Inhalt

VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 09.01.2020 – RO 5 K 18.776
Titel:

Erfolglose Klage gegen erweiterte Gewerbeuntersagung

Normenkette:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, Abs. 5
Leitsätze:
1. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann sich aus einer lang andauernden, wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit ergeben, auf die größere Steuerrückstände hindeuten. Beträge unter 5.000,00 € genügen hierfür regelmäßig nicht. (Rn. 52 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, ist für die gewerberechtliche Bewertung irrelevant. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Gewerbeuntersagungsverfahren obliegt es dem Gewerbetreibenden, hinreichend substantiierte Angaben zu machen, die eine Prüfung ermöglichen, ob ein erfolgsversprechendes Sanierungskonzept vorliegt. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch die Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten oder die Eintragung im Schuldnerverzeichnis rechtfertigen die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit. (Rn. 64 und 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Steuerschulden, Sanierungskonzept
Fundstellen:
ZInsO 2020, 245
ZVI 2020, 130
BeckRS 2020, 115
LSK 2020, 115

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine gegen ihn ergangene erweiterte Gewerbeuntersagung.
2
Am 10.12.2008 meldete der Kläger bei dem Markt … sein Gewerbe „Verfugung von Fliesen und Natursteinen, Verkauf von Fliesen und Natursteinen“ um, da er seine Tätigkeit um die „Verlegung von Fliesen, Platten und Mosaik und Natursteinen“ sowie den „Verkauf von Kfz-Zubehör (Neuware)“ erweiterte und den „Verkauf von Sportgeräten“ neu ausübte.
3
Für den Veranlagungszeitraum 2010 reichte der Kläger am 08.02.2012 eine Steuererklärung ein, in der er 20.799,00 EUR Einnahmen aus Gewerbebetrieb nicht erklärte. Das Finanzamt folgte diesen Falschangaben und stellte den verbleibenden Verlustabzug betreffend der verbleibenden negativen Einkünfte mit 6.289,99 EUR fest; der Kläger verkürzte Steuern in Höhe von 1.281,00 EUR. Für die Veranlagungszeiträume 2008, 2009, 2011 und 2012 unterließ es der Kläger, Einkommenssteuererklärungen beim Finanzamt Regensburg einzureichen; für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013 unterließ es der Kläger, bis jeweils zum 31.12. des Folgejahres Umsatzsteuererklärungen einzureichen und erreichte damit, dass Einkommens- und Umsatzsteuern nicht festgesetzt wurden.
4
Mit Verfügung vom 17.12.2015 stellte das Amtsgericht Regensburg mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB gegen den Kläger nach § 153a StPO gegen Zahlung von 7.500,00 EUR ein.
5
Mit Schreiben vom 29.01.2016 regte das Finanzamt Regensburg gegenüber dem Landratsamt Regensburg die erweiterte Gewerbeuntersagung sowie deren sofortige Vollziehung an. Der Kläger schulde 90.256,93 EUR an Abgaben, auch sei die Vollstreckung im Wesentlichen erfolglos verlaufen; Forderungspfändungen hätten nicht zum Erfolg geführt, die letzte freiwillige Zahlung sei am 04.01.2016 in Höhe von 1.483,13 EUR erfolgt. Der Vollstreckungsschuldner sei seinen sonstigen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachgekommen; die Einkommens- und die Umsatzsteuererklärungen für 2013 und für 2014 seien nicht beim Finanzamt Regensburg eingereicht worden.
6
Das Amtsgericht Regensburg - Vollstreckungsgericht - teilte am 05.02.2016 mit, dass der Kläger die eidesstattliche Versicherungen am 18.04.2013 abgegeben habe. Nach einer Mitteilung vom 11.10.2016 gebe es keinen Eintrag im Schuldnerverzeichnis innerhalb der letzten 3 Jahre.
7
Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) teilte am 25.02.2016 mit, dass der Beitragsrückstand des Klägers 319,68 EUR betrage.
8
Laut Mitteilung vom 12.02.2016 sei bei der Handwerkskammer Niederbayern - Oberpfalz ein Betrag von 1.336,90 € offen. Mit Schreiben vom 07.10.2016 teilte sie ferner mit, dass der Kläger seit dem 01.11.1995 mit dem Fliesen-, Platten- und Mosaiklege-Handwerk sowie als Fuger (im Hochbau) in das Verzeichnis der zulassungsfreien/handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sei.
9
Der Markt … gab mit Schreiben vom 11.10.2016 an, dass eine gewerbliche Unzuverlässigkeit des Klägers dem Markt nicht bekannt sei, der Rückstand der Gewerbesteuerzahlungen für den Zeitraum 2009 bis 2016 betrage 8.875,85 EUR.
