Inhalt

LArbG München, Urteil v. 28.01.2020 – 6 Sa 513/19
Titel:

Zulage und Zusatzurlaub wegen Wechselschichtarbeit

Normenketten:
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
TVÜ-VKA § 23 Abs. 2
BMT-G § 24, § 67 Nr. 44
TVöD-AT § 7 Abs. 1 S. 3, Abs. 5, § 8 Abs. 5, Abs. 6, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Arbeitnehmer erhalten nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA i.V.m. § 24 BMT-G eine Wechselschichtzulage, wenn sie nach einem Schichtplan zur Arbeit eingeteilt werden und Wechselschichtarbeit leisten müssen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass sie tatsächlich in allen Schichten eingesetzt werden, sondern es reicht hin, dass sie in allen Schichtarten eingesetzt werden können. (Rn. 60)
2. Arbeitnehmer müssen allerdings regelmäßig monatlich einmal in Nachtschicht tätig werden. Es kommt allein auf die Einteilung zur Nachtschicht an, nicht darauf, ob diese tatsächlich geleistet worden war oder ggf. wegen Urlaubs, Krankheit oder Arbeitskampf ausgefallen war. (Rn. 49 – 50 und 54)
3. Nachtschichtarbeit liegt dann vor, wenn Arbeitnehmer "rund um die Uhr" eingesetzt werden können. Davon ist nicht die Rede, wenn sie in einem Zeitraum (hier: 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr) nicht einplanbar sind; unerheblich ist, dass sie in dieser nur deswegen nicht eingeplant werden können, weil sie eine mögliche Option, auch zu dieser Zeit zu arbeiten, nicht ergriffen haben. Der Umstand, dass sie in erheblichem Umfang in Schichten arbeiten, die mehr als zur Hälfte während der tariflichen Nachtzeit abgeleistet werden, ändert daran nichts. (Rn. 60 – 63)
4. Erhalten Arbeitnehmer keine Wechselschichtzulage, steht ihnen auch kein Zusatzurlaub wegen Wechselschichtarbeit nach § 27 Abs. 1 TVöD-F zu. (Rn. 66)
Schlagworte:
Wechselschichtzulage und Wechselschichtzusatzurlaub, Nachtschichtzulage, Zusatzurlaub, Wechselschichtzusatzurlaub, Wechselschichtarbeit, Schichtplan
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 28.01.2019 – 8 Ca 13087/18
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 12327

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28.01.2019 - 8 Ca 13087/18 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird hinsichtlich der Klage des Klägers zu 2 zugelassen; im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren um die Zahlung einer Zulage und um Zusatzurlaub wegen (streitiger) Wechselschichtarbeit.
2
Die Beklagte zu 1 und 2 unterhalten einen Gemeinschaftsbetrieb am F. B-Stadt, die Kläger sind bei der Beklagten zu 1 seit 1. Apr. 2001 (Kläger zu 1) bzw. 1. Mai 2001 (Kläger zu 2) im Bereich des Bodenverkehrsdienstes des F.s B-Stadt im Bereich A. Bus (Kläger zu 1) bzw. im Bereich A. Fracht/F& T (Kläger zu 2) beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) kraft beidseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung.
3
Im Rahmen eines Teilbetriebsüberganges von der Beklagten zu 1 auf die Beklagte zu 2 im Jahr 2011 haben beide Kläger dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2 widersprochen. Beide werden nun im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bei der Beklagten zu 2 eingesetzt.
4
Unter dem Datum 27. Januar 2017 schlossen beide Beklagten und der beim Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat mit Wirkung zum 1. Mai 2017 eine Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitmodelle“ (nachfolgend BV-AZ) und eine Betriebsvereinbarung „Freiwillige Wechselschichtarbeit“ (nachfolgend: BV-WS).
5
Die BV-AZ beinhaltet u.a. nachfolgende Regelungen;
„…
3. Turnusmodelle/Bilden von Schichtgruppen Zur Verteilung der Arbeitszeit bei Vollzeit stehen folgende Modelle zur Verfügung:
3.1. 6-3 Turnus
Die Lage der Arbeitstage und die Verteilung der Schichtarten ergeben sich für den 6-3 Turnus aus der Anlage 1 dieser Betriebsvereinbarung. …
3.2. 7-3-7-4 Turnus
Die Lage der Arbeitstage und die Verteilung der Arbeitszeit ergeben sich für den 7-3-7-4 Turnus aus der Anlage 2 dieser Betriebsvereinbarung … Im 63 turnusgemäß Ziff. 3.1 und im 7-3-7-4 Turnus sind pro Jahr grundsätzlich gleich viele Arbeitstage zu leisten.
3.3. Turnus für AET
Im Bereich AET können die Arbeitnehmer des Bustransportes (AETP) sowie die Arbeitnehmer im Frachttransport Ziff. 3.1 oder im 4-2 Turnus arbeiten wollen. …
4. Grundsätze der Dienstplanung
4.1. Schichtarten Schichtarten sind Frühschicht (F) und Spätschicht (S). In den dieser Betriebsvereinbarung anliegenden Turnusmodellen sind diese Schichten entsprechend mit „F“ und „S“ bestimmten Arbeitstagen zugeordnet. An Arbeitstagen, die mit „F/S“ gekennzeichnet sind, kann Früh- oder Spätschicht zu leisten sein; dies wird in der V14 Dienstplanung gemäß Ziff. 7 festgelegt.
Frühschichten sind Schichten, die frühestens ab 03:00 Uhr beginnen und spätestens um 17:00 Uhr endet. Spätschichten sind Schichten, die frühestens um 11:00 Uhr beginnen und spätestens um 01:00 Uhr des Folgetages enden.
4.2. Dienstbeginnzeiten
Die Schichten beginnen und enden im 30-Minuten-Takt. Je Arbeitnehmer und Arbeitsblock können höchstens vier verschiedene Dienstbeginnzeiten vergeben werden.
