Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 26.05.2020 – B 7 S 20.463
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen die coronabedingte Untersagung der Wiedereröffnung eines Bades

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
4. BayIfSMV § 11, § 21 Nr. 10
Leitsätze:
1. Von Anlagen, die verschiedene Elemente für den Publikumsverkehr beinhalten, geht gewöhnlich eine größere Anziehungskraft und damit auch eine größere Infektionsgefahr aus. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die infektionsschutzrechtliche Beurteilung derartiger gemischter Einrichtungen ist ihr Gesamtgepräge maßgeblich. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Insbesondere bei einem dynamisch sich entwickelnden Geschehen wie der Corona-Pandemie besitzt der Verordnungsgeber einen Gestaltungsspielraum zur rechtlichen Handhabung der Lage. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona, Sportstätte, Badeanstalt, Schließung, Gesamtgepräge, Gestaltungsspielraum
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10926

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Untersagung der Wiedereröffnung des von ihr betriebenen … durch das Landratsamt … Die Antragstellerin ist Betreiberin des … in … Dieses ist infolge der Corona-Pandemie derzeit geschlossen. Mit Pressemitteilung und Presseeinladung vom 20.05.2020 kündigte sie an, das … am 21.05.2020 im Außenbereich unter Beachtung eines Hygieneplans mit Haus- und Badeordnung wieder zu eröffnen. Eingelassen würden nur Bürger aus der Stadt und dem Landkreis … Der Zugang sei auf 800 Personen beschränkt, Abstandsregelungen müssten stets eingehalten werden. Die Umkleiden würden geschlossen bleiben. Auch in den Schwimmbecken seien Zugangsbeschränkungen zu beachten. Ein Biergarten zum Verkauf von Getränken sei vorhanden.
2
Gemäß dem „Pandemieplan … - Betrieb als Sport- und Spielstätte unter den Bedingungen einer Pandemie“ sollten im Außenbereich des … im Wesentlichen die Hygienemaßnahmen des „DGfdB Fachberichts Pandemieplan Bäder“ (abrufbar unter: https://www.baederportal.com/aktuelles/) umgesetzt werden. Konkretisiert wurde der Pandemieplan im Hinblick auf die Gegebenheiten am … insbesondere hinsichtlich der von der Öffnung umfassten Becken und der pro Becken zugelassenen Personenzahlen. Im Einzelnen sollten ein Warmbecken außen, ein Saunabecken außen, ein Erlebnisbecken außen, die Kinderbecken 1 und 2, das Schwimmerbecken außen sowie das Nichtschwimmerbecken außen in Betrieb genommen werden. Von der Wiedereröffnung umfasst sollte auch die ca. 20.000 m² große Liegewiese sein. Als weitere Maßnahmen für das … waren unter anderem zusätzliche Desinfektionsmittelspender - auch für mitgebrachte Liegen und Kinderwägen -, Zugang zu den Beckenbereichen mit Einbahnstraßensystem, keine Liege- und Sitzgelegenheiten im Beckenbereich, Abtrennung des Kinderbereichs u.Ä. vorgesehen. Die Attraktionen (Sprudelliegen, Wasserpilze usw.) sollten nur im Kinderbecken angeschaltet werden. In einer „Pandemie-Ergänzung“ zur Haus- und Badeordnung wurde nochmals auf Abstandsregelungen, Hygienevorschriften und die Zugangsbeschränkungen hingewiesen.
3
Aus der Presseeinladung erfuhr das Landratsamt … am 20.05.2020 von der geplanten Wiedereröffnung und untersagte mit Bescheid vom selben Tag (Az. …) die Wiedereröffnung des Bades (Ziffer 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung wurde angeordnet (Ziffer 2) und für den Fall der Nichtbefolgung der unmittelbare Zwang angedroht (Ziffer 3).
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Zur Begründung verwies das Landratsamt darauf, dass der Betrieb von Badeanstalten durch § 11 der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) untersagt sei. Ein Verstoß hiergegen sei eine Ordnungswidrigkeit gem. § 21 Nr. 10 4. BayIfSMV. Diese sei im Wege der auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) gestützten Untersagung zu verhüten. Beim Betrieb der Badeanstalt sei davon auszugehen, dass in stärkerem Maße Abstandsregelungen verletzt würden und Infektionsketten schwerer nachzuverfolgen seien. Selbst eine Öffnung unter Auflagen sei derzeit nicht möglich. Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Gesundheitsgefahren überwiege daher in der Abwägung die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an einer Öffnung des Bades. Die sofortige Vollziehung der Untersagung sei anzuordnen, weil ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung aufgrund der von der Öffnung des Bades ausgehenden negativen Vorbildwirkung zur Folge hätte, dass auch weitere derzeit geschlossene Einrichtungen öffnen könnten. Durch die 4. BayIfSMV sollten aber gerade Einrichtungen, bei denen ein besonderes Infektionsrisiko zu besorgen sei, noch geschlossen bleiben. Die durch eine Öffnung derartiger Einrichtungen verbundenen erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Personen würden ein sofortiges Einschreiten erforderlich machen.
