich auf einen konkreten nachgewiesenen Sachverhalts stützen können und nicht nur auf allgemeine Mutmaßungen, wie die, dass man durch Absetzen des Konsums in Kenntnis einer bevorstehenden Begutachtung die Nachweisfeststellung erschweren bzw. unmöglich machen könne oder dass der vom Antragsteller eingeräumte Konsum von Cannabis missbräuchlich geschehe. Außerdem sei das Landratsamt an die vorgenommene Sachverhaltsermittlung gebunden, nachdem der Antragsteller der Aufforderung, ein medizinisches Sachverständigengutachten beizubringen, Folge geleistet habe. Unter Auswertung des Gutachtens sei das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass hiernach gerade nicht die Voraussetzungen einer Einnahme von Betäubungsmitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen und Arzneimitteln im Sinne von Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV als bewiesen angesehen werden könne. Nach dem Sachverständigengutachten fehle der Nachweis für eine regelmäßige und missbräuchliche Einnahme von Cannabis. Trotz Fehlens eines toxikologischen Nachweises könnten nicht die Voraussetzungen der Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV angenommen werden, auch wenn der Antragsteller die Einnahme von Cannabis eingeräumt habe. Die Einnahme von Cannabis aus medizinischen Gründen begründe nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV keinen Eignungsmangel. Zu den medizinischen Gründen werde auf die anliegende Verordnung des behandelnden Hausarztes und entsprechende Schriftsätze an das Sozialgericht Landshut verwiesen.
15
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
16
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
17
Aus den mit der Beschwerde vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht dem Antragsteller zu Unrecht vorläufigen Rechtsschutz gewährt hat. Nach der gebotenen summarischen Prüfung fällt die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des öffentlichen Interesses aus, da die Klage des Antragstellers gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg verspricht.
18
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Dezember 2018 (BGBl I S. 2251), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2019 (BGBl I S. 218), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
19
Der Antragsteller hat seine Fahreignung bereits durch den nach seinen glaubhaften Angaben etwa Ende 2015/Anfang 2016 aufgenommenen und über mehrere Monate anhaltenden, nicht ärztlich verordneten, regelmäßigen, d.h. nahezu täglichen (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.2009 - 3 C 1/08 - BVerwGE 133, 186 = juris Rn. 14 f.) Cannabiskonsum verloren (§ 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) und durch die nachfolgende ärztliche Verordnung und Einnahme des Medizinal-Cannabis auch nicht wiedererlangt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 29.4.2019 - 11 B 18.2482 - ZfSch 2019, 414 = juris Rn. 34; OVG Saarl, B.v. 3.9.2018 - 1 B 221/18 - Blutalkohol 55, 448 = juris Rn. 5).
20
Es gibt keinen Anlass, an seinen gleichbleibenden Angaben gegenüber der Polizei und den Gutachterinnen im sozialgerichtlichen Verfahren und im Entziehungsverfahren zu zweifeln, dass er seit dem genannten Zeitpunkt regelmäßig Cannabis konsumiert. Die Gutachterin im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Aussagen des Antragstellers aufgrund einer durchschnittlichen Ausprägung der Offenheitsskala eines testpsychologischen Fragebogens (Freiburger Persönlichkeitsinventar) für weitgehend verlässlich erachtet. Weder den Konsumbeginn noch das Konsummuster hat der Antragsteller jemals in Abrede gestellt, sondern vielmehr in der Klageschrift vom 8. April 2019 und zuletzt noch im Beschwerdeverfahren vortragen lassen. Gestützt werden seine Aussagen durch das bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundene selbst angebaute Cannabis und seine gesamten Bemühungen zur Legalisierung des Cannabisbezugs. Er hat mehrere ärztliche Rezepte für ein cannabishaltiges Medikament vorgelegt und führt einen Rechtsstreit gegen die AOK auf Kostenerstattung. Anhaltspunkte dafür, dass er das aus der Apotheke bezogene Medikament nicht selbst einnimmt, sondern entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten abgibt, sind ebenso wenig vorhanden wie Motive dafür, eine Konsumhistorie zu erfinden. Demgegenüber