Inhalt

LG München I, Endurteil v. 20.02.2020 – 36 S 16296/18 WEG
Titel:

Eigentümerversammlung am Vorabend eines jüdischen Feiertages

Normenkette:
WEG § 24, § 26
Leitsatz:
Eine Versammlung am Vorabend eines hohen jüdischen Feiertages (hier Sederabend, der das Pessachfest einleitet) findet zur Unzeit statt, wenn es sich um eine kleine Gemeinschaft handelt und dem Verwalter dies bekannt ist. Jedenfalls muss er dann die Versammlung verlegen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
jüdischer Feiertag, Pessachfest, Eigentümerversammlung, Terminierung, Verwalter, Verlegungsanspruch
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 18.10.2018 – 483 C 9323/17
Fundstellen:
BeckRS 2020, 11772
ZWE 2020, 349
LSK 2020, 11772
ZMR 2020, 689

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.10.2018, Az. 483 C 9323/17 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beschluss unter TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 mit dem Wortlaut:
Beschlussantrag 1.1: Die Wohnungseigentümer beschließen, die vorgelegten Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen 2016 mit dem Erstelldatum 14.03.2017, anzunehmen.
Beschluss 1.1: Der vorgenannte Beschlussantrag wird einstimmig angenommen.
Verkündung 1.1: Die Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen 2016 sind einstimmig angenommen worden.
wird für ungültig erklärt.
2. Die Klägerin hat 7/13 und die Beklagten haben 6/13 der Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Klägerin hat 7/13 und die Beklagten haben 6/13 der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, die jeweils andere Partei hat zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 39.570,50 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen sowie der Antragsstellungen erster Instanz zunächst Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München vom 18.10.2018 (Bl. 128/145 d.A.). Das Amtsgericht München hat die Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 abgewiesen.
2
Gegen das am 22.10.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.11.2018, eingegangen am selben Tag, Berufung zum Landgericht München I eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde auf Antrag der Klägerin verlängert bis 24.01.2019. Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 22.01.2019, eingegangen am selben Tag, begründet.
3
Die Berufung wurde unter anderem damit begründet, dass ein formeller Beschlussmangel vorliege, da der Klägerin durch die Wahl des Versammlungstermins durch den Verwalter die Teilnahme verwehrt gewesen sei. Der Abend des 10.04.2017 habe in den Osterferien gelegen und sei zugleich der Sederabend gewesen, mit dem das Pessachfest eingeleitet werde. Als gläubige Jüdin sei ihr daher die Teilnahme an einer Eigentümerversammlung am selben Abend verwehrt gewesen. Da der Verwalter selbst Jude sei, habe er dies gewusst. Bereits im Vorjahr habe es eine vorgerichtliche Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Verwalter gegeben, da dieser die Versammlung 2016 ebenfalls in die Osterferien und auf den Sederabend gelegt habe. Der Verwalter sei verpflichtet gewesen, auf ihren Wunsch nach Religionsausübung Rücksicht zu nehmen und ihrem Antrag auf Verlegung der Eigentümerversammlung vom 04.04.2017 nachzukommen. Da der Verwalter dies nicht getan habe, sei ihr Kernrecht als Wohnungseigentümerin verletzt worden, nämlich die Teilnahme und Ausübung ihres Stimmrechts. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich dies auf das Beschlussergebnis ausgewirkt habe, da sie so keine Möglichkeit hatte, ihre Einwände in der Versammlung vorzubringen und so ein anderes Abstimmungsergebnis herbeizuführen. Zudem seien die Eigentümer der Einheit Nr. 12 - Tiefgarage - nicht zur Versammlung eingeladen worden. Der Verwalter habe nicht erneut bestellt werden dürfen (TOP 3), da es Differenzen zwischen ihm und den Eigentümern gebe. Er habe auch verschiedene Fehler gemacht und Abrechnungen falsch erstellt, worauf das Amtsgericht bei seiner Entscheidung nicht eingegangen sei. Er habe sich ohne Beschlussfassung trotz ungültiger Vereinbarung im Verwaltervertrag 2.490,79 € für die Abhaltung einer Eigentümerversammlung überwiesen. Zudem seien vorliegend mehrere Angebote verschiedener Verwalter zwingend erforderlich gewesen. Die Verwaltergebühr sei sittenwidrig erhöht. Der Beschluss sei hinsichtlich der Vergütung nicht hinreichend bestimmt. Zudem hätten sich die Eigentümer mit dem in Anlage K 15 vorgelegten Vergleich geeinigt, einen neuen Verwalter zu wählen; der bisherige habe daher nicht mehr gewählt werden dürfen. Auch der Beschluss zu TOP 1 (Jahresabrechnung 2016) sei aufgrund mehrerer erheblicher Fehler der Abrechnung für ungültig zu erklären, was im Einzelnen ausgeführt wird.
4
Die Klägerin beantragte:
1. Der Beschluss unter TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 mit dem Wortlaut:
„Beschluss Antrag 3.1: Die W. GmbH wird für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bestellt. Die monatliche Verwaltergebühr für die reguläre Verwaltertätigkeit beträgt insgesamt Euro 725 zuzüglich Mehrwertsteuer, also Euro 862,75. Der Verwaltungsbeirat wird beauftragt und bemächtigt, den neuen, vorliegenden Verwaltervertrag mit den darin enthaltenen Konditionen zu unterzeichnen.
Beschluss 3.1: Der vorgenannte Beschluss wird einstimmig angenommen.
Verkündung 3.1: Die W. GmbH ist gemäß vorgenanntem Beschluss mit den neuen Konditionen zur Verwalterin bestellt. Der Beirat ist beauftragt und bevollmächtigt, den neuen Vertrag zu unterzeichnen.“
wird für ungültig erklärt.
2. Der Beschluss unter TOP 1 der Eigentümerversammlung von 10. April 2017 mit dem Wortlaut:
„Beschluss Antrag 1.1: die Wohnungseigentümer beschließen, die vorgelegten Jahres Gesamt - und Einzelabrechnungen 2016 mit dem Erstellungsdatum 14.03.2017 anzunehmen.