5.4 Wechselschichten Ausschließlich Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung fallen und zugleich auf der jeweils aktuellen Nachrücker- und Freiwilligenliste gemäß der Betriebsvereinbarungen „Freiwillige Wechselschichtarbeit“ vom 27.01.2017 verzeichnet sind, können neben den Schichtarten dieser Betriebsvereinbarung gemäß Ziff. 4.1 auch Schichten wählen, die das Zeitfenster vom 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr abdecken.
…“
6
In der BV-WS ist u.a. vereinbart:
„…
2. FREIWILLIGE WECHSELSCHICHTARBEIT
2.1. Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung fallen, können sich freiwillig dazu bereiterklären, neben Frühschichten, die ab 03:00 beginnen können und neben Spätschichten, die spätestens um 01:00 Uhr des Folgetages enden, auch Schichten zu übernehmen, die das Zeitfenster zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr abdecken (Freiwillige Wechselschichtarbeit).
2.2. Eine Einteilung zu freiwilliger Wechselschichtarbeit unter Beachtung des betrieblichen Bedarfs ist nur möglich, wenn sich der Arbeitnehmer hierzu vorab bereit erklärt hat. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Betriebsvereinbarung sind dies im Bereich von AAER, Außendienst und Innendienst, sowie im Bereich AET im Bustransport die Arbeitnehmer gemäß der Anlage 1 (Nachrücker- und Freiwilligenliste); diese Anlage ist Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung. Die Anlage 1 ist unterteilt in Arbeitnehmer, die vorrangig und regelmäßig zu freiwilliger Wechselschichtarbeit eingeteilt werden (Freiwilligenliste), und die Arbeitnehmer, die insoweit nachrücken wollen (Nachrückerliste).
5. Wechselschichtzulage/Zusatzurlaub Arbeitnehmer der Freiwilligenliste gelten als Arbeitnehmer, die ständig Wechselschicht im tariflichen Sinne leisten.
Die Gewährung der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit sowie die Gewährung des Zusatzurlaubs für ständige Wechselschichtarbeit richten sich nach den tariflichen Vorschriften.
…“
7
Angesichts der 24-stündigen Betriebspflicht des F.s deckt die BV-WS die Zeit zwischen 1:00 Uhr und 3:00 Uhr ab, wobei ihre Nr. 2.2. die Nr. 5.4 der BV-AZ wiederholt. Nach Nr. 5 gelten Arbeitnehmer der Freiwilligenliste als Arbeitnehmer, die im tariflichen Sinne ständig Wechselschicht arbeiten. Die Gewährung von Zulagen und Zusatzurlaub solle sich nach den tariflichen Bestimmungen richten.
8
Wegen der Inhalte der Betriebsvereinbarungen im Einzelnen wird auf die Anlagen K4 (Bl. 43 ff. d. A.) und K5 (57 ff. d. A.) Bezug genommen.
9
Infolge eines Streites, ob mit der vorstehenden Konstruktion die tariflichen Regelungen zu Zulagen und Zusatzurlaub für ständige Wechselschichtarbeit auf die Freiwilligen nach der BV-WS beschränken oder ob diese für alle Arbeitnehmer anwendbar seien, vereinbarten die Betriebsparteien unter dem 27. Jan. 2017 weiterhin eine Regelungsabrede „Musterklagen Wechselschicht“ (Anlage K30, Bl. 122 ff. d. A.). Diese beinhaltet u.a.:
„…
Präambel:
Arbeitgeber und Betriebsrat sind sich uneinig darüber, ob Arbeitnehmer, die nicht auf der jeweils aktuellen Nachrücker- und Freiwilligenliste gemäß Betriebsvereinbarung „Freiwillige Wechselschichtarbeit“ vom 27.01.2017 verzeichnet sind, bei einer Diensteinteilung gemäß der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitmodelle“ vom 27.01.2017 auch in tariflichen Sinne Wechselschichtarbeit leisten und daher ggf. einen Anspruch auf die tarifliche Wechselschichtzulage samt Zusatzurlaub wegen Wechselschichtarbeit haben.
Aus diesem Grund sollen Musterklagen angestrebt werden, mit denen rechtsverbindlich geklärt wird, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen auch solche Arbeitnehmer, die sich nicht freiwillig zum Ableisten der Wechselschichtarbeit gemäß der Betriebsvereinbarung „Freiwillige Wechselschichtarbeit“ vom 27.01.2017 bereit erklärt haben, einen tariflichen Anspruch auf Wechselschichtzulage und Gewährung des Zusatzurlaubs haben. …“
10
Beide Kläger sind keine Freiwilligen nach der BV-WS. Ihnen wurde für die im Zeitraum vom Mai 2017 bis April 2018 für die von ihnen geleisteten Schichten (vgl. dazu die Darstellung auf Seiten 22 - 32 der Klage vom 13. Dez. 2018, Bl. 11 ff. d. A.) „Schichtlohn Überleitung“ und jeweils 3 Tage Zusatzurlaub für Schichtarbeit nach § 27 Abs. 1b TVöD-F gewährt.
11
Mit ihrer am 17. Dez. 2018 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und den Beklagten am 3. Jan. 2019 zugestellten Klage vom 13. Dez. 2018 begehren die Kläger die Entrichtung weiterer Zulagen und weiterer dreier Zusatzurlaubstage für ständige Wechselschichtarbeit.