besteht ein naheliegendes Motiv dafür zu verheimlichen, dass er den Cannabiskonsum vor der Begutachtung abgesetzt hat, um bessere Ergebnisse in der Leistungstestung zu erzielen. Auch das Amtsgericht Deggendorf ist im Strafurteil vom 10. Juli 2018 davon ausgegangen, dass er Cannabis auch zum Eigenkonsum angebaut hat. Räumt der betroffene Fahrerlaubnisinhaber ein bestimmtes Konsummuster selbst ein, darf davon grundsätzlich ausgegangen werden (vgl. HessVGH, B.v. 24.9.2008 - 2 B 1365/08 - juris Rn. 4; OVG MV, B.v. 19.12.2006 - 1 M 142/06 - juris Rn. 22). Das Gutachten, das nicht zur Aufklärung des Konsummusters angeordnet worden ist, weil das Landratsamt keinen begründeten Anlass hatte, an den diesbezüglichen Angaben des Antragstellers zu zweifeln, ist insoweit auch ohne toxikologischen Nachweis nachvollziehbar und schlüssig. Eine andere Erklärung für die negative Urinprobe als die von der Gutachterin angenommene, dass der Antragsteller im Vorfeld der Untersuchung das ansonsten regelmäßig eingenommene Medizinal-Cannabis abgesetzt hat, kommt nicht ernstlich in Betracht. Hierbei handelt es sich nicht um eine "allgemeine Mutmaßung", sondern um einen Akt der Beweiswürdigung. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist für den Nachweis des von ihm eingeräumten und aufgrund anderweitiger Anhaltspunkte nicht zweifelhaften Sachverhalts nicht zwingend ein toxikologischer Befund erforderlich. Mit der Anordnung des Fahreignungsgutachtens hat sich das Landratsamt auch nicht hierauf festgelegt. Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 2, Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bestimmt die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen und bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Die besonderen in § 2 Abs. 8 StVG, § 11 Abs. 2 FeV vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen erweitern die nach Art. 24, Art. 26 Abs. 1 BayVwVfG gegebenen Ermittlungsmöglichkeiten, schließen diese aber nicht aus (BayVGH, B.v. 8.11.2019 - 11 CS 19.1565 - juris Rn. 24). Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG sollen die Beteiligten insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Die Behörden dürfen sich, sofern - wie hier - keine begründeten Zweifel an den Angaben bestehen, dabei grundsätzlich auf die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Mitwirkungslasten verlassen (Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 26 Rn. 44). Außerdem deckt die negative Urinprobe vom 7. Dezember 2018, die das Verwaltungsgericht als in unauflöslichem Widerspruch zu den Angaben des Antragstellers stehend angesehen hat, einen wesentlich späteren Zeitraum ab als den des regelmäßigen Konsums vor der ersten ärztlichen Verschreibung (zur Abbaugeschwindigkeit von THC und Metaboliten bei Dauerkonsumenten, vgl. Beurteilungskriterien - Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung [Beurteilungskriterien, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 249 Tabelle 2).
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Allerdings ist der Senat aus den angeführten Gründen auch davon überzeugt, dass der Antragsteller mit einer Unterbrechung von maximal mehreren Wochen vor Abgabe der Urinprobe am Begutachtungstag davor und danach wieder regelmäßig Cannabis konsumiert hat.
22
Der Antragsteller hat - wofür er die materielle Beweislast trägt (BayVGH, B.v. 21.6.2007 - 11 CS 06.1683 - juris Rn. 34) - seine Fahreignung auch nicht nachträglich wiedererlangt. Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 303), ferner, dass das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien [StAB] zur Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation, aktualisierte Fassung vom August 2018, abgedruckt in Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O., S. 443; vgl. auch OVG NW, B.v. 5.7.2019 - 16 B 1544/18 - Blutalkohol 56, 342 = juris Rn. 4 ff.; VGH BW, B.v. 31.1.2017 - 10 S 1503/16 - VRS 131, 207 = juris Rn. 8 f.). Der Antragsgegner macht zu Recht geltend, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, weil die Einnahme von Cannabis aus medizinischen Gründen nicht indiziert ist und der Antragsteller sich nach eigenen Angaben nicht an die ärztlich verordnete Art der Einnahme durch Verdampfen und Inhalieren gehalten hat, sondern die Blüten gelegentlich auch gegessen hat.