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Mit am Freitag, den 22.05.2020 gegen 16:30 Uhr beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin zugleich Klage gegen den Bescheid vom 20.05.2020 erhoben, mit der sie beantragt, diesen aufzuheben (Az. B 7 K 20.464), und Eilantrag eingelegt, mit dem sie beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird wiederhergestellt.
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Zur Begründung führt sie aus, die Wiedereröffnung habe zum 21.05.2020 nur sehr eingeschränkt erfolgen sollen. Der komplette Innenbereich solle gesperrt bleiben, ebenso der Saunabereich. Geöffnet werde nur der Außenbereich mit den Einschränkungen, die sich unter anderem aus dem Pandemieplan … ergäben. Durch den angegriffenen Verwaltungsakt werde die Antragstellerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), Art. 11 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung (BV) und Art. 7 der Gemeindeordnung (GO) verletzt. Es handle sich beim … nicht um eine Badeanstalt im Sinne des § 11 4. BayIfSMV. Eine „Badeanstalt“ umfasse keine Bäder unter ausschließlich freiem Himmel, wie sich aus der Zusammenschau mit den sonstigen angeführten Einrichtungen ergebe. Sämtliche Einrichtungen des … seien isoliert betrachtet und in der Gesamtschau zulässig. Die Liegewiese entspreche einem Park. Die Gastronomie sei wie jede andere Gastronomie zu behandeln. Der Kleinkinderbereich unterscheide sich nur durch einen Wasserlauf und ein kleines flaches Becken von einem durchschnittlichen Spielplatz und sei einem solchen gleichzustellen. Hinsichtlich der Schwimmbecken seien die Voraussetzungen für einen Sportbetrieb nach § 9 4. BayIfSMV erfüllt. Namentlich sei der Begriff des Trainingsbetriebs umfassend auch für den Breiten- und Freizeitbereich zu verstehen. Er reiche vom Profischwimmer bis zu kleinen Kindern. Je nach individueller Konstitution könne auch das Tauchen oder Gehen im Wasser wie auch das Werfen und Fangen von Bällen als Sport betrachtet werden. Die Kriterien des § 9 Abs. 1 Satz 2 4. BayIfSMV würden gänzlich eingehalten (wird weiter ausgeführt). In die Abwägung einzustellen sei, dass in gechlortem Wasser Viren verdünnt und abgetötet würden. Sportschwimmer würden unter Wasser ausatmen, sodass Viren aus dem Rachenraum gar nicht an die Luft kommen könnten. Die Personenbegrenzung bliebe weit unter der rechnerisch zulässigen Zahl. Zudem gebe es im Landkreis … nur sehr wenige Neuinfektionen. Ferner gebe es Personengruppen, die auf Wasser angewiesen seien, um sich körperlich betätigen zu können. Im … sei das Baden abgesichert, anders als an unbeaufsichtigten Gewässern. Das Technische Hilfswerk, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft und die Wasserwacht hätten keine andere Trainingsmöglichkeit. Denkbar sei auch die Wiedereröffnung unter Auflagen, z.B. die Beschränkung auf das Schwimmerbecken und den Kinderspielplatz oder Schwimmkurse. Deshalb sei die Untersagung unverhältnismäßig. Sollte die 4. BayIfSMV eine solche Differenzierung nicht zulassen, stelle sich die Frage, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Insbesondere zwischen Frei- und Hallenbädern müsse unterschieden werden. Für den Zeitraum über den 29.05.2020 hinaus fehle es zudem an einer Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid, auch wenn davon auszugehen sei, dass der Antragsgegner diesen aufheben würde, sollte keine entsprechende Rechtsgrundlage fortgelten. Die Begründung des Sofortvollzugs greife nicht, da aufgrund der getroffenen Vorkehrungen bei der Öffnung des … und der sehr niedrigen Infektionszahlen im Raum … gerade kein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe.
