Titel:
Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung des § 2 Abs. 2 S. 2 RBStV
Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 47 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Vermutung der Inhaberschaft einer Wohnung in § 2 Abs. 2 S. 2 RBStV ist widerlegbar. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Landesrunkfunkanstalt ist gesetzlich ermächtigt, durch Satzung das Erbringen eines Nachweises für die Widerlegung der Vermutung zu regeln. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine nachträgliche „Auswechslung“ der in einem Rundfunkbeitragsbescheid in Bezug genommenen konkreten Wohnung im Widerspruchsverfahren ist unzulässig und ist auch nicht der Umdeutung zugänglich. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rundfunk- und Fernsehrechts, gesetzliche Vermutung, Festsetzungsbescheid, Beitragspflicht, Rundfunkanstalt, Mietvertrag, Wohnung, Widerspruchsverfahren, Zustellung, Umdeutung, Auswechslung, Wohnungsinhaberschaft
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10443
Tenor
1. Der Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2018 wird aufgehoben.
2. Im Übrigen (Klage gegen die Festsetzungsbescheide vom 1.5.2015, 3.1.2016 und 1.4.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2017) wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Verfahrenskosten haben der Kläger 15/17 und der Beklagte 2/17 zu tragen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Mit Schreiben vom 23. Juli 2014 hatte der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice (im Folgenden: Beitragsservice) den Kläger darüber informiert, dass auf seinen Namen unter der Beitragsnummer … die Wohnung X-Straße, …, ab 1. Januar 2013 angemeldet worden sei, nachdem für diese seine Wohnung kein Beitragskonto habe gefunden werden können und er ein diesbezügliches Anschreiben des Beitragsservice unbeantwortet gelassen habe. Dieses sein Beitragskonto weise bis einschließlich August 2014 einen offenen Betrag von 359,60 EUR auf, um dessen Überweisung gebeten werde.
2
Auf telefonische Einwendungen des Klägers gegen die Anmeldung des Beitragskontos hatte der Beitragsservice mit Schreiben vom 21 Oktober 2014 dazu ergänzend ausgeführt, dass das Einwohnermeldeamt ihnen mitgeteilt habe, dass er der Inhaber der Wohnung unter der genannten Adresse sei; deshalb sei er für diese Wohnung beitragspflichtig, unabhängig davon, ob er sich selbst angemeldet habe oder nicht.
3
Außerdem hatte sich der Kläger als Geschäftsführer der „… GmbH“, …, … mit einem Schreiben vom 17. Februar 2015 zur Beitragsnummer … an den Beitragsservice gewandt zur Klärung, wofür sie bereits quartalsweise abgebuchte Rundfunkgebühren bezahlten. Sie hätten das Haus, in dem sie ihr Gewerbe betreiben, gemietet. Sie fragten sich, ob nicht der Vermieter bereits für das Objekt Rundfunkgebühren bezahlen müsse. Sie hätten eine Wohnung im 1. Stock des Gebäudes vermietet und fragten sich, wer die Rundfunkgebühren für diesen Sachverhalt bezahlen müsse.
4
In der Folgezeit wurden gegen den Kläger unter der Beitragsnummer … mit Festsetzungsbescheiden vom 1. April 2015 (für den Zeitraum 1.1.2013 bis 30.11.2014 in Höhe von 421,54 EUR) und 1. Mai 2015 (für den Zeitraum 1.12.2014 bis 28.2.2015 in Höhe von 61,94 EUR) ausstehende Rundfunkbeiträge (nebst Säumniszuschlag) für die Wohnung X-Straße, …, festgesetzt, wobei der Kläger nach Aktenlage nur gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Mai 2015 Widerspruch erhob (mit Schreiben vom 11.5.2015 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 17.2.2015).
5
Mit Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2016 wurde sodann für den anschließenden Zeitraum 1. März 2015 bis 30. November 2015 ein Betrag von 165,98 EUR an ausstehenden Rundfunkbeiträgen (nebst Säumniszuschlag) für die genannte Wohnung gegen den Kläger festgesetzt.
6
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 2016 Widerspruch mit der Begründung, er sei in der X-Straße, … nicht wohnhaft, sondern habe dort lediglich gearbeitet. Nach dem schriftlichen Hinweis des Beitragsservice, dass laut dem Einwohnermeldeamt er seit September 2012 Wohnungsinhaber unter der Anschrift sei, ergänzte der Kläger mit Schreiben vom 7. März 2016 die Widerspruchsbegründung dahingehend, dass er nachweislich in der Wohnung X-Straße, … weder gewohnt noch Miete bezahlt habe. Die Wohnung sei von ihm nie bezogen worden, weil er sich kurzfristig für eine Wohngemeinschaft in … entschieden habe. Die Wohnung sei nachweislich von dem eigentlichen Mieter, einem Pflegedienst, zur Unterbringung von Pflegepersonen benutzt worden, später als Wohnung für Mitarbeiter. Er habe lediglich vergessen, sich umzumelden.
