Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 19.05.2020 – AN 18 E 20.00921
Titel:

Ablehnung der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung

Normenketten:
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Nr. 7, § 114 S. 1, § 123 Abs. 1 S. 2
BayIfSMV § 12 Abs. 1 S. 3, S. 4
BayIfSMV § 5 4.
ZPO § 920 Abs. 2
IfSG § 1 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die gewerberechtliche Beurteilung eines Marktes ist abzugrenzen zu der infektionsschutzrechtlichen Einordnung nach der 4. BayIfSMV. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausschlaggebend für die Annahme einer Veranstaltung i.S.d. 4. BayIfSMV kann der "Eventcharakter" des Vorhabens sein. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im verwaltungsgerichten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes  Eilverfahren vordringlich können nur die Einwände berücksichtigt werden, die von dem Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebracht werden, es sei denn, dass sich andere Fehler bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Liegt dem geltend gemachten materiellen Anspruch eine Ermessensvorschrift zugrunde, wird der Erlass einer einstweiligen Anordnung daher regelmäßig nur im Fall einer Ermessensreduktion auf Null in Betracht kommen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die grundrechtlich verbürgte Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann den Erlass einer einstweiligen Anordnung auch jenseits von derartigen Ermessensverdichtungen erforderlich machen, und zwar dann, wenn die Ablehnung der begehrten Entscheidung als ermessensfehlerhaft anzusehen ist und eine erneute - fachgerechte - Ausübung des Ermessens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zugunsten des Antragstellers ausgehen wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
6. Bei der Erteilung einer infektionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung sind die grundrechtlich geschützten Interessen des Betroffenen gegen das Ziel des Infektionsschutzrechts abzuwägen und zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Die Wahrung der Belange des Infektionsschutzes wird dabei in erster Linie von der Ausarbeitung und praktischen Umsetzung eines tauglichen Infektionsschutzkonzepts abhängig sein. Fehlt es an einem solchen Konzept oder ist dessen Umsetzung nicht gesichert, wird die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung regelmäßig ausscheiden müssen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
zum Begriff des „Marktes“ im Sinne der 4. BayIfSMV, Ablehnung der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 5 Satz 2 4. BaylfSMV zur Durchführung eines Spezialmarkts für Pflanzen und Gartenartikel, Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund, Ausnahmegenehmigung, Feststellungsklage, Sinn und Zweck, Verpflichtungsklage, Versorgung, Spezialmarkt, Pflanzen und Gartenartikel
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10881

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Antragstellers, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass es sich bei den … Gartentagen im Schloss … vom 21. - 24. Mai 2020 um einen Markt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 4. BayIfSMV handelt,
hilfsweise:
im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 5 Satz 2 4. BayIfSMV für den von ihm organisierten Spezialmarkt „…“ vom 21. - 24. Mai 2020 zu erteilen, hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.
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1. Der Hauptantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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a) Der von dem Antragsteller erhobene Hauptantrag ist als Feststellungsantrag im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft, weil der Antragsteller sein Begehren in der Hauptsache im Wege der Feststellungsklage verfolgen kann. Dabei liegt entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch ein streitiges Rechtsverhältnis vor, da der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller mit E-Mails vom 28. April 2020 und 11. Mai 2020 ausdrücklich kommuniziert hat, dass es sich nach seiner Auffassung bei den … … Gartentagen nicht um einen Markt handelt, der in § 12 Abs. 1 Satz 3 4. BayIfSMV aufgeführt ist. Somit steht zwischen den Beteiligten in Streit, ob es sich bei den geplanten … Gartentagen um einen Markt im Sinne der 4. BayIfSMV handelt.
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b) Der Antrag ist unbegründet, da es sich nach summarischer Prüfung des Gerichts bei den streitgegenständlichen … Gartentagen nicht um einen Markt im Sinne der 4. BayIfSMV handelt, sondern um eine Veranstaltung, welche in § 5 4. BayIfSMV geregelt ist.