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Mit Schriftsatz vom 25.05.2020 beantragt das Landratsamt … für den Antragsgegner,
den Antrag ablehnen.
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Die Voraussetzungen für die Untersagung seien gegeben, weil es sich beim … um eine Badeanstalt handele, welche derzeit gem. § 11 4. BayIfSMV noch geschlossen seien. Der Betrieb einer solchen Einrichtung sei eine Ordnungswidrigkeit, die es zu verhindern gelte. Auch Bäder unter freiem Himmel seien Badeanstalten im Sinne der Norm. Der Verordnungsgeber habe bewusst zwischen Hallenbädern und sonstigen nicht differenziert. Dies habe er zwar an anderen Stellen der 4. BayIfSMV, aber gerade nicht in Bezug auf Badeeinrichtungen getan. Ziel der Verordnung sei es, Einrichtungen zu schließen, bei denen wegen eines höheren Besucheraufkommens größere Infektionsgefahren bestünden. Eine Aufspaltung in Einzelbereiche liefe dem zuwider. Freizeiteinrichtungen sollten derzeit in ihrer Gesamtheit geschlossen bleiben. Ausnahmen seien nicht möglich. Eine analoge Anwendung des § 9 4. BayIfSMV scheide aus, weil dieser nur den Trainingsbetrieb für Individualsportarten regle. Bei den vorgesehenen 800 Gästen sei dies nicht der Fall. Zudem sei der Einlass nicht auf den Trainingsbetrieb beschränkt. Die Öffnung einer Freizeitanlage nicht nur zum Schwimmen, sondern auch zum Verzehr von Speisen und Spielen von Kindern erhöhe die Infektionsgefahr erheblich und werde derzeit noch als zu gefährlich eingeschätzt. Bei einer Öffnung sehe man eine unmittelbare Gefahr für Neuinfektionen. Dies gelte umso mehr, da die Antragstellerin eine Prüfung des Hygienekonzeptes im Vorfeld zeitlich nicht ermöglicht habe. Eine Befristung des Bescheids sei nicht vorgenommen worden, weil die jeweilige BayIfSMV immer nur eine beschränkte Geltungsdauer habe. Sollte sich die Regelung der BayIfSMV ändern und eine Öffnung der Badeanstalten zulassen, werde das Landratsamt den Bescheid unverzüglich aufheben.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren B 7 K 20.464 und B 7 S 20.463 verwiesen.
II.
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1. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
11
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung hat es zum einen zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit dem Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 genügt, zum anderen hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.
12
a) Die Begründung der Sofortvollzugsanordnung ist nicht zu beanstanden. Das Landratsamt verwies zur Begründung der besonderen Eilbedürftigkeit im Wesentlichen auf die negative Vorbildwirkung des … als Betrieb mit besonderem Infektionsrisiko und die vorrangige Abwehr drohender Gesundheitsgefahren sowie das bei Anordnung der Untersagung unmittelbar bevorstehende „Anschwimmen“ und die darauffolgende geplante Öffnung für die Öffentlichkeit. Damit hat es hinreichend einzelfallbezogene Gründe angeführt.
13
b) Das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, weil nach summarischer Prüfung die Hauptsacheklage erfolglos bleiben wird.
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aa) Streitgegenständlich ist der Bescheid des Landratsamts … vom 20.05.2020 - Az. … Die Untersagung in Ziffer 1. des Bescheids stützt sich auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. § 11 und § 21 Nr. 10 4. BayIfSMV. Dem liegt die geplante Wiedereröffnung des … in … durch die Antragstellerin als Betreiberin zum 21.05.2020 in der Gestalt zugrunde, wie sie öffentlichkeitswirksam der Presse und auch dem Landratsamt … gegenüber angekündigt und im Pandemieplan und der Pandemie-Ergänzung näher konkretisiert wurde. In dem Bescheid vom 20.05.2020 äußerte sich das Landratsamt insbesondere nicht zu der Frage der generellen Möglichkeit und Ausgestaltung einer Wiedereröffnung des … im Sinne eines zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses. Sondern es untersagte die Wiedereröffnung dergestalt, wie von der Antragstellerin angekündigt und unmittelbar zeitlich bevorstehend. Nur zur Rechtmäßigkeit der Untersagung der Wiedereröffnung in diesem konkreten Einzelfall verhält sich demgemäß auch die beschließende Kammer. Es ist insbesondere nicht Gegenstand dieser Entscheidung, ob eine isolierte Öffnung z.B. nur der Grünflächen oder nur eines Schwimmbeckens ausschließlich als Trainingsmöglichkeit für Sportvereine, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft o.Ä. zulässig wäre.
