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VGH München, Beschluss v. 08.06.2020 – 20 NE 20.1307
Titel:

Corona-Pandemie: Erfolgloser Eilantrag eines privaten Verkehrsunternehmens gegen Fünfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
5. BayIfSMV § 2 Abs. 1, § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12
Leitsätze:
1. Die Verpflichtung für Anbieter touristischer Reisebusreisen zur Sicherstellung, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Fahrgästen eingehalten werden kann oder geeignete Trennvorrichtungen vorhanden sind, verstößt trotz des Fehlens einer entsprechenden Verpflichtung für den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr voraussichtlich nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Verbot von "Gruppenreisen für geschlossene Gruppen" erweist sich voraussichtlich nicht als gleichheitswidrig. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die mit dem Abstandsgebot und dem Verbot touristischer Reisebusreisen in geschlossenen Gruppen verbundenen Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG erweisen sich bei sachgerechter Auslegung der Norm nicht als unverhältnismäßig. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, einstweiliger Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren, touristische Reisebusreisen, Mindestabstand zwischen den Fahrgästen, Verbot von Gruppenreisen für geschlossene Gruppen, Mindestabstand, Ungleichbehandlung, Hygieneregeln für den Freizeitverkehr, Kontaktbeschränkung, Touristische Reisebusreisen, Normenkontrollverfahren, Einhaltung des Abstandsgebots, Mund-Nase-Bedeckung, Verbot von Gruppenreisen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 12006

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt die Antragstellerin das Ziel, den Vollzug des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 der „Fünften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 29. Mai 2020 (2126-1-9-G, BayMBl. 2020 Nr. 304, im Folgenden: 5. BayIfSMV) einstweilen außer Vollzug zu setzen.
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1. Der Antragsgegner hat am 29. Mai 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die streitgegenständliche Verordnung erlassen. Die von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen haben folgenden Wortlaut:
3
§ 11 Freizeiteinrichtungen (…)
4
(3) Der Betrieb von Seilbahnen, der Fluss- und Seenschifffahrt im Ausflugsverkehr sowie von touristischen Bahnverkehren ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
5
1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Fahrgästen eingehalten werden kann oder geeignete Trennvorrichtungen vorhanden sind,
(…)
6
(4) Für touristische Reisebusreisen gilt Abs. 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass Gruppenreisen für geschlossene Gruppen nicht durchgeführt werden dürfen.
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Die genannte Bestimmung ist am 30. Mai 2020 in Kraft und tritt mit Ablauf des 14. Juni 2020 außer Kraft (§ 23 Satz 1 5. BayIfSMV).
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2. Die Antragstellerin, ein privates Verkehrsunternehmen, das sowohl Verkehrsleistungen auf Basis von Liniengenehmigungen nach §§ 42, 43 PBefG als auch Gelegenheitsverkehre nach §§ 48, 49 PBefG durchführt, hat mit Schriftsatz vom 2. Juni 2020 einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt und die Außervollzugsetzung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 5. BayIfSMV beantragt.
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Zur Begründung macht sie Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 GG geltend. Die Ungleichbehandlung bei den Hygieneregeln für den Freizeitverkehr (Mindestabstand zwischen den Fahrgästen von 1,5 m, Verbot von „Gruppenreisen für geschlossene Gruppen“) und den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr (nur Maskenpflicht, vgl. § 8 5. BayIfSMV) sei nicht sachlich gerechtfertigt. Das Verbot von „Gruppenreisen für geschlossene Gruppen“ in § 11 Abs. 4 5. BayIfSMV sei unklar formuliert. Personen, die nach § 2 Abs. 1 5. BayIfSMV von der Kontaktbeschränkung ausgenommen seien, müssten auch gemeinsam einen Reisebus nutzen dürfen. Das für die 5. BayIfSMV maßgebliche Ansteckungsrisiko sei bei Gruppenreisen erheblich geringer als bei Individualreisen, weil die Fahrgäste nicht durch Ein- und Ausstieg ständig wechselten. Infektionsketten seien in festen Gruppen besser zurückzuverfolgen. Bei Sicherstellung eines Mindestabstands zwischen den Fahrgästen von 1,5 m könnten nur ca. 20% der Plätze in einem Reisebus besetzt werden mit der Folge, dass Freizeitverkehre nicht einmal annähernd rentabel durchgeführt werden könnten.