Beschluss Antrag 1.1: der vorgenannte Beschluss Antrag wird einstimmig angenommen.
Verkündung 1.1: die Jahresgesamt - und Einzelabrechnungen 2016 sind einstimmig angenommen worden.“
wird für ungültig erklärt.
5
Die Beklagten beantragten,
die Berufung zurückzuweisen.
6
Sie begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Die Ladung sei nicht zur Unzeit erfolgt. Ein formeller Fehler liege nicht vor. Sie bestreiten, dass die Klägerin jüdischen Glaubens sei, sowie, dass am 10.04.2017 ein jüdischer Feiertag eingeleitet worden sei. Selbst wenn dem so sei, sei ein Verwalter nicht verpflichtet, auf alle möglichen Bedürfnisse und Interessen der Wohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen. Das Schreiben der Klägerin vom 04.04.2017 habe nicht berücksichtigt werden können. Der Verwalter habe bereits mit Schreiben vom 24.03.2017 zur Wohnungseigentümerversammlung am 10.04.2017 eingeladen. Es seien alle Eigentümer eingeladen worden. Die Eigentümer der Einheit Nr. 12 seien alle auch Wohnungseigentümer und als solche eingeladen worden. Der Beschluss zu TOP 3 sei in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Betrag von 725,00 € netto pro Monat sei nicht zu unbestimmt. Die Beifügung der Alternativangebote von Verwaltern an die Einladung sei nicht erforderlich gewesen; deren Einladung zur Eigentümerversammlung auch nicht. In dem als Anlage K 15 vorgelegten Vergleich haben sich die Eigentümer geeinigt, zu versuchen, mit der Verwaltung eine vorzeitige Beendigung der Verwaltertätigkeit zu vereinbaren. Dies sei auch geschehen. Aber alle Eigentümer, auch die Klägerin, haben auf der Eigentümerversammlung am 11.06.2015 dagegen gestimmt, das Verwalterverhältnis bei Abgeltung aller Ansprüche und einer Restvergütung von 13.833,75 € zum 01.07.2015 zu beenden. Der Vergleich sei damit erfüllt worden, da der Versuch unternommen worden sei. Unzutreffend sei, der Verwalter habe ohne Rechtsgrund eine Sondervergütung vereinnahmt. Der Betrag sei nicht für eine, sondern drei Eigentümerversammlungen in Rechnung gestellt worden. Zudem sei der Verwalter hierzu nach Ziff. 2 des Verwaltervertrages mit der E. GmbH, dessen Fortgeltung für ihn beschlossen worden sei - es habe sich lediglich um einen Namenswechsel der Verwalterin gehandelt - berechtigt gewesen. Die Behauptung, die beschlossene Verwaltervergütung erreiche die Wuchergrenze, sei nicht nur falsch, sondern erstinstanzlich nach Ablauf der Anfechtungsbegründungsfrist vorgebracht worden. Die von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen lägen nicht vor. Die materiell-rechtlichen Einwände hinsichtlich der Jahresabrechnung (TOP 1) seien unzutreffend, was im Einzelnen ausgeführt wird.
7
Die Kammer hat mit Verfügung vom 22.09.2019 (Bl. 193/195 d.A.) einen umfangreichen rechtlichen Hinweis erteilt und Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 19.12.2019 bestimmt.
8
Mit Schriftsatz vom 12.12.2019 (Bl. 196/200 d.A.) nahm der Beklagtenvertreter hierzu Stellung.
9
Der Ladungsmangel bestehe nicht, jedenfalls wirke er sich auf die Beschlussfassungen nicht aus. Alle am 10.04.2017 anwesenden Eigentümer haben schriftlich erklärt, dass sie auch bei einer Anwesenheit der Klägerin die angefochtenen Beschlüsse unverändert gefasst hätten (Anlage B 11). Ferner haben die Eigentümer in einer Eigentümerversammlung am 28.11.2019 unter TOP 3.1 den streitgegenständlichen Beschluss vom 10.04.2017 zu TOP 3 einstimmig bestätigt (Anlage B 12).
10
Am 19.12.2019 hat die Kammer mündlich zur Sache verhandelt. Die Klägerin wurde zur Sache angehört. Dem Klägervertreter wurde antragsgemäß Schriftsatzfrist zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 12.12.2019 und dessen Vorbringen im Termin bis 03.02.2020 gewährt; zudem wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt.
11
Mit Schriftsatz vom 31.01.2020 nahm der Klägervertreter Stellung (Bl. 209/215 d.A.). Er rügte u.a. die Verspätung des Vorbringens im Schriftsatz vom 12.12.2019.
12
Mit Schriftsatz vom 04.02.2020 und weiterem Schrifsatz vom 12.02.2020 nahm der Beklagtenvertreter nochmals Stellung.
13
Ergänzend wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter, und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2019 (Bl. 202/208 d.A.) Bezug genommen.
II.
14
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
15
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde insbesondere frist- und formgerecht gemäß §§ 516, 518 ZPO eingelegt und begründet.
16
Die Berufung ist teilweise begründet.
17
1. Der Beschluss zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 war auf die Berufung der Klägerin für ungültig zu erklären und das Urteil des Amtsgerichts entsprechend abzuändern. Der Beschluss leidet an einem formellen Mangel, bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass er sich auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat. Die Eigentümerversammlung fand am 10.04.2017 um 18 Uhr statt. Es handelte sich dabei um den Sederabend, der das jüdische Pessachfest (Osterfest) einleitet. Dabei handelte es sich nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die Klägerin um eine Versammlung zur „Unzeit“, da sie sich aufgrund ihres Glaubens an der Teilnahme an einer Eigentümerversammlung an diesem Abend gehindert gesehen hat und unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Rangs des Rechts auf ungestörte Religionsausübung auch gehindert sehen durfte. Dem Verwalter war dies aufgrund des damit begründeten Verlegungsantrags der Klägerin vom 04.04.2017 auch vor der Eigentümerversammlung bekannt; auf die im vorangegangenen Hinweis der Kammer thematisierte Frage, ob ihm dies bereits vor Versendung der Einladung bekannt war, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls, insbesondere der kleinen Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft, und aufgrund der in erster Instanz unbestrittenen Tatsache, dass die Klägerin bereits im Vorjahr an der Teilnahme verhindert gewesen war, wäre er jedenfalls nach Erhalt des Verlegungsgesuchs der Klägerin vom 04.04.2017 verpflichtet gewesen, einen Termin zu finden, der allen Eigentümern - also auch der Klägerin - die Teilnahme an der Eigentümerversammlung ermöglicht.