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Dabei ist zu beachten, dass die gewerberechtliche Beurteilung eines Marktes abzugrenzen ist zu der infektionsschutzrechtlichen Einordnung nach der 4. BayIfSMV. Bei der Auslegung des Begriffs des „Marktes“ im Rahmen der 4. BayIfSMV ist insbesondere der Sinn und Zweck der 4. BayIfSMV zu berücksichtigen. Rechtsgrundlage der Verordnung ist § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Sinn und Zweck auch der 4. BayIfSMV ist der Schutz der Bevölkerung (Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit) vor den hoch infektiösen Covid-19 Erkrankungen, also die Verhinderung der Weiterverbreitung der übertragbaren Krankheit durch die Unterbrechung von Infektionsketten. Demgegenüber geht es im Rahmen der Gewerbeordnung um Regelung der Gewerbefreiheit, insoweit auch um regulatorische Anforderungen, die in die betriebliche Organisation und Verfahrensabläufe der Gewerbetreibenden hineinreichen (vgl. hierzu Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 83. EL Dezember 2019, Einleitung, Rn. 2), sowie um Marktfreiheit und Gewährung von Marktprivilegien (vgl. Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 83. EL Dezember 2019, Vorbemerkung zu Titel IV, Rn. 10). Es liegen damit unterschiedliche Regelungen vor, welche auch gänzlich unterschiedliche Zielrichtungen aufweisen. Hinzu kommt, dass die Regelung § 12 Abs. 1 Satz 3 4. BayIfSMV, auf die der Antragsteller Bezug nimmt, wie aus der Überschrift ersichtlich ist, Handels- und Dienstleistungsbetriebe regelt. D. h. es geht hier vorrangig um Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung dienen. Die hier vorliegenden streitgegenständlichen … Gartentage müssten sich also auch hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Ausrichtung mit diesen Betrieben vergleichen lassen.
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Unter Berücksichtigung oben genannter Maßstäbe handelt es sich bei den vorliegenden … Gartentagen nicht um einen Markt im Sinne der 4. BayIfSMV, sondern vielmehr um eine Veranstaltung.
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Hierbei ist insbesondere die Art und Weise der geplanten … Gartentage entscheidend. Anders als die vom Antragsteller genannten Märkte (z.B. Viktualienmarkt), die den Kunden dauerhaft bzw. in regelmäßig wiederkehrenden Abständen an mehreren Tagen die Woche zur Verfügung stehen, handelt es sich bei den … Gartentagen des Antragstellers um ein singuläres Ereignis, welches einmal jährlich und dieses Jahr an vier Tagen vom 21. - 24. Mai 2020 stattfindet. Bei der Veranstaltung steht - ebenso entgegen der genannten Märkte - der „Eventcharakter“ und nicht der „Versorgungscharakter“ im Vordergrund, da die … Gartentage nicht etwa rein auf den Verkauf von Gartenpflanzen, -möbeln, -geräten, Dekorationsartikeln und Accessoires (vgl. den vorgelegten Antrag auf Festsetzung, § 69 der Gewerbeordnung) beschränkt sind, sondern den Besuchern vielmehr ein ganzheitliches Unterhaltungskonzept bieten sollen, wodurch auch der vorgesehene Eintrittspreis von 15 EUR pro Person gerechtfertigt wird. Dies wird dadurch bestätigt, dass die … Gartentage ursprünglich auch mit Konzerten - wie wohl auch in den Vorjahren - geplant waren. Zudem gibt es ein Gastronomieangebot, welches „to go“ angeboten wird. Darüber hinaus stehen auf dem Gelände noch ein Oldtimermuseum und ein Schlossladen zur Verfügung (vgl. „Übersichtsplan Gartentage 2020“), wodurch weiter von dem Charakter eines Marktes abgewichen wird. Der Aufenthalt der Besucher auf dem Veranstaltungsgelände ist damit - anders als bei z.B. Gärtnereien und Wochenmärkten - nicht auf die Durchführung einzelner Verkaufsvorgänge beschränkt. Eben dieser „Eventcharakter“ begründet auch unter Berücksichtigung oben genannter Gesichtspunkte des Infektionsschutzrechts die Einordnung als Veranstaltung.