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bb) Maßgeblich zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Wiedereröffnung ist das Gesamtgepräge des … in der Gestalt, in der die Wiedereröffnung beabsichtigt ist. Eine Aufspaltung der zu öffnen beabsichtigten Gesamteinrichtung in einzelne Elemente wie die Gastronomie, Liegewiesen und einzelne Becken ist nicht sachgerecht. Denn Sinn und Zweck der 4. BayIfSMV ist es, die unterschiedlich große Infektionsgefahr, die von verschiedenen Einrichtungen und Anlagen ausgeht, so weit als möglich differenziert zu betrachten. Von Anlagen, die verschiedene Elemente für den Publikumsverkehr beinhalten, geht gewöhnlich eine größere Anziehungskraft aus. Das gleichzeitige Angebot verschiedener Aufenthaltsbereiche auf größerer Fläche sorgt für ein höheres Gästeaufkommen, mehr Personenfluss und Interaktion. Daraus resultiert eine höhere Infektionsgefahr als bei getrennten Einzelanlagen. Die Öffnung des … soll als Gesamtkomplex bestehend aus sieben Außenbecken, Liegewiesen, einem Bistrobereich und Sportplätzen erfolgen. Die Bereiche sollen weder räumlich noch organisatorisch voneinander getrennt sein; Gäste können sich darin frei bewegen. Damit bewertet sich die von der Gesamtanlage ausgehende Infektionsgefahr anders als z.B. bei einer reinen Außengastronomie.
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Das Gesamtgepräge des … nach dem Wiedereröffnungskonzept charakterisiert dieses als Badeanstalt im Sinne des § 11 4. BayIfSMV. „Badeanstalten“ sind demnach den Freizeiteinrichtungen zugeordnet. Sie ergänzen die ebenso in § 11 aufgeführten Thermen und Wellnesseinrichtungen um das nicht primär der Gesundheit und dem körperlichen Wohlbefinden, sondern dem Vergnügen und der Freizeitgestaltung dienende Schwimmen und Baden. Dass daneben im … auch Sportvereine, das Rote Kreuz oder die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft ihr Schwimmtraining absolvieren können, führt nicht zu einer Einordnung als Sportstätte gem. § 9 4. BayIfSMV. Denn hierunter fallen nur Anlagen, die zumindest vorrangig für den Sportbetrieb bestimmt sind. Zudem ist auch diesbezüglich eine Öffnung allenfalls ausnahmsweise zugunsten des Trainingsbetriebes zulässig (§ 9 Abs. 1 Satz 2 4. BayIfSMV). Jedenfalls an der Ausschließlichkeit fehlt es hier. Dass die Wiederöffnung des Schwimmerbeckens des … für den Trainingsbetrieb Teil der geplanten Wiedereröffnung ist, führt nicht dazu, dass das Gesamtvorhaben an § 9 4. BayIfSMV zu messen wäre. Ebensowenig führt die vorhandene Bewirtung zur Einordnung der Gesamtanlage als Gastronomie oder die vorhandenen Liegewiesen als Park. Entscheidend ist vielmehr der Gesamteindruck des Bades und des Badebetriebes in der angestrebten Form.