10
Das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung der Oberpfalz teilte mit Schreiben vom 11.10.2016 mit, dass der Betrieb des Klägers nicht in der Datenbank der Regierung der Oberpfalz geführt werde und es somit keine Angaben über die Zuverlässigkeit oder die Zahlungsrückstände machen könne.
11
Die AOK Regensburg teilte mit Schreiben vom 13.10.2016 mit, dass der Kläger die laufenden Sozialversicherungsbeiträge für seinen einen gemeldeten Arbeitnehmer regelmäßig per Lastschriftverfahren bezahle, mit Bescheid vom 14.09.2016 habe allerdings die Deutsche Rentenversicherung Bund mitgeteilt, dass bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durchgeführt worden sei, bei der eine Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen festgestellt worden sei.
12
Mit Schreiben vom 07.06.2017 teilte das Amtsgericht Regensburg - Insolvenzgericht mit, dass derzeit kein Insolvenzverfahren anhängig sei, in den vergangenen 5 Jahren sei auch keine Abweisung eines Antrages mangels Masse gemäß § 26 Abs. 2 InsO erfolgt.
13
Am 30.06.2017 enthielt das Führungszeugnis des Klägers keine Eintragung, genauso verhielt es sich mit dem Gewerbezentralregister zum selben Tag.
14
Die IHK Regensburg teilte am 08.06.2017 mit, dass der Kläger gemischt gewerblich tätig sei, aufgrund seiner Mitgliedschaft bei IHK und Handwerkskammer bestehe bei ihr keine Beitragspflicht.
15
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 05.07.2017, dem Kläger laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 07.07.2017, wurde der Kläger zu der beabsichtigten Gewerbeuntersagung angehört. Frist zur Stellungnahme wurde ihm bis 24.06.2017 gesetzt. Mit Schreiben vom 06.07.2017 wurde der IHK Regensburg sowie der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz Gelegenheit zur Äußerung gem. § 35 Abs. 4 GewO gegeben.
16
Zum 12.10.2017 fand sich im Schuldnerverzeichnis eine Eintragung des Klägers vom 22.05.2017 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft. Vollstreckungsbehörde war das Finanzamt Regensburg.
17
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 12.10.2017 wurde der Kläger unter Fristsetzung bis 27.10.2017 erneut zum Gewerbeuntersagungsverfahren angehört. Das Schreiben wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 14.10.2017 zugestellt.
18
Mit Schreiben vom 26.10.2017 teilte der Klägervertreter mit, dass dem Kläger nur das Aufforderungsschreiben vom 12.10.2017 vorliege, das Schreiben vom 05.07.2017 sei ihm nicht zugestellt worden. Ferner trug er vor, dass der Kläger seine Steuerschulden bei dem Finanzamt Regensburg seit Mai 2017 abtrage, er habe insgesamt 5.000,00 EUR zurückgeführt.
19
Mit Schreiben vom 24.11.2017 teilte der Klägervertreter mit, dass das Finanzamt völlig zu Unrecht vom Kläger 149.966,66 EUR verlange. Das Finanzamt gehe dabei von völlig falsch angenommenen Schätzungen und Grundlagen aus. Die zugrundeliegenden Bescheide seien nicht bestandskräftig und bedürften einer starken Korrektur nach unten. Der Kläger habe Rechtsmittel einlegen lassen. Die angebliche Steuerschuld von rund 150.000,00 EUR mache tatsächlich realistisch 30.000,00 EUR aus. Der Kläger sei auch bereit, seine monatlichen Zahlungen auf die Steuerschulden aufzustocken. Er werde insgesamt 15.000,00 EUR auf die Steuerschuld an das Finanzamt ab Dezember 2017 bezahlen, indem er in der 1. Monatshälfte 750,00 EUR und der 2. Monatshälfte weitere 750,00 EUR an den Vollziehungsbeamten das Finanzamtes ausbezahlen werde. Die angebliche Beitragsschuld an die Berufsgenossenschaft sei ebenso nicht bestandskräftig. Der Klägervertreter führe derzeit einen Sozialgerichtsprozess gegen die Deutsche Rentenversicherung. Er habe im Rahmen dessen eine Stundung der Beiträge mit den anderen Sozialversicherungsträgern und Krankenkassen vereinbart. An die Realsteuerstelle zahle der Kläger seit ca. einem Jahr monatlich 300,00 EUR. Die Forderung der SOKA-Bau sei falsch und unzutreffend, weil der Betrieb des Klägers nicht SOKApflichtig sei. Hiergegen liefen zwei Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden. Auch habe der Kläger einen Erstattungsanspruch gegen die es SOKA.
20
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 04.12.2017 wurde der Kläger aufgefordert, ein tabellarisches Sanierungskonzept vorzulegen.