18
a) Bei der Terminierung einer Eigentümerversammlung ist stets zu berücksichtigen, dass die Teilnahmemöglichkeit der Wohnungseigentümer an der Eigentümerversammlung ein zentrales Mitgliedschaftsrecht ist, das durch eine „unzeitige“ Terminbestimmung nicht verkürzt oder gar vereitelt werden darf (Schultzky in: Jennißen, WEG, 6. Auflage 2019, § 24 WEG, Rn. 100). Ob eine Terminsbestimmung „unzeitig“ ist, ist stets aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln (Schultzky, in: Jennißen, a.a.O., Rn. 101). Der Verwalter hat dabei die Belange aller Wohnungseigentümer zu berücksichtigen (Merle, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 24, Rn. 54a). Jedenfalls in kleineren Wohnanlagen ist der Wohnungseigentumsverwalter im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung verpflichtet zu versuchen, jedem Mitglied in zumutbarer Weise eine Versammlungsteilnahme zu ermöglichen (LG München I, Beschluss vom 19. Juli 2004 - 1 T 3954/04 -, NZM 2005, 591; T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 24, Rn. 4). So hatte die 1. Zivilkammer des Landgerichts München I etwa im genannten Fall bereits den bloßen Beginn einer Versammlung um 17:30 Uhr als unzulässig angesehen, da einer der Wohnungseigentümer bei einer nur aus vier Wohnungen bestehenden WEG zu dieser Zeit beruflich verhindert war. Je kleiner die Wohnanlage, desto mehr Bemühungen können vom Verwalter erwartet werden, die Belange einzelner Eigentümer zu berücksichtigen. Vorliegend handelt es sich um eine relativ überschaubare Wohnanlage mit nur acht Eigentümern, so dass der Verwalter in besonderer Weise verpflichtet ist, zu versuchen, jedem Eigentümer die Teilnahme zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund könnte durchaus auch die Auffassung vertreten werden, dass bereits die Angabe eines Eigentümers, zu der erst rund zwei Wochen zuvor einberufenen Versammlung verhindert zu sein, ausreichen könnte, eine Versammlung zur Unzeit anzunehmen. Hier kommen aber noch weitere Aspekte, insbesondere die Bedeutung des Abends für die Religionsausübung der Klägerin, hinzu.
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b) Die Anberaumung einer Eigentümerversammlung innerhalb einer typischen Reisezeit (Ferienzeit) entspricht auch nur ausnahmsweise ordnungsgemäßer Verwaltung, nämlich wenn sichergestellt ist, dass die Wohnungseigentümer daran teilnehmen oder sich zumutbar vertreten lassen können, wenn es sich um eine Angelegenheit von besonderer Dringlichkeit handelt oder sofern die Zusammensetzung der konkreten Wohnungseigentümergemeinschaft nicht dagegen spricht; ggf. sind auch über § 24 Abs. 4 S. 2 WEG hinausgehende Ladungsfristen im Einzelfall erforderlich (vgl. Merle, in: Bärmann, WEG, a.a.O., Rn. 54c m.w.N.; T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 24, Rn. 4; vgl. ferner LG Karlsruhe, Urteil vom 25.10.2013 - 11 S 16/13, ZMR 2014, 93 sowie Anm. Bub/von der Osten FD-MietR 2013, 353045; LG Karlsruhe, Urteil vom 07.10.2014 - 11 S 8/14, ZWE 2015, 419). Vorliegend fand die Eigentümerversammlung während der Osterferien mit relativ kurzem Vorlauf von rund zwei Wochen statt, so dass auch deshalb eine Ladung zur Unzeit angenommen werden kann.
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c) Unter Berücksichtigung der sich aus Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ergebenden Wertungen ist den Wohnungseigentümern darüber hinaus aber insbesondere Gelegenheit zu geben, ihrem Recht auf Religionsausübung nachzugehen (Merle, in: Bärmann, WEG, a.a.O., Rn. 54b; Staudinger/Häublein (2018) WEG § 24 Rn. 141). Darauf beruht auch die Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts - im dortigen Fall bezogen auf christliche Religionsausübung -, wonach über den Wunsch einzelner Wohnungseigentümer, den Sonntagvormittag bis 11 Uhr von Eigentümerversammlungen freizuhalten, grundsätzlich nicht hinweggegangen werden darf (BayObLG, Beschluss vom 25.6.1987 - BReg. 2 Z 68/86, BayObLGZ 1987, 219 = NJW-RR 1987, 1362). Dieser Grundsatz beruhte im konkreten Fall auf dem Wunsch einzelner Wohnungseigentümer, an dem Sonntagvormittags stattfindenden Gottesdienst teilzunehmen. Dem entspricht auch das beklagtenseits zitierte Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, wonach Sonntage und kirchliche Feiertage nicht grundsätzlich für Wohnungseigentümerversammlungen ausscheiden, soweit auf Kirchenbesucher Rücksicht genommen wird (LG Frankfurt, Beschluss vom 17. Dezember 2019 - 2-13 S 129/18 -, Rn. 12, juris). Ausgehend von diesem Grundgedanken ist zwar in der Regel, aber eben nicht alleine darauf abzustellen, welche Tage durch feiertagsgesetzliche Regelungen besonders geschützt sind. Auch Zeiten, die nicht als gesetzlicher Feiertag besonders geschützt sind, können nach den Umständen des Einzelfalls als „Unzeit“ zu beurteilen zu sein, wenn sie für die Religionsausübung einzelner Wohnungseigentümer von erheblicher Bedeutung sind. So wäre etwa eine Versammlung am Abend des 24. Dezember stets zur Unzeit, da dieser als „Heiliger Abend“ die anschließenden Weihnachtsfeiertage einleitet, obgleich es sich dabei um keinen eigenen gesetzlichen Feiertag handelt. Damit ist die Konstellation im vorliegenden