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3. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Die Ungleichbehandlung mit dem öffentlichen Personennah- und -fernverkehr sei sachlich gerechtfertigt. Dieser sei anlässlich der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wegen seiner herausgehobenen Bedeutung für die Bevölkerung - insbesondere für Berufstätige - nie unterbunden worden. Touristische Reisebusreisen seien mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, weil sie länger andauerten, mit aerosolbildendem Verhalten (z.B. Singen, lautes Rufen) zu rechnen sei und weil sie von vielen älteren Menschen (Risikogruppe für COVID-19) unternommen würden. Im Vergleich zu Flugzeugen verfügten Reisebusse typischerweise über keine keimvermindernde Umluftfiltration.
II.
11
Der zulässige Eilantrag hat in der Sache keinen Erfolg.
A.
12
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist bereits vor Anhängigkeit eines Normenkontrollverfahrens zulässig (SächsOVG, B.v. 9.11.2009 - 3 B 501/09 - juris Rn. 12; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 102; Panzer in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 7/2019, § 47 Rn. 146).
B.
13
Der Antrag ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.
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1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a.‒ juris Rn. 12).
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2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat davon aus, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich unbegründet ist. Die summarische Prüfung ergibt, dass gegen die angegriffenen Regelungen keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
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a) Die Verpflichtung für Anbieter touristischer Reisebusreisen, sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Fahrgästen eingehalten werden kann oder geeignete Trennvorrichtungen vorhanden sind (§ 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 5. BayIfSMV), verstößt trotz des Fehlens einer entsprechenden Verpflichtung für den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr (§ 8 5. BayIfSMV) voraussichtlich nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
18
Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG, B.v. 18.7.2019 - 1 BvL 1/18 u.a. - NJW 2019, 3054 - juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240 - juris Rn. 40 ff.).
19
Die Verpflichtung für touristische Reisebusunternehmen, die Einhaltung des Abstandsgebots sicherzustellen, obwohl öffentliche Verkehrsmittel hiervon freigestellt sind, ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG voraussichtlich noch sachlich gerechtfertigt. Dem Verordnungsgeber ist bei der Bewertung, unter welchen infektionsschutzrechtlichen Anforderungen einzelne aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend geschlossene Betriebe wieder geöffnet werden können, ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der anhand sachlicher Kriterien ausgefüllt werden muss (BayVGH, B.v. 27.4.2020 - 20 NE 20.793 - juris Rn. 36; VGH BW, B.v. 18.5.2020 - 1 S 1357/20 - juris Rn. 129 ff.). Dabei ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen (NdsOVG, B.v. 5.5.2020 - 13 MN 124/20 - juris Rn. 42).
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Ausgehend davon durfte sich der Normgeber vorliegend typisierend (vgl. BayVerfGH, E.v. 15.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 12) von der Erwägung leiten lassen, dass die Einhaltung eines Mindestabstands in öffentlichen Massenverkehrsmitteln regelmäßig nicht ebenso gut sicherzustellen ist wie bei individuellen touristischen Angeboten (vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 2 5. BayIfSMV: „Wo immer möglich…“). Die Auslastung der meisten der von § 8 5. BayIfSMV insoweit privilegierten öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht vergleichbar zu planen wie individuell gebuchte touristische Beförderungsleistungen; insbesondere der öffentliche Personennahverkehr ist geprägt vom ständigen Wechsel der Fahrgäste. Hinzu kommt, dass sich dessen Kapazitäten gerade in städtischen Ballungsräumen nicht so weit ausweiten lassen, dass die Wahrung des Mindestabstands in den Stoßzeiten (Berufsverkehr) sicherzustellen wäre. Insoweit stößt der Infektionsschutz an faktischen Grenzen, die der Verordnungsgeber berücksichtigen darf.