21
Mit Schreiben vom 06.12.2017 teilte die Realsteuerstelle Regensburg mit, dass die derzeitigen Gewerberückstände des Klägers 6.100,35 EUR betrügen. Die Rückstände beträfen die Jahre 2011 bis Vorauszahlung 2017. Die Gewerbesteuer 2010 bis 2011 sei aufgrund einer Außenprüfung festgesetzt worden, die Gewerbesteuer 2012 bis 2014 aufgrund von Schätzungen. Der Schuldner leiste Ratenzahlungen von monatlich 300,00 EUR.
22
Das Finanzamt Regensburg teilt mit Schreiben vom 18.12.2017 mit, dass die Rückstände des Klägers 160.339,61 EUR betrügen. Die letzte freiwillige Zahlung sei am 04.01.2016 in Höhe von 1483,13 EUR erfolgt. Die Umsatzsteuervoranmeldungen würden seit dem 2. Quartal 2016 weder eingereicht noch bezahlt. Die Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen seien seit dem Jahr 2013 nicht mehr eingereicht worden. Daher seien diese Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden. In 2017 seien 7050,00 EUR bezahlt worden. Alle Zahlungen seien nur an den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes Regensburg geleistet worden, keine einzige freiwillig. Da weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Gewinnermittlungen und Steuererklärungen eingereicht würden, sei nicht damit zu rechnen, dass die Rückstände nach unten korrigiert würden und schon gar nicht in dem von dem Klägervertreter behaupteten Bereich (30.000,00 EUR). Es ist sei nach wie vor von Rückständen in Höhe von 160.339,61 EUR auszugehen. Mit dem Vorschlag einer Zahlung von 15.000,00 EUR das Finanzamt Regensburg nicht einverstanden weil dies angesichts der Rückstände und der neu anfallenden laufenden Steuern viel zu wenig sei. Die Anregung vom 29.01.2016 werde daher aufrechterhalten.
23
Mit Schreiben vom 20.03.2018 gab die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft an, dass der Rückstand mittlerweile 3.751,03 EUR betrage. Zum 23.04.2018 komme ein Bußgeldbescheid in Höhe von 178,50 EUR hinzu, da der Kläger den Lohnnachweis für 2017 nicht eingereicht habe.
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Auf telefonische Nachfrage des Landratsamtes Regensburg erklärte das Finanzamt Regensburg, dass der Rückstand zum 21.03.2018 164.718,78 EUR betragen habe.
25
Laut Auskunft der Realsteuerstelle Regensburg am 21.03.2018 betrugen die Rückstände des Klägers 3.133,35 EUR zuzüglich der Vorauszahlung 2/2018 in Höhe von 275,00 EUR.
26
Bei der SOKA-Bau bestand laut Schreiben vom 23.03.2018 zum 30.09.2017 eine Forderung von 37.224,48 EUR. Hinzu kämen die bereits fälligen, jedoch bisher noch nicht gemeldeten Beiträge für die Monate Oktober bis Februar 2018. Zahlungen würden nicht geleistet. Laut telefonischer Auskunft vom 12.04.2018 sei im Rahmen des Prozesses vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden im Gütetermin am 04.04.2018 keine Einigung erzielt worden, der Untersagungsgegner bestreite weiter sämtliche Forderungen. Es sei zwar ein weiterer Gütetermin für Mai 2018 anberaumt worden, es sei jedoch davon auszugehen, dass hier keine Einigung erzielt werden könne, sondern eine Kammerverhandlung stattfinden werde.
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Mit Bescheid vom 16.04.2018, dem Klägervertreter laut Empfangsbekenntnis zugegangen am 23.04.2018, wurde dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Verfugung von Fliesen und Natursteinen; Verkauf von Fliesen und Natursteinen; Verlegung von Fliesen, Platten und Mosaik und Natursteinen; Verkauf von Kfz Zubehör (Neuware); Verkauf von Sportgeräten“ im Geltungsbereich der Gewerbeordnung ab sofort untersagt (Ziffer 1); zudem die Ausübung jeder sonstigen selbstständigen Tätigkeit sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person im Geltungsbereich der Gewerbeordnung ab sofort (Ziffer 2); die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides angeordnet (Ziffer 3). Ziffer 4 ordnete an: Falls der Antragsteller den Betrieb des unter Ziffer 1 untersagten Gewerbes nicht bis spätestens 18.05.2018 einstelle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR zur Zahlung fällig. Ziffer 5 ordnete an: Falls der Antragsteller den Anordnungen in Ziffer 2 dieses Bescheides - auch teilweise - zuwiderhandle, werde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR fällig. Die Verfahrenskosten wurden dem Kläger auferlegt (Ziffer 6) sowie Gebühren in Höhe von 500,00 EUR festgelegt; die Auslagen betrugen 3,45 EUR (Ziffer 7).