12
Insoweit haben sie sich erstinstanzlich auf § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA vom 13. Sept. 2005 i.V.m. § 24 BMT-G („Schichtlohnzuschlag“) vom 31. Jan. 1962 berufen. Sie sind der Ansicht, sie arbeiteten in einem Schichtplan rund um die Uhr. Im Bodendienst AET werde entsprechend der 24-stündigen Betriebspflicht des F. ganzjährig an 7 Tagen/Woche gearbeitet. Dass sie selbst nicht in allen Schichten eingesetzt würden, reiche nicht hin, ständige Wechselschicht zu verneinen. Als Nachschichten seien dabei nicht nur Schichten zu verstehen, deren überwiegende Stundenzahl zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr liege. Vielmehr rechneten auch Einsätze hierher, die erhebliche Einsätze in jenen Zeiten hätten, frühe Früh- oder späte Spätschichten. Auch bei diesen sei im Sinne der Zulage ein Ausgleich für die Anstrengungen durch Nachtarbeit und dem Wechsel einschlägig. Ansonsten sei auch ein Missbrauch durch kurzschrittige Arbeitszeit möglich.
13
Sie haben erstinstanzlich beantragt;
I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1 für den Zeitraum Mai 2017 bis April 2018 den tariflichen Schichtlohnzuschlag in Höhe von monatlich € 142,34 brutto, abzüglich bereits erhaltener € 637,11 für den vorgenannten Zeitraum, damit insgesamt noch € 1.070,97, zu zahlen.
II. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 2 für den Zeitraum Mai 2017 bis April 2018 den tariflichen Schichtlohnzuschlag in Höhe von monatlich € 142,34 brutto, abzüglich bereits erhaltener € 621,19 für den vorgenannten Zeitraum, damit insgesamt noch € 1.086,89, zu zahlen.
III. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den beiden Klägern den tariflichen Zusatzurlaub von 6 Arbeitstagen für den Zeitraum Mai 2017 bis April 2018 abzüglich bereits erhaltener 3 Arbeitstagen Zusatzurlaub zu gewähren.
14
Die Beklagten haben beantragt,
die Klagen abzuweisen.
15
Sie haben die Ansicht vertreten, die tariflichen Voraussetzungen für die begehrten Zulagen und Urlaubstage seien mangels ständiger Wechselschichtarbeit nicht gegeben. Es handle sich um zwei Arbeitsbereiche, deren einer durch die BV-AZ und deren anderer durch die BV-WS umschrieben sei. Beide seien klar voneinander abgrenzbar. Weiter fehle es an einem Schichtplan, nach dem beide Bereiche arbeiteten; vielmehr hätten beide eine jeweils eigene Einteilung.
16
Es fehle auch an den (höchstens) Ein-Monats-Intervallen zwischen Einsätzen in Nachtarbeit. Als Nachtarbeit gelte nur die Zeit, die überwiegend in der Nachtzeit geleistet werde.
17
Das Arbeitsgericht München hat die Klagen mit Endurteil vom 29. Juli 2019 (Bl. 209 ff. d. A.) vollumfänglich auf Kosten der Kläger abgewiesen. Wegen des (un-)streitigen Sachvortrags der Parteien im Übrigen und der wesentlichen rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
18
Im Wesentlichen führt das Erstgericht aus, die Kläger hätten keinen Anspruch auf (weitere) Zulagen bzw. (weitere) Zusatzurlaubstage, da sie keine ständige Wechselschichtarbeit leisteten. Letztere richte sich für die beiden Kläger als „Altbeschäftigte nach § 23 Abs. 2 TVÜVKA nach den Begriffsbestimmungen des § 67 BMT-G. Danach sei Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsehe, bei denen die Arbeitnehmer durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten seien wechselnde Arbeitsschichten, in denen rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres gearbeitet werde; Nachtarbeit sei die Arbeit zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr. Unerheblich sei, wie viele Schichten pro Tag geleistet würden, wie diese aufgeteilt seien und ob in allen Schichten ein gleich großer Arbeitsanfall gegeben sei und gleich viele Arbeitnehmer arbeiteten. Die Arbeit müsse nach einem Schichtplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel im vorstehenden Sinne vorsehe und die Arbeitnehmer müssten zur Arbeit in allen Schichten und durchschnittlich nach Ablauf längstens eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. An diesen Voraussetzungen fehle es hier. Zwar sei, entgegen der Annahme der Beklagten, ein einheitlicher Arbeitsbereich gegeben und es werde nach einem einheitlichen Schichtplan gearbeitet, doch fehle es an einer auch nur möglichen Einsetzbarkeit der Kläger zu allen Zeiten nach diesem Schichtplan. Der mögliche Einsatz der Arbeitnehmer “rund um die Uhr“ sei Anspruchsvoraussetzung für die Wechselschichtzulage, welche die Belastung durch die Disponibilität über 24 Stunden ausgleichen wolle. Die Kläger könnten aber nicht zwischen 1:00 Uhr und 3:00 Uhr eingeplant werden. Die Annahme einer nicht gegebenen Wechselschicht eröffne aber auch keinen Rechtsmissbrauch. Arbeitnehmer, die sich nicht gemeldet hätten, seien eben nicht rund um die Uhr einsetzbar. Es wäre Sache des Betriebsrats gewesen, der Herausnahme solcher Zeiten entgegenzutreten, wenn er die Belastung der zu den übrigen Zeiten eingesetzten Arbeitnehmer als vergleichbar empfunden hätte. Ebenso könnten sie Arbeitnehmer keine (weiteren) Urlaubstage begehren, da die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 TVöD-F nicht vorlägen. Diese setzten ständige Wechselschicht und ein Anspruch auf Zulage voraus.
19
Gegen diese ihnen am 1. Aug. 2019 zugestellte Entscheidung haben die Kläger mit Schriftsatz vom 10. Aug. 2019, der am 19. Aug. 2019 per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, Berufung eingelegt und diese nach der auf ihren Antrag hin erfolgten Verlängerung der bis 4. Nov. 2019 Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 3. Nov. 2019, der am 4. Nov. 2019 per Telefax eingegangen war, begründet.