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Ungeachtet der nach dem Wortlaut von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV nicht relevanten Frage, ob ein Arzneimittel gemäß § 31 Abs. 6 SGB V erstattungsfähig ist, darf Medizinal-Cannabis, ein verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel im Sinne der Anlage III zu § 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG nur dann ärztlich verschrieben, verabreicht oder überlassen werden, wenn die Anwendung am oder im Körper begründet ist, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Betäubungsmittel dürfen also immer nur die ultima ratio darstellen. Kommen andere Maßnahmen in Betracht, die zur Erreichung des Ziels geeignet sind, wie eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, ist diesen der Vorrang zu geben (Bohnen/Schmidt in BeckOK, Stand 15.9.2019, § 13 BtMG Rn. 25; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 13 Rn. 20 ff.). Die Fahreignungsgutachterin ist wie vor ihr die sozialgerichtliche Gutachterin nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass alternative Behandlungsmöglichkeiten der nicht schwerwiegenden psychischen Erkrankung bzw. Störung des Antragstellers nicht ausgeschöpft waren bzw. sind. Dem ist auch das Sozialgericht Landshut in seinem Urteil vom 14. Dezember 2018 gefolgt. Nach dem Ergebnis des Gutachtens stellt sich die tägliche Einnahme des dem Antragsteller verordneten Medizinal-Cannabis als die Fahreignung ausschließender regelmäßiger Cannabiskonsum im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV dar.
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Offen bleiben kann die nach den Angaben des Antragstellers nicht sicher zu beantwortende Frage, ob er seine Fahreignung auch durch einen nahezu täglichen Konsum von illegal angebautem Cannabis über einen gewissen Zeitraum hinweg (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) verloren hat. Denn bei selbst angebautem Cannabis handelt es sich um kein Arzneimittel im Sinne der Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV, da nach Anlage III zu § 1 BtMG nur Cannabis, das aus einem unter staatlicher Kontrolle stehenden Anbau zu medizinischen Zwecken stammt, sowie Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind, verkehrs- und verschreibungsfähig sind.
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Ferner geht der Antragsgegner zu Recht davon aus, dass auch eine - alternativ die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde tragende - missbräuchliche Einnahme im Sinne von Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, weil der Antragsteller die ihm verschriebenen Cannabisblüten "manchmal" nicht nur durch Verdampfen und Inhalieren, sondern abweichend von der ärztlichen Verordnung auch oral eingenommen hat. Ein übermäßiger Gebrauch von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln bzw. Stoffen im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht nur bei einer zu hohen Dosierung des Medikaments vor, sondern auch bei einer verordnungswidrigen Einnahme, denn eine bestimmungsgemäße Einnahme eines Arzneimittels für einen konkreten Krankheitsfall im Sinne der Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (Begutachtungsleitlinien, VkBl. S. 110, Stand 24.5.2018, die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind) ist nur dann gegeben, wenn die Anwendung auf einer eindeutigen Verschreibung für eine symptombezogene Indikation beruht (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 a.a.O. Rn. 24 m.w.N.). Auch genügt es für einen regelmäßigen übermäßigen Gebrauch im Sinne von Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV, wenn dieser häufiger als nur sporadisch vorkommt (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 2 StVG Rn. 65). Davon ist nach den Angaben des Antragstellers gegenüber der Fahreignungsgutachterin ("manchmal esse er die Blüten auch") auszugehen. Auch deshalb konnte er seine Fahreignung durch die ärztliche Verordnung von Medizinal-Cannabis nicht wiedererlangen.
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Schließlich wäre die Fahrerlaubnisbehörde auch gemäß § 11 Abs. 8 FeV berechtigt gewesen, auf ein Fehlen der Fahreignung zu schließen, weil die Gutachterin die Frage offenlassen musste, ob die Cannabis-Medikamentation dauerhafte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Antragstellers hat, weil er im Vorfeld der Untersuchung das Medikament offenkundig abgesetzt hat. Damit hat er die Aufklärung dieser Frage unmöglich gemacht, was einer teilweisen Verweigerung einer geeigneten, ihm möglichen und zumutbaren Mitwirkung gleichkommt und zu einer nachteiligen Beweiswürdigung berechtigt (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 26 Rn. 44, 52; vgl. auch Bay VGH, B.v. 31.7.2019 - 11 CS 19.1101 - juris Rn. 17). Eine Weigerung im Sinne des § 11 Abs. 8 FeV kann nicht nur in einer Verweigerung der Begutachtung als solcher liegen, sondern auch darin, dass der Betroffene die Untersuchung teilweise verweigert oder unmöglich macht, indem er etwa unzureichend mitwirkt und keine wahren Angaben macht (BayVGH, B.v. 6.12.2018 - 11 CS 18.1777 - juris Rn. 23 m.w.N.).
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Damit war der Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).