Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 20.05.2020 – AN 14 S 20.00047
Titel:

Anspruch auf Herausgabe von Informationen über lebensmittelrechtliche Betriebskontrollen

Normenketten:
BGB § 133
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Der Begriff der nicht zulässigen Abweichung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfasst jede objektive Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften; auf subjektive Elemente wie Verschulden oder Vorwerfbarkeit kommt es dabei ebenso wenig an, wie darauf, ob ein Verstoß gegen Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts vorliegt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
„…“, Auslegung eines stattgebenden Bescheids nach dem VIG, Auslegung eines Antrags nach dem VIG, festgestellte nicht zulässige Abweichungen, aufschiebende Wirkung, Betriebskontrolle, Herausgabeanspruch, Informationsanspruch, Lebensmittelrecht
Fundstelle:
BeckRS 2020, 11997

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2019 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um die Herausgabe von Informationen über lebensmittelrechtliche Betriebskontrollen an den Beigeladenen.
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Der Antragsteller betreibt ein Restaurant in …
3
Der Beigeladene beantragte am 7. Juni 2019 über die von … und … betriebene Internetplattform „…“ per Email von der Antragsgegnerin die Herausgabe folgender Informationen:
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1. Wann haben die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im folgenden Betrieb stattgefunden: …
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2. Kam es hierbei zu Beanstandungen? Falls ja, beantrage ich hiermit die Herausgabe des entsprechenden Kontrollberichts an mich.
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Über die Internetplattform „…“ lassen sich Restaurants und Lebensmittelbetriebe auf einer Straßenkarte auswählen oder mittels Suchmaske ermitteln. Nach Eingabe von Namen, Email und Postadresse wird automatisch eine vorformulierte Anfrage per Email an die zuständige Behörde geschickt. Die Nutzer werden aufgefordert, herausgegebene Kontrollberichte unter Schwärzung personenbezogener Daten auf die Plattform hochzuladen, damit sie von allen einsehbar sind. Die Betreiber verfolgen damit das Ziel, mehr Transparenz in der Lebensmittelüberwachung zu schaffen.
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Mit Schreiben vom 19. Juni 2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass ein Antrag auf Informationsgewährung nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) hinsichtlich seines Betriebes vorläge. Der Anspruch auf Zugang zu den Daten bestehe nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Es sei beabsichtigt, die beiliegenden Kontrollberichte zu übersenden. Der Antragsteller erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme. Welche Kontrollberichte übersandt werden sollten geht aus dem Entwurf des Anhörungsschreibens, das in der dem Verwaltungsgericht vorgelegten Akte des Ordnungsamts der Antragsgegnerin abgeheftet ist, nicht hervor.
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Mit Schreiben vom 30. Juni 2019 wandte sich der Antragsteller gegen die Herausgabe der Kontrollberichte. Hier handle es sich um einen missbräuchlichen Gebrauch von Rechtsschutzinteressen. Der Antrag sei nicht allein für Verbraucher des Restaurants bestimmt, sondern zur Veröffentlichung auf einem Internetportal bestimmt. Das Restaurant solle an den Pranger gestellt werden. Das Internetportal biete keinen ausreichenden Schutz seiner Daten und sehe keine Löschung der Daten nach sechs Monaten vor. Er befürchte eine unverhältnismäßige Rufschädigung mit wirtschaftlichen Folgen.
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Mit an den Beigeladenen adressierten Bescheid vom 13. Dezember 2019 traf die Antragsgegnerin die Entscheidung, dass dem Antrag auf Informationsgewährung stattgegeben werde (Ziffer 1). Nach Ziffer 2 des Bescheids erfolge die Informationsgewährung in folgender Form: Bekanntgabe der Daten der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen (Buchstabe a); Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte, wenn Beanstandungen im Sinne von unzulässigen Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB), der aufgrund des LFGB erlassenen Rechtsverordnungen und unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich des LFGB vorliegen (Buchstabe b). Die Information werde zehn Tage nach Zustellung des Bescheides an den betroffenen Dritten in Schriftform bekannt gegeben, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei. Die Ziffern 1 und 2 des Bescheides seien kraft Gesetzes sofort vollziehbar (Ziffer 3).
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2019, dem der Bescheid vom 13. Dezember 2019 und die Kontrollberichte über die planmäßige Routinekontrolle vom 5. September 2018, über die Nachkontrolle vom 18. Oktober 2018 und über die planmäßige Routinekontrolle vom 8. November 2019 beigefügt waren, wurde der Bescheid dem Antragsteller bekannt gegeben. Es bestehe ein Anspruch auf Übermittlung der beantragten Daten, da keine Ausschluss- bzw. Beschränkungsgründe vorlägen. Insbesondere stelle es keinen Ausschluss- bzw. Beschränkungsgrund dar, dass die Veröffentlichung den Ruf schädigen könnte. § 40 Abs. 1a LFGB sei nicht einschlägig. Das VIG treffe keine Aussage dazu, ob Verbraucher den Kontrollbericht veröffentlichen dürften. Dieses Schreiben wurde dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde am 14. Dezember 2019 zugestellt.
11
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2019, das am 27. Dezember 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach einging, legte der Antragsteller „Widerspruch“ gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2019 ein und beantragte, die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung einer noch zu erhebenden Klage wiederherzustellen. Mit Schriftsätzen seines inzwischen Bevollmächtigten vom 10. Januar 2020 wurde erneut klarstellend Anfechtungsklage erhoben und Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Zur Begründung wurde einerseits auf den Beschluss des VG Regensburg vom 15. März 2019 (RN 5 S 19.189 - BeckRS 2019, 3917) verwiesen. Daneben habe die Antragsgegnerin angekündigt, den drittletzten Kontrollbericht an den Beigeladenen herauszugeben, obwohl dies nicht beantragt sei. Die beiden letzten Kontrollberichte vom 18. Oktober 2018 und 8. November 2019 stellten jeweils als Gesamtergebnis „kein Verstoß“ fest. Soweit keine Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vorschriften festgestellt würden bestehe nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG kein Anspruch auf Herausgabe von Informationen. Mit der Herausgabe der Informationen würden vollendete Tatsachen geschaffen, daher sei das wirtschaftliche Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nahezu gleichhoch wie das an der Hauptsacheentscheidung. Daher sei der Streitwert in ähnlicher Höhe wie der der Klage anzusetzen, vorgeschlagen werde ein Streitwert von 4.000,00 EUR.
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Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller eingelegten Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2019 wird angeordnet.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
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Zur Herausgabe vorgesehen sei der Bericht über die Kontrolle vom 5. September 2018. Die Berichte über die Kontrollen vom 18. Oktober 2018 und vom 8. November 2019 würden als den Kläger begünstigende Zusatzinformationen beigefügt. Eine Übersendung des Kontrollberichts vom 5. September 2018 sei vom Wortlaut des gestellten Antrags gedeckt. Dieser sei mangels anderer Anhaltspunkte so zu verstehen, dass die Berichte über die Kontrollen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung die beiden letzten gewesen seien, herausgegeben werden sollten. Der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers stehe die mittlerweile recht eindeutige obergerichtliche Rechtsprechung (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.8.2019 - 7 C 29.17; Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 13.12.2019 - 10 S 2614/19; Beschluss des OVG Lüneburg vom 16.1.2020 - 2 ME 707/19) entgegen.
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Mit Beschluss vom 27. Januar 2020 wurde der Antragsteller des Verfahrens nach dem VIG zum Verfahren notwendig beigeladen.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2019 nach § 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig (hierzu 1.) und begründet (hierzu 2.).
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1. Nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 21. Dezember 2019 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2019 statthaft. Denn diese entfaltet gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Vorliegend steht ein Fall von festgestellten, nicht zulässigen Abweichungen von Anforderungen unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c) VIG im Streit. Es geht hier nicht um Überwachungsmaßnahmen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG. Diese betreffen Informationen über allgemeine, vom Einzelfall losgelöste Sachverhalte (vgl. Heinicke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht Stand 174. EL Juli 2019, § 2 VIG Rn. 56). Vielmehr geht es dem Beigeladenen um das Erfragen von Rechtsverstößen. Damit kommt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG als Rechtsgrundlage in Betracht mit der Folge, dass der Bescheid kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist.
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Der Antragsteller ist nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt. Adressat des streitgegenständlichen Bescheides ist zwar allein der Beigeladene (OVG NRW, Urteil vom 12.12.2016 - 13 A 938/15 - Beck RS 2016, 11 50 22 - Rn. 6; Heinecke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 174. EL Juli 2019, § 5 VIG Rn. 9a). Der Antragsteller kann sich jedoch auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) berufen und damit die mögliche Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen.
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Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Bescheid vom 13. Dezember 2019 aufgrund der rechtzeitigen Klageerhebung noch nicht bestandskräftig geworden. Unschädlich ist insoweit, dass in dem Schriftsatz vom 21. Dezember 2019 vom Kläger ein „Widerspruch“ gegen den streitgegenständlichen Bescheid eingelegt werden sollte. Denn aus den Ausführungen in diesem Schriftsatz ist eindeutig zu entnehmen, dass es dem Antragsteller darum ging, die Rechtskraft dieses Bescheides und die Herausgabe der Informationen gemäß dem Bescheid an den Beigeladenen zu verhindern. Damit ging es ihm nach sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) seines Begehrens um die Erhebung des statthaften Rechtsbehelfs, hier also der Klage.
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2. Der Antrag auch begründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ergibt diese Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser summarischen Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung durchzuführen.
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Im vorliegenden Fall überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Denn der Bescheid vom 13. Dezember 2019 ist voraussichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragteller in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klage wird daher voraussichtlich Erfolg haben. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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a) Der vorliegende Antrag ist auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2019 gerichtet. Maßgeblich für die rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage ist daher dieser Bescheid. Dieser Bescheid, der an den Beigeladenen als Antragsteller nach VIG adressiert war, ist aber auslegungsbedürftig, da er (naturgemäß, da die Informationsweitergabe ja nicht vorweggenommen werden soll) keine Aussage zu den Informationen, die auf den Antrag herausgegeben werden sollen, enthält. Der Bescheid ist daher insbesondere dahingehend auszulegen, auf die Weitergabe welcher Informationen er sich bezieht.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten für die Auslegung von öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen wie insbesondere auch Verwaltungsakten §§ 133, 157 BGB entsprechend (BVerwG, U.v. 18.6.1980 - 6 C 55/79 - BVerwGE 60, 223, 228; U.v. 24.7.2014 - 3 C 23/13 - juris Rn. 18). Maßgeblich ist danach also nicht der innere, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Abzustellen ist auf den Inhalt des Bescheides, aber auch auf die bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Begleitumstände. Dazu gehören insbesondere die einer Bewilligung vorausgehenden Anträge und die zugrundeliegenden Rechtsnormen (BVerwG, U.v. 24.7.2014 - 3 C 23/13 - juris Rn. 18). Im Einzelfall kann auch darauf abzustellen sein, wie Drittbetroffene den Bescheid verstehen mussten (BVerwG, U.v. 7.6.1991 - 7 C 43/90 - BVerwGE 88, 286 LS 3 und Rn. 19 (zitiert nach juris)).