20
Sie sind der Ansicht, sie erfüllten die Voraussetzungen für die Zahlung eines Schichtlohnzuschlages, nämlich die Leistung von Wechselschichtarbeit, die Arbeitsleistung nach einem Schichtplan, der im Arbeitsbereich Wechselschicht und die Heranziehung zur Nachtschicht, durchschnittlich längstens nach einem Monat, vorsehe. Das Arbeitsgericht sei zutreffend von einem Arbeitsbereich (Bus und Fracht) und von der Arbeitsleistung nach einem Schichtplan ausgegangen. Allerdings habe das Gericht zu Unrecht verneint, ein Einsatz rund um die Uhr sei ausgeschlossen. Diese Annahme widerspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und dem Willen der Tarifpartner. Danach müssten die Beschäftigten in allen Schichtarten eingesetzt werden. Dass sie zudem zu allen Zeiten eingesetzt würden oder einsetzbar wären, sei keine Voraussetzung. Es genüge, dass sie im tariflich geforderten Maß Schichten ableisteten, ohne dass es auf die Bezeichnung der Schicht ankomme. Ein „rundumdie-Uhr-Einsatz“ ergebe sich aus den tariflichen Normen nicht. Insbesondere seien sie durchschnittlich nach Ablauf eines Monats zu Schichten (frühe Frühschichten ab 3:00 Uhr, späte Spätschichten ab 15:30 Uhr) eingeteilt worden, in denen die Nachtarbeit zeitlich überwogen habe. Arbeite ein Arbeitnehmer nach einem Schichtplan in Wechselschicht im geforderten Umfang in Nachtschicht, so müsse, wie das Bundesarbeitsgericht ausgeführt habe, diese Belastung honoriert werden.
21
Der Anspruch auf Zusatzurlaub bestehe nach § 27 Abs. 1 a TVöD-F. Der Anspruch bestehe für Arbeitnehmer, die ständig Wechselschicht arbeiteten. Dabei handle es sich nach dem eindeutigen Tarifwortlaut um eine weitere Tatbestandsvoraussetzung. Beschäftigte, für die nach der Übergangsregelung des § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA der TV Schichtlohnzuschlag weiter gelte, könnten so einen Anspruch auf Zusatzurlaub erwerben. Der § 27 TVöD-F bleibe von der Übergangsregelung unberührt. Es handle sich insoweit um eine Durchmischung der Tarifwelten. Sie leisteten Wechselschicht und hätten Anspruch auf Wechselschichtzulage, die den Schichtlohnzuschlägen des BMT-G entspreche. Mithin stehe ihnen für 2 zusammenhängende Monate ein weiterer Tag Zusatzurlaub zu.
22
Sie beantragen:
I.
23
Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Az. 8 Ca 13087/18, vom 29.07.2019, wird abgeändert.
II. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1 für den Zeitraum Mai 2017 bis April 2018 den tariflichen Schichtlohnzuschlag in Höhe von monatlich € 142,34 brutto, abzüglich bereits erhaltener € 637,11 für den vorgenannten Zeitraum, damit insgesamt noch € 1.070,97, zu zahlen.
III. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 2 für den Zeitraum Mai 2017 bis April 2018 den tariflichen Schichtlohnzuschlag in Höhe von monatlich € 142,34 brutto, abzüglich bereits erhaltener € 621,19 für den vorgenannten Zeitraum, damit insgesamt noch € 1.086,89, zu zahlen.
IV. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den bei den Klägern den tariflichen Zusatzurlaub von 6 Arbeitstagen für den Zeitraum Mai 2017 bis April 2018 abzüglich bereits erhaltener 3 Arbeitstagen Zusatzurlaub zu gewähren.
24
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
25
Sie sind, entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung, der Ansicht, es läge kein einheitlicher Arbeitsbereich vor und die Kläger arbeiteten nicht nach einem einheitlichen Schichtplan. Jedenfalls sehe der Schichtplan keinen „rundumdie-Uhr-Einsatz“ vor, weswegen die Kläger keine Wechselschichtarbeit leisteten. Die Kläger seien allein im Regelbetrieb eingesetzt. Eine Regelung, sie außerhalb des Regelbetriebes einzusetzen, fehle; Schichten im Ausnahmebetrieb, also von 1:00 Uhr bis 3:00 Uhr, würden gerade nicht von Arbeitnehmer aus dem Regelbetrieb abgedeckt. Nach § 24 Abs. 1 BMT-G müsse aber ein Einsatz rund um die Uhr für die Annahme von Wechselschichtarbeit gegeben sein. Der Wechselschichtzuschlag solle einen finanziellen Ausgleich dafür leisten, dass sich der Arbeitsrhythmus wesentlich auf den Lebensrhythmus auswirke. Vorliegend wirke sich die Arbeitsunterbrechung von 1:00 Uhr bis 3:00 Uhr dahingehend aus, dass Arbeitsbeginn und Arbeitende der Kläger gerade nicht außerhalb der üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liege.
26
Die Randeinsatzzeiten der Kläger lägen von 4:30 Uhr bis 13:00 Uhr (früheste Frühschicht) bzw. 16:00 Uhr bis 0:30 Uhr (späteste Spätschicht) für den Kläger zu 1 und 4:00 Uhr bis 12.30 Uhr (früheste Frühschicht) bzw. 16:00 Uhr bis 0:30 Uhr (späteste Spätschicht) für den Kläger zu 2. Die in der Klage teilweise aufgeführten Zeiten („3:00 Uhr bis …“, „11:00 Uhr bis …“, „3:00 Uhr bis 17:00 Uhr“) teilweise mit dem Zusatz versehen seien „geplant, aber Urlaub“, „geplant, aber Zeitausgleich“ oder „Absagedienst“. Diese Zeiten seien mithin nicht zu berücksichtigen. Sie verwendeten folgende Bandbreiten: 3:00 Uhr bis 17:00 Uhr (Platzhalter für einen Arbeitstag mit Frühschicht), 11:00 Uhr bis 1:00 Uhr (Platzhalter für einen Arbeitstag mit Spätschicht) und 3:00 Uhr bis +1:00 Uhr (Platzhalter für einen Arbeitstag mit Früh- oder Spätschicht). Diese Zeiten belegten, dass die Kläger gerade nicht der Gefahr ausgesetzt seien, rund um die Uhr eingesetzt zu werden. Die Frage der ständigen Wechselschicht sei vorliegend nicht relevant. Im Übrigen begründe der Einsatz rund um die Uhr keinen Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten.