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2. Auch der zulässige Hilfsantrag ist nicht begründet.
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a) Der von dem Antragsteller erhobene Antrag ist im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft, weil der Antragsteller sein Begehren in der Hauptsache im Wege der Verpflichtungsklage verfolgen kann. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 5 Satz 2 4. BayIfSMV wurde mit E-Mail des Antragsgegners vom 13. Mai 2020 abgelehnt, weshalb nun die Verpflichtung zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung in Streit steht.
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b) Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Dabei hat der Antragsteller sowohl die Dringlichkeit (Anordnungsgrund) wie auch das Bestehen eines Anspruchs (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf das Gebot eines wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gilt dieses sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn dem Antragsteller ohne einstweilige Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache ho-he Erfolgsaussichten prognostiziert werden können.
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Da vorliegend eine stattgebende Entscheidung im Ergebnis auf eine Vorwegnahme der Hauptsache - die Verpflichtung des Antragsgegners eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 5 Satz 2 4. BayIfSMV für die 21. … Gartentage zu erteilen - hinauslaufen würde, beurteilt sich die Begründetheit des Antrags nach den vorgenannten strengen Voraussetzungen.
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Überdies kann ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das nur vorläufigen summarischen Charakter hat, nicht Ersatz für das Verfahren der Hauptsache sein, welches in erster Linie den Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt. Mit Blick auf diese Zielsetzung können im Eilverfahren vordringlich nur die Einwände berücksichtigt werden, die von dem Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebracht werden, es sei denn, dass sich andere Fehler bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen (vgl. OVG NRW, B.v. 26.1.1999 - 3 B 2861/97 - juris Rn.4).
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Insoweit ist es zunächst von Bedeutung, dass gem. § 5 Satz 1 4. BayIfSMV Veranstaltungen, Versammlungen und Ansammlungen landesweit untersagt sind. Lediglich gem. § 5 Satz 2 4. BayIfSMV können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Dieser Wortlaut hat durch die Verordnung zur Änderung der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 14. Mai 2020 keine Änderung erfahren. Die 4. BayIfSMV gilt daher in den für dieses Verfahren maßgeblichen Vorschriften bis 29. Mai 2020 unverändert vor (vgl. § 1 Nr. 6 der Verordnung zur Änderung der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 14. Mai 2020). Die eingeräumte Möglichkeit zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen von dem Veranstaltungs-, Versammlungs- und Ansammlungsverbot des § 5 Satz 1 4. BayIfSMV begründet jedoch keinen gebundenen Anspruch der betroffenen Personen, sondern die Erteilung steht nach dem eindeutigen Wortlaut („können“) im Ermessen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde. Auch im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung muss daher die gerichtliche Überprüfungskompetenz dem Grunde nach darauf beschränkt sein, ob die von der Behörde getroffene Entscheidung die durch § 114 Satz 1 VwGO gesetzten Grenzen wahrt. Liegt dem geltend gemachten materiellen Anspruch eine Ermessensvorschrift zugrunde, wird der Erlass einer einstweiligen Anordnung daher regelmäßig nur im - hier nicht einschlägigen - Fall einer Ermessensreduktion auf Null in Betracht kommen (vgl. BVerwG, B.v. 16.8.1978 - 1 WB 112.78 - BVerwGE 63, 110/112; BayVGH, B.v. 12.9.1990 - 12 CE 90.1602 - NVwZ-RR 1991, 441/442).