7
Hierzu erwiderte der Beitragsservice mit Schreiben vom 23. März 2016, dass als Wohnungsinhaber alle volljährigen Personen anzusehen seien, die nach dem Melderecht in der Wohnung gemeldet oder im Mietvertrag als Mieter genannt seien.
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Mit weiterem Festsetzungsbescheid vom 1. April 2016 wurde gegen den Kläger für den Zeitraum 1. Dezember 2015 bis 29. Februar 2016 für die betreffende Wohnung der Betrag von 60,50 EUR an ausstehenden Rundfunkbeiträgen (nebst Säumniszuschlag) festgesetzt.
9
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. April 2016 wiederum Widerspruch und führte dazu unter anderem aus: Es sei richtig, dass er in der X-Straße, … gemeldet sei. Er habe dort einziehen wollen. Kurz vor dem Einzug sei sein Vater, den er mit gepflegt habe, in der Wohnung verstorben. Danach sei ein Einzug für ihn nicht mehr möglich gewesen. Einen Mietvertrag habe er nie unterschrieben. Nach dem Tod seines Vaters sei er an Burnout erkrankt, er habe ein Jahr nicht mehr arbeiten können. An den Folgen der Krankheit leide er noch heute. Auch habe er bisher nicht die Energie gehabt, sich umzumelden, was er in der kommenden Woche nachholen werde. Ein Leistungsaustausch im rechtlichen Sinne habe demzufolge nie stattgefunden. Er habe genug Zeugen, die seine Version bestätigen könnten. Er mache aber einen Vorschlag zur außergerichtlichen Klärung.
10
Die Beklagtenseite ging darauf nicht ein und verwies mit Schreiben vom 25. April 2016 darauf, dass als Inhaber einer Wohnung auch Personen anzusehen seien, die nach dem Melderecht in der Wohnung gemeldet oder im Mietvertrag als Mieter genannt seien. Der Gesetzgeber mache die Beitragspflicht nicht von der Nutzung einer Wohnung abhängig. Sofern eine melderechtliche Abmeldung von dieser Wohnung erfolge, werde um Übersendung eines entsprechenden Nachweises gebeten.
11
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017, laut Aktenvermerk versandt am 18. Juli 2017, wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers vom 11. Mai 2015, 18 Januar 2016 und 12. April 2016 gegen die Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015, 3. Januar 2016 und 1. April 2016 als unbegründet zurück. Nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) sei im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Ob und welche Rundfunkempfangsgeräte vorhanden sind und ob diese genutzt werden, sei unerheblich. Gemäß § 2 Abs. 2 RBStV sei Inhaber einer Wohnung jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt; als Inhaber werde jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Im Rahmen des bundesweiten Meldedatenabgleichs sei die klägerische Anschrift X-Straße, … übermittelt worden; gemäß der Auskunft der Einwohnermeldebehörde sei er bereits seit dem 1. September 2012 mit dem alleinigen Wohnsitz unter dieser Anschrift melderechtlich gemeldet. Wer eine Wohnung beziehe, habe sich gemäß § 17 Abs. 1 Bundesmeldegesetz innerhalb von 2 Wochen nach dem Einzug bei der Meldebehörde anzumelden. Deshalb sei davon auszugehen, dass eine melderechtlich erfasste Person die jeweilige Wohnung selbst bewohnt. Die gesetzliche Vermutung könne nicht dadurch widerlegt werden, dass vorgetragen wird, die betreffende Wohnung nicht zu bewohnen, auch wenn dieser Vortrag durch Zeugenaussagen gestützt werde. Es wäre nämlich widersprüchlich, der Meldebehörde mitzuteilen, die betreffende Wohnung zu bewohnen, andererseits gegenüber der Rundfunkanstalt vorzutragen, tatsächlich die betreffende Wohnung nicht zu bewohnen. Der Kläger habe die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Trotz sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts könne nicht festgestellt werden, dass die Rundfunkbeiträge für seine Wohnung von einem anderen Wohnungsinhaber bereits gezahlt würden. Darüber hinaus sei eine Anmeldung der Dienstwohnung eines Pflegedienstes - gemeint sei vermutlich die „… GmbH“, für die er als Geschäftsführer zuständig sei - unter der betreffenden Anschrift nicht ersichtlich.
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Mit weiterem Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 wurde gegen den Kläger unter der Beitragsnummer … für die Wohnung Y-Straße, … ein Betrag von 60,50 EUR an ausstehenden Rundfunkbeiträgen (nebst Säumniszuschlag) für den Zeitraum 1. März bis 31. Mai 2016 festgesetzt.
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Gegen diesen Festsetzungsbescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2017 Widerspruch mit der Begründung, der eingeforderte Rundfunkbeitrag werde unter der Beitragsnummer … bezahlt.