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Zur Begründung stützt sich das Landratsamt Regensburg im Wesentlichen auf die Steuerrückstände in Höhe von 164.718,78 € zum 21.03.2018 sowie Rückstände gegenüber der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft zum 20.03.2018 in Höhe von 3.751,03 € sowie gegenüber der Realsteuerstelle Regensburg zum 21.03.2018 in Höhe von 3.408,35 €. Außerdem führt es an, dass ein Strafverfahren gegen den Kläger wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen Geldauflage gem. § 153a StPO eingestellt worden sei. Der Kläger sei unzuverlässig, weil er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür biete, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben werde. Er sei wirtschaftlich unzuverlässig, und habe seine steuerlichen Pflichten verletzt. Seit 2013 habe der Kläger keine Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen mehr eingereicht, Lohnsteueranmeldungen würden zwar monatlich eingereicht, aber seit Oktober 2015 nicht länger bezahlt. Die letzte freiwillige Zahlung an das Finanzamt Regensburg sei am 04.01.2016 erfolgt, Leistungen von 7050,00 € seien an Vollziehungsbeamte erfolgt. Auf die Gewerbesteuer würden monatlich 300,00 € geleistet, trotzdem bestünden hier zuletzt immer noch Verbindlichkeiten von 3.408,35 €. Trotz Annahme einer tatsächlichen Steuerschuld von 30.000,00 € sei der Kläger ausweichlich eines Faxes vom 24.11.2017 nur bereit gewesen, insgesamt 15.000,00 € zu zahlen. Er bemühe sich daher gerade nicht um eine nachhaltige und vollständige Rückführung seiner Rückstände gegenüber dem Finanzamt. Ferner befände er sich mit seinen Sozialversicherungspflichten in Rückstand. Das Hauptzollamt Regensburg habe gegen ihn wegen Verstößen gegen § 266a StGB ermittelt. Auch sei eine Eintragung wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft aufgrund Anordnung vom 22.05.2017 in das gemeinsame Vollstreckungsportal der Länder eingetragen worden.
29
Die Untersagung sei zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, da davon auszugehen sei, dass der Kläger bei weiterer selbständiger Betätigung insbesondere das Vermögen der öffentlichen Hand und der Sozialversicherungsträger in erheblichem Maß schädigen werde. Insbesondere würden - mit Ausnahme gegenüber dem Markt … - die Verbindlichkeiten nicht freiwillig und planvoll rückgeführt oder ein entsprechendes Konzept unterbreitet. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Die Untersagung sei zu erweitern, da die Tatsachen, die seine Unzuverlässigkeit begründeten, sich nicht auf das bisher ausgeübte Gewerbe beschränkten.
30
Im Übrigen wird auf die weiteren Gründe des Bescheides Bezug genommen.
31
Mit Schriftsatz vom 22.05.2018, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Kläger Klage gegen den Bescheid erheben lassen. Er beantragt:
I. Der Bescheid des Beklagten vom 16. April 2018 wird aufgehoben.
II. Die sofort vollziehbare Anordnung der Ziffer 1) und 2) des Bescheides des Beklagten vom 16. April 2018 werden aufgehoben.
III. Die Kosten des Rechtstreites hat der Kläger zu tragen.
32
Zur Begründung lässt er im Wesentlichen ausführen, dass der Bescheid in eklatanter Weise gegen das Übermaßverbot verstoße, ein unzulässiges Berufsverbot sei und sich gegen den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers richte. Er zerstöre den seit 1.11.1995 gut florierenden Gewerbebetrieb des Klägers, vernichte seine Existenz und mache die beiden Arbeitnehmer des Klägers auf einen Schlag arbeitslos.
33
Die Steuerrückstände beruhten zum überwiegenden und größten Teil auf Steuerschätzungen und bedürften einer deutlichen Korrektur nach unten, auch habe der Kläger Rechtsmittel einlegen lassen, allerdings habe die Steuerberaterin deren Begründung sowie eine Einlegung einer Klage versäumt, sodass die Bescheide rechtskräftig geworden seien. Bis August 2017 seien sämtliche Steuerunterlagen von der Staatsanwaltschaft Regensburg sichergestellt gewesen. Der Kläger zahle regelmäßig auf seine Steuerrückstände Abschlagszahlungen, im Jahre 2017 insgesamt 7050,00 EUR. Der Kläger beabsichtige, im Zuge des Steuerstrafverfahrens eine Klärung herbeizuführen. Es sei richtig, dass die Zahlungen für Steuerrückstände auf Weisung und Vereinbarung jeweils an den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes Regensburg erbracht würden.
34
Ein Strafverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB sei wegen geringer Schuld gem. § 153a StPO gegen Geldauflage eingestellt worden.