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Den Rahmenbedingungen der hier konkret beabsichtigten Wiedereröffnung nach ist das Freizeitbaden dem Schwimmsportbetrieb zumindest gleichrangig. Das ergibt sich zwar noch nicht aus der medienwirksamen Ankündigung der Wiedereröffnung durch die Pressemitteilung und die Presseeinladung vom 20.05.2020. Demnach sollte die „Sport- und Spielstätte“ … als „Sportstätte“ wiedereröffnet werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass Personen, die im Wasser Sport treiben oder ihre Kinder im Wasserspielbereich spielen lassen möchten, sich ausweisen müssten. Durch den örtlichen Schwimmsportverein sollte ein „Anschwimmen“ veranstaltet werden. Diese Selbsteinschätzung durch die Antragstellerin ist aber nicht ausschlaggebend. Vielmehr bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, die nahelegen, dass der Freizeitbereich einen ebensogroßen Anteil am Badebetrieb einnehmen sollte oder jedenfalls effektiv einnehmen würde, wie der Schwimmsportbetrieb. Wesentliches Indiz hierfür ist der Pandemieplan … Dieser sieht bereits dem Untertitel nach den Betrieb des … als Sport- und Spielstätte vor. Insbesondere werden darin die Becken im Außenbereich, die den Badegästen zugänglich gemacht werden sollen, im Einzelnen aufgeführt. Das größte Einzelbecken ist zwar mit 843,7 m² das Außenschwimmerbecken. Allerdings entfallen ebenfalls über 800 m² auf die sechs weiteren Becken, namentlich Erlebnis-, Sauna- und Nichtschwimmerbecken. Auch wenn ausweislich des Maßnahmenkatalogs des Pandemieplans … die Attraktionen (z.B.Sprudelliegen) nur im Kinderbecken in Betrieb genommen werden sollten, werden durch die verschiedenen Außenbecken bewusst Aufenthaltsgelegenheiten geschaffen, die allein dem Verweilen zur Freizeitgestaltung dienen. Dieser Zwecksetzung entspricht auch, dass durch die Zugänglichmachung der Liegewiesen und die Öffnung der Gastronomie zusätzliche Anreize geschaffen werden, sich im … länger als nur für die Trainingsdauer aufzuhalten. Dass dies durch die Antragstellerin bewusst erfolgte, ergibt sich daraus, dass für mitgebrachte Liegen etc. extra eine Flächendesinfektionsstation angebracht werden sollte (vgl. Punkt 1 des Maßnahmenkatalogs für das … gem. Pandemieplan). Auch geht aus dem Wiedereröffnungskonzept nicht hervor, dass der Einlass - auch nur zeitweise - auf Sport- oder Trainingsgruppen beschränkt wäre. Vielmehr soll das Bad jedem Stadt- und Landkreisbürger zugänglich sein, unabhängig davon, ob der Besuch zu Trainingszwecken, zur Erholung oder zum Freizeitvergnügen erfolgt. Ein gewisser sportlicher Nebeneffekt auch beim Tauchen oder Gehen im Wasser sowie z.B. beim Werfen und Fangen von Bällen mag zwar bestehen, jedoch führt dies nicht - wie die Antragstellerin meint - dazu, dass diese Tätigkeiten in den Freizeitbecken als „Trainingsbetrieb“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 2 4. BayIfSMV einzuordnen wären. Vielmehr ist bei lebensnaher Betrachtung einziger oder jedenfalls ganz vorrangiger Zweck dieser Tätigkeiten das damit verbundene Freizeitvergnügen.
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Ebensolche, zumindest auch der Vergnügung dienenden Badeanlagen sind von dem Verbot nach § 11 4. BayIfSMV umfasst. Eine Einschränkung des Geltungsbereichs auf Hallenbäder ist weder dem Wortlaut, noch dem erkennbaren Sinn und Zweck der Norm, möglichst umfassenden Gesundheits- und Infektionsschutz durch Schließung von Vergnügungsstätten zu ermöglichen, zu entnehmen. So umfasst der Tatbestand z.B. auch Freizeitparks, die ebenso unter freiem Himmel liegen.
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cc) Von der Schließung der Badeanstalten, zu denen auch das … zu zählen ist, sieht § 11 4. BayIfSMV keine Ausnahmeregelung vor. Insbesondere ist auch die Öffnung unter Auflagen nicht möglich. Das Landratsamt war weder gehalten, noch war es berechtigt, durch Auflagen das Gesamtgepräge des Bades so zu verändern, dass es sich als gänzlich anderer Anlagentyp dargestellt hätte, als von der Antragstellerin als Betreiberin beabsichtigt. Dieser hätte es freigestanden, im Vorfeld ergebnisoffen an das Landratsamt heranzutreten und nicht ein feststehendes Öffnungskonzept zu präsentieren. Der drohende Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit gem. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG, § 11 und § 21 Nr. 10 4. BayIfSMV durch die konkret geplante, angekündigte und unmittelbar bevorstehende Wiedereröffnung des … war mithin ermessensfehlerfrei nur durch die Untersagung der Wiedereröffnung in dieser Form abzuwenden. Diese Entscheidung war insbesondere in Ermangelung eines milderen Mittels auch nicht unverhältnismäßig.
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dd) Daraus resultieren keine Zweifel an der Vereinbarkeit von § 11 4. BayIfSMV mit höherrangigem Recht. Insbesondere bei einem dynamisch sich entwickelnden Geschehen wie der Corona-Pandemie besitzt der Verordnungsgeber einen Gestaltungsspielraum zur rechtlichen Handhabung der Lage. Der Reaktion auf die sich laufend verändernde Situation mit (materiellen) Gesetzen ist es immanent, dass die Anpassung der Rechtslage nur stufenweise erfolgen kann. Auch wenn - gerade kurz vor Ende der Geltungsdauer der 4. BayIfSMV - die tatsächlichen Gegebenheiten womöglich keine weitere Schließung mancher Anlagen erfordern sollten, so widerspricht es jedenfalls nicht offenkundig dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sich der Verordnungsgeber im Rahmen des ihm durch § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eingeräumten Spielraums mit der 4. BayIfSMV für die Zeit bis zum Ablauf des 29.05.2020 zu den gewählten Maßnahmen entschieden hat. Die darin im Vergleich zu den Vorgängerregelungen enthaltenen, schritt- und bereichsweisen Lockerungen sind erkennbar darauf gerichtet, die Freiheitsbeschränkungen soweit wie möglich zu begrenzen und zugleich die Anzahl der Neuinfektionen weiter zu verringern. Der Normgeber darf besonders bei Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen; Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl. BayVerfGH, B.v. 15.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 12 m.w.N.). Daher ist die dem § 11 4. BayIfSMV zugrundeliegende Annahme, bei Freizeiteinrichtungen der aufgeführten oder einer vergleichbaren Art komme es typischerweise zu vermehrten Kontakten zwischen zahlreicheren Personen als bei anderen Einrichtungen, jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Allen explizit in § 11 Satz 1 4. BayIfSMV genannten Einrichtungen ist gemein, dass sie der Freizeitgestaltung einer Mehrzahl von Personen dienen, die sich gemeinsam bzw. gleichzeitig dort aufhalten. Dieser gleichzeitige oder nicht vollständig kontrollierbare Aufenthalt einer größeren Zahl von Personen zum Zwecke der Freizeitgestaltung soll im Interesse des auch mit der 4. BayIfSMV weiterhin verfolgten Gebots der Kontaktreduzierung vermieden werden (VG München, B.v. 11.5.2020 - M 26 E 20.1851 - juris Rn. 29).
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ee) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung in Ziffer 3 des Bescheids, die gemäß Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, sind nicht ersichtlich; diesbezüglich hat die Antragstellerin auch nichts vorgetragen.
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c) Der Antrag ist trotz Außerkrafttretens der 4. BayIfSMV zum 30.05.2020 insgesamt abzulehnen. Die Untersagung der Wiedereröffnung kann zwar rechtmäßigerweise Geltung grundsätzlich nur für denjenigen Zeitraum entfalten, in dem auch die materiell zugrundeliegende 4. BayIfSMV Geltung besitzt. Ob über deren Geltungszeitraum hinaus - mithin ab dem 30.05.2020 - die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vorliegen werden, ist angesichts der dynamischen Entwicklung der Pandemie und des weiten Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers jedoch noch völlig offen. Wie die weiteren Schritte in der rechtlichen Handhabe der Pandemie aussehen werden, ist für die beschließende Kammer nicht ohne weiteres ersichtlich. Jedoch hat die Antragstellerin bereits mit dem Antragsschriftsatz zu verstehen gegeben, dass sie von der unverzüglichen Aufhebung des Bescheids in dem Fall ausgeht, dass das Verbot von Badeanstalten in der geplanten Form nicht weiter verlängert werden sollte. Das Landratsamt hat seine Bereitschaft hierzu in der Antragserwiderung nochmals ausdrücklich bestätigt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei Nichtverlängerung der Schließungsanordnung das Verbot der Wiedereröffnung nicht umgehend aufgehoben werden würde. Hilfsweise - auch wenn für dessen Notwendigkeit keinerlei Anhaltspunkte bestehen - stünde der Antragstellerin überdies das Abänderungsverfahren gem. § 80 Abs. 7 VwGO offen. Zudem ist das Interesse der Antragstellerin an einer - womöglich nur zeitweisen und überdies nach eigenen Angaben unwirtschaftlichen - Wiedereröffnung des Bades bis zur Klärung der Rechtslage nach dem 29.05.2020 nachrangig zu dem überragend wichtigen Gemeingut des Gesundheitsschutzes. Etwaige - nicht zu erwartende - zeitliche Verzögerungen bei der Aufhebung des Bescheids zulasten der Antragstellerin sind deshalb eher hinzunehmen als die einstweilige Öffnung und das damit verbundene Infektionsrisiko bis zur Klärung der Rechtslage. Nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ist deshalb der Antrag trotz Außerkrafttretens der 4. BayIfSMV mit Ablauf des 29.05.2020 insgesamt abzulehnen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.