14
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2017, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, wurde für den Kläger Klage (Az. AN 6 K 17.01964) erhoben „gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 3. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017“ mit dem Antrag:
Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 3. Januar 2016 (Az. …) sowie der Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 werden in vollem Umfange einschließlich sämtlicher Nebenbestimmungen aufgehoben.
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Die Klagebegründung erfolge in einem gesonderten Schriftsatz nach erfolgter Akteneinsicht. Eine Erweiterung des Klagebegehrens bleibe in diesem Zusammenhang ausdrücklich vorbehalten. Es werde bereits vorab darauf hingewiesen, dass der den angegriffenen Bescheiden zugrunde liegende Sachverhalt sich deutlich anders darstelle als vom Beklagten behauptet.
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Beigefügt waren in Abdruck der Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 Mit Schreiben vom 27. Dezember 2017, bei Gericht eingegangen am 28. Dezember 2017, legten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Klagebegründung vor und beantragten nunmehr:
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Die Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 1. Mai 2015, 3. Januar 2016, 1. April 2016 und 1. September 2017 sowie der Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 werden in vollem Umfang einschließlich sämtlicher Nebenbestimmungen aufgehoben.
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Der Kläger habe dem Beklagten mit Schreiben vom 17. Februar 2015 mitgeteilt, dass die Wohnung nicht von ihm selbst bewohnt werde; vielmehr werde das Objekt unter der Anschrift X-Straße, … an die „… GmbH“, deren Geschäftsführer der Kläger sei, vermietet, die die Räume gewerblich nutze. Die im 1. Obergeschoss des Anwesens befindliche Wohnung habe der Kläger selbst nie bezogen, weil er sie an besagten Pflegedienst zur Nutzung als Mitarbeiterwohnung vermietet habe. Der Kläger selbst habe die Wohnung zu keinem Zeitpunkt für eigene Zwecke genutzt, wofür er die Pflegedienstleitung, die stellvertretende Pflegedienstleitung des Pflegedienstes und Frau … … als Zeugen benenne. Im Jahr 2013 habe Frau … für mehrere Monate die Wohnung bewohnt und darüber mit dem Kläger einen Mietvertrag geschlossen (dieser wurde im Folgenden in Kopie vorgelegt, er ist unter dem Datum des 2. Juni 2013 abgeschlossen zwischen „…“ und Frau … mit einer Mietdauer vom 20. Mai 2013 bis „vorerst“ 31. Dezember 2013; wegen weiterer Einzelheiten des Mietvertrages wird auf Blatt 71-77 der Gerichtsakte verwiesen).
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Der Kläger sei nicht verpflichtet, für die Wohnung in der X-Straße in … Rundfunkbeiträge zu zahlen. Die Vermutung, dass der Mieter den Rundfunkbeitrag zu erbringen hat, könne bei Untervermietung widerlegt werden. Beitragspflichtig sei grundsätzlich nur der Wohnungsinhaber. Nach der Vermutung des § 2 Abs. 2 RBStV werde angenommen, dass insoweit auf das Melderecht oder auf einen Mietvertrag abzustellen sei, wonach den Mieter die Zahlungspflicht treffe. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV sei Inhaber einer Wohnung dabei jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Das Tatbestandsmerkmal des „selbst Bewohnens“ erfasse im Übrigen nicht allein den Eigentümer der Wohnung, sondern darüber hinaus den Mieter, der eine fremde Wohnung tatsächlich bewohnt. Der Mieter bewohne die Wohnung jedoch dann nicht selbst, wenn er die gemietete Wohnung vollständig untervermietet habe, denn in diesem Fall fehle dem (Haupt-)Mieter die nötige Zutritts- und Wohnberechtigung. Da es sich beim Untermietverhältnis um ein echtes Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten handele, habe der (Haupt-)Mieter dem Untermieter den Gebrauch an der Wohnung zu gewähren mit der Konsequenz, dass bei einer vollständig untervermieteten Wohnung nicht der (Haupt-)Mieter, sondern der Untermieter die Wohnung „selbst bewohne“ und demgemäß als Wohnungsinhaber anzusehen sei. Dass der Kläger es bislang versäumt haben möge, sich umzumelden, sei insoweit folglich unschädlich, weil er sowohl durch die Benennung von Zeugen als auch durch Vorlage des Mietvertrages mit Frau … belegen könne, dass für ihn selbst keinerlei Nutzungsmöglichkeit an der Wohnung bestanden habe und diese vielmehr ausschließlich durch die … GmbH genutzt worden sei. Dass eine entsprechende vertragliche Vereinbarung über die Nutzung der Wohnung bestanden habe, könnten die benannten Zeugen bestätigen.
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Beigefügt waren in Abdruck der Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 und der Widerspruch des Klägers dagegen vom 12. September 2017.