35
Gegen die mit mitgeteilten Rückstände der BG Bau seien vom Kläger direkt Rechtsmittel eingelegt worden. Der Kläger habe sich durch den Unterfertigten zum Gewerbeuntersagungsverfahren mit Schriftsatz vom 24.11.2017 geäußert. In dieser habe er angeboten, die Rückzahlung auf 1.500,00 EUR auszuweiten. Eine tabellarische Übersicht wolle er erst danach abgeben. Eine Stellungnahme des Beklagten sei hierzu nicht erfolgt. Die Versagung der Gewerbetätigkeit mit sofortiger Wirkung verstoße schon deshalb gegen den Grundsatz der Unverhältnismäßigkeit, da ihm so die Möglichkeit genommen werde, bestehenden Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt und sonstigen staatlichen Stellen nachzukommen.
36
Laut dem Rechnungstagebuch des Gewerbebetriebs habe dieser im Zeitraum 2.1. bis 18.12.2017 brutto 120.133,34 EUR mit einem Umsatzsteueraufkommen in Höhe von 18.333,94 EUR erwirtschaftet. Aus der betriebswirtschaftlichen Übersicht für Zahlungen im März 2018 ergebe sich, dass an die Krankenkassen DAK Gesundheit und AOK Bayern 1.947,17 EUR, an das Finanzamt Regensburg Lohnsteuer in Höhe von 289,88 EUR sowie Lohn und Gehaltszahlungen in Höhe von 3.311,44 EUR, insgesamt 5.548,49 EUR bezahlt worden seien. Der Kläger müsse für seine Mitarbeiter monatlich Personalkosten in Höhe von 5.227,95 EUR aufbringen, er bearbeite derzeit acht Fliesenlegerarbeiten, die entsprechenden Baustellen müssten zu Ende gebracht werden. Der Kläger habe bereits das notwendige Arbeitsmaterial erworben, bei Nichterfüllung drohten Schadensersatzansprüche seiner Auftraggeber.
37
Mit Beschluss vom 11.07.2019 hat das Gericht den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Mit Beschluss vom 21.08.2019 wurde die Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.07.2019 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Die Akten des Verfahrens RO 5 S 18.775 werden beigezogen.
38
Mit Schriftsatz vom 13.07.2018 hat der Klägervertreter im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes klargestellt, dass die Steuerbescheide bereits vor dem 24.11.2017 bestandskräftig geworden sind.
39
Mit Schreiben vom 24.07.2019, vom Beklagten laut Empfangsbekenntnis empfangen am 26.07.2019, vom Klägervertreter am 30.07.2019 hat das Gericht die Parteien darauf hingewiesen, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil oder durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht.
40
Mit Schriftsatz vom 06.08.2019, hat sich das Landratsamt Regensburg mit der Entscheidung durch mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und beantragt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
41
Zur Begründung nimmt es zunächst auf seine Ausführungen im Rahmen der Erwiderung zum Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, ferner auf das rechtskräftige Strafurteil des Amtsgerichts Regensburg vom 25.06.2018 Bezug. Jedenfalls im Zeitraum 2008 bis 2013 habe der Kläger demnach unrichtige Steuererklärungen eingereicht, die nicht den tatsächlichen Verhältnissens entsprächen, indem er zu geringe Betriebseinnahmen und Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt habe, um sich hierdurch wissentlich und willentlich steuerliche Vorteile zu verschaffen. Er habe dies gröblich und fortgesetzt getan, was sich aus der Anzahl der Tagessätze von 400 sowie den 10 tatmehrheitlichen Fällen ergebe.
42
In der Erwiderung zum Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 06.06.2018 nimmt das Landratsamt im Wesentlichen auf die Zahlungsrückstände des Klägers gegenüber Finanzamt, BG Bau, SOKA Bau und Realsteuerstelle Bezug, ferner auf das eingestellte Strafverfahren und die laufenden Rückstände gegenüber dem Finanzamt.
43
Der Kläger hat mit Schreiben vom 08.08.2019 erklärt, dass kein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung durch Urteil besteht.
44
Auf die Gerichtsakten in diesem sowie im Eilverfahren sowie auf die Behördenakten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Insbesondere wird auf die Akten des Strafverfahrens des Amtsgerichts Regensburg, Az. 23 Ds 157 Js 25311/17 Bezug genommen, soweit sie sich in den Gerichtsakten befinden.

Entscheidungsgründe

I.
45
Die Entscheidung mittels Gerichtsbescheid gem. § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Die Parteien wurden mittels Schreiben vom 24.07.2019 auf die mögliche Entscheidung mittels Gerichtsbescheid hingewiesen und haben dazu Stellung genommen.
II.
46
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes Regensburg vom 14.04.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
47
1. Der Bescheid erfüllt die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2 GewO. Es liegen Tatsachen vor, die die Unzuverlässigkeit des Klägers in Bezug auf sein Gewerbe dartun, die Untersagung war zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Die festgestellten Tatsachen rechtfertigen auch die Annahme, dass der Kläger auch für die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leistung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie für alle Gewerbe unzuverlässig ist.
48
a) Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (etwa BVerwG, Urteil vom 19.03.1970 - I C 6/69, VerwRspr 1971, 223, 224; Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 52.78, juris, Rn. 17; Beschluss vom 09.04.1997 - 1 B 81/97, juris, Rn. 5; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29). Die Gewerbeausübung ist nicht ordnungsgemäß, wenn die betroffene Person weder willens noch in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde, einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29).
49
Die Unzuverlässigkeit muss sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO aus Tatsachen ergeben. Diese Tatsachen - die bereits in der Vergangenheit eingetreten sind - sind von der Behörde danach zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Zukunft schließen lassen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 31). Dazu werden die Tatsachen bewertet und das zukünftige Verhalten des Gewerbetreibenden prognostiziert. Nach den festgestellten, zeitlich zurückliegenden Tatsachen müssen zukünftige Verstöße wahrscheinlich sein (BVerwG, Urteil vom 16.9.1975 - I C 44/74, NJW 1976, 986, 988; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 32). Diese Tatsachen müssen dabei nicht unmittelbar im Gewerbebetrieb entstanden sein, sie müssen sich allerdings auf das Gewerbe beziehen und die Unzuverlässigkeit jedenfalls im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 33).
50
Der Begriff der Unzuverlässigkeit setzt dabei weder ein Verschulden in Form eines moralischen oder ethischen Vorwurfes noch einen Charaktermangel voraus (BVerwG, Urteil vom 29.03.1966 - I C 62.65, juris, Rn. 7; Urteil vom 05.08.1965 - I C 69.62, juris, Rn. 37; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30). Der Schutz der Allgemeinheit erfordert, unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens, unzuverlässigen Gewerbetreibenden die weitere Ausübung des Gewerbes zu untersagen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30).
51
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 94/78, juris, Rn. 16; Beschluss vom 23.11.1990 - 1 B 155/90, juris, Ls. 1; Beschluss vom 09.04.1997 - 1 B 81/97, juris, Rn. 7). Dabei handelt es sich um den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 21). Entfallen die Untersagungsvoraussetzungen danach, wird die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht berührt. Wohlverhalten nach Bescheidserlass kann nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden (BVerwG, Beschluss vom 09. April 1997 - 1 B 81/97, Rn. 7). Der Bescheid des Landratsamtes Regensburg wurde mit der Bekanntgabe gegenüber dem Klägervertreter am 23.04.2018 erlassen.
52
aa) Die Unzuverlässigkeit des Klägers kann hier schon aus einer lang andauernden, wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geschlossen werden. Diese ergibt sich hier bereits aus den Steuerrückständen des Klägers im Zeitpunkt des Bescheidserlass in Höhe von 167.852,13 EUR.
53
Das Fehlen von Geldmitteln kann die ordnungsgemäße Führung des Betriebes im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindern. Von dem Gewerbetreibenden muss im Interesse eines redlichen und ordnungsgemäßen Wirtschaftsverkehrs erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund fällt nur dann weg, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und - trotz seiner Schulden - nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 94/78, juris, Rn. 15; BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO § 35 Rn. 23a). Dabei kommt es nicht darauf an, welche Ursachen zu der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf knüpft im Wesentlichen an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise an (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 146/80, juris, Rn. 15).
54
Steuerschulden sind Ausdruck mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 49 m.w.N.). Damit Staat und Gemeinden ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit nachkommen können, sind auf den pünktlichen Eingang der von ihnen erhobenen Steuern angewiesen. Ein Gewerbetreibender, der sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat entzieht, versucht damit, sich im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten erfüllen. Es kann daher von dem Gewerbetreibenden nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führt (BVerwG, Beschluss vom 17.01.1964 - VII B 159/63, VerwRspr 1964, 983, 984 f.).
55
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sind Steuerrückstände nur geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl wegen ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Auch der Zeitraum, während dessen der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, von Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1988 - 1 B 164/87, juris Rn. 3; Beschluss vom 19.01.1994 - 1 B 5/94, juris, Rn. 6).
56
Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, Beschluss vom 09.04.1997 - 1 B 81/97, juris Rn. 4). Beträge unter 5.000,00 € werden regelmäßig nicht als ausreichend angesehen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 52b; vergleiche auch Bundesministerium der Finanzen vom 14.12.2010, IV A 3-S 0130/10/10019, BStBl I 2010, 1430).
57
Irrelevant ist dabei, ob die Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, da nur die Fälligkeit der Steuerschuld maßgeblich ist, nicht deren materielle Rechtmäßigkeit (BVerwG, Beschluss vom 01.02.1994 - 1 B 9/94, juris, Rn. 3; Beschluss vom 29.01.1988 - 1 B 164/87, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 13.06.2006 - 22 ZB 06.1392, juris, Rn. 2; Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 51).
58
Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses befand sich der Kläger gegenüber dem Finanzamt Regensburg mit 164.718,78 EUR im Rückstand. Diese Steuerrückstände des Klägers sind absolut und auch im Verhältnis zu der Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht. So erwirtschaftete der Kläger nach Angaben des Klägervertreters insgesamt im Zeitraum 02.01. bis 18.12.2017 einen Gesamtumsatz von etwa 120.000,00 EUR brutto, im Zeitraum 02.01. bis 18.05.2018 von etwa 78.500,00 €. Die Umsatzsteuerrückstände des Klägers von 160.000,00 EUR betrugen damit im Zeitpunkt des Bescheidserlasses mehr als seinen gesamten Jahresumsatz in 2017. Die Steuerfestsetzungen beruhen zwar im Wesentlichen auf Steuerschätzungen. Auf die Ermittlungsgrundlage der Steuerrückstände kommt es nicht an.
59
Ferner hatte der Kläger zum 21.03.2018 bei der Realsteuerstelle Regensburg Rückstände in Höhe von 3.133,35 EUR.
60
Auch verfolgt der Kläger kein sinnvolles und erfolgsversprechendes Sanierungskonzept.
61
Ein umfassendes tabellarisches Sanierungskonzept wurde jedoch trotz entsprechender Aufforderung des Landratsamtes nicht vorgelegt. Im Gewerbeuntersagungsverfahren obliegt es dem Gewerbetreibenden, hinreichend substantiierte Angaben zu machen, die eine Prüfung ermöglichen, ob ein erfolgsversprechendes Sanierungskonzept vorliegt. (Hess. VGH, Urteil vom 26.11.1996 - 8 UE 2858/96, juris, Rn. 35).
62
Bezüglich der Steuerrückstände gegenüber dem Finanzamt hat der Kläger zwar gegenüber dem Landratsamt vorgeschlagen, 15.000,00 EUR ab Dezember 2017 in Raten von jeweils 1.500,00 EUR im Monat abzubezahlen. An die Realsteuerstelle Regensburg zahlt er monatlich 300,00 EUR.
63
Angesichts der erheblichen Gesamtrückstände - insbesondere gegenüber dem Finanzamt Regensburg - kann hier insgesamt nicht von einem umfassenden Sanierungskonzept ausgegangen werden. Es bezieht sich nicht auf die gesamten Zahlungsrückstände des Klägers. Ferner wäre auch der Sanierungsvorschlag gegenüber dem Finanzamt nicht ausreichend gewesen. Der Kläger hatte nur angeboten, 15.000,00 EUR zu bezahlen.
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bb) Desweiteren ergibt sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit aus der Verletzung der steuerlichen Erklärungspflichten durch den Kläger. So hat er seit dem Jahr 2013 keine Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen mehr eingereicht. Auch die Umsatzsteuervoranmeldungen werden seit dem 2. Quartal 2016 nicht mehr eingereicht. Ferner hat der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2008, 2009, 2010 und 2012 unterlassen, die erforderlichen Einkommenssteuererklärungen abzugeben, genauso wie die Umsatzsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013.
65
In den Urteilsgründen des Urteils des Amtsgerichts Regensburg vom 25.06.2018, Az. 23 Ds 157 Js 25311/17, wurde festgestellt, dass Kläger entgegen der ihm bekannten Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe einer inhaltlich den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2010 eine unrichtige Steuererklärung eingereicht habe, indem er zu geringe Betriebseinnahmen und Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärte um sich hierdurch wissentlich und willentlich finanzielle Vorteile auf Kosten des Staates zu verschaffen. Ebenso habe der Angeklagte es unterlassen, entgegen der ihm bekannten Verpflichtung, pflichtwidrig zu den gesetzlichen Abgabeterminen die erforderlichen Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2008, 2009, 2010 und 2012 und die Umsatzsteuererklärung für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013 einzureichen, mit dem Ziel und dem Willen, dass Einkommensteuer und Umsatzsteuer spätestens zum Veranlagungsschluss nicht festgesetzt wurden, um sich so entsprechende Steuervorteile zu verschaffen.
66
Diese tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichtes Regensburg können auch im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides herangezogen werden. Im relevanten Bewertungszeitpunkt - dem Zeitpunkt des Bescheidserlasses - waren diese tatsächlichen Umstände bereits gegeben.
67
cc) Ebenfalls ergibt sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers aus seiner Eintragung in das Schuldnerverzeichnis. Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zeigen, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit war und damit nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (vgl. zur Erzwingung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mittels Haftbefehl BayVGH, Beschluss vom 03.08.2015, Az. 22 ZB 15.1271, juris, Rn. 12; Beschluss vom 28.08.2013, Az. 22 ZB 13.1419, juris, Rn. 19).
68
Der Kläger wurde am 22.05.2017 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. In dieser kommt zum Ausdruck, dass der Kläger auch nicht bereit ist, seinen Gläubigern - hier wohl dem Finanzamt Regensburg - durch die Auskunft über sein Vermögen die Vollstreckung zu ermöglichen.
69
dd) Schließlich kann dahinstehen, ob die Rückstände bei der SOKA Bau sowie der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft tatsächlich bestehen und eine Unzuverlässigkeit des Klägers auch in dieser Hinsicht begründen. Die festgestellten Tatsachen genügen bereits, um eine Unzuverlässigkeit des Klägers zu bejahen.
70
b) Die Gewerbeuntersagung war zum Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass die Steuerrückstände des Klägers im Verlauf des Verfahrens weiter steigen werden.
71
Eine abstrakte Gefahr in Form einer nach der Lebenserfahrung typischerweise anzunehmende Gefährdungslage ist hier gegeben (BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO, § 35 Rn. 35). Eine solche liegt jedenfalls darin, wenn Vermögen der öffentlichen Hand gefährdet wird, etwa durch die unberechtigte Vorenthaltung von Umsatzsteuern (OVG Bautzen, Beschluss vom 08.03.2011 - 3 B 354/10, juris, Rn. 9).
72
Die Steuerrückstände des Klägers sind während des Verwaltungsverfahrens erheblich angestiegen. Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses hatte der Kläger Steuerrückstände gegenüber dem Landratsamt in Höhe von etwa 160.000,00 EUR, im Zeitpunkt der Anregung des Verfahrens durch das Finanzamt Regensburg betrugen diese noch etwa 90.000,00 EUR.
73
c) Der Bescheid ist ferner verhältnismäßig. Es ist kein milderes Mittel ersichtlich, das die Gefahr für die Allgemeinheit mit gleicher Wirksamkeit beseitigt. Bei der Gewerbeuntersagung handelt es sich um die ultima ratio zur Abwehr der Gefährdungen aus der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (Landmann/Rohmer/Marcks, 81. EL März 2019, GewO § 35 Rn. 78).
74
Die Beeinträchtigung des Klägers stand nicht außer Verhältnis zu den Schäden, die bei Fortsetzung der Tätigkeit zu erwarten sind. Eine teilweise Untersagung oder die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen wäre weniger wirksam. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass während des laufenden Verwaltungsverfahrens die Steuerrückstände weiter angestiegen sind und der Kläger seine sonstigen steuerrechtlichen Pflichten - insbesondere zur Erklärung - erheblich verletzt hat.
75
d) Die Gewerbeuntersagung konnte gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GewO auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie auf die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person sowie auf alle anderen Gewerbe erstreckt werden.
76
aa) Durch den Bescheid des Landratsamtes Regensburg wurde ein tatsächlich betriebenes Gewerbe untersagt (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 17/79, juris, Rn. 29).
77
bb) Es war auch im Zeitpunkt des Bescheidserlasses zu erwarten, dass der Kläger auf eine andere gewerbliche Tätigkeit ausweicht. Diese Wahrscheinlichkeit folgt schon aus der Tatsache, dass der Gewerbetreibende - trotz Unzuverlässigkeit - an seiner gewerblichen Tätigkeit festhielt. Durch sein Festhalten an dem ausgeübten Gewerbe bekundet er regelmäßig seinen Willen, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die eine zukünftige, anderweitige gewerbliche Tätigkeit des Klägers in Zukunft ausschließen (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 17/79, juris, Rn. 29).
78
Die gewerbliche Tätigkeit des Klägers erfasste bereits verschiedene Tätigkeiten. So übte er neben dem Verkauf, der Verlegung und der Verfugung von Naturfliesen auch den Verkauf von KfZ-Zubehör und neuen Sportgeräten aus. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch bei Untersagung dieser Tätigkeiten weitere gewerbliche Tätigkeiten aufnehmen würde.
79
cc) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
80
2. Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 4 und Ziffer 5 des Bescheides erfüllen die Voraussetzungen der Art. 29, 30, 31, 36 des Bayrischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
81
3. Die Kostenentscheidung ist ebenfalls rechtmäßig. Als Veranlasser des Verfahrens hat der Kläger dessen Kosten gem. Art. 2 Abs. 1 KG zu tragen. Die Bescheidsgebühr von 500,00 EUR entspricht Art. 5, 6 Abs. 2 KG in Verbindung mit Tarifnummer 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses zum KG. Diese setzt einen Kostenrahmen von 50,00 EUR bis 2.000,00 EUR für Gewerbeuntersagungen nach § 35 Abs. 1 GewO fest. Die Höhe ist unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes nicht zu beanstanden.
III.
82
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
83
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.