Inhalt

VG München, Beschluss v. 27.05.2020 – M 26 E 20.2101
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen die Schließung eines Fitnessstudios im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Normenketten:
4. BayIfSMV § 9 Abs. 1 S. 1, § 11 S. 1
VwGO § 123 Abs. 1
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 32 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die cororabedingte Schließung von Sporteinrichtungen, Fitnessstudios, Tanzschulen und vergleichbare Freizeiteinrichtungen findet in § 32 S. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG eine wirksame Rechtsgrundlage (Anschluss an BayVGH BeckRS 2020, 6779 u.a.). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Einschränkung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit, die zum Zwecke des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung vor der raschen Ausbreitung des Corona-Virus und der Überlastung des Gesundheitssystems als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes erfolgt, derzeit wohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist (Anschluss an BayVGH BeckRS 2020, 4616 u.a.). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Schließung von Studios, in dem Gruppentrainings angeboten werden, verstößt auch im Vergleich mit der Behandlung von Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben mit Kundenverkehr wie Friseursalons, Einrichtungen des Individualsports wie zum Beispiel Reithallen sowie Geschäften des Einzelhandels aller Art nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. (Rn. 26 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Untersagung des Betriebs einer mit einem Fitnessstudio vergleichbaren Freizeiteinrichtung anlässlich des neuartigen Coronavirus, vorläufiger Rechtsschutz, Sportstudio, Betriebsuntersagung, Corona-Pandemie, Infektionsschutz, Anordnungsanspruch, Fitnessstudio, Rechtsgrundlage, Berufsfreiheit, allgemeiner Gleichheitssatz
Fundstelle:
BeckRS 2020, 11259

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, die in ihrem Studio verschiedene Sportkurse (unter anderem Pole Dance und Aerial) für Kleingruppen anbietet, wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Schließung ihres Studios im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
2
Gemäß der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 240), zuletzt geändert durch die Verordnung zur Änderung der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 20. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 287), ist unter Nennung von Regelbeispielen - darunter auch Fitnessstudios - der Betrieb von Freizeiteinrichtungen sowie von Sporteinrichtungen bis zum 29. Mai 2020 grundsätzlich untersagt.
3
Mit Schreiben vom … Mai 2020 wandte sich die Antragstellerin an das Bayerische Verwaltungsgericht München; sie beantragt
4
„die Öffnung von Kleinsportbetrieben nach den oben genannten Schilderungen hingehend einer Sondergenehmigung zum schnellstmöglichen Zeitpunkt zu prüfen und uns die Wiederaufnahme des Betriebs zu ermöglichen.“
5
Zur Begründung wird ausgeführt, dass Studios, die Elektronische-Muskel-Stimulations-Trainings anbieten, laut medialer Berichterstattung eine Sondergenehmigung für ihren Betrieb erhalten hätten, während Kleinsportstudios, zu denen auch das Studio der Antragstellerin gehöre, keine entsprechende Ausnahme gewährt worden sei. An den angebotenen Kursen nähmen nur um die acht Personen teil, die Einhaltung des erforderlichen Abstands zwischen den Kursteilnehmern sei problemlos möglich und die Lüftungsmöglichkeiten seien optimal.
6
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020,
7
den Antrag abzulehnen.
8
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antrag bereits unzulässig sei, da das Rechtsschutzbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sei und eine dem bei Gericht gestellten Antrag vorgelagerte Befassung der Behörde fehle. Zudem handle es sich bei dem von der Antragstellerin betriebenen Studio um eine mit Tanzschulen und Fitnessstudios vergleichbare Einrichtung, wobei die Regelung, die den Betrieb untersage, mit Blick auf das dortige Infektionsrisiko rechtskonform sei.
9
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
10
Der zulässige Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
11
Nach Auslegung des Antrags anhand des Rechtsschutzbegehrens und Vorbringens (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) der nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin begehrt diese die Feststellung der vorläufigen Berechtigung, ihr Studio auch unter Geltung der einschlägigen Vorschriften der jeweils anzuwendenden Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (derzeit § 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 11 Satz 1 4. BayIfSMV) betreiben zu dürfen.
12
Zwar ist der Antrag dahingehend formuliert, dass nicht nur die Feststellung der Berechtigung der Antragstellerin, ihr Studio betreiben zu dürfen, begehrt wird, sondern die Feststellung der Berechtigung aller in gleicher Weise Betroffenen, ihre Studios betreiben zu dürfen, so dass eine am Wortlaut des Antrags orientierte Auslegung dazu führen würde, dass ein entsprechender Antrag, soweit die Antragstellerin die Öffnung der Studios anderer Personen begehrt, mangels Prozessführungsbefugnis bereits unzulässig wäre. Da sich der Vortrag der Antragstellerin jedoch auch konkret auf Ihr Studio bezieht und die Antragstellerin keine Ermächtigung, für die in vergleichbarer Weise Betroffenen handeln zu dürfen, in Anspruch nimmt, ist der allgemein formulierte Antrag und das entsprechende Vorbringen dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin, soweit sie die Feststellung der Berechtigung der Wiederaufnahme des Betriebs anderer Studios begehrt, nur als Fürsprecherin ihrer Berufsgruppe auftritt und dem entsprechenden Vortrag lediglich vor Augen führen will, dass sich eine Vielzahl anderer Personen in derselben Lage befindet, um die Auswirkungen des Verbots und ihre eigene Lage zu verdeutlichen.
13
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
14
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere mangelt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Soweit der Antragsgegner geltend macht, der Antrag sei auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, da eine endgültige Feststellung begehrt werde, ist dies vor dem Hintergrund der §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 938 Abs. 1 ZPO unschädlich, da das Gericht insofern eine vorläufige, zeitlich begrenzte Entscheidung treffen kann. Weiterhin ist auch die fehlende vorherige Befassung der zuständigen Behörde unschädlich, da § 11 Satz 1 4. BayIfSMV keine Ausnahme von dem Verbot vorsieht und somit eine vorherige Befassung der Behörde bei Ex-Ante-Betrachtung keine Aussicht auf Erfolg versprochen hätte. Insofern bestand für die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihr Ziel auf einfachere, schnellere und effizientere Weise zu erreichen (VG München, Gerichtsbescheid v. 8.3.2017 - M 18 K 16.2691; Eyermann, VwGO, Vorbemerkungen §§ 40 - 53 Rn. 11 ff.).
15
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Die vorgenommene Prüfung ergibt, dass die Hauptsache voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
16
a) Bei dem von der Antragstellerin betriebenen Studio handelt es sich um eine nach § 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 11 Satz 1 4. BayIfSMV untersagte Einrichtung.
17
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 4. BayIfSMV ist der Betrieb von Sporteinrichtungen grundsätzlich untersagt. Individualsportarten sind gemäß Satz 2 insbesondere dann erlaubt, wenn sie auf Freiluftsportanlagen oder an der frischen Luft ausgeübt werden. Nach § 11 Satz 1 4. BayIfSMV sind Fitnessstudios, Tanzschulen und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen.
18
Ausweislich des Internetauftritts der Antragstellerin umfasst das Kursangebot Kurse aus den Bereichen Pole Dance & Luftakrobatik, Chairdance & Floorwork sowie Tanz & Stretching (vgl. https://www.…, abgerufen am 27.5.2020). Pole Dance wird als Ganzkörpertraining umschrieben, das die körperliche Fitness unter Verwendung von Stangen bzw. Poles intensiv trainiert und fördert (https://www.…, abgerufen am 27.5.2020). Im Bereich Luftakrobatik wird etwa der Kurs Aerial Hoop angeboten, der unter Verwendung eines von der Decke hängenden Metallrings die Kraft, Flexibilität und Koordination verbessern soll und gezielte Kraftübungen (sog. Conditioning) umfasst (https://www.…, abgerufen am 27.5.2020). Im Kurs Chairdance & Floorwork werden Tanztechniken und Burlesque- und Tanzbewegungen mit akrobatischen und tänzerischen Elementen verbunden (https://www.…, abgerufen am 27.5.2020). Im Bereich Tanz wird etwa der Kurs Styles of Jazz angeboten, der zum Auspowern und Tanzen dient und den Körper insbesondere durch Drehung und Sprünge intensiv trainieren soll (https://www.…, abgerufen am 27.5.2020). Im Bereich Stretching wird etwa der Kurs Flexibility Class angeboten, der als Training zur Erhöhung der Flexibilität unter Verwendung verschiedener Utensilien umschrieben wird (https://www.…, abgerufen am 27.5.2020). Laut Antragsbegründung nehmen an den Kursen um die acht Teilnehmer teil.
19
Die vorgenannten Auszüge aus dem Kursangebot verdeutlichen, dass die Antragstellerin Sportkurse in Form von Gruppenkursen anbietet. Somit liegt, sofern man das Studio nicht bereits als Sporteinrichtung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 4. BayIfSMV oder aufgrund des Abhaltens von Trainingsstunden in Gruppenkursen als Fitnessstudio im Sinne des § 11 Satz 1 4. BayIfSMV ansehen möchte, jedenfalls eine vergleichbare Freizeiteinrichtung im Sinne des § 11 Satz 1 4. BayIfSMV vor, deren Betrieb untersagt ist. Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den Kursen um durch Trainer geleitete Trainingsangebote handelt. Zwar bietet die Antragstellerin mit den angeleiteten Kursen auf diese Weise auch eine Dienstleistung an. Angesichts der Nähe des Angebots zu den in § 11 Satz 1 4. BayIfSMV genannten Einrichtungen, insbesondere den Fitnessstudios, und einer nicht individuellen oder fast individuellen Betreuung der Kursteilnehmer, ist das Studio der Antragstellerin als eine vergleichbare Freizeiteinrichtung im Sinne des § 11 Satz 1 4. BayIfSMV anzusehen und nicht als Dienstleistungsbetrieb im Sinne des § 12 Abs. 2 4. BayIfSMV.
20
Schließlich wird diese Einordnung auch durch den Sinn und Zweck der einschlägigen Untersagungsreglungen gestützt. Allen explizit in § 11 Satz 1 4. BayIfSMV genannten Einrichtungen ist gemein, dass sie der Freizeitgestaltung einer Mehrzahl von Personen dienen, die sich gemeinsam bzw. gleichzeitig dort aufhalten. Dieser gleichzeitige oder schlecht kontrollierbare Aufenthalt einer größeren Zahl an Personen zum Zwecke der Freizeitgestaltung soll im Interesse des auch mit der 4. BayIfSMV weiterhin verfolgten Gebots der Kontaktreduzierung vermieden werden, um eine ungehinderte Ausbreitung des neuen Coronavirus zu reduzieren. Eine größere Zahl an Personen ist jedenfalls ab einer Gruppengröße von fünf Personen anzunehmen, wie sich aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 4. BayIfSMV ergibt, der bis zu dieser Gruppengröße eine teilweise Privilegierung vorsieht.
21
Nachdem an den Kursen der Antragstellerin um die acht Personen teilnehmen, handelt es sich bei den angebotenen Kursen um Angebote zur Freizeitgestaltung, die sich an eine größere Gruppe von Personen richten und deren gemeinsamen Aufenthalt in einem geschlossenen Raum bezweckt. Somit ist auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung von einer vergleichbaren Freizeiteinrichtung im Sinne des § 11 Satz 1 4. BayIfSMV auszugehen, deren Betrieb nach der geltenden Rechtslage untersagt ist.