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Die Beklagtenbevollmächtigten beantragten für den Beklagten Klageabweisung und führten dazu aus, dass die Klage im Hinblick auf den Anfechtungsantrag bezüglich der Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015, 3. Januar 2016 und 1. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 unzulässig sei, weil die Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides nicht eingehalten worden sei. Der Widerspruchsbescheid sei am 18. Juli 2017 versandt worden, gemäß Art. 17 Abs. 2 VwZVG gelte die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, woraus folge, dass die Klageerhebung am 19. September 2017 die Klagefrist nicht eingehalten habe.
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Im Hinblick auf den Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 werde die Beklagte diesen abändern und den Festsetzungszeitraum nicht mehr für den Zeitraum März bis Mai 2016 festsetzen, sondern für den Zeitraum März bis April 2016. Im Hinblick auf die beitragspflichtige Wohnung werde sich auch eine Änderung ergeben, weil fälschlicherweise die Wohnung Y-Straße, … herangezogen worden sei; richtigerweise müsse die Wohnung X-Straße, … herangezogen werden. Ein entsprechender Änderungsbescheid werde in den nächsten Tagen durch die Beklagte versandt.
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Unter dem Datum des 14. Februar 2018 erließ der Beklagte auf den Widerspruch des Klägers vom 12. September 2017 gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 Widerspruchsbescheid, den er wie folgt tenorierte:
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1. Der Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 wird insoweit abgeändert, als Rundfunkbeiträge für den Zeitraum März bis April 2016 für eine Wohnung unter der Anschrift „Y-Straße, …“ statt unter der Anschrift „X-Straße, …“ festgesetzt wurden.
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2. Dem Widerspruch vom 1. September 2017 wird insoweit stattgegeben, als Rundfunkbeiträge für den Monat Mai 2016 festgesetzt wurden.
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3. Im Übrigen wird der Widerspruch zurückgewiesen.
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Zur Begründung war im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger laut Mitteilung des Einwohnermeldeamtes vom 10. Mai 2016 von März bis April 2016 noch unter der Anschrift X-Straße, … erfasst gewesen sei. Der Festsetzungsbescheid sei dahingehend abzuändern gewesen. Erstmals mit Schreiben vom 12. September 2017 habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er in einen Haushalt gezogen sei, für den der Rundfunkbeitrag bereits entrichtet werde. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht sei die Abmeldung rückwirkend zum Mai 2016 vorgenommen worden. Der Festsetzungsbescheid sei demnach für Mai 2016 aufzuheben gewesen.
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Mit Telefax-Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 14. März 2018, mit klarstellender Ergänzung vom 15. März 2018, ließ der Kläger daraufhin Klage (Az. AN 6 K 18.00524) „gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2018“ erheben mit dem Antrag:
Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. September 2017 sowie der Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2018 werden in vollem Umfang einschließlich sämtlicher Nebenbestimmungen aufgehoben.
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Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen im bereits anhängigen Klageverfahren AN 6 K 17.01964 verwiesen. Ergänzend wurde vorgetragen, dass der Kläger von Juni 2011 bis Juli 2012 in … gewohnt habe. Von August 2012 bis September 2012 habe er in der X-Straße in … gewohnt. Seit Oktober 2012 bewohne er mit seinem Sohn die Wohnung in der Y-Straße, … Auch für besagte Wohnung würden unter der Beitragsnummer … bereits Beiträge entrichtet. Der Kläger sei deshalb nicht verpflichtet, für diese Wohnung unter der Beitragsnummer … Beiträge zu entrichten. Zwar habe der Beklagte zutreffend festgestellt, dass infolge der anderweitigen Vermietung der Wohnung in der X-Straße, für die ursprünglich die Beiträge festgesetzt gewesen seien, keine Beitragspflicht des Klägers bestehe. Allerdings seien auch der Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2018 aufzuheben, weil der Kläger durchgehend Wohnungen bewohnt habe, für die bereits eine Beitragsnummer bestanden habe und Beiträge entrichtet worden seien.
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Für den Beklagten beantragten die Beklagtenbevollmächtigten auch im Verfahren AN 6 K 18.00524
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Sie verwiesen zunächst auf das im Verfahren AN 6 K 17.01964 bereits Vorgetragene und ergänzten dazu noch, dass für die in der Klageschrift genannten Personen ein Beitragskonto nicht habe ausfindig gemacht werden können, weshalb es bei der Rundfunkbeitragspflicht des Klägers verbleibe.