21
Die Behauptung der Antragstellerin, durch Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und weitere Hygiene- und Infektionsschutzstandards (vgl. die angeführten „Gemeinsamen Empfehlungen des deutschen Omnibusgewerbes bei Wiederaufnahme des Busreiseverkehrs / Gelegenheitsverkehrs“ des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer e.V. und seine Landesverbände u.a. v. 6.5.2020 (https://www.bdo.org/uploads/assets/5eb2e73...37/original/Exit-Konzept_der_Busbranche_Anforderungen_an_alle_Reisebusunternehmen.pdf?1588782898) werde der Infektionsschutz optimal erreicht, trifft nicht zu. Auch diese von der Antragstellerin angeführten Empfehlungen sehen - soweit möglich - vor, dass Fahrgäste (ausgenommen Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben) während der gesamten Reise den Mindestabstand von 1,5 m einhalten (vgl. dort S. 3). Auch das Robert-Koch-Institut (RKI), dessen Einschätzungen der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16; vgl. auch BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - NJW 2020, 1427 - juris Rn. 13), sieht die Notwendigkeit der Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zusätzlich zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung. Die Mund-Nase-Bedeckung kann hiernach ein zusätzlicher Baustein sein, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren - allerdings nur, wenn weiterhin insbesondere der Abstand (mindestens 1,5 m) von anderen Personen eingehalten wird (https://www.r...de/SharedDocs/FAQ/NCOV 2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html).
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Im Übrigen ist zu bedenken, dass viele ältere Menschen, bei denen das Risiko einer schweren Erkrankung an COVID-19 stark erhöht ist, touristische Reisebusreisen unternehmen. Auch die von der Antragstellerin gerügte Ungleichbehandlung zum Flugverkehr verfängt nicht, da die dort eingesetzten Filtersysteme nicht mit den gewöhnlich in Reisebussen eingesetzten Klima- und Lüftungsanlagen vergleichbar sind.
23
Die Aufrechterhaltung des Betriebs des öffentliche Personennah- und -fernverkehrs, obwohl dort die Einhaltung des Mindestabstands nicht durchgängig sichergestellt werden kann, ist gerechtfertigt, weil öffentlichen Verkehrsmitteln als essentieller Teil der Daseinsvorsorge eine exponierte Bedeutung für die Grundversorgung der Bevölkerung zukommt (z.B. Berufspendler). Der Bustourismus, der ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland ist, kann keinen vergleichbaren Stellenwert beanspruchen. Dass der Verordnungsgeber mit der 5. BayIfSMV kein Regelungskonzept mehr verfolgt, wonach die Aufrechterhaltung oder Öffnung eines Angebots prioritär von dessen Bedeutung für die Grundversorgung der Bevölkerung abhängt, hat nicht zur Folge, dass er diesen Aspekt nicht als Sachgrund für getroffenen Differenzierungen anführen kann.
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b) Auch das Verbot von „Gruppenreisen für geschlossene Gruppen“ (§ 11 Abs. 4 Halbsatz 2 BayIfSMV) erweist sich voraussichtlich nicht als gleichheitswidrig.