27
Eine Heranziehung der durchschnittlichen Nachtschicht pro Monat sei ausgeschlossen. § 67 Nr. 44 BMT-G verlange ein „Heranziehen“ zur Nachtschicht spätestens nach einem Monat. Die erfordere eine tatsächliche Leistung der betreffenden Arbeit. Die Kläger hätten eine Vielzahl der Schichten wegen Krankheit, Urlaub oder Zeitausgleich aber tatsächlich nicht geleistet. Zudem müsse in den Schichten zeitlich überwiegend Nachtschicht geleistet worden sein; die Hälfte der Schichtzeit sei nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht ausreichend. Demnach sei es auch nicht irrelevant, wenn das zeitliche Überwiegen der Nachtarbeit um eine halbe Stunde verfehlt werde. Die nunmehrige Einfügung von § 7 Abs. 3 Satz 1 TVöD-F, wonach Nachtarbeit vorliege, wenn die Schicht mindestens 2 Stunden Nachtarbeit umfasse, ändere daran nichts. Hätten die Tarifvertragsparteien diese Definition übernehmen wollen, wäre es ihnen freigestanden, die Definition im BMT-G und im BAT noch vor Inkrafttreten des TVöD zu ändern.
28
Ebenso bestehe kein Anspruch auf Zusatzurlaub. Dafür sei unerheblich, ob die Kläger ständige Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-F leisteten. Dies hätten sie bislang nicht substanziiert vorgetragen, im Übrigen sei dies auch nicht der Fall. Ein Berufen auf die pauschale Auflistung scheide aus. Es komme zudem auf die Begrifflichkeit des BMT-G an, wonach ständige Wechselschicht zu leisten sei und ein Anspruch auf eine Wechselschichtzulage gegeben sein müsse. Dies sei aber gerade nicht der Fall.
29
Wegen des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 13. Dez. 2018 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 12. Juni 2019 (Bl. 180 ff. d. A.), vom 10. Aug. 2019 (Bl. 228 ff. d. A.), vom 3. Nov. 2019 (Bl. 260 ff. d. A.), und vom 14. Jan. 2020 (Bl. 343 ff. d. A.), der Beklagten vom 8. Mai 2019 (Bl. 132 ff. d. A.), vom 18. Juni 2019 (Bl. 190 ff. d. A.) und vom 18. Dez. 2019 (Bl. 287 ff. d. A.), vom 20. Jan. 2020 (Bl. 363 ff. d. A.) - jeweils einschließlich evtl. Anlagen - sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 8. Feb. 2019 (Bl. 130 f. d. A.), vom 24. Juni 2019 (Bl. 200 ff. d. A.) und vom 28. Jan. 2020 (Bl 367 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30
Die statthaften Berufungen bleiben in der Sache ohne Erfolg.
I.
31
Die Berufungen sind nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft und zulässig. Sie wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO).
II.
32
In der Sache bleiben die Berufungen ohne Erfolg.
33
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die geltend gemachten Ansprüche der beiden Kläger auf die Zahlung von Wechselschichtzulagen und zusätzlichen Urlaub wegen der Ableistung von Wechselschicht verneint. Denn die Klageparteien leisten keine Wechselschicht i.S.v. § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA, § 24 BMT-G. So hat der Kläger zu 1 bereits nicht in erforderlichem Umgang Nachtarbeit geleistet. Der Kläger zu 2 hatte zwar Nachtarbeit im erforderlichen Umfang geleistet, war aber nicht, wie für Wechselschicht erforderlich, „rund um die Uhr“ einsetzbar gewesen.
34
1. Die Klagen sind zulässig.
35
Wenngleich diese am Tag des Abschlusses der BV-AZ und BV-WS auch eine Musterklagevereinbarung in Form einer Regelungsabrede (Anlage K30, Bl. 122 ff. d. A.) abgeschlossen haben, nimmt die erkennende Kammer noch an, dass die Kläger bzw. die dahinter stehenden Betriebspartner damit noch nicht ausschließlich prozessfremde Zwecke verfolgen.
36
a. Einer Klage fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn die Parteien mit ihr ausschließ lich betriebsfremde Zwecke verfolgen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn kein konkreter Streit entschieden, sondern den Parteien z.B. lediglich ein Gutachten erstattet werden soll. Ein nur auf die Klärung einer isolierten Rechtsfrage gerichteter (Feststellungs-)Antrag ist unzulässig, da die Gerichte nicht zur Erstellung eines Rechtsgutachtens berufen sind (BAG v. 19. 10. 2011 - 4 ABR 116/19, NZA-RR 2012, 417 Rz. 45; BAG v. 3. 5. 2006 - 1 ABR 63/04, NZA 2007, 285 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61). Ein bloßes Interesse an der Klärung streitiger Vorfragen ist nicht ausreichend (BAG 19. 10. 2011, a.a.O.; BAG v. 28. 4. 2009 - 1 ABR 7/08 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 99). Es bedarf aber jeweils konkreter Indizien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung einen sicheren Schluss erlauben, die Klage diene ausschließlich prozesszweckfremden Zielen (BGH v. 21. 10. 2016 - V ZR 230/15, NJW 2017, 674 Rz. 23).
37
b. Angesichts der zeitlichen Abfolge der Unterzeichnung der beiden Betriebsvereinba rungen und der Musterklagevereinbarung (Unterzeichnung am selben Tag) spricht vieles dafür, dass die Parteien primär die Klärung einer bereits in den Verhandlungen über die Betriebsvereinbarungen streitig gebliebenen Rechtsfrage im Wege der gutachterlichen gerichtlichen Entscheidung über die Auslegung der abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen begehren. Dafür spricht auch, dass die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende am Verfahren neben dem Kläger zu 1 hatte teilnehmen wollen, obschon ihr unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine wie auch immer geartete Funktion in diesen Klageverfahren zukommt.
38
Allerdings haben die beiden Kläger bereits über einen längeren Zeitraum ihre Arbeitsleistung tatsächlich erbracht. Von daher ist ein individuelles Interesse beider an der Entscheidung über einen ihnen evtl. zustehenden höheren Urlaubsanspruch und die ihnen evtl. zustehende Wechselschichtzulage durchaus ebenso gegeben. Zudem ist trotz der Vereinbarung in Nr. 2.1 der Musterklage-Regelungsabrede, derzufolge die Musterkläger von den Betriebspartnern ausgewählt werden, nicht zu erkennen, dass die beiden Kläger in diesem Verfahren nur als „Marionetten“ vorgeschoben worden waren. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Auswahl ggf. auch gegen den Willen der (potenziellen) Klageparteien hätte erfolgen können. Damit ist diesen, wie insbesondere auch den Klägern des vorliegenden Verfahrens, auch ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits (noch) anzuerkennen.
39
2. In der Sache bleiben die Klagen ohne Erfolg.
40
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bezahlung von Wechselschichtzulagen nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA vom 13. Sept. 2005 i.V.m. § 24 BMT-G vom 31. Jan. 1962 i.d.F. v. 1. Juli 1981. Die BV-WS verweist in ihrer Nr. 5 nur klarstellend auf die Tarifnormen. Der Kläger zu 1 hat bereits nicht im erforderlichen Umfang im zurückliegenden Zeitraum von 1 Jahr Nachtarbeit geleistet, weswegen keine Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinne gegeben ist. Der Kläger zu 2 hat aber ebenso, obschon in hinreichendem Umfang ein Einsatz auch in Nachtschicht gegeben war, keine Wechselschichtarbeit erbracht, da er nicht „rund um die Uhr“ hatte eingesetzt werden können, also deswegen keine Wechselschichtarbeit gegeben ist.
41
a. Der Tarifvertrag findet kraft beidseitiger Tarifbindung auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Die beiden Klageparteien waren bereits vor dem Stichtag des 30. Sept. 2005 beschäftigt.
42
b. Der Kläger zu 1 hat keinen Anspruch auf Wechselschichtzulagen im vorstehenden Sinne, da er im zurückliegenden repräsentativen Zeitraum von 1 Jahr nicht im erforderlichen Umfang Nachtarbeit geleistet hatte.
43
aa. § 67 Nr. 44 BMT-G definiert die Wechselschichtarbeit als Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Arbeiter durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen wird.
44
Als Nachtschicht im Sinne sind nur Schichten anzuerkennen, bei denen der Anteil der Nachtarbeit wesentlich, d.h. in der jeweiligen Schicht zeitlich überwiegend ist (BAG v. 16. 10. 2013 - 10 AZR 1053/12, NZA-RR 2014, 361). Allein ein solches Verständnis entspreche, nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, dem allgemeinen Sprachgebrauch einer Nachtschicht (BAG 7. 9. 1994 - 10 AZR 766/93, NZA 1995, 586). Dieser Ansicht schließt sich die erkennende Kammer an.
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bb. § 7 Abs. 1 Satz 3 TVöD-F findet entgegen der Ansicht des Klägers keine Anwendung. Danach sind Schichten bereits dann als Nachtschicht anzusehen, wenn sie 2 Stunden Nachtarbeit umfassen. Diese Norm kommt allerdings erst ab der Überleitung des BMTG in den TVöD zur Anwendung. Auf bestandsgeschützte Arbeitsverhältnisse nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA ist sie nicht anzuwenden, wie sich nach Auslegung dieser Vorschrift ergibt:
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(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags erfolgt nach den bestehenden Regeln zur Auslegung von Gesetzen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut des Tarifvertrages. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wenn und soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, aus dem sich Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben können und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend zu ermitteln ist. Ergeben sich hieraus keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse, so können ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien, wie etwa die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Jeweils ist aber die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen, wobei im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug gebührt, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 12. 8. 2015 - 7 AZR 592/13, NZA 2016, 173 Rz. 16; ferner BAG v. 10. 2. 2015 - 3 AZR 904/13, juris Rz. 27; BAG v. 22. 1. 2014 - 7 AZR 243/12, NZA 2014, 483 Rz. 28).
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(2) Nach dem Wortlaut von § 23 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA finden die Definitionen des § 7 Abs. 1 TVöD-F auf „alle übrigen Beschäftigten“, also alle Beschäftigten, die nicht unter Satz 1 fallen, Anwendung. Damit bringt die Norm hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass § 7 Abs. 1 TVöD-F nur auf die nicht bestandsgeschützten Arbeitsverhältnisse anzuwenden ist.
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(3) Nichts anderes folgt aus dem zu berücksichtigenden wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und dem damit beabsichtigten Sinn und Zweck der Tarifregelung, soweit er im Tarifvertrag seinen Niederschlag gefunden hat (BAG v. 12. 9. 1984 - 4 AZR 336/82, NZA 1985, 62). Mit der Bestandsschutzregelung erstrebten diesem die bisherige Rechtslage für die zum 30. Sept. 2005 bereits bestandenen Arbeitsverhältnisse aufrechtzuerhalten Demgegenüber regelt § 8 Abs. 5, 6 i.V.m. § 7 TVöD-F die Wechselschichtzulagen in einem eigenständigen System neu, wie schon daraus folgt, dass § 7 Abs. 5 TVöD-F die Nachtarbeit abweichend von § 67 Nr. 27 BMT-G regelt. Nach der Regelung des BMT-G ist dies die Arbeit zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr des Folgetages (§ 67 Nr. 27 BMT-G), während § 7 Abs. 5 TVöD-F Nachtarbeit zwischen 21:00 Uhr und 6:00 des Folgetages festlegt. Auch daraus folgt, dass die Nachtarbeit nur für die keinen Bestandsschutz genießenden Arbeitnehmer neu festgelegt werden sollte.
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(3) Unerheblich ist es, entgegen der Ansicht der Beklagten, ob die nach dem Schichtplan vorgesehenen Schichten tatsächlich geleistet worden waren oder diese wegen Krankheit, Urlaub oder Arbeitskampf beispielsweise ausgefallen waren. Nach § 67 Nr. 44 BMTG kommt es, anders als etwa nach § 33a Abs. 1 BAT, da die Schichten tatsächlich geleistet worden sein müssen (BAG v. 7. 9. 1994, a.a.O.), allein auf die Festlegungen des Schichtplanes an; maßgebend ist, inwieweit dieser Nachtarbeit vorsieht. Ansonsten wäre ggf.
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Wechselschicht schon dann zu verneinen, wenn ein Arbeitnehmer z.B. wegen eines längeren Urlaubs oder einer längeren Erkrankung nicht im mindestens monatlichen Turnus tatsächlich Nachtarbeit leistete.
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Letztlich kommt es vorliegend auf diese Frage aber nicht entscheidungserheblich an. Selbst unter Zugrundelegung des weiten Normverständnisses hat der Kläger zu 1 nicht im erforderlichen Umfang Nachtarbeit geleistet. Er war im Zeitraum von Mai 2017 bis April 2018 für keine Schicht vorgesehen, in denen die Arbeit während der Nachtarbeitsstunden überwogen hätte.
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(4) Zur Beurteilung der Heranziehung zur Nachtarbeit konnte auf dem zugrunde gelegten Zeitraum von 1 Jahr abgestellt werden. Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 16. 10. 2013, a.a.O.) hält diesen Zeitraum für eine Beurteilung der Nacht- bzw. hier einer Wechselschichtarbeit für ausreichend.
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c. Doch auch der Kläger zu 2 hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Wechselschicht zulage nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA vom 13. Sept. 2005 i.V.m. § 24 BMT-G vom 31. Jan. 1962 i.d.F. v. 1. Juli 1981. Zwar war er auf Grund des Schichtplanes in hinreichender zeitlicher Abfolge für Schichten eingeteilt, die überwiegend Nachtarbeitszeiten enthielten, doch war er nicht „rund um die Uhr“ einteilbar, weswegen die Annahme einer Wechselschichtarbeit ausscheidet.
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aa. Im Zeitraum vom Mai 2017 bis April 2018 war der Kläger zu 2 regelmäßig zu Schichten mit überwiegender Arbeitsverpflichtung in Nachtarbeitsstunden, herangezogen worden bzw. verpflichtet gewesen. Nach § 67 Nr. 44 BMT-G ist es ausreichend, wenn die Heranziehung durchschnittlich zu mindestens einer Nachtschicht pro Monat erfolgt. Der Kläger zu 2 war aber nach dem Schichtplan mehrfach monatlich zu Schichten zwischen 16:00 Uhr und 0:30 des Folgetages, also mit überwiegender Nachtarbeit, eingeteilt. Ungeachtet dessen, dass die Einteilung zu diesen Schichten ausreicht (vgl. oben II 2 b (3)), hatte er diese auch tatsächlich geleistet.
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bb. Wenngleich im Betrieb der Beklagten teilweise Wechselschicht geleistet wird, gilt dies aber nicht für den Kläger, weswegen dieser keinen Anspruch auf Wechselschichtzulagen aus § 24 Abs. 1 BMT-G erfüllt. Vielmehr hätte er selbst in Wechselschicht gearbeitet haben müssen.
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(1) Wechselschichtarbeit wird in § 67 Nr. 44 BMT-G als Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Arbeiter durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen wird, definiert (vgl. oben II 2 b aa). § 67 Nr. 45 BMT-G spricht bei Wechselschicht von wechselnden Arbeitsschichten, bei denen Tag und Nacht ununterbrochen gearbeitet wird. Damit ist entgegen der klägerischen Ansicht ein Betrieb „rund um die Uhr“ erforderlich.
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(2) Der Kläger arbeitet im Bereich „AET Fracht“. Da die beiden Beklagten - trotz unterschiedlicher Schichtpläne - einen einheitlichen Betrieb führen, unterscheidet sich die zu verrichtende Tätigkeit während der Schichten nach der BV-WS weder räumlich noch funktional von der Arbeit während der Arbeitszeiten nach der BV-AZ (vgl. BAG v. 13. 1. 2016 - 10 AZR 792/14, NZA-RR 2016, 333, zu § 7 TVöD). Nach Nr. 2 BV-WS können sich Arbeitnehmer freiwillig dazu bereit erklären, auch Schichten zu übernehmen, die den Zeitraum von 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr abdecken. Die Tätigkeit ändert sich dann aber nicht und wird auch von denselben Personen ausgeübt. Die Schichten beginnen oder enden zwangsläufig stets auch zu einem Zeitpunkt, der von der BV-AZ abgedeckt wird. Die Schichtlänge beträgt nach Nr. 4.3 mindestens 6 Stunden, weswegen es ausgeschlossen ist, dass Arbeitnehmer in Schichten eingesetzt werden, die allein der BV-WS unterfielen. Vielmehr überlappen sich die Schichten nach der BV-WS stets auch mit der Arbeitszeit nach der BV-AZ.