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Die Klägerbevollmächtigten nahmen noch Bezug auf einen Schriftsatz vom 13. September 2018 in einem weiteren Klageverfahren (Az. AN 6 K 18.00963), in dem die … GmbH einen gegen sie unter der Beitragsnummer … erlassenen Festsetzungsbescheid wegen rückständiger betriebsbezogener Rundfunkbeiträge anficht. Der Kläger habe die streitgegenständliche Wohnung zu keinem Zeitpunkt bewohnt oder für private Zwecke genutzt; vielmehr habe es sich um eine betrieblich von der … GmbH als Gästezimmer genutzte Betriebsstätte gehandelt, für die der … GmbH gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 RBStV ein Drittel des Rundfunkbeitrags hätte in Rechnung gestellt werden müssen. Darauf habe der Kläger, der gleichzeitig Geschäftsführer der … GmbH sei, bereits mehrfach erfolglos hingewiesen. In der Verwaltungsstreitsache der … GmbH sei insbesondere Folgendes ausgeführt worden:
(…) Überdies werde darauf hingewiesen, dass der Beklagte bislang das in der ehemaligen bis Oktober 2015 bestehenden Betriebsstätte befindliche Gästezimmer zwar nicht als Betriebsstätte berücksichtigt habe, allerdings dem Geschäftsführer, der vorübergehend in der Einliegerwohnung des Betriebs gemeldet gewesen sei, den Rundfunkbeitrag hierfür privat in Rechnung gestellt habe. Die Klägerin (… GmbH) weise darauf hin, dass besagte Einliegerwohnung nie zu Wohnzwecken genutzt worden sei, sondern lediglich vorgehalten worden sei, um externen Mitarbeitern als Gästezimmer zur Verfügung gestellt werden zu können. Eine entgeltliche Überlassung habe jedoch nicht stattgefunden. Insoweit sei bereits höchst fraglich, ob der Beitragstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1 RBStV auf das besagte Gästezimmer Anwendung fände. Die (von Seiten der Klägerin zur Beitragsberechnung) vorgelegte Tabelle sehe für den Fall der Beitragspflicht eine Anrechnung von einem Drittel des Beitrags für das Gästezimmer vor, weil dieses jedenfalls nicht privat von Herrn … genutzt worden sei und somit allenfalls der Klägerin hätte in Rechnung gestellt werden können, was bislang jedoch nicht erfolgt sei. Seit dem Umzug der Klägerin im Herbst 2015 verfüge die Betriebsstätte über kein separates Gästezimmer mehr. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin durchaus gewillt sei, Angaben zum Zwecke einer ordnungsgemäßen Abrechnung zu machen und die erforderlichen Beiträge zu zahlen; es sei ihr lediglich daran gelegen, eine zutreffende und transparente Abrechnung zu erhalten.
34
Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 gab die Klägerseite auf gerichtliche Anfrage an, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Anwesens (X-Straße) gewesen sei, das Haus sei von der … … GmbH angemietet gewesen. Im Erdgeschoss des zweistöckigen Hauses hätten sich Büroräume befunden, im oberen Stockwerk die Einliegerwohnung.
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In der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2020 erklärte die Klägerseite hinsichtlich der Rundfunkbeitragsfestsetzung für den Monat Mai 2016 (die Jahresbezeichnung „2017“ in der mündlich zu Protokoll abgegebenen Erklärung stellt eine offensichtliche, durch Auslegung überwindbare Fehlbezeichnung dar, da Festsetzungen für das Jahr 2017 niemals Klagegegenstand waren) die Klage in der Hauptsache für erledigt und beantragte im Übrigen, die Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015, 3. Januar 2016 und 1. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 sowie den Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2018, soweit die Ziffern 1. und 3. des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2018 betroffen sind, aufzuheben.
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Für das sonstige Vorbringen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung und deren Verlauf im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
37
Mit Beschluss vom 20. Februar 2020 hat das erkennende Gericht vom Verfahren AN 6 K 17.01964 das Verfahren insoweit abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen AN 6 K 20.00294 fortgeführt, als die Rundfunkbeitragsfestsetzung für den Monat Mai 2016 angefochten worden ist.
38
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf den Inhalt der beigezogenen Rundfunkbeitragsakte zur Beitragsnummer … Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
39
Nach Abtrennung des Verfahrens AN 6 K 20.00294 sind hier noch die Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015, 3. Januar 2016 sowie 1. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017, mithin die Festsetzung ausstehender Rundfunkbeiträge nebst Säumniszuschlägen für den Gesamtzeitraum Dezember 2014 bis einschließlich Februar 2016, und der Festsetzungsbescheid vom 1. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2018, also beschränkt auf die Festsetzung ausstehender Rundfunkbeiträge nebst Säumniszuschlag für die Monate März und April 2016, (Anfechtungs-)Klagegegenstand.
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Die Anfechtung dieser Bescheide durch den Kläger ist lediglich zu einem Teil, nämlich hinsichtlich des Festsetzungsbescheides vom 1. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2018 erfolgreich. Im Übrigen (Festsetzungsbescheide vom 1.5.2015, 3.1.2016 sowie 1.4.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2017) ist jedoch Klageabweisung geboten, weil es entweder wegen Klagefristversäumnis bereits an der Klagezulässigkeit oder jedenfalls an der Klagebegründetheit gemäß § 113 Abs. 1 VwGO fehlt.