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aa) Die Auslegung der Formulierung „Gruppenreisen für geschlossene Gruppen“ anhand des objektivierten Willens des Normgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2017 - 9 C 30.15 - BVerwGE 157, 203 - juris Rn. 14), lässt hinreichend klar erkennen, dass Personen, für die im Verhältnis zueinander die allgemeine Kontaktbeschränkung nicht gilt (§ 2 Abs. 1 5. BayIfSMV), nicht hierunter fallen (vgl. § 11 Abs. 4 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 i.V.m. Nr. 3.1 und 5.3.5 des Hygienekonzepts Touristische Dienstleister (Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege vom 29.5.2020, BayMBl. 2020 Nr. 305). Der einschränkende Zusatz „für geschlossene Gruppen“ im Wortlaut der Norm stellt zudem klar, dass touristische Reisebusreisen in offenen Gruppen, d.h. solche, die einzelne Reisende oder Personengruppen, für die die Kontaktbeschränkung nach § 2 Abs. 1 5. BayIfSMV nicht gilt, individuell buchen, nicht untersagt sind.
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bb) Das durch sachgerechte Auslegung so verstandene Verbot von Gruppenreisen für „geschlossene Gruppen“ ist voraussichtlich sachlich gerechtfertigt.
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Bei der vergleichenden Betrachtung des Infektionsrisikos bei touristischen Reisebusreisen „geschlossener Gruppen“ mit demjenigen in öffentlichen Verkehrsmitteln darf entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht allein in den Blick genommen werden, dass bei Reisen in festen Gruppen kein ständiger Wechsel der Fahrgäste erfolgt und die Anzahl der Kontakte, die zu einer Übertragung des Virus führen können, kleiner ist als in Massenverkehrsmitteln. Auch die Tatsache, dass Infektionsketten in festen Gruppen besser nachvollzogen werden können, hat kein ausschlaggebendes Gewicht. Vielmehr durfte sich der Verordnungsgeber maßgeblich von der Erwägung leiten lassen, dass touristische Reisebusreisen geschlossener Gruppen, bei denen sich die Angehörigen kennen (z.B. Freunde, Vereine), der Kontaktbeschränkung in § 2 Abs. 1 5. BayIfSMV diametral zuwiderlaufen. Die Erlaubnis touristischer Reisebusreisen geschlossener Personengruppen, deren gemeinsamer Aufenthalt im öffentlichen Raum verboten ist, wäre dem Einwand mangelnder Konsistenz der infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen ausgesetzt. In diesem Zusammenhang durfte der Verordnungsgeber bei lebensnaher Betrachtung auch annehmen, dass die infektionsschutzrechtlichen Anforderungen wie z.B. das Abstandsgebot (§ 1 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 5. BayIfSMV) in solchen Gruppen kaum eingehalten werden können (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.4.2020 - 20 NE 20.793 - juris Rn. 36). Dies bedeutet, dass die Zahl der Kontakte zu anderen Fahrgästen geringer sein mag, diese aber wegen der zu erwartenden Nichteinhaltung von Abstandsregeln deutlich risikobehafteter sind. Hinzu kommt, dass die durchschnittliche Reisedauer bei touristischen Reisebusreisen länger sein wird als im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr.
28
3. Die mit dem Abstandsgebot und dem Verbot touristischer Reisebusreisen in geschlossenen Gruppen verbundenen Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 GG erweisen sich bei sachgerechter Auslegung der Norm auch nicht als unverhältnismäßig. Der Antragstellerin wird die Ausübung von Gelegenheitsverkehren inzwischen in nicht unerheblichem Umfang wieder erlaubt. Von vorneherein nicht erfasst vom Verbot in § 11 Abs. 4 5. BayIfSMV sind alle Gelegenheitsverkehre ohne touristische Zweckrichtung. Abgesehen davon ist die Veranstaltung touristischer Gruppenreisen erlaubt, sofern die Buchung von den einzelnen Reisenden individuell oder gemeinsam für Personengruppen erfolgt, für die keine Kontaktbeschränkung nach § 2 Abs. 1 5. BayIfSMV gilt. Für diese Personengruppen, die auch Angehörige eines weiteren Hausstands umfassen können, muss bei der Sitzplatzbelegung im Reisebus auch der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die vom Antragsteller teilweise angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 14. Juni 2020 außer Kraft tritt (§ 23 Satz 1 4. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).