Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.05.2020 – M 10 S 20.31295
Titel:

Kein Folgeverfahren wegen deutscher Kinder und Abschiebungsandrohung nach Gambia während der Corona-Pandemie

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 36 Abs. 4 S. 1, § 71 Abs. 4, § 75 Abs. 1, § 77 Abs. 2
EMRK Art. 3, Art. 8
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, S. 6, § 60a Abs. 1 S. 1, Abs. 2
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Ein Abschiebungsverbot wegen deutscher Kinder kann als ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 AufenthG nicht im Folgeverfahren, sondern nur gegenüber der Ausländerbehörde geltend gemacht werden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Abschiebungsverbot wegen einer drohenden (etwaig höheren) Ansteckungsgefahr nach Rückkehr nach Gambia und/oder wegen eines höheren Gesundheitsrisikos infolge schlechterer medizinischer Versorgung in Gambia gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist vorliegend schon deswegen nicht gegeben, da in der derzeit akuten Phase der Pandemie Abschiebungen nicht durchgeführt werden (können).     (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Gambia, Erfolgloser Folgeantrag, Bezugnahme auf Bescheid, Abschiebungsverbote, Deutsche Kinder, Corona-Pandemie, aufschiebende Wirkung, Abschiebungsandrohung, Einreise- und Aufenthaltsverbot, Vaterschaftsanerkennungsverfahren, Befristungsentscheidung, Wiederaufnahmeverfahren, Phase der Pandemie
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10652

