Titel:
Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines Asylbewerbers aus Sierra Leone
Normenketten:
AsylG § 78 Abs. 3
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5
Leitsätze:
1. Ob die Abschiebung eines Mannes, bei dem anhaltende körperliche und psychische Beschwerden vorliegen, nach Sierra Leone gegen Art. 3 EMRK verstößt und sich damit nach § 60 Abs. 5 AufenthG als unzulässig erweist, lässt sich nicht verallgemeinernd, sondern nur unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls feststellen (vgl. VGH München BeckRS 2019, 7344). (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Für die Annahme, dass ein Asylbewerber aus Sierra Leone nicht in der Lage ist, im Falle der Rückkehr in sein Heimatland sein Existenzminimum zu erwirtschaften, genügt der bloße Hinweis auf einen Bericht aus dem Jahr 2018 zur Verarmung in Sierra Leone nicht (vgl. VGH München BeckRS 2019, 32508). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Asylrecht (Sierra Leone), sierra-leonischer Asylbewerber, asylrechtlichen Streitigkeit, Berufungszulassung, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Sierra Leone, Verarmung, wirtschaftliche Situation, Existenzminimum, Erkrankung, Arbeitsfähigkeit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 15.11.2019 – RN 14 K 18.30950
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1163
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2
Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
3
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 - 9 ZB 19.30489 - juris Rn. 3 m.w.N.). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
4
Die Frage, ob "die Abschiebung eines Mannes, bei dem anhaltende körperliche und psychische Beschwerden vorliegen, nach Sierra Leone wegen Verletzung des Art. 3 EMRK nach § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig" ist, ist bereits nicht verallgemeinernd zu beantworten, sondern bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2019 - 8 ZB 18.33333 - juris Rn. 9 m.w.N.).
5
Das Verwaltungsgericht hat im Fall des Klägers unter Würdigung der schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone ausgeführt, dass der Kläger in der Lage sein wird, sein Existenzminimum für die Familie zu erwirtschaften, selbst wenn er keine Unterstützung durch die nach eigenen Angaben noch vorhandene Großfamilie erhalten könnte und auf sich allein gestellt sein sollte. Es hat dabei darauf abgestellt, dass der Kläger sieben Jahre lang zur Schule gegangen sei und zuletzt Süßigkeiten und Schokolade verkauft habe. Es sei deshalb zu vermuten, dass er im Fall der Rückkehr in sein Heimatland Gelegenheitsjobs nachgehen könne, um seine Existenz sicherzustellen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Kläger wegen Erkrankung nicht arbeitsfähig sei. Das vorgelegte ärztliche Attest vom 14. November 2019 sei in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit nicht aussagekräftig.
6
Dem tritt das Zulassungsvorbringen zudem nicht substantiiert entgegen. Der bloße Hinweis auf einen Bericht der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2018 zur Verarmung in Sierra Leone, der die Schwierigkeiten der Existenzsicherung in Sierra Leone aufzeigt, wie sie auch vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegt wurden, genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2019 - 9 ZB 19.33983 - juris Rn. 4).
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
8
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).