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Wie bereits dargestellt enthielt der an den Beigeladenen adressierte Bescheid keine Aussage zu den Informationen bzw. Kontrollberichten, die herausgegeben werden sollten. Allerdings waren dem Schreiben an den Antragsteller vom 12. Dezember 2019 neben dem streitgegenständlichen Bescheid auch die zur Herausgabe anstehenden Kontrollberichte über die Betriebsüberprüfungen vom 5. September 2018, vom 18. Oktober 2018 und vom 8. November 2019 beigefügt. Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist zwar kein Adressat des über den Antrag auf Herausgabe von Informationen nach dem VIG entscheidenden Verwaltungsakts (OVG NRW, Urteil vom 12.12.2016 - 13 A 938/15 - Beck RS 2016, 11 50 22 - Rn. 6; Heinecke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 174. EL Juli 2019, § 5 VIG Rn. 9a). Die in § 5 Abs. 2 Satz 3 VIG vorgesehene Bekanntgabe an den Dritten (Lebensmittelunternehmer) dient vielmehr allein dazu, die Rechtsmittelfrist gegen den bekanntgegebenen Bescheid in Gang zu setzen. Allerdings wird durch den Bescheid bzw. die in dessen Vollzug erfolgende Informationsweitergabe an den Antragsteller nach VIG in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Lebensmittelunternehmers eingegriffen. Der Inhalt eines einem Antrag auf Herausgabe von Informationen nach dem VIG stattgebenden Bescheides ist daher unter Berücksichtigung des Schreibens an den Dritten (Lebensmittelunternehmer), mit dem der Bescheid diesen bekanntgegeben wird, und den diesen beigefügten herauszugebenden Kontrollberichten auszulegen. Diese sind Bestandteil des Bescheides, der der Kontrolle im Klagewie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unterliegt.
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Im vorliegenden Fall ist Gegenstand des Verfahrens daher die Frage, ob die Kontrollberichte der Antragsgegnerin über die lebensmittelrechtlichen Kontrollen vom 5. September 2018, vom 18. Oktober 2018 und vom 8. November 2019 an den Beigeladenen herausgegeben werden können.
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b) Der vom Beigeladenen gestellte Antrag bezieht sich allein auf die lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen des Restaurants des Antragstellers vom 18. Oktober 2018 und vom 8. November 2019. Dies ergibt die sachgerechte Auslegung des vom Beigeladenen gestellten Antrags nach dem VIG.
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Mit diesem Antrag, der in dieser Form standardmäßig bei Anträgen über die Plattform „…“ verwendet wird, geht es in Ziffer 1 darum zu erfahren, wann die „letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen“ im jeweiligen Betrieb stattgefunden haben. Durch die Verwendung des Begriffs „letzte“ wird klar zum Erkennen gegeben, dass es dem betreffenden Antragsteller um möglichst aktuelle und neue Informationen geht. Aus der Sicht des den Antrag stellenden Verbrauchers wäre es gerade nicht nachvollziehbar, wenn, wie die Antragsgegnerin ausweislich der Antragserwiderung den Antrag auslegte, allein auf das Datum der Antragstellung abgestellt würde. Der vorliegende Sachverhalt zeigt dies augenscheinlich: Denn je länger die Behörde mit der Entscheidung über den gestellten Antrag zuwartet (im vorliegenden Fall knapp ein halbes Jahr) steigt die Wahrscheinlichkeit, dass seit der Antragstellung eine erneute Betriebsüberprüfung durchgeführt wurde. Anzunehmen, dass der Antrag stellende Verbraucher an dem Ergebnis dieser Betriebsüberprüfung kein Interesse hätte, da sie ja erst nach seinem Antrag erfolgt ist, wäre lebensfremd. Vielmehr ist auf das Datum der Entscheidung über den Antrag abzustellen. Dies hat jedoch auch zur Konsequenz, dass, falls nach erfolgter Anhörung des Dritten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 VIG i.V.m. Art. 28 BayVwVfG) eine weitere lebensmittelrechtliche Betriebsüberprüfung durchgeführt wird, eine erneute Anhörung zu erfolgen hat, da der Antrag sich damit auf andere Betriebsüberprüfungen bezieht. Dies kann aber auch in Verfahren in anderen Rechtsgebieten erforderlich werden, wenn sich nach erfolgter Anhörung der Sachverhalt entscheidungserheblich ändert (vgl. Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 40). Im VIG gilt insoweit nichts anderes.
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Das Ergebnisprotokoll der lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfung vom 5. September 2018 ist daher vorliegend bereits nicht vom Antrag erfasst. Die im Bescheid vom 13. Dezember 2019 geregelte bevorstehende Herausgabe dieses Kontrollberichts ist daher aller Wahrscheinlichkeit nach bereits aus diesem Grunde rechtswidrig.
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Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht dadurch vermeiden, dass die Routinekontrolle vom 5. September 2018 und die Nachkontrolle vom 18. Oktober 2018 als eine Einheit verstanden würden. Denn der vom Beigeladenen gestellte Antrag gibt hierfür keinen Anhaltspunkt. Der Antragsteller nach dem VIG ist mit der Formulierung seines Auskunftsantrags gewissermaßen Herr des Verfahrens. Mit seinem Antrag bestimmt er den Umfang und die Grenzen der von ihm begehrten Informationsherausgabe. Vorliegend ist der Antrag allgemein darauf gerichtet zu erfahren, wann „Betriebsüberprüfungen“ stattgefunden haben und für den Fall, dass Beanstandungen erfolgt sind, auf die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte. „Betriebsüberprüfungen“ sind aber sowohl Routinekontrollen als auch Nachkontrollen. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachverständnis.
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c) Bei den Betriebsüberprüfungen am 18. Oktober 2018 und am 8. November 2019 wurden keine Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG festgestellt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG bezieht sich der Zugangsanspruch auf alle Daten über festgestellte, nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und des Produktsicherheitsgesetzes, der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen und, unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit diesen Abweichungen getroffen worden sind. Der Begriff der nicht zulässigen Abweichung erfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29.17 - juris Rn. 30, 32; BayVGH, B.v. 15.4.2020 - 5 CS 19.2087 - Beck RS 2020, 6798, Rn. 20; U.v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 40 ff.) jede objektive Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften. Auf subjektive Elemente wie Verschulden oder Vorwerfbarkeit kommt es dabei ebenso wenig an, wie darauf, ob ein Verstoß gegen Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts vorliegt. Im Interesse einer zeitnahen Information muss die „nicht zulässige Abweichung“ nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden sein. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat.
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Wendet man diese Vorgaben auf den Kontrollbericht zur Betriebsüberprüfung vom 8. November 2019 an, so ist festzuhalten, dass dieser keine Abweichung von konkret genannten Vorschriften enthält. Als Gesamtergebnis ist dort festgehalten: „kein Verstoß“.
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Ähnliches gilt für den Kontrollbericht über die Betriebsüberprüfung vom 18. Oktober 2018. Auch dort ist eine konkrete Abweichung von bestimmten Vorschriften nicht genannt. Es wird dort zwar eine mündliche Belehrung aufgeführt, jedoch ist nicht ersichtlich, dass diese erfolgt sei, weil eine Abweichung im Betrieb des Antragstellers von bestimmten lebensmittelrechtlichen Vorstellungen festgestellt wurde. Eine Abweichung im dargestellten Sinne wird nicht festgestellt. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG bei den Kontrollberichten über die Betriebsüberprüfungen vom 8. November 2019 und vom 18. Oktober 2018 aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Der Bescheid dürfte daher rechtswidrig sein und den Antragsteller in eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht vorliegend nicht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da dieser keinen Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gestellt hat und sich somit nach § 154 Abs. 3 VwGO auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Höhe des hälftigen Regelstreitwerts festzusetzen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. Beschluss vom 20.11.2019 - AN 14 S 19.2053 - Beck RS 20 19, 31242). Entgegen der Argumentation des Bevollmächtigten des Antragstellers ist eine Erhöhung des Streitwerts nicht veranlasst, da im vorliegenden Verfahren nur eine vorläufige Entscheidung erfolgt ist.