Verfahren im Grundsatz vergleichbar. Zwar sind vom bayerischen Feiertagsgesetz (FTG) nur die ersten beiden und die letzten beiden Tage des Osterfestes (Pessach) als israelitische Feiertage besonders geschützt, Art. 6 Abs. 1 FTG. Im Jahr 2017 waren dies der 11. und 12, sowie der 17. und 18.04. (Quelle: https://www.ikg-m.de, Stand: 20.02.2020). Jedoch wird das Pessachfest traditionell mit einem Abendgottesdienst und dem anschließenden Seder eingeleitet, einem Festmahl der gesamten Familie. Der Sederabend wird daher üblicherweise als Beginn des Pessachfestes und regelmäßig auch der entsprechende Tag als dessen erster Tag bezeichnet (so etwa https://www.ikg-m.de, Stand: 20.02.2020). Insofern irrt der Beklagtenvertreter, wenn er sich mehrfach darauf beruft, dass die Bezeichnung des 10.04.2017 als jüdischer Feiertag in der Klagebegründung falsch gewesen sei. Die Bedeutung des Sederabends ist im jüdischen Glauben unbestritten und, aus Sicht der Kammer, zumindest abstrakt gesehen insoweit mit dem „Heiligen Abend“ vergleichbar, als dieser ebenso wenig den Schutz des Feiertagsgesetzes genießt, aber die darauffolgenden Weihnachtsfeiertage (Art. 1 Nr. 1 FTG) einleitet. Ebenso wie eine Eigentümerversammlung am Heiligen Abend zur „Unzeit“ wäre, ist dies auch eine Eigentümerversammlung am Sederabend, wenn einer der Wohnungseigentümer - wie hier - sich darauf beruft, diesen aufgrund seines Glaubens feiern zu wollen, anstatt an einer Wohnungseigentümerversammlung teilzunehmen.
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d) Die Kammer verkennt beim Vergleich mit dem „Heiligen Abend“ nicht, dass es in Deutschland sozialüblich ist, diesen zu feiern, und dies auch nicht bei allen Menschen auf christlichem Glauben beruht. Ferner verkennt die Kammer nicht, dass das Datum des „Heiligen Abends“ im Gegensatz zum jährlich wechselnden Datum des Sederabends allgemein bekannt ist. Insofern gibt es zwischen beiden Abenden natürlich Unterschiede. Daher hat ein Verwalter auch nach Auffassung der Kammer grundsätzlich keine Veranlassung, jegliche Tage, die über die feiertagsgesetzlich hinaus besonders geschützten Tage in bestimmten Religionen von besonderer Bedeutung sein können, zu kennen oder diese von vorneherein von der Terminierung einer Eigentümerversammlung auszunehmen. Insoweit ist den Beklagten zuzustimmen. Anders ist dies aber, wenn - wie hier - eine Wohnungseigentümerin dem Verwalter bekannt gibt, dass sie sich an diesem Abend aufgrund ihres Glaubens außer Stande sieht, an einer Wohnungseigentümerversammlung teilzunehmen und deshalb die Bitte um Verlegung äußert (Schriftsatz vom 04.04.2018, Anlage K 12). Gerade weil es sich vorliegend um eine kleinere Wohnungseigentümergemeinschaft handelt, hätte vom Verwalter erwartet werden können, dass er auf diesen Wunsch der Klägerin Rücksicht nimmt. Jedenfalls bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die aus so wenigen Eigentümern besteht wie diese, hätte der Verwalter nach den eingangs dargelegten Grundsätzen aus Sicht der Kammer die Versammlung verlegen müssen, um auch der Klägerin die Teilnahme in zumutbarer Weise zu ermöglichen (vgl. LG München I, Beschluss vom 19. Juli 2004 - 1 T 3954/04 -, NZM 2005, 591; Merle, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 24, Rn. 54a). Dies hat er nicht getan. Die Klägerin konnte deshalb an der Eigentümerversammlung nicht teilnehmen.
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e) Da sie somit auf die Willensbildung durch Teilnahme an der Diskussion in der Versammlung keinen Einfluss nehmen konnte, ist gerade nicht sicher ausgeschlossen, dass sich dies auf die Beschlussergebnisse ausgewirkt hat, wofür die Darlegungs- und Beweislast bei den Beklagten liegt (T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 24, Rn. 11; LG München I, Urteil vom 02.12.2015 - 1 S 23414/14). Diese Vermutung wurde von den Beklagten hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 nicht erschüttert. Im Gegenteil: Auf den umfassenden Hinweis der Kammer vom 22.09.2019 wurde auf einer Wohnungseigentümerversammlung am 28.11.2019, an welcher der Ehemann der Beklagten teilnahm, gleichwohl der Beschluss über die Bestellung des Verwalters gemäß zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 bestätigt. Aufgrunddessen kann zwar nach Überzeugung der Kammer ausgeschlossen werden, dass sich die fehlende Möglichkeit der Teilnahme der Klägerin an der Versammlung vom 10.04.2017 auf das Ergebnis hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 3 über die Verwalterbestellung ausgewirkt hat (siehe unten). Allerdings wurde gerade kein bestätigender weiterer Beschluss entsprechend dem hier angefochtenen Beschluss zu TOP 1 gefasst, so dass die Vermutung insoweit gerade nicht erschüttert, sondern vielmehr bestätigt ist. Die schriftliche Aussage einige Wohnungseigentümer, sie hätten die Argumente der Klägerin hinlänglich gekannt und am 10.04.2017 auch bei deren Anwesenheit in gleicher Weise abgestimmt (Anlage B 11), betrifft ebenfalls nur die Beschlussfassung zu TOP 3 über die Verwalterbestellung und die dazu vorgebrachten Argumente der Klägerin, so dass offenbleiben kann, ob diese Erklärung alleine ausreichen würde.
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f) Soweit die Beklagten ernsthaft bestreiten, dass die Klägerin jüdischen Glaubens ist, war eine weitere Beweisaufnahme nicht veranlasst. Eine solche erscheint bereits nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen nicht geboten. Hat ein bestimmter Tag in einer Religion objektiv überprüfbar erhebliche Bedeutung, und gibt ein Wohnungseigentümer unter Berufung auf seinen religiösen Glauben an, dass er deshalb an diesem Tag nicht an einer Wohnungseigentümerversammlung teilnehmen kann, so streitet für diese Angabe im Lichte der sich aus Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ergebenden Wertungen die Vermutung der Richtigkeit, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel daran begründen, dass die Angaben des Wohnungseigentümers nicht der Wahrheit entsprechen. Solche Anhaltspunkte haben die Beklagten hier nicht vorgebracht. Vielmehr haben sie nach Auffassung des Gerichts ins Blaue hinein in Frage gestellt, dass die Klägerin jüdischen Glaubens ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Angabe der Klägerin nicht der Wahrheit entspräche, haben die Beklagten nicht vorgetragen. Weshalb die Differenzierung der Beklagten zwischen dem Sederabend einerseits und dem Pessachfest andererseits (woraus die Beklagten nach ihrer Angabe Zweifel am Glauben der Klägerin ableiten) in der Sache unzutreffend ist, hat das Gericht bereits ausgeführt. Da die Beklagten diese nicht unglaubhafte Angabe der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt haben, hätte es aus Sicht der Kammer schon deshalb keiner Beweisaufnahme bedurft. Gleichwohl ist die Frage, welchen religiösen Glauben ein Mensch hat, als innere Tatsache zwar dem Beweis zugänglich. Wie zu der in der Verwaltungsrechtsprechung häufig zu beurteilenden Frage der religiösen Identität kann das Gericht dies aufgrund des Vorbringens der Partei sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung der Partei beurteilen (BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40/15 -, NVwZ 2015, 1678-1680, Rn. 14 bei juris; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23/12 -, BVerwGE 146, 67-89 = NVwZ 2013, 936-943, Rn. 31 bei juris). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts unstreitig die Umstände und Wichtigkeit des Sederabends im Einzelnen dargelegt (vgl. Berufungsbegründung, Seite 4 = Bl. 170 d.A.). Auch in der Berufungshauptverhandlung hat die Klägerin hierzu - auch über das vom Gericht geführte zusammenfassende Protokoll hinaus - mündlich ausgeführt und dargelegt, dass der Sederabend bereits Teil des Pessachfestes sei. Die Angaben der Klägerin entsprechen dem Verständnis Gläubiger vom Ablauf des Pessachfestes, das nicht der formalistischen Auffassung der Beklagten entsprechen mag, welche Tage als offizieller Feiertag anerkannt seien, wohl aber der Art und Weise, wie Pessach von Gläubigen gefeiert wird. Dies ist, soweit nicht allgemein bekannt, doch allgemein nachprüfbar (vgl. etwa https://www.ikg-m.de, Stand: 20.02.2020). Auch deshalb hat die Kammer keine Zweifel an der Angabe der Klägerin. Eine über die Anhörung der Klägerin hinausgehende Beweiserhebung, insbesondere durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen, war deshalb nicht geboten.
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g) Zusammengefasst war der Beschluss zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 somit für ungültig zu erklären.
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2. Der Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 war auf die Berufung der Klägerin indes nicht für ungültig zu erklären.
26
a) Aus formellen Gründen ist der Beschluss nicht für ungültig zu erklären.
27
aa) Der formelle Fehler der Ladung zur Unzeit betrifft diesen Beschluss zwar ebenfalls. Allerdings ist ein Beschluss nicht alleine infolge eines formellen Fehlers für ungültig zu erklären, sondern nur, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser sich auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat. Dabei gilt eine Vermutung, dass sich ein formeller Fehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat. Für die entgegenstehende Behauptung, dass ausgeschlossen werden kann, dass sich ein formeller Fehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat, tragen die Beklagten, die sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses berufen, die Darlegungs- und Beweislast (T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 24, Rn. 11; LG München I, Urteil vom 02.12.2015 - 1 S 23414/14). Im vorliegenden Fall ist den Beklagten zur Überzeugung der Kammer dieser Beweis gelungen. Denn in der Eigentümerversammlung vom 28.11.2019 wurde der Beschluss vom 10.04.2017 zu TOP 3 über die erneute Bestellung des Hausverwalters bestätigt. Auch der Ehemann der Klägerin nahm an dieser Versammlung teil und hatte damit Gelegenheit, mit den aus Sicht der Klägerin gegen die Wiederbestellung des Verwalters sprechenden Argumente auf die Meinungsbildung einzuwirken. Gleichwohl wurde der Beschluss gefasst. Aufgrund dessen kann nach Auffassung der Kammer ausgeschlossen werden, dass sich der formelle Fehler auf den Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2019 ausgewirkt hat.
28
bb) Der Vortrag im Schriftsatz vom 12.12.2019, dass und mit welchem Inhalt dieser Beschluss gefasst wurde, konnte gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO zum einen berücksichtigt werden, weil der Beschluss der Eigentümerversammlung am 28.11.2019 erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Erstgerichts gefasst wurde (vgl. statt aller: MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, ZPO § 531 Rn. 25), zum anderen, weil die Existenz der Beschlussfassung - ungeachtet der zwischenzeitlich erhobenen Anfechtungsklage der Klägerin - unstreitig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23.6.2008 - GSZ 1/08, NJW 2008, 3434-3436).
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cc) Soweit die Klägerin gerügt hat, die Eigentümer der zwölf Tiefgaragenstellplätze seien nicht eingeladen worden, geht diese Rüge ins Leere, da sämtliche Eigentümer von Tiefgaragenstellplätzen auch Wohnungseigentümer sind und sämtliche Wohnungseigentümer geladen wurden. Dadurch, dass die Einladung nicht jeweils pro Einheit verschickt wurde, wurde also kein Eigentümer von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung ausgeschlossen.
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b) Der Beschluss widerspricht auch aus materiell-rechtlichen Gründen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
31
aa) Insoweit kann zunächst auf die sorgfältige und zutreffende Begründung des Amtsgerichts Bezug genommen werden. Das Amtsgericht hat sich unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung und zutreffender Darlegung der Sach- und Rechtslage eingehend mit den entscheidungserheblichen Argumenten der Klägerin auseinander gesetzt.
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bb) Der Beschluss ist nach Auffassung der Kammer hinreichend bestimmt.
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(1) Richtig ist zwar, dass ein Beschluss nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, wenn er hinreichend bestimmt ist. Da Sonderrechtsnachfolger gem. § 10 Abs. 4 WEG an einen Beschluss der Wohnungseigentümer gebunden sind, muss dessen Inhalt dem Beschluss selbst zu entnehmen sein (Merle, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 23, Rn. 54). Beschlüsse von Wohnungseigentümergemeinschaften sind daher wie im Grundbuch eingetragene Regelungen der Gemeinschaftsordnung „aus sich heraus“ objektiv und normativ auszulegen, so dass es auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten gerade nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 10.09.1998 - V ZB 11/98, NJW 1998, 3713, 3714; BGH, Urteil vom 15.01.2010 - V ZR 72/09, NJW 2010, 3093, 3093 f.; LG München I, Urteil vom 23.06.2014 - 1 S 13821/13 WEG, ZMR 2014, 920; LG München I, Urteil vom 06.10.2014 - 1 S 21342/13, ZMR 2015, 147). Zur Konkretisierung der getroffenen Regelung kann in einem Beschluss aber auch auf ein außerhalb des Protokolls befindliches Dokument Bezug genommen werden, wenn dieses zweifelsfrei bestimmt ist (BGH, Urteil v. 08.04.2016 - V ZR 104/15, Grundeigentum 2016, 921).
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(2) Insoweit gilt es zunächst zwischen der Verwalterbestellung und dem Verwaltervertrag zu unterscheiden. Nach der heute herrschenden Trennungstheorie ist die Bestellung eines Verwalters vom Verwaltervertrag weitgehend unberührt; nur dessen wesentliche Eckpunkte müssen in der Versammlung, in der die Bestellung erfolgt, grundsätzlich in wesentlichen Umrissen - Laufzeit und Vergütung - geregelt werden (BGH, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 114/14 -, NJW 2015, 1378; Staudinger/Jacoby (2018) WEG § 26, Rn. 142). Dem ist hier Genüge getan.
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(3) Im Hinblick auf die Verwaltergebühr ist der Beschluss entgegen der Auffassung der Klägerin auch hinreichend bestimmt. Der Wortlaut kann nach dem Dafürhalten der Kammer bei unbefangener Betrachtung nur so verstanden werden, dass die darin genannte Verwaltergebühr von 725,00 € pro Monat zzgl. MwSt. die Verwaltung der gesamten WEG betrifft, und nicht pro Einheit gemeint ist. Dies ergibt sich insbesondere in Zusammenschau mit dem Verwaltervertrag. Darin werden unter Ziffer II. 1. der Umfang der regulären Verwaltertätigkeit und in Ziffer II. 2. besondere Verwalterleistungen definiert. Für diese sind teilweise konkrete Vergütungen bezeichnet; am Ende der Ziffer II. 2. heißt es im Übrigen: „Für alle besondere, nicht regulären Verwalterleistungen gilt eine Vergütung von derzeit € 85,- zzgl. MwSt. pro Stunde, also derzeit brutto € 101,15 als vereinbart“. Demgegenüber heißt es in Ziffer 3. „Verwaltergebühr: „Für die vorbeschriebene reguläre Verwaltertätigkeit erhält der Verwalter eine Vergütung von derzeit insgesamt monatlich € 725 zzgl. MwSt.“. Damit genügt der Beschluss in Verbindung mit dem Bezug genommenen Verwaltervertrag den Anforderungen der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Unter dem Gesichtspunkt der ordnungsmäßigen Verwaltung erfordert eine in Teilentgelte aufgespaltene Vergütungsregelung danach eine klare und transparente Abgrenzung derjenigen - gesetzlich geschuldeten oder im Einzelfall vereinbarten - Aufgaben, die von einer vorgesehenen Grundvergütung erfasst sein sollen, von denen, die gesondert zu vergüten sind (BGH, Versäumnisurteil vom 05. Juli 2019 - V ZR 278/17 -, Rn. 35 bei juris mit Verweis auf BeckOGK/Greiner [1.8.2019], § 26 WEG Rn. 231 f.; Hügel/Elzer, in: dies., WEG, 2. Aufl., § 26 Rn. 145; Staudinger/Jacoby, BGB [2018], § 26 WEG Rn. 169; Jacoby/Lehmann-Richter/Weiler, ZMR 2018, 181, 184 f.). Ferner muss bei den Aufgaben, die in jeder Wohnungseigentümergemeinschaft laufend anfallen, der tatsächliche Gesamtumfang der Vergütung erkennbar sein (BGH, a.a.O.). Die in der Rechtsprechung - auch vom Landgericht München I (Beschluss vom 08. März 2012 - 36 T 26007/11 - ZMR 2012, 578, 579) - und Literatur bisher weithin vertretene Auffassung, der Verwalter könne keine Sondervergütung für solche Tätigkeiten vereinbaren, die im Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse liegen, ist durch diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überholt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 05. Juli 2019 - V ZR 278/17 -, Rn. 32 bei juris). Im Verwaltervertrag werden sog. „reguläre“ (Ziffer I.) und „nicht reguläre“ (Ziffer II.) Verwalterleistungen klar voneinander abgetrennt und eine Pauschale von 725,- € zzgl. MwSt. für erstere, sowie konkrete Pauschalen bzw. Stundensätze für letztere vereinbart. Der tatsächliche Gesamtumfang der Vergütung ist damit hinreichend erkennbar.
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(4) Soweit in § 8 der Teilungserklärung geregelt ist, wie die Verwaltervergütung innerhalb der WEG zu verteilen ist, ergibt sich daraus nichts anderes, da dies die Verteilung innerhalb der WEG betrifft. Dies hat auf die Bestimmtheit des Beschlusses über die Höhe der Verwaltervergütung keinen Einfluss.
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cc) Soweit die Klägerin geltend macht, die Vergütung des Verwalters überschreite die Wuchergrenze, wurde dieser Einwand erstinstanzlich erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist gem. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG vorgebracht. Die insoweit geltenden Grundsätze (BGH, Versäumnisurteil vom 05. Juli 2019 - V ZR 278/17 -, Leitsatz Ziffer 2. b) und Rn. 30 bei juris) hatte das Gericht daher nicht zu prüfen.
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dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich vorliegend nicht um eine Neubestellung nach Abberufung bzw. Beendigung des Verwaltervertrages, sondern um eine Weiterbestellung der bestehenden Verwaltung. Denn der Vergleich vom 04.12.2014, auf den die Klägerin sich beruft, sah die Möglichkeit der Neubestellung ab 01.08.2015 vor, wenn das Verwalterverhältnis vorher einvernehmlich beendet wird. Dies war aber nicht der Fall, da in der Eigentümerversammlung vom 11.06.2015 auch die Klägerin zu TOP 2 gegen eine vorzeitige Beendigung des Verwalterverhältnisses bei Abgeltung sämtlicher gegenseitiger Ansprüche gestimmt hatte (vgl. Anlage B 3). Somit lief das Verwalterverhältnis weiter und die Versammlung am 10.04.2017 betraf die Wiederbestellung des aktuellen Verwalters. Hierfür ist die Einholung neuer Angebote nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich gerade nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 01. April 2011 - V ZR 96/10 -, WuM 2011, 387). Etwas anderes gilt nur, wenn sich der Beurteilungssachverhalt verändert hat. Eine solche Veränderung läge etwa vor, wenn die Verwaltung ihrer Aufgabe nicht mehr so effizient gerecht wird, wie dies bisher der Fall war, wenn sich das Verhältnis zwischen Verwaltung und Wohnungseigentümern aus anderen Gründen verschlechtert hat oder wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die von der bisherigen Verwaltung angebotenen Leistungen von anderen Verwaltungsfirmen spürbar günstiger angeboten werden (BGH, Urteil vom 01. April 2011 - V ZR 96/10 -, WuM 2011, 387, Rn. 13 bei juris; OLG München, Beschluss vom 07. September 2007 - 32 Wx 109/07 -, WuM 2007, 589). Für die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Wohnungseigentümern kommt es nicht alleine auf das Verhältnis zwischen der Verwaltung und einem einzelnen Eigentümer an; es ist insoweit auf die Gesamtheit der Eigentümer abzustellen. Im Hinblick auf diese bestehen gerade keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung des Verhältnisses zur Verwaltung. Dafür, dass andere Verwaltungsfirmen die bisher von der Verwaltung angebotenen Leistungen spürbar günstiger anbieten würden, ist der Vortrag der Klägerin nicht hinreichend substantiiert, auch im Hinblick darauf, dass die als Anlage B 5 vorgelegte Übersicht über die Grundvergütungen anderer Hausverwaltungen mit Ausnahme einer einzigen Hausverwaltung Grundvergütungen in ähnlicher Größenordnung belegen.
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ee) Ein wichtiger Grund, der gegen die Bestellung des bisherigen Verwalters spricht, ergibt sich aus dem klägerischen Sachvortrag nicht. Richtig ist, dass ein Beschluss über die Bestellung eines Verwalters nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, wenn ein wichtiger Grund gegen die Bestellung spricht (BGH, Urteil vom 22. Juni 2012 - V ZR 190/11 -, MDR 2012, 955, Rn. 7 bei juris, mit Verweis auf BayObLG, WE 1990, 68; OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 315, 317; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 26 Rn. 40; Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 26 Rn. 63). Wann ein solcher wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich in Anlehnung an § 26 Abs. 1 Satz 3 WEG nach den für die Abberufung des Verwalters geltenden Grundsätzen (BGH a.a.O. mit Verweis auf OLG Stuttgart a.a.O.; Hügel in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 26 WEG Rn. 9). Jedoch haben die Eigentümer dabei einen erheblichen Beurteilungsspielraum; selbst wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der zur sofortigen Abberufung eines Verwalters nach § 26 Abs. 1 S. 3 WEG berechtigen würde, so bedeutet das nicht, dass die Wohnungseigentümer hierzu automatisch verpflichtet wären, bzw. im Falle der Bestellung, dass sie den Verwalter von vorneherein nicht bestellen dürften. Die Bestellung eines Verwalters widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung vielmehr erst, wenn die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum überschreiten, das heißt, wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2012 - V ZR 190/11 -, MDR 2012, 955, Rn. 8 bei juris). Diese Grenze, die das Amtsgericht bereits zugrunde gelegt hat, ist hier nach Auffassung der Kammer nicht überschritten. Zu den Einzelheiten, in welchen Fällen diese Grenze überschritten sein kann, erlaubt sich die Kammer insoweit auf die sehr detaillierten Ausführungen des Amtsgerichts zu verweisen. Das Amtsgericht hat zudem in seinem Urteil im Einzelnen dargelegt, welche Mängel die Klägerin im Hinblick auf welche Abrechnung gerügt hat, und weshalb diese nicht dazu führen, dass der Beurteilungsspielraum der Wohnungseigentümer durch Wiederbestellung des Verwalters überschritten worden wäre. Auch auf diese Ausführungen, die in jeder Hinsicht zutreffend sind, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Insbesondere ist im Zusammenhang mit Jahresabrechnungen zu berücksichtigen, dass die Erstellung einer Jahresabrechnung in der Praxis auch bei erfahrenen Verwaltern häufig zu Schwierigkeiten führt und auch in Rechtsprechung und Literatur einem Wandel unterliegt. Nicht nur dies hat das Amtsgericht bereits zutreffend dargelegt, sondern auch, dass die Jahresabrechnungen 2013 und 2014 zunächst auf Klage der Klägerin vom Amtsgericht München noch nicht für ungültig erklärt worden waren, sondern erst vom Landgericht München I. Schon deshalb kann von besonders gravierenden, schlechthin „unentschuldbaren“ Fehlern hierbei nicht ausgegangen werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, der Verwalter habe „trotz ungültiger Vereinbarung im Verwaltervertrag einen Betrag in Höhe von € 2.490,79 wegen Abhaltung einer Eigentümerversammlung mit Rechnung vom 16.12.2015 vom Gemeinschaftskonto ohne Beschlussfassung entnommen“, ist der Vortrag innerhalb der Klagebegründungsfrist (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) zum einen bereits unschlüssig, zum anderen vermag eine irrtümliche Abbuchung unter Berufung auf eine ungültige Klausel in einem Verwaltervertrag für sich genommen nicht so schwer zu wiegen, dass die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum bei der Wiederbestellung überschritten hätten.