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1. Soweit die Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015 und 1. April 2016 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 - angefochten sind, ist die Klage bereits unzulässig, weil die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO versäumt worden ist und Gründe für eine Wiedereinsetzung weder geltend gemacht noch ersichtlich sind.
42
Diese Bescheide sind erst im Wege einer Klageerweiterung (auf die sich der Beklagte auch eingelassen hat) mit dem Schriftsatz vom 27. Dezember 2017 am 28. Dezember 2017 zum Klagegegenstand des Verfahrens AN 6 K 17.01964 gemacht worden, als die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits abgelaufen war. Auslösend für den Fristbeginn ist die Zustellung des Widerspruchsbescheides. Entgegen der Auffassung von Beklagtenseite kann zwar nicht gemäß Art. 17 Abs. 2 VwZVG eine Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 bereits am 21. Juli 2017 zugrunde gelegt werden, weil Widerspruchsbescheide gemäß § 74 Abs. 3 VwGO von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zuzustellen sind und nach Aktenlage nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine solche formgerechte Zustellung durchgeführt worden ist, und auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, der Bescheid sei - im Übrigen wesentlich später als vom Beklagten angenommen - schlicht im Briefkasten eingelegt gewesen. Von daher erweist sich die Klageerhebung am 19. September 2017 zwar als klagefristwahrend (weshalb die Klage gegen den Festsetzungsbescheid vom 3.1.2016 entgegen dem Einwand der Beklagtenbevollmächtigten fristgerecht erhoben worden ist), jedoch ist angesichts der eindeutigen Umstände der Klageerhebung am 19. September 2017 entgegen der von Seiten der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung lediglich der Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2016 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) - damals zum Klagegegenstand gemacht worden: In dem Klageerhebungsschriftsatz vom 19. September 2017 war nicht nur der Klageantrag lediglich dahingehend formuliert, den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 3. Januar 2016 (Az: …) sowie den Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 in vollem Umfang einschließlich sämtlicher Nebenbestimmungen aufzuheben, sondern die Klage war auch ausdrücklich eingangs bezeichnet „wegen Festsetzungsbescheids vom 3. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2017 (Beitragsnummer …)“ sowie nochmals als erhoben „gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 3.1.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2017“ und an Bescheiden waren auch lediglich der Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 dem Klageschriftsatz beigefügt. Erst mit dem weiteren Schriftsatz vom 27. Dezember 2017 ist der Klageantrag dann dahingehend gestellt worden, die Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 1. Mai 2015, 3. Januar 2016, 1. April 2016 und vom 1. September 2017 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 in vollem Umfang einschließlich sämtlicher Nebenbestimmungen aufzuheben, wodurch die Klage auf die Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015 und 1. April 2016 (sowie auf den vom 1.9.2017, was allerdings insoweit keine Fristprobleme aufwirft, weil gegen diesen Bescheid rechtzeitig Widerspruch erhoben und ein Widerspruchsbescheid dazu noch nicht ergangen war) erweitert worden ist. Zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 27. Dezember 2017 beim Gericht am 28. Dezember 2017 war für die Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015 und 1. April 2016 jedoch die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits abgelaufen. Denn bezüglich des zugehörigen Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 fehlt es zwar an der formgerechten Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG), jedoch bestimmt § 8 VwZG, dass ein Dokument dann, wenn sich dessen formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Dieser Zeitpunkt ist hier jedoch allerspätestens mit dem 19. September 2017 anzusetzen, da bei der Übersendung des Widerspruchsbescheides von Zustellungswille auf Seiten des Beklagten ausgegangen werden kann, nachdem auf dem Widerspruchsbescheid ausdrücklich ein sog. „Post-ab-Vermerk“ angebracht worden ist, und da dann spätestens am 19. September 2017 der Kläger die Klagebevollmächtigten mit der Klageerhebung beauftragt und dazu den Widerspruchsbescheid vorgelegt haben muss. Seit dem 19. September 2017 bis zum 28. Dezember 2017 sind jedoch erheblich mehr als ein Monat vergangen.
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Mithin kann die Klage gegen die Festsetzungsbescheide vom 1. Mai 2015 und 1. April 2016 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 - schon mangels Zulässigkeit nicht zum Erfolg führen. Dazu sei hilfsweise noch ergänzt, dass die Klage auch insoweit aus den nachfolgend unter 2. dargelegten Gründen in der Sache als unbegründet abzuweisen wäre.
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2. Die Anfechtung des Festsetzungsbescheides vom 3. Januar 2016 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 - greift nicht durch, weil dieser Bescheid den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Beklagte behandelt den Kläger insoweit zu Recht als Beitragsverpflichteten für die Wohnung X-Straße in … Dies ergibt sich hier jedenfalls daraus, dass seit 1. Januar 2013 aufgrund des an diesem Tag in Kraft getretenen 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (GVBl. 2011, S. 258, ber. S. 404) für die Erhebung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags im privaten Bereich (u.a.) § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) gilt, wonach als Inhaber einer Wohnung (und damit als Rundfunkbeitragspflichtiger nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 RBStV) jede Person vermutet wird, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist. Unstreitig war aber der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum März bis November 2015 unter der Adresse X-Straße in … meldeamtlich gemeldet. Zwar ist die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV widerlegbar, jedoch greift zur Überzeugung der Kammer insoweit § 6 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung), und zwar unabhängig davon, ob diese hier insoweit in der Fassung vom 19. Dezember 2012 (StAnz Nr. 51-52/2012) oder in der Fassung vom 5. Dezember 2016 (StAnz Nr. 51-52/2016) zur Anwendung gelangt. Demnach kann der Bayerische Rundfunk (oder die gemeinsame Stelle der Landesrundfunkanstalten nach § 2 Rundfunkbeitragssatzung) nämlich das Erbringen eines Nachweises für die Widerlegung der Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV verlangen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Rundfunkbeitragssatzung) und ein solcher Nachweis ist durch Urkunden zu erbringen, und zwar im hier einschlägigen Fall des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Rundfunkbeitragssatzung durch insbesondere eine Meldebescheinigung der Meldebehörde (§ 6 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 Rundfunkbeitragssatzung). Diese Regelung findet ihre zureichende Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 2 Nr. 3 RBStV, wodurch die zuständige Landesrundfunkanstalt (u.a.) ermächtigt wird, Einzelheiten des Verfahrens der Erfüllung von Auskunfts- und Nachweispflichten durch Satzung zu regeln, und begegnet auch keinen sonstigen durchgreifenden Rechtmäßigkeitszweifeln. Die dementsprechend hier erforderliche Widerlegung mittels Urkunde/n ist dem Kläger aber nicht gelungen, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob der Widerlegungsnachweis nur mittels meldeamtlicher Urkunden oder auch durch sonstige Urkunden geführt werden kann (vgl. dazu näher VG Würzburg, U.v. 17.1.2019 - W 3 K 17.1235 - juris, m.w.N.). Der Kläger konnte nämlich bereits keine zumindest grundsätzlich geeignete Urkunde vorweisen - der einzig vorgelegte Mietvertrag vom 2. Juni 2013 betrifft schon einen weit vor dem streitgegenständlichen Zeitraum liegenden Zeitraum -, und die gemachten Zeugenangebote sind wie gezeigt bereits von vornherein unbehelflich. Darüber hinaus fiele dem Kläger zusätzlich noch zur Last, dass sich jemand rechtsgrundsätzlich auch in anderer Hinsicht (also hier: rundfunkbeitragsrechtlich) an dem festhalten lassen muss, was er in einer Hinsicht bereits verbindlich nach außen kundgetan hat (meldeamtliche Meldung der Adresse X-Straße in … … als Hauptwohnung), wobei er im vorliegenden Fall insbesondere auch noch von Seiten des Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass seine Rundfunkbeitragsverpflichtung auf seiner meldeamtlichen Anmeldung beruht (Schreiben des Beitragsservice vom 21. Oktober 2014), und er dennoch an dieser Anmeldung nichts geändert hat und sie auch für den streitgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2015 beibehalten hat. Hinzu kommt noch, dass der Kläger auch vom Tatsächlichen her als Geschäftsführer der … GmbH damals ohne weiteres mindestens die jederzeitige Zugriffs- und Benutzungsmöglichkeit bezüglich der Wohnung in dem Anwesen X-Straße in … hatte.
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3. Erfolgreich ficht der Kläger jedoch den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. September 2017 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2018 - an (streitgegenständlicher Zeitraum: März und April 2016); insoweit wird er, wie von § 113 Abs. 1 VwGO gefordert, durch diese rechtswidrige Verbescheidung in seinen Rechten verletzt.
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Mit dieser Verbescheidung hat der Beklagte für die betreffenden Monate ausstehende Rundfunkbeiträge (nebst Säumniszuschlag) ursprünglich bezogen auf die Wohnung Y-Straße, …, festgesetzt und dies dann, da für die Monate März und April 2016 eine meldeamtliche Anmeldung - worauf der Beklagte konsequenterweise durchgehend abgestellt hat - für diese Wohnung fehlt, sondern nur für die Wohnung X-Straße, … vorliegt, im Widerspruchsbescheid dahingehend „geändert“, Rundfunkbeiträge bezogen auf die Wohnung X-Straße, …, festzusetzen.
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Dieser so abgeänderte Inhalt des Festsetzungsbescheides vom 1. September 2017 könnte aber, nachdem der Beklagte deswegen auch gleichzeitig den Widerspruch insoweit zurückgewiesen hat, nur im Wege einer Umdeutung im Sinne von Art. 47 BayVwVfG rechtmäßig zustande gekommen sein, da der Beklagte dabei im Widerspruchsbescheid den Regelungsgegenstand des Ausgangsbescheides überschritten hat. Zum Regelungsgegenstand eines solchen Festsetzungsbescheides gehört nämlich dessen konkreter Wohnungsbezug (X-Straße, bzw. Y-Straße, …). Dieser Bezug macht hier aber zugleich das Wesen eines derartigen Bescheides aus, weshalb damit die Möglichkeit der Umdeutung wiederum ausscheidet und im Endergebnis die streitgegenständliche belastende Verbescheidung den Kläger in seinen Rechten verletzt.
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Nach der jedenfalls ihrem Rechtsgedanken nach durchaus grundsätzlich anwendbaren Vorschrift des Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG kann nämlich ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt (nur) dann umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist. Dies bedeutet, dass es zwar keiner vollständigen inhaltlichen Identität bedarf, jedoch wesentliche Unterschiede bei einer ex-post-Betrachtung des Verwaltungsaktes eine Umdeutung ausschließen, was unter anderem dann anzunehmen ist, wenn die der Entscheidung zugrunde liegenden Lebenssachverhalte nicht identisch sind (vgl. Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 47 Rn. 14), bzw. dass eine Umdeutung dann nicht zulässig ist, wenn der Verwaltungsakt durch die Umdeutung in seinem Wesen geändert würde (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 47 Rn. 22). Eine solche mangelnde gleiche Zielgerichtetheit liegt hier aber vor. Denn gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist „im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten“; es ist damit für die Rundfunkbeitragserhebung zwingend vorgegeben ein konkreter Wohnungsbezug, es heißt dort gerade nicht, dass jemand zum Rundfunkbeitrag herangezogen wird, weil er irgendeine Wohnung (sc. im Bundesgebiet oder zumindest im Sendegebiet der jeweiligen Landesrundfunkanstalt) innehat. Dieser Bezug auf die konkrete Wohnung und dessen Wesentlichkeit erhellt sich u.a. auch daraus, dass nur so bestimmbar ist, für welche Wohnung auf einen solchen Bescheid der Rundfunkbeitrag entrichtet wird, wovon wiederum unter anderem abhängt, ob etwaige Gesamtschuldner des in § 2 Abs. 3 RBStV ergänzend statuierten Gesamtschuldverhältnisses durch die Zahlung von ihrer Beitragsschuld befreit werden. Die Bedeutung des Wohnungsbezugs für die Rundfunkbeitragserhebung im privaten Bereich erschöpft sich nicht darin, abstrakter Anknüpfungspunkt für den Vorteilsausgleich zu sein, sondern die Beitragserhebung im privaten Bereich ist folglich in § 2 RBStV ausdrücklich so konzipiert worden, dass es entscheidend darauf ankommt, auf welche genau bestimmte Wohnung sich die Beitragspflichtigkeit und die Beitragserhebung beziehen.
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Einer nachträglichen „Auswechslung“ der in Bezug genommenen konkreten Wohnung im Rechtsbehelfsverfahren - wie hier - ist damit aber der rechtliche Boden entzogen und die streitgegenständliche Verbescheidung auf die Klage hin aufzuheben (so im Ergebnis auch VG Neustadt/Weinstraße, U.v. 23.1.2019 - 5 K 391/18.NW - juris, Rn. 28ff.; in diese Richtung ebenfalls VG Leipzig, U.v. 26.9.2018 - 1 K 582/18 - juris, Rn. 56ff.; a.A. VG Schleswig, B.v. 29.6.2018 - 4 B 35/18 - juris, Rn. 33ff sowie VG Freiburg, U.v. 24.5.2018 - 9 K 2889/16 - juris, Rn. 64). Dies gilt auch ungeachtet dessen, dass die Umdeutung im vorliegenden Fall nicht vom Gericht, sondern von der Widerspruchsbehörde, und zwar hier auch noch durch eine mit der Ausgangsbehörde identische Widerspruchsbehörde vorgenommen worden ist, weil dadurch, wie gezeigt, der maßgebliche Regelungsgehalt des Ausgangsbescheides als Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens überschritten wird.
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Die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 1 VwGO erfolgt bei alledem gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO nach dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens, das hier unter Bezugnahme auf die jeweiligen streitgegenständlichen Festsetzungszeiträume mit 15/17 zulasten des Klägers und 2/17 zulasten des Beklagten zu bewerten ist.
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Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Die Berufung war hier gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da sich vorliegend nicht nur schon die grundsätzliche Frage der Ausgestaltung der Widerlegungsmöglichkeit hinsichtlich der Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV stellt, sondern insbesondere auch die Frage der Möglichkeit einer nachträglichen Auswechslung der in Bezