Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 06.05.2020 – Au 9 E 20.775
Titel:

Einstweilige Anordnung - Feststellung über Berechtigung zu der Öffnung eines Einkaufszentrums unter Gesichtspunkten des Infektionsschutzes

Normenketten:
VwGO § 123
3.BayIfSMV § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 9 Nr. 5a lit. bb
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
IfSG § 73 Abs. 1a Nr. 24
Leitsätze:
1. Die Verkaufsfläche von 800 m² i.S.v. § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 3.BayIfSMV bezieht sich auf die Verkaufsflächen des Einkaufszentrums ohne Anrechnung der in Halbsatz 2 genannten Einzelhandelsbetriebe. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 3. BayIfSMV getroffene Verkaufsflächenbegrenzung bezieht sich auf das Einkaufszentrum als solches und damit auf die Einheit der verbundenen Einzelhandelsgeschäfte. In Bezug auf die dem jeweiligen Betreiber zur Verfügung stehende Verkaufsfläche sind jedoch die in Halbsatz 2 genannten Betriebe, die ohne Größenflächenbegrenzung öffnen dürfen, auszunehmen.  (Rn. 23 und 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorläufiger Rechtschutz, einstweilige Anordnung, Antrag auf vorläufige Feststellung, Corona-Pandemie, Einkaufszentrum, Beschränkung der Verkaufsfläche auf 800 m², Feststellung, Verkaufsflächenbeschränkung, Dienstleistungen, Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, Mindestabstand, Untersagungsverfügung, Einzelhandelsbetriebe, unangemessene Benachteiligung, Ungleichbehandlung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10939

Tenor

I. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin berechtigt ist, in dem von ihr betriebenen ...-Center, ... Straße, ... eine Gesamtverkaufsfläche von maximal 800 m² ohne Anrechnung der Verkaufsflächen der in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 der 3. BayIfSMV genannten Betriebe zu öffnen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt sinngemäß im Wege des vorläufigen Rechtschutzes die Feststellung, dass sie berechtigt ist, in dem von ihr betriebenen ...-Center, ... Straße,, eine Verkaufsfläche von mehr als 800 m² ohne Anrechnung der in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 der 3. BayIfSMV genannten Ladengeschäfte ohne Verkaufsflächenbeschränkung zu öffnen. Weiterhin begehrt sie festzustellen, dass die in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 3. BayIfSMV geregelte Verkaufsflächenbeschränkung nur für das jeweils einzelne Ladengeschäft im Einkaufszentrum und nicht für das Einkaufszentrum in seiner Gesamtheit gilt.
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Die Antragstellerin betreibt in der Stadt ... das ...-Center ein Einkaufzentrum mit mehr als 25 Fachgeschäften. Die Antragstellerin ist Bauherrin, Eigentümerin und Vermieterin der im ...-Center gelegenen Ladenlokale und der sonstigen Flächen, die überwiegend für Einzelhandelszwecke oder auch für Dienstleistungen genutzt werden.
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In der am 4. Mai 2020 in Kraft getretenen Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) vom 1. Mai 2020 ist in § 4 Abs. 4 Satz 1 für Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser u.a. Folgendes geregelt:
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1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann und die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m2 Verkaufsfläche.
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2. Es dürfen höchstens 800 m2 Verkaufsfläche geöffnet werden; dies gilt nicht für Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Handel, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten und Reinigungen.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 4. Mai 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt, festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, sicherzustellen, dass in dem von ihr betriebenen Einkaufszentrum nur solche Betriebe öffnen, die von der Verkaufsflächenbegrenzung des § 4 Abs. 4 Ziffer 2 der 3. BayIfSMV freigestellt sind und - sofern die vorgenannten Betriebe in der Summe eine Verkaufsfläche von 800 m² nicht übersteigen - in dem gesamten Einkaufszentrum insgesamt nur eine Verkaufsfläche von maximal 800 m² geöffnet wird (Az.: Au 9 K 20.772). Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden worden.
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Ebenfalls mit Schriftsatz vom 4. Mai 2020 beantragte die Antragstellerin im Wege einstweiligen Rechtschutzes gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO):
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Es wird einstweilen bis zu einer Entscheidung der Hauptsache festgestellt, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, sicherzustellen, dass in dem von ihr betriebenen Einkaufszentrum ...-Center, ... Straße, ... nur solche Betriebe öffnen, die von der Verkaufsflächenbegrenzung des § 4 Abs. 4 Ziffer 2 der 3. BayIfSMV freigestellt sind und - sofern die vorgenannten Betrieben in der Summe eine Verkaufsfläche von 800 m² nicht übersteigen, in dem gesamten Einkaufszentrum insgesamt nur eine Verkaufsfläche von maximal 800 m² geöffnet wird.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin sei nicht verpflichtet, sicherzustellen, dass in dem von ihr betriebenen Einkaufszentrum nur solche Betriebe öffneten, die von der Verkaufsflächenbegrenzung des § 4 Abs. 4 Nr. 2 der 3. BayIfSMV freigestellt seien. Maßgeblich für die Entscheidung der streitgegenständlichen Rechtsfragen sei allein § 4 Abs. 4 der 3. BayIfSMV, nicht aber die veröffentlichten Auslegungshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Aus der Verwendung des Begriffs „Einkaufszentrum“ gehe bereits hervor, dass es sich hierbei um eine Ansammlung verschiedener Ladengeschäfte handele, die eine Gesamtverkaufsfläche von 800 m² notwendiger Weise überschreite. Aus diesem Grund sei § 4 Abs. 4 Nr. 2 der 3. BayIfSMV so zu verstehen, dass auch in Einkaufzentren die zulässige Größe des einzelnen zu öffnenden Ladengeschäfts auf 800 m² beschränkt sei. Auch aus Zielen des Infektionsschutzes sei es nicht ersichtlich, weshalb sich die Verkaufsflächenbeschränkung von 800 m² auf das Einkaufszentrum als solches erstrecke. Auch könne das Argument, Einkaufszentren hätten eine Sogwirkung, sodass viele Kunden auch überregional in Einkaufszentren strömten, nicht überzeugen. Aus Gesichtspunkten des effektiven Infektionsschutzes sei eine Beschränkung der zulässigerweise zu öffneten Verkaufsfläche in einem Einkaufszentrum auf 800 m² Verkaufsfläche weder geboten noch gerechtfertigt. Auch sei die Regelung bezogen auf das Einkaufszentrum als Ganzes praktisch nicht umsetzbar. Darüber hinaus verstoße die Untersagung der Öffnung sämtlicher Einkaufszentren über 800 m² ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Größe des jeweiligen Ladengeschäfts auch gegen den in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) normierten Gleichbehandlungsgrundsatz. Unter Beachtung der in der 3. BayIfSMV genannten Schutzmaßnahmen gebe es keinen rechtfertigenden Grund, weshalb einzelne Ladengeschäfte bis zu einer Verkaufsfläche 800 m² in einem Einkaufszentrum nicht öffnen können sollten, Einzelhändler in Innenstadtbereichen aber schon. Die Antragstellerin nehme mit dem ...-Center im Wege der Arbeitsteilung mit der Innenstadt von ... wichtige Versorgungsfunktionen gerade auch für das Umland wahr. Der Anordnungsgrund folge bereits aufgrund der Eilbedürftigkeit der Sache, da eine Öffnung der einzelnen Ladengeschäfte ab dem 4. Mai 2020 zu den jeweils üblichen Öffnungszeiten vorgesehen sei. Daneben begründeten auch die drohenden wirtschaftlichen Schäden, die im Falle der fortdauernden Schließung der einzelnen Ladengeschäfte zu befürchten seien, die Anordnung.
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Auf den weiteren Inhalt des Antragsschriftsatzes vom 4. Mai 2020 wird ergänzend verwiesen.
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Der Antrag wurde dem Antragsgegner zur Stellungnahme zugeleitet. Eine Stellungnahme ist bislang nicht erfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat nur teilweise Erfolg.
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Unter der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Regelung der 3. BayIfSMV, die gemäß § 12 Satz 1 am 4. Mai 2020 in Kraft getreten ist und mit Ablauf des 10. Mai 2020 außer Kraft tritt, ist die Antragstellerin nach Auffassung des Gerichts lediglich berechtigt, in dem von ihr betriebenen Einkaufszentrum ...-Center eine Verkaufsfläche von maximal 800 m² unter Ausschluss der Anrechnung der Verkaufsflächen der in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 genannten Betriebe zu öffnen. Einen weitergehenden Anspruch, auf Öffnung des gesamten Einkaufszentrums ohne Verkaufsflächenbegrenzung auf maximal 800 m² bei gleichzeitiger Berechtigung der jeweiligen Einzelgeschäfte bis zu einer Maximalgröße von 800 m² zu öffnen, besitzt die Antragstellerin hingegen nicht. Insoweit fehlt es am für den Erfolg des Antrags erforderlichen Anordnungsanspruch.
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1. Vorliegend ist die mit der Antragstellung begehrte Feststellung, dass die Antragstellerin berechtigt ist, dass von ihr betriebene Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m² für den Publikumsverkehr zu öffnen, einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zugänglich.
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a) Die auf bloße Feststellung gerichtete einstweilige Anordnung ist vorliegend ausnahmsweise statthaft, da sich die Frage der Betriebsöffnung unmittelbar nach der 3. BayIfSMV vom 1. Mai 2020 (am 4. Mai 2020 in Kraft getreten) beurteilt, ohne dass hierzu eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Es liegt auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, da unter den Beteiligten streitig ist, ob in Bezug auf die Verkaufsflächenbegrenzung in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 3. BayIfSMV auf das jeweilige Einkaufszentrum als Ganzes und damit als Einheit der verbundenen Einzelhandelsbetriebe abzustellen ist, oder ob sich die in der 3. BayIfSMV getroffene Verkaufsflächenbegrenzung auch in einem Einkaufszentrum auf das jeweilige Ladengeschäft bezieht.
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Weiter ist unter den Beteiligten die Frage streitig, ob bei Berücksichtigung einer Verkaufsflächenhöchstzahl von 800 m² in Einkaufszentren die übrigen in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 genannten Einzelhandelsbetriebe - für die eine Flächenbegrenzung nicht vorgeschrieben ist - auf die zulässige Verkaufsfläche angerechnet werden müssen. Da ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 nach § 9 Nr. 5 a) bb der 3. BayIfSMV bußgeldbewehrt ist, ist es der Antragstellerin im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung das Einkaufszentrum zunächst vollständig zu öffnen und erst gegen eine etwaige spätere behördliche Untersagungsverfügung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
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b) Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist der hier gestellte Antrag nach § 123 VwGO nicht durch die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO in einem eventuellen Normenkontrollverfahren gegen die Verordnung selbst ausgeschlossen, da beide Rechtsschutzmöglichkeiten nebeneinander stehen.
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2. Der Antrag hat nur teilweise Erfolg.
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a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
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b) Ein Anordnungsgrund ist gegeben. Die Antragstellerin hat plausibel auf die mit der fortdauernden weitgehenden Betriebsschließung des Einkaufszentrums verbundenen wirtschaftlichen Einbußen verwiesen. Die Schließung stellt einen massiven Eingriff in die nach Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit dar und ist mit gravierenden finanziellen Einbußen verbunden. Die Eilbedürftigkeit wurde damit ausreichend dargelegt.
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c) Die Antragstellerin hat jedoch nur einen Anspruch auf Öffnung des von ihr nach eigenen Angaben betriebenen Einkaufszentrums auf einer Gesamtverkaufsfläche von 800 m² unter Beachtung der weiteren in § 4 Abs. 4 Satz 1 der 3. BayIfSMV getroffenen Vorkehrungen. Die Verkaufsfläche von 800 m² bezieht sich dabei nach Auffassung der erkennenden Kammer auf die Verkaufsflächen des Einkaufszentrums ohne Anrechnung der in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 genannten Einzelhandelsbetriebe (insbesondere Lebensmittelhandel etc). Ein weitergehender Anspruch auf unbeschränkte Öffnung des Einkaufszentrums selbst, mit einer Verkaufsflächenbegrenzung lediglich für die einzelnen Ladengeschäfte, steht der Antragstellerin hingegen nicht zu.
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d) Das Gericht ist zwar der Auffassung, dass sich die in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 3. BayIfSMV getroffene Verkaufsflächenbegrenzung bereits nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut auf das Einkaufszentrum als solches und damit auf die Einheit der verbundenen Einzelhandelsgeschäfte bezieht. In Bezug auf die dem jeweiligen Betreiber zur Verfügung stehende Verkaufsfläche sind jedoch die in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 der 3. BayIfSMV genannten Betriebe, die ohne Größenflächenbegrenzung öffnen dürfen, auszunehmen. Andernfalls würde die für Einkaufszentren geltende Verkaufsflächenbegrenzung auf 800 m² faktisch leerlaufen, sobald sich ein nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 der 3. BayIfSMV privilegiertes Ladengeschäft, z.B. größerer Lebensmittelhandel, befindet. Dies würde jedoch eine wesentliche Schlechterstellung von Einkaufszentren gegenüber Kaufhäusern des Einzelhandels darstellen, die keinen räumlich verbundenen Betrieb im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 der 3. BayIfSMV vorweisen und damit die ihnen nach der Verordnung zustehende Maximal-Verkaufsfläche anderweitig zur Verfügung stellen können. Insoweit läge eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung und unangemessene Benachteiligung von Einkaufszentren vor, da deren Wesen gerade in einer räumlichen Konzentration von Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe - zumeist in Kombination mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben - besteht (BVerwG, U.v. 27.4.1990 - 4 C 16.87 - juris Rn. 21 m.w.N.).
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Auch ist zu berücksichtigen, dass anders als von der Anziehungskraft eines Einkaufszentrums selbst, von in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 der 3. BayIfSMV genannten, an ein Einkaufszentrum angeschlossenen Betrieben gerade keine vergleichbare Sogwirkung ausgeht. Diese bedürfen daher bei einer - wie hier - nur zufälligen Ansiedlung in einem Einkaufszentrum gesonderter Betrachtung. Daher ist es im Wege einer verfassungskonformen Auslegung geboten, dass die Einkaufszentren zur Verfügung stehende Verkaufsfläche von maximal 800 m² unter Nichtberücksichtigung der in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 der 3. BayIfSMV genannten Einzelhandelsbetriebe zu erfolgen hat.
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e) Ohne Erfolg bleibt hingegen der weitergehende Antrag auf Feststellung, dass die Antragstellerin berechtigt ist, ihr Einkaufszentrum unter der Prämisse vollständig zu öffnen, dass jeder der im Einkaufszentrum vorhandenen Einzelgeschäfte eine Verkaufsfläche von maximal 800 m² für sich beansprucht.
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Diese von der Antragstellerin begehrte Einzelbetrachtung der in einem Einkaufszentrum gelegenen und mithin verbundenen Fachgeschäfte ist bereits nach dem Wortlaut von § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 der 3. BayIfSMV nicht geboten. Danach gilt u.a. für Einkaufszentren, dass höchstens 800 m² Verkaufsfläche geöffnet werden dürfen. In diesem Kontext steht auch die Ordnungswidrigkeitenvorschrift in § 9 Nr. 5 a) bb) der 3. BayIfSMV, wonach ordnungswidrig im Sinne des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig u.a. als Betreiber eines Einkaufszentrums die vorgeschriebene Begrenzung der Verkaufsfläche missachtet. Auch insoweit stellt die Verordnung unmissverständlich auf das Einkaufszentrum selbst ab. Dies erscheint in der Sache auch geboten, da das Einkaufszentrum einheitlich geplant wird und durch ein gemeinsames Konzept und Kooperation der einzelnen Betriebe untereinander gekennzeichnet ist. Es handelt sich hierbei um einen regelmäßig einheitlichen Gebäudekomplex, der auch infektionsschutzrechtlich einheitlicher Betrachtung bedarf. Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass von der verbundenen Einheit der jeweiligen Fachgeschäfte eine weit größere Sogwirkung auch überregionaler Natur ausgeht, als von einzelnen beispielsweise in einer Innenstadt gelegenen Ladengeschäften. Bei einem Einkaufszentrum erfolgt gerade eine beabsichtigte Konzentration von Einzelhandelsgeschäften verschiedenster Sparten mit gemeinschaftlich zur Verfügung gestellten zentralen, großräumigen Parkflächen und kurzen Laufwegen. Gerade diese Konzentration von einer Vielzahl von Fachgeschäften auf kleinräumiger Fläche und der damit verbundenen Nähe von Kunden gebietet die betroffene Regelung aus infektionsschutzrechtlicher Sicht.
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Mit der getroffenen Verkaufsflächenbegrenzung auf maximal 800 m² im Einkaufszentrum selbst ist auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Bayerische Verfassung (BV) verbunden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass auch größere Kaufhäuser, die sich ebenfalls häufig durch eine räumliche Verbundenheit von mehreren Verkaufssparten kennzeichnen, unter der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage der 3. BayIfSMV gehalten sind, maximal eine Verkaufsfläche von 800 m² zu öffnen. Derartige Kaufhäuser mit einer Vielzahl von in einem Gebäude verbundenen Sparten sind mit einem Einkaufszentrum durchaus vergleichbar. Auch insoweit kommt es zu einer räumlichen Konzentration von unterschiedlichen Angeboten, die aus infektionsschutzrechtlicher Sicht eine räumliche Begrenzung erfordert. Insoweit vermag das erkennende Gericht keine Ungleichbehandlung von Einkaufszentren gegenüber anderen größeren Kaufhäusern zu erkennen. Einzelhandelsgeschäfte in Innenstadtlagen, die für sich die Begrenzung auf 800 m² ausschöpfen können, sind bereits mit den einheitlich geplanten, sich durch eine räumliche Konzentration auszeichnenden Einkaufszentren nicht vergleichbar.
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3. Soweit der Antrag Erfolg hat, liegen auch Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor. Die der Antragstellerin ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung drohende Gefahr unzumutbarer und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigender Nachteile ergibt sich vorliegend im Hinblick auf die kurze Geltungsdauer der angegriffenen Regelung der 3. BayIfSMV, weshalb die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens ausgeschlossen erscheint. Zur Durchsetzung des in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes steht der Antragstellerin lediglich das gerichtliche Eilverfahren zur Verfügung.
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Nach den §§ 123 Abs. 3 VwGO, § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. Das Gericht ist daher nicht an den von der Antragstellerin gestellten Antrag gebunden. Zur Verdeutlichung des gewährten Rechtsschutzes wurde der Tenor abweichend vom Antrag der Antragstellerin formuliert.
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4. Dem Antrag war daher nur teilweise stattzugeben. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht erachtet insoweit die ausgesprochene Kostenaufhebung für angemessen.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verbindung mit Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage BayVBl Januar 2014). Da vorliegend auch in der Hauptsache Klage erhoben wurde, hat das Gericht den in der Hauptsache gebotenen Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG) im Verfahren vorläufigen Rechtschutzes halbiert.