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ff) Soweit die Berufung darüber hinaus darauf gestützt wird, dass die Parteien am 04.12.2014 vor dem Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 483 C 13227/14 WEG einen Vergleich dahingehend abgeschlossen hätten, wonach die Hausverwaltung beendet werden und eine neue Hausverwaltung ab 01.08.2015 mit einem neuen Verwaltervertrag bestellt werden solle, widerspricht die Beschlussfassung vor dem Hintergrund des tatsächlichen Wortlauts des Vergleichs nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Darin heißt es unter Ziffer 1, dass die Parteien „versuchen“, mit der Hausverwaltung eine Vereinbarung zu erreichen, wonach die Hausverwaltung bis zum 31. Juli 2015 einvernehmlich ihre Tätigkeit beenden solle. In Ziffer 2 heißt es, dass bis zum vorgenannten Zeitpunkt eine Eigentümerversammlung stattfinden „soll“, bei der auf der Tagesordnung unter anderem die Neubestellung einer Hausverwaltung ab 1. August 2015 sowie der Abschluss eines neuen Verwaltervertrages stehen. Dieser Vergleichswortlaut zeigt zum einen bereits, dass die Möglichkeit der Neuwahl eines Verwalters - notwendigerweise - unter dem Vorbehalt stand, dass der bisherige Verwalter das bestehende Verwalterverhältnis freiwillig zum 31.07.2015 beendet. Wie dargelegt, hat schließlich die Klägerin selbst gegen die vorzeitige Beendigung des Verwaltervertrages gestimmt. Zum anderen schließt der Vergleich, auch wenn er den Wortlaut „Neubestellung einer Hausverwaltung“ und „Abschluss eines neuen Verwaltervertrages“ trägt, nicht aus, dass sich der bisherige Verwalter erneut zur Wahl stellen und die Eigentümer sich erneut für ihn entscheiden würden. Letztlich steht diese Entscheidung im Ermessen der Eigentümer als Ausfluss ihres Selbstorganisationsrechts gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 3 WEG. Eine Bindung dahingehend, dass sich die dortigen Beklagten verpflichtet hätten, den bisherigen Verwalter nicht erneut zu bestellen, enthält der Vergleich nicht. Für den Verwalter selbst begründete der Vergleich, wie das Amtsgericht festgestellt hat, keine unmittelbaren Pflichten.
41
c) Der Beschluss zu TOP 3 war daher auf Anfechtung der Klägerin nicht für ungültig zu erklären.
42
3. Nach dem Dafürhalten der Kammer war die Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits im Hinblick auf die Anfechtung des Beschlusses vom 28.11.2019, durch welchen der hier angefochtene Beschluss zu TOP 3 vom 10.04.2017 bestätigt wurde, gemäß § 148 Abs. 1 ZPO nicht geboten. Zwar stellt eine bestätigende Zweitbeschlussfassung ein vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinne des § 148 Abs. 1 ZPO dar (LG München I, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - 36 T 25478/13 -, ZWE 2014, 339, Rn. 10 f. bei juris). Allerdings handelt es sich dabei um eine Ermessensvorschrift. Ausgesetzt wird ein Verfahren danach, wenn das Gericht die Aussetzung für verfahrensökonomisch hält, was bei Vorgreiflichkeit des anderen Verfahrens in der Regel der Fall ist. Im vorliegenden Fall sieht die Kammer von einer Aussetzung unter diesem Gesichtspunkt ab. Aufgrund der Dauer des vorliegenden Verfahrens (derzeit ca. 2 Jahre 9 Monate seit Klageerhebung), aufgrund des Streitgegenstands, das noch einen weiteren Beschluss umfasst, aufgrund der Einscheidungsreife des vorliegenden Rechtsstreits und der Tatsache, dass der bestätigende Zweitbeschluss nur knapp drei Wochen vor der Berufungshauptverhandlung im vorliegenden Verfahren gefasst wurde und der Kammer noch nicht einmal die genaueren Umstände der neuen Beschlussfassung und die Begründung der Anfechtungsklage bekannt sind, hält die Berufungskammer vorliegend die Sachentscheidung des vorliegenden Rechtsstreits für verfahrensökonomischer als die Aussetzung gemäß § 148 Abs. 1 ZPO.
43
4. Soweit der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 04.02.2020 neuen Sachvortrag enthält, war dieser bei der Entscheidung nicht mehr zu berücksichtigen, da die Ausführungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgten. Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 31.01.2020 enthält keinen neuen Sachverhalt, der die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, insbesondere nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO, erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen erging der wesentliche umfassende Hinweis der Kammer am 22.09.2019 und damit knapp drei Monate vor der mündlichen Verhandlung, so dass ausreichend Zeit war, hierzu Stellung zu nehmen.
44
5. Die Berufung war daher hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 erfolgreich, dieser war nach Auffassung der Kammer aufgrund der Anfechtung durch die Klägerin für ungültig zu erklären. Im Übrigen, also hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 3, war die Berufung zurückzuweisen.
III.
45
1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
46
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit unterbleibt auch dann nicht, wenn die Revision nicht zuzulassen ist (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 39. Auflage 2018, § 708 Rn. 11).
47
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung.
IV.
48
Der Streitwert wurde entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung durch das Amtsgericht gem. § 49a Abs. 1 GKG festgesetzt.