22
b) Im Rahmen des Eilverfahrens geht die Kammer von der Rechtmäßigkeit der in §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 11 Satz 1 4. BayIfSMV enthaltenen Verbote aus.
23
Es ist davon auszugehen, dass die Regelungen in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine wirksame Rechtsgrundlage finden (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.63, B. v. 22.4.2020 - 20 NE 20.837).
24
Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Einschränkung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit, die zum Zwecke des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung vor der raschen Ausbreitung des Corona-Virus und der Überlastung des Gesundheitssystems als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes erfolgt, derzeit wohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist (zu Betriebsuntersagungen durch eine Vorgängerregelung BayVGH, B. v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611, VG München, B. v. 20.3.2020 - M 26 E. 20.1209 und M 26 S 20.1222; B. v. 31.3.2020 - M 26 E 20.1343;). Die dortigen Erwägungen insbesondere zur Verhältnismäßigkeit sind unverändert aktuell. Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht unter Verweis auf die staatliche Verpflichtung zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG im Eilverfahren abgelehnt, die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung als Vorgängernorm der 4. BayIfSMV außer Vollzug zu setzen (BVerfG, B. v. 7.4.2020 - 1 BvR 755/20).
25
Umstände, die zu einer anderen Bewertung hinsichtlich der in der 4. BayIfSMV enthaltenen Regelung zur Untersagung von mit Fitnessstudios vergleichbaren Freizeiteinrichtungen führen, sind nicht ersichtlich. Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist, dass den Verordnungsgeber angesichts der mit der Verordnung verbundenen Grundrechtseingriffe die Pflicht trifft, ständig zu überwachen, ob die Aufrechterhaltung der verfügten Maßnahmen noch erforderlich und angemessen ist, wobei die Anforderungen umso strenger werden, je länger die Regelungen schon in Kraft sind (BayVGH, B. v. 9.4.2020 - 20 NE 20.688). Vielmehr hat der Verordnungsgeber durch den Erlass einer 4. BayIfSMV, die inhaltlich nicht identisch mit der 3. BayIfSMV ist und Änderungen in kurzen zeitlichen Abständen erfährt, dokumentiert, dass die verfügten Maßnahmen der aktuellen Situation laufend angepasst werden. Dass die mit der Rechtsverordnung erlassenen Regelungen in großen Teilen mit den Vorgängerregelungen übereinstimmen, ist angesichts der aktuellen Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts, wonach die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland unverändert als insgesamt hoch eingeschätzt wird (Robert-Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 am 26.5.2020, S. 12, https://www.r...de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-05-26-de.pdf? blob=publicationFile) nicht überraschend. Zudem zeigt die Befristung der 4. BayIfSMV bis zum 29. Mai 2020, dass die Erforderlichkeit und Wirksamkeit der erlassenen Regelungen - wie es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert - weiterhin fortlaufend vom Antragsgegner überprüft werden.
26
Die Betriebsuntersagung durch § 11 Satz 1 4. BayIfSMV verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
27
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, B. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, juris Rn. 40; BVerfG, B. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 - juris Rn. 119 m.w.N.). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, B. v. 11.10.1988 - 1 BvR 777/85- juris; BVerfG, B. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 - juris; BVerfG, B. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, B. v. 7.7.2009 - 1 BvR 1164/07 - juris; BVerfG, B.v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, B. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, juris Rn. 30; BVerfG, B. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, juris Rn. 65; BVerfG, B. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 - juris Rn. 79). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, U. v. 6.3.2002 - 2 BvL 17/99 - juris; BVerfG, B. v. 4.12.2002 - 2 BvR 400/98 - juris; BVerfG, B. 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - juris; BVerfG, B.v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).
28
Unter Anwendung dieses Maßstabs erfolgt durch die §§ 9 Abs. 1 und 11 4. BayIfSMV keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Antragstellerin als Inhaberin eines Studios, in dem Gruppentrainings angeboten werden, im Vergleich zu Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben mit Kundenverkehr wie Friseursalons, Einrichtungen des Individualsports wie zum Beispiel Reithallen sowie Geschäften des Einzelhandels aller Art, die sämtlich öffnen dürfen.