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(3) Wenngleich im einheitlichen Betrieb der beiden Beklagten auch in Wechselschichten gearbeitet wird, so leistet jedenfalls der Kläger zu 2 keine Wechselschichtarbeit, weswegen ihm nach § 24 Abs. 1 BMT-G keine Wechselschichtzulage zusteht. Nach dieser Norm erhalten nur Arbeitnehmer, welche tatsächlich auch Wechselschichtarbeit leisten die Zulage. Nur diese werden als Wechselschichtarbeitnehmer angesehen.
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Der auf den Kläger zu 2 anzuwendende Schichtplan nach der BV-AZ sieht aber gerade keinen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschicht im vorstehenden Sinne vor, da dann „rund um die Uhr gearbeitet“ werden müsste. Allerdings sieht der Schichtplan nach der BV-AZ vor, dass zwischen 01:00 Uhr und 03:00 Uhr nicht arbeitet wird. Nur bei Geltung des Schichtplanes nach der BV-WS leistete der Kläger zu 2 Wechselschichtarbeit, wenn er sich freiwillig bereit erklärt hätte, im vorgenannten Zeitraum auch Arbeit zu leisten. Dies war aber gerade nicht der Fall.
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(4) Zwar trifft es zu, dass ein Wechselschichtarbeitnehmer nicht zwingend in allen Schichten eingesetzt werden muss, sondern es reicht hin, dass er in allen Schichtarten eingesetzt wurde, da es ansonsten möglich wäre, den tariflichen Anspruch auf eine Wechselschichtvergütung durch Schaffung vielfältiger, zeitlich gering verschobener Schichten zu entziehen, obschon den Einzelnen doch Nachteile treffen, die mit einer Wechselschichtarbeit verbunden sind (BAG v. 16. 10. 2013, a.a.O.). Der Kläger zu 2 verkennt jedoch, dass in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall (Urt. v. 16. 10. 2013, a.a.O.) der dortige Kläger in allen Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) hatte eingesetzt werden können, während vorliegend gerade kein Einsatz „rund um die Uhr“ möglich war und ist. Seine früheste Schicht kann um 03:00 Uhr beginnen, die späteste um 01:00 Uhr enden. Dabei bedarf es keines Blickes darauf, dass die tatsächlichen Einsatzzeiten beim Kläger zu 2 einen späteren Arbeitsbeginn in der Frühschicht und ein früheres Arbeitsende der Spätschicht vorsehen.
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cc. Die in der BV-WS geregelte Gestaltung der Arbeitszeiten mittels einer Freiwilligenliste ist entgegen der Ansicht des Klägers zu 2 nicht rechtsmissbräuchlich. Insbesondere ist eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, welche sich freiwillig auf die Liste haben setzen lassen und der anderen Beschäftigten, gerechtfertigt.
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Die Wechselschichtzulage dient dazu, die Unannehmlichkeiten der Arbeitnehmer auszugleichen, die „rund um die Uhr“ eingesetzt werden. Diesen Unannehmlichkeiten sind Arbeitnehmer, welche zwischen 01:00 Uhr und 03:00 Uhr nicht eingesetzt werden können, nicht in gleicher Weise ausgesetzt. Insbesondere müssen sie nicht damit zu rechnen, die gesamte Nacht über zu arbeiten. Eine Schicht von 21:30 Uhr bis 06:00 Uhr des nächsten Tages ist damit ausgeschlossen. Die Arbeitnehmer und damit auch der Kläger zu 2 können mit einem, wenn auch ggf. späten, Arbeitsende in der Nacht kalkulieren, dass sie während der Nachtstunden ruhen/schlafen können. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Zeitfenster, während dem der Kläger zu 2 nicht zu arbeiten braucht, um einen tatsächlich erheblichen Zeitraum, nicht lediglich um wenige Minuten, die allein dazu dienten. Einen Anspruch auf eine Wechselschichtzulage auszuschließen.
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Andererseits war es dem Kläger zu 2 aber auch freigestanden, sich für eine freiwillige Wechselschicht bereit zu erklären. Damit hatte es in seiner Hand gelegen, eine Wechselschichtzulage zu erhalten.
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dd. Auch wenn der Unterschied zur Wechselschichtarbeit aus Sicht des Klägers nicht sonderlich groß erscheinen mag, einen Unterschied in der Zahlung eines Lohnzuschlages zu rechtfertigen, so wäre es Sache der Betriebspartner, des Betriebsrats und der Arbeitgeber gewesen, ihm Rahmen des zwingenden Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auf eine - aus Sicht des Klägers zu 2 - gerechtere Arbeitszeitverteilung hinzuwirken.
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c. Die Kläger haben zudem keinen Anspruch auf einen Zusatzurlaub wegen der Ableistung von Wechselschicht nach § 27 Abs. 1 TVöD-F. Diese Vorschrift ist anwendbar, da § 23 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA die Ansprüche auf Zusatzurlaub unberührt lässt.
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d. Nach § 27 Abs. 1 TVöD-F haben Arbeitnehmer, die ständig Wechselschicht leisten und denen eine Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 bzw. § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD-F zustehen, Anspruch auf Zusatzurlaub. An die Stelle der Zulagen nach diesen Tarifregelungen treten nach § 23 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-VKA die nach den weiter anzuwendenden Tarifverträgen geschuldeten Zulagen und Zuschläge. Damit richtet sich der Anspruch auf Zusatzurlaub nach dem BMT-G; er steht einem Arbeitnehmer dann zu, wenn dieser Wechselschicht leistet.
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Mangels den Klägern zustehender Wechselschichtzulagen nach § 23 Abs. 2 Satz 1 TVÜVKA i.V.m. BMT-G steht diesen aber auch kein Anspruch auf Zusatzurlaub zu.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
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Die Revision war allein in Bezug des Klägers zu 2 (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen. Im Übrigen ist kein Grund für die Zulassung der Revision gegeben (§ 72 Abs. 2 ArbGG).