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. April 2020.
2
Bereits mit bestandskräftigem Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. März 2017 wurde der (erste) Asylantrag des Antragstellers abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen sowie die Abschiebung in den Senegal angedroht.
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Aufgrund der Vorlage eines gambischen Reisepasses durch den Antragsteller nahm die Antragsgegnerin am 1. April 2019 das Verfahren zum Zweck der Zielstaatskonkretisierung von Amts wegen wieder auf. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Juli 2019 wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner wurde die mit Bescheid vom 20. März 2017 erlassene Abschiebungsandrohung dahingehend geändert, dass die Abschiebung nach Gambia angedroht wurde.
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Der am 7. Oktober 2019 gestellte weitere Asylantrag des Antragstellers wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. April 2020 als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 29. Juli 2019 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abgelehnt (Ziffer 2). Ferner wurde die Abschiebung nach Gambia angedroht (Ziffer 3) sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 72 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt das Gericht Bezug auf die Feststellungen dieses Bescheids, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 Asylgesetz - AsylG). Der Bescheid wurde am 27. April 2020 als Einschreiben zur Post gegeben.
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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom *. Mai 2020, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen diesen Bescheid erhoben und beantragt zudem,
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die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
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Zur Begründung wird vorgetragen, der Antragsteller sei Vater von zwei deutschen Kindern (geboren am …2017 und …2019), für die seine Vaterschaft anerkannt sei und mit denen er regelmäßigen Umgang ausübe. Da dem Antragsteller insoweit ein Familiennachzugsanspruch nach § 28 AufenthG zustehe, sei dies eine wesentliche Änderung der Tatsachen, die im Rahmen des Folgeverfahrens zu berücksichtigen gewesen wäre. Auch im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK sowie Art. 6 GG sei die Vaterschaft des Antragstellers zu berücksichtigen, was aber nicht geschehen sei. Auch die Befristung des Wiedereinreiseverbots auf 72 Monate sei unangemessen und nicht nachvollziehbar. Zudem sei im Bescheid im Rahmen der Abschiebungsandrohung die Corona-Pandemie nicht berücksichtigt worden, die auch in Gambia bereits zu Todesopfern geführt habe. Schließlich sei für das Vaterschaftsanerkennungsverfahren des später geborenen Kindes die persönliche Anwesenheit des Antragstellers in Deutschland erforderlich.
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Die Antragsgegnerin hat sich im gerichtlichen Verfahren nicht zur Sache geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
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1. Verfahrensgegenstand ist vorliegend lediglich ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es ist nur insoweit ein Eilantrag gestellt worden; Eilrechtsschutz bezüglich der Befristungsentscheidung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids ist nicht beantragt worden. Unter Berücksichtigung der Begründung der Klage sowie des gleichzeitig gestellten Eilantrages ist nach dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren des Antragstellers gemäß § 88 VwGO auch nicht ersichtlich, dass insoweit Eilrechtsschutz erstrebt wird. Wenn auch im Rahmen der Begründung von Klage und Eilantrag Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der Befristungsentscheidung erfolgen, geht es dem Antragsteller hinsichtlich des Eilrechtsschutzes darum, eine Abschiebung nach Gambia vorläufig zu verhindern (vgl. insbesondere die zusammenfassenden Ausführungen unter Ziffer 3 auf Seite 5 der Klage- und Antragsschrift).
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft, da die Antragsgegnerin ihre Entscheidung über den Folgeantrag mit einer erneuten Abschiebungsandrohung verbunden hat (vgl. hierzu: Dickten in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, 25. Ed. 1.3.2020, § 71 AsylG Rn. 33). Er ist auch innerhalb der Antragsfrist von einer Woche erhoben worden (§ 71 Abs. 4, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 74 Abs. 1 HS. 2 AsylG).
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3. Der gestellte Antrag ist jedoch unbegründet.
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Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG) - von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
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Gemäß § 71 Abs. 4 HS. 1 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Fall der Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 i.V.m. § 71 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 99).
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Dies ist vorliegend nicht der Fall. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 AsylG) begegnet der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. April 2020 keinen ernsthaften rechtlichen Bedenken. Er ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Antragsteller hat nach vorläufiger Prüfung auch keinen Anspruch auf den darüber hinaus beantragten Verwaltungsakt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit wird auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
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a) Die Antragsgegnerin hat den Folgeantrag des Antragstellers zutreffend als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 i.V.m. § 71 AsylG abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nicht vorliegen.
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Wiederaufgreifensgründe im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG sind nicht einschlägig. Insbesondere liegt keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vor. Der Antragsteller hat in seiner Anhörung bei der Beklagten im Rahmen des Folgeantragsverfahrens am 7. Oktober 2019 lediglich Umstände vorgebracht, die schon während des Erstantrags- oder des Wiederaufgreifensverfahrens vorlagen und z.T. in deren Rahmen bereits geltend gemacht worden sind: Die behaupteten Augenprobleme hat der Antragsteller nach eigenen Angaben schon seit seiner Kindheit. Auch soweit er sich auf „die gleichen Probleme in Gambia“ beruft, ist dies kein neuer Sachverhalt. Ferner hat er bereits im Wiederaufnahmeverfahren von Amts wegen angegeben, dass er zwei deutsche Kinder habe. Dies ist auch im Bescheid vom 29. Juli 2019 auf Seite 6 von der Antragsgegnerin rechtlich gewürdigt worden. Auch dieser Sachvortrag ist nicht neu.
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b) Wegen der behaupteten Augenerkrankung ist die Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG schon mangels Vorlage eines diesbezüglichen Attests ausscheidet.
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c) Soweit Abschiebungsverbote wegen der zwei deutschen Kinder geltend gemacht werden, könnte hieraus allenfalls ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 AufenthG folgen, das von der Ausländerbehörde, nicht aber in diesem Verfahren zu berücksichtigen wäre. Die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK scheidet entgegen der Rechtsauffassung des Verfahrensbevollmächtigten insoweit aus (vgl. hierzu: Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 60 AufenthG Rn. 84).
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d) Auch sind Abschiebungsverbote nicht wegen der Corona-Pandemie anzunehmen.
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aa) Ein Abschiebungsverbot wegen einer drohenden (etwaig höheren) Ansteckungsgefahr nach Rückkehr nach Gambia und/oder wegen eines höheren Gesundheitsrisikos infolge schlechterer medizinischer Versorgung in Gambia gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (analog) ist vorliegend schon deswegen nicht gegeben, da in der derzeit akuten Phase der Pandemie Abschiebungen nicht durchgeführt werden (können).
22
Zudem liegen die Voraussetzungen dieser Abschiebungsverbote wegen der Corona-Pandemie nicht vor.
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Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist nicht gegeben.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können nur in begründeten Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - ZAR 2013, 297).
25
Gefährdungen aufgrund einer allgemeinen schlechten Versorgungslage treffen die gesamte Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus, sondern setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er ggf. auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (Bergmann in ders./Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 54 m.w.N.).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist ein begründeter Ausnahmefall, der im konkreten Fall nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot rechtfertigen könnte, nicht gegeben. Es ist nicht anzunehmen, dass der Antragsteller in besonderer Weise - herausgehoben aus dem Rest der gambischen Bevölkerung - für eine Infektion mit dem Virus und einen schweren (ggf. tödlichen) Verlauf exponiert ist. Zum einen ist es schon möglich, dass sich der Antragsteller mit dem Coronavirus gar nicht erst infiziert. Die Angaben der World Health Organization zugrunde gelegt (vgl. https://covid19.who.int/ - abgerufen am 22.5.2020), dürfte das Ansteckungsrisiko in Gambia bei 24 registrierten Fällen und einem Toten (Stand: 22.5.2020) - auch unter Berücksichtigung einer entsprechenden Dunkelziffer wegen (etwaiger) geringerer Testquote - jedenfalls nicht höher als in Deutschland sein. Zum anderen ist es nicht wahrscheinlich, dass beim Antragsteller ein schwerer Verlauf auftritt, da er jung, gesund und ohne bekannte Vorerkrankungen ist.
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Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen existenzieller Gefahren ist nicht gegeben. Die allgemein unsichere oder wirtschaftlich schlechte Lage im Zielstaat, etwa bei Hungersnöten, Naturkatastrophen oder Epidemien, begründet regelmäßig Gefahren allgemeiner Art gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG und führt grundsätzlich nicht zu einem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil ihr die gesamte Bevölkerung oder eine ganze Bevölkerungsgruppe des betroffenen Landes (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß) ausgesetzt ist. Diesen Gefahren kann grundsätzlich nur durch eine politische Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Rechnung getragen werden (vgl. Koch in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, 25. Ed. 15.8.2016, § 60 AufenthG Rn. 44 f.; Dollinger, a.a.O., § 60 AufenthG Rn. 98 ff. jew. m.w.N.).
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Unabhängig davon, ob neben § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK überhaupt noch eine Schutzlücke, die über eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geschlossen werden darf, besteht, liegen deren Voraussetzungen jedenfalls beim Antragsteller nicht vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine politische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG fehlt und der Antragsteller bei Überstellung aufgrund der herrschenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Der Ausländer müsste im Zielstaat der Abschiebung sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen überantwortet werden (vgl. Koch, a.a.O.; Dollinger, a.a.O., § 60 AufenthG Rn. 99). Dies ist hier nicht der Fall, da es an einer derart extremen Gefahrenlage fehlt (vgl. hierzu die Ausführungen oben zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).
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bb) Ein Abschiebungsverbot resultiert auch nicht aus der vorübergehenden tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung nach Gambia infolge der Reisebeschränkungen durch die Corona-Pandemie. Hieraus könnte allenfalls ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 AufenthG folgen, das von der Ausländerbehörde, nicht aber in diesem Verfahren zu berücksichtigen wäre.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
31
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).