29
Laut Information des Robert-Koch-Instituts, der nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen, § 4 Abs. 1 Satz 1 IfSG, scheint die hauptsächliche Übertragung des neuartigen Corona-Virus über Tröpfchen zu erfolgen. Aufgrund bisheriger Untersuchungen ist jedoch auch von einer Übertragung durch Aerosole (Tröpfchenkerne, kleiner als 5 Mikrometer) auszugehen (Robert-Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 22.5.2020, https://www.r...de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText1, abgerufen am 26.5.2020).
30
Zwar geht von einem zwischenmenschlichen Kontakt in von § 12 4. BayIfSMV umfassten Betrieben, deren Öffnung erlaubt ist, aufgrund des auch dort stattfindenden Aerosolausstoßes auch ein Infektionsrisiko aus. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Aerosolausstoß und damit das Infektionsrisiko angesichts der mit der sportlichen Betätigung einhergehenden erhöhten Atemfrequenz bei gleichzeitiger intensiverer Ein- und Ausatmung der an den von der Antragstellerin angebotenen Kursen teilnehmenden Personen pro Teilnehmer größer ist als bei den die Räumlichkeiten der zugelassenen Betriebe aufsuchenden Personen, da der Abstand zwischen den installierten Sportgeräten, die beim Training verwendet werden, nach Aussage der Antragstellerin nur zwei Meter beträgt und bei einer Teilnehmerzahl von um die acht Personen ein auf eine kleine Fläche konzentriertes Training stattfindet (OVG Lüneburg, B. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20; OVG Hamburg, B. v. 20.5.2020 - 5 Bs 77/20). Soweit die Antragstellerin optimale Lüftungsmöglichkeiten durch das Öffnen der Eingangstür sowie der Fenster an den anderen Seiten des Raums bzw. eines angeschlossenen Raums anführt, vermag diese Einlassung das Gericht nicht zu überzeugen. Insbesondere bei den gegenwärtig teilweise noch niedrigen Außentemperaturen in Kombination der sich durch das Lüften entwickelnden Zugluft, die einem Training nicht förderlich ist, kann bereits nicht von einer durchgehenden Belüftung der Räumlichkeit, in dem die Kurse stattfinden sollen, ausgegangen werden. Ob eine derartige Belüftung ausreichend wäre, um den Aerosolanteil in der Raumluft hinreichend zu senken, kann damit dahingestellt bleiben. Somit besteht zwischen dem Studio der Antragstellerin und Betrieben nach § 12 4. BayIfSMV ein Unterschied, der vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Betriebsuntersagung von solcher Art und solchem Gewicht ist, dass er eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Dies gilt erst recht im Vergleich zu nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 4. BayIfSMV geöffneten Freiluftsportanlagen und -einrichtungen sowie für Reithallen.
31
Soweit die Antragstellerin explizit Bezug nimmt auf zwei EMS-Studios, deren Betrieb nach Auffassung des Gerichts in seinen Beschlüssen vom 11. Mai 2020 (Az. M 26 E 20.1850 und 1851) nicht durch §§ 9 und 11 4. BayIfSMV untersagt ist, liegt bereits aufgrund der Gruppengröße keine Vergleichbarkeit vor. Während es sich bei den beiden betroffenen EMS-Studios um Studios handelt, die Individualtrainings bzw. Zweiertrainings für demselben Hausstand angehörende Personen anbieten, richtet sich das Angebot der Antragstellerin an Gruppen von um die acht Personen, so dass auch insofern weder eine vergleichbare Dienstleistungsnähe gegeben ist noch ein vergleichbares Infektionsrisiko, das mit jedem Teilnehmer steigt.
32
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1,52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit den Nrn. 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in sinngemäßer Anwendung.