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Die grundrechtlich verbürgte Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann den Erlass einer einstweiligen Anordnung aber auch jenseits von derartigen Ermessensverdichtungen erforderlich machen. Nach einer verbreiteten Ansicht soll der Erlass einer einstweiligen Anordnung namentlich dann in Betracht kommen, wenn die Ablehnung der begehrten Entscheidung als ermessensfehlerhaft anzusehen ist und eine erneute - fachgerechte - Ausübung des Ermessens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zugunsten des Antragstellers ausgehen wird (VGH BW, B.v. 24.11.1995 - 9 S 3100/95 - juris Rn. 3; B.v. 15.9.1999 - 9 S 2178/99 - juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 11.6.2008 - 4 ME 184/08 - juris Rn. 5; Schoch/Schneider/Bier/Schoch, 37. EL Juli 2019, VwGO, § 123 Rn. 161b). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung knüpft dabei stets an eine fehlerhafte Ausübung des behördlichen Ermessens an. Für die Ermittlung von Ermessensfehlern gelten aber auch insoweit die allgemeinen Grundsätze des § 114 Satz 1 VwGO, d.h. das Gericht überprüft nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. VGH BW, B.v. 24.11.1995 - 9 S 3100/95 - juris Rn. 6; SächsOVG, B.v. 24.2.2009 - 2 B 4/09 - juris Rn. 9). Ergibt die gerichtliche Prüfung, dass ein Ermessensfehler nicht vorliegt, fehlt es am Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Schoch/Schneider/Bier/Schoch, 37. EL Juli 2019, VwGO, § 123 Rn. 161b).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben fehlt es dem Antrag jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Die E-Mail des Landratsamts … vom 13. Mai 2020, mit dem der Antragsgegner die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die … Gartentage vom 21. bis 24. Mai 2020 abgelehnt hat, hält sich innerhalb der durch § 114 Satz 1 VwGO für die Ausübung des Ermessens vorgegebenen Grenzen.
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Gemäß § 5 Satz 1 4. BayIfSMV sind Veranstaltungen, Versammlungen und Ansammlungen vorbehaltlich speziellerer Regelungen landesweit untersagt. Damit liegt ein grundsätzliches Veranstaltungsverbot vor, welches keine Beschränkung auf sog. Großveranstaltungen vorsieht. Nach § 5 Satz 2 4. BayIfSMV kann die zuständige Kreisverwaltungsbehörde auf Antrag Ausnahmegenehmigungen erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich eine Veranstaltung, Versammlung oder Ansammlung unter den Gesichtspunkten des Infektionsschutzes als vertretbar erweist, ist dem Wortlaut der Regelung nicht zu entnehmen. Als Richtschnur wird dabei vorrangig der in § 1 Abs. 1 IfSG formulierte Zweck des Infektionsschutzrechts, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, in den Blick zu nehmen sein. Bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sind also die grundrechtlich geschützten - hier wirtschaftlichen - Interessen des Veranstalters gegen das Ziel des Infektionsschutzrechts - den Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung -abzuwägen und zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Die Wahrung der Belange des Infektionsschutzes wird dabei in erster Linie von der Ausarbeitung und praktischen Umsetzung eines tauglichen Infektionsschutzkonzepts abhängig sein. Fehlt es an einem solchen Konzept oder ist dessen Umsetzung nicht gesichert, wird die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung regelmäßig ausscheiden müssen.
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Vorliegend hat der Antragsgegner die beantragte Ausnahmegenehmigung wegen entgegenstehender Gründe des Infektionsschutzes abgelehnt, was sich bei summarischer Prüfung innerhalb der durch § 5 Satz 2 4. BayIfSMV gesetzten Ermessensgrenzen hält und nicht zu beanstanden ist. Ebenso erweist sich das vom Antragsteller vorgelegte Hygienekonzept auch aus Sicht des Gerichts als nicht ausreichend, um diesen Gründen entgegenzutreten.
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Zum einen stellt der Antragsgegner auf die - auch aus Sicht des Gerichts erheblichen - Besucherzahlen von bis zu 3.000 Personen an einem Tag ab. Zum anderen stellt dieser darauf ab, dass es sich bei den … Gartentagen - wie der Antragsteller selbst vorträgt, indem er angibt, die Mehrheit der Besucher komme aus dem Landkreis Ansbach bzw. aus der Region Mittelfranken - um eine überörtliche oder sogar überregionale Veranstaltung handelt. Dadurch besteht nach summarischer Prüfung des Gerichts die naheliegende Gefahr von Infektionen im überregionalen Raum bzw. über die Ortsgrenzen hinaus und damit auch die Möglichkeit, dass die Weiterverbreitung deutlich großflächiger und schwerer beherrschbar wird, weshalb auch diese Erwägung nicht zu beanstanden ist. Darüber hinaus gibt der Antragsgegner die Gefahr an, dass die Teilnehmerzahl insbesondere am 21. und 24. Mai 2020 (Feiertag, Sonntag) noch höher ausfallen könnte, da aufgrund des grundsätzlichen Verbots im weiteren Umkreis keine anderweitige Veranstaltung stattfindet. Daraus schließt der Antragsgegner die Gefahr einer Besucherkonzentration bei den … Gartentagen. Auch bei dieser Erwägung handelt es sich nach summarischer Prüfung des Gerichts um eine nicht zu beanstandende Ermessensausübung des Antragsgegners, da es nahe liegt, dass insbesondere bei fehlenden Konkurrenzveranstaltungen mehr Besucher als in den Vorjahren zu den … Gartentagen erscheinen, zumal die Veranstaltung auch im Internet unter https://www.…html beworben wurde. Der Ablehnung liegt auch - wie aus der Antragserwiderung des Antragsgegners vom 18. Mai 2020 ersichtlich - eine fachliche Einschätzung des Gesundheitsamtes … zugrunde. Das Gesundheitsamt … hat mit E-Mail vom 12. Mai 2020 vor überregionalen Veranstaltungen gewarnt, da die Infektionsdichte bei den Besuchern unklar sei. Auch hat das Gesundheitsamt darauf hingewiesen, dass mit einem aufflammenden Ausbruchsgeschehen im Nachgang gerechnet werden müsse. Infektketten könnten nicht nachverfolgt werden, da nicht nachvollziehbar sei, wer, wann, mit wem Kontakt hatte. Es sei zudem lebensfern davon auszugehen, dass sich die Menschen gleichmäßig über den Park verteilen. Dem Gesundheitsamt kommt als Fachbehörde aufgrund der vorhandenen medizinischen Fachkenntnisse eine übergeordnete fachliche Kompetenz zu. Im Ergebnis bestehen daher jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken des Gerichts gegen die im Bescheid vom 13. Mai 2020 getätigten Ermessenserwägungen des Antragsgegners, welche auch dem durch die 4. BayIfSMV verfolgten Ziel der Eindämmung des durch das Corona-Virus hervorgerufenen Infektionsgeschehens gerecht werden.
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Insbesondere kann das von dem Antragsteller vorgelegte „Coronakonzept“ zum Antrag, welches dem Gericht zuletzt mit Schriftsatz vom 15. Mai 2020 mit dem Stand vom 14. Mai 2020 vorliegt, sowie das „Schutz-, Hygiene,- und Parkplatzkonzept … … Gartentage 2020 Stand 14. Mai 2020“ die vorstehenden berechtigten Bedenken des Antragsgegners nicht entkräften und insbesondere eine Unterschreitung der erforderlichen Mindestabstände auf dem Veranstaltungsgelände nicht mit hinreichender Sicherheit unterbinden.
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Zwar gibt der Antragsteller an, dass der Schlosspark nach Abzug von Wasser und bewachsenen Flächen auf einer Fläche von insgesamt ca. 220.000 m² frei zugänglich sei, so dass bei einer Höchstbesucherzahl von 3.000 Besuchern pro Tag jedem Besucher insgesamt eine Fläche von 73 m² zur Verfügung stünde. Aus den vorgelegten Konzepten ist jedoch nicht ersichtlich, welche Flächen die Verkaufsstände einnehmen. In den oben genannten Konzepten spricht der Antragsteller von maximal 60 Ausstellern, wobei es aktuell 28 feste Zusagen gäbe. Ein Mindestabstand von Stand zu Stand solle nun (nur noch) 10 m betragen, wogegen in einem zuvor vorgelegten Konzept von 30 m die Rede war. Dies führt zu einer erheblichen Verdichtung der Verkaufsstände und zu einer Verschlechterung hinsichtlich der infektionsrechtlichen Gefahren. Hinzu kommt, dass aus dem vom Antragsteller vorgelegten „Übersichtsplan Gartentage 2020“ ersichtlich ist, dass die fest eingeplanten 28 Stände eine relativ kleine Fläche des gesamten Geländes einnehmen, so dass die Einschätzung des Gesundheitsamtes, dass sich die Menschen nicht gleichmäßig über den Park verteilen werden, bestätigt wird. Es erscheint auch aus Sicht des Gerichts naheliegend, dass sich die Besucher vorrangig in unmittelbarer Nähe der Verkaufsstände aufhalten werden und vor allem die übrigen Bereiche des Geländes, auf denen kein Verkauf stattfindet, von den Besuchern wohl allenfalls gelegentlich frequentiert werden. Die rein faktische Verkaufsfläche fällt somit deutlich geringer aus, als die vom Antragsteller in einer rein rechnerischen Betrachtungsweise zugrunde gelegte Gesamtfläche, selbst wenn dieser Wasser und bewachsene Flächen abzieht, so dass die Gefahr der Unterschreitung des erforderlichen Mindestabstandes besteht.
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Auch geht der Antragsteller in seinen Konzepten zwar davon aus, dass Menschenansammlungen vermieden werden könnten, die Einhaltung des Mindestabstands sichergestellt sei und einer Pflicht zur Tragung einer Mund- und Nasenbedeckung nachgekommen werden könne. Allerdings gibt der Antragsteller nicht an, wie er die Einhaltung dieser Anforderungen kontrollieren möchte. Der Antragsteller nennt hierzu eine Einbahnstraßenregelung, angemessene Information für Kunden und Aushänge sowie Kontrolle der Einhaltung der Abstandsregeln und Einbahnwegeführung. Es ist aber nicht ersichtlich, ob und wie viele Mitarbeiter bzw. Ordnerpersonal insgesamt für die Überwachung der erforderlichen infektionsschutzrechtlichen Vorgaben eingesetzt werden sollen. Dies wäre aber zwingend erforderlich, insbesondere im Bereich der Verkaufsstände, bezüglich derer der Antragsteller zwar Absperrbänder und optisch abgetrennte Präsentationsflächen angibt, aber lediglich abstrakt von einer Besucherbegrenzung pro Stand spricht, woraus erneut nicht ersichtlich wird, ob und wie dies durch Personal entsprechend überprüft wird. Gerade dort besteht aber die konkrete Gefahr von Ansammlungen (vgl. oben). Hinzu kommt, dass der Antragsteller selbst von bis zu 3.000 Besuchern am Tag ausgeht, so dass eine große Anzahl an Ordnerpersonal erforderlich wäre.
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Weiter abstrakt bleibt der Antragsteller, wenn er davon spricht, dass in regelmäßigen und kurzen Abständen eine Reinigung aller häufig berührten Flächen in den WCs und im Biergartenbereich durchgeführt werde. Auch hier bleibt unklar, durch wen und durch wie viel Personal dies umgesetzt werden würde, was für ein effektives Hygienekonzept allerdings unerlässlich wäre.
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Zu der möglichen Gefahr, dass weitaus mehr als 3.000 Besucher zu der Veranstaltung erscheinen, gibt der Antragsteller in seinem Antragsschriftsatz vom 14. Mai 2020 an, es könne auf den entsprechenden Social-Media-Kanälen sichergestellt werden, dass sich keine weiteren Besucher auf den Weg machen würden. Es sei auch möglich, eine Besucherlenkung im Vorfeld durch Vormittags- und Nachmittagstickets anzubieten. Dies stellt nach Überzeugung des Gerichts aber kein effektives Mittel gegen die Gefahr, dass sich nicht doch mehr als 3.000 Personen zu der Veranstaltung begeben dar. Es besteht die Gefahr, dass Besucher etwaige Hinweise auf den Social-Media-Kanälen nicht sehen oder selbst bei Erhalt eines Vormittagstickets Besucher einfach auf dem Gelände verbleiben. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Besucher - wie der Antragsteller selbst angibt - aus dem Landkreis Ansbach bzw. aus der Region Mittelfranken stammen und somit nach Überzeugung des Gerichts eine überörtliche Veranstaltung vorliegt. Aufgrund fehlender anderweitiger Veranstaltungen und aufgrund des bestehenden Eventcharakters besteht vorliegend eine erhöhte Anziehungskraft der Veranstaltung. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Antragsteller kein effektives Mittel zur Gewährleistung der Begrenzung der Besucher auf 3.000 vorgetragen.
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Soweit der Antragsteller davon ausgeht, dass bei einer Öffnungszeit der Veranstaltung von 9 Stunden am Tag ca. 55 bis 330 Personen pro Stunde auf dem Gelände sein werden, verkennt er, dass gerade zu den Stoßzeiten die Gefahr besteht, dass weitaus mehr Personen auf dem Gelände sind. Im Weiteren spricht der Antragsteller selbst von maximal 3.000 Personen gleichzeitig auf dem Gelände, so dass die Rechnung nicht nachvollzogen werden kann. Dieser Personenanzahl werden die vorgelegten Konzepte nicht gerecht (vgl. oben).
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Auch aus dem übrigen Vortrag des Antragstellers lässt sich kein Ermessensfehler des Antragsgegners erkennen. Insbesondere ist keine Ungleichbehandlung (Art. 3 GG) zu den vom Antragsteller benannten Münchner Märkten (...markt, Markt am W. Platz) gegeben, da diese Märkte wohl regelmäßig an mehreren Wochentagen geöffnet haben (so zum Beispiel der ...markt, welcher von Montag bis Samstag geöffnet ist), sodass hier bereits der Charakter einer einmaligen Eventveranstaltung entfällt. Dies gilt auch für Einkaufszentren und Gärtnereien, da diese gemäß § 12 4. BayIfSMV wieder regelmäßig öffnen dürfen. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass auch bei Wochenmärkten zum Beispiel in Ansbach oder bei dem fest installierten ...markt in München zu befürchten sei, dass Besucher aus entfernten Orten anreisen, vermag dies nicht zu überzeugen, da - wie bereits ausführlich dargelegt - die Veranstaltung des Antragstellers lediglich einmal im Jahr an vier Tagen stattfindet, wogegen die anderen Märkte regelmäßig und mehrmals in der Woche stattfinden. Das Gericht weist lediglich ergänzend darauf hin, dass der Antragsteller auch nicht mit dem Tiergarten Nürnberg vergleichbar ist, welcher eine Fläche von 65 ha, also 650.000 m², aufweist und damit fast dreimal so groß ist wie das Gelände des Antragstellers. Dennoch werden selbst dort aktuell nur 3.250 Besucher eingelassen (vgl. https://t...de/ihr-besuch/corona-information.html). Art. 12 GG wird jedenfalls bei summarischer Prüfung hinter die Schutzgüter von Leib, Leben, Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit einer Vielzahl von Menschen, denen die 4. BayIfSMV dient, zurücktreten. Ebenso ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Freizeitparks, wie § 11 4.BayIfSMV ausdrücklich festlegt, weiterhin geschlossen sind.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 1.5 beträgt in Verfahren des vor-läufigen Rechtsschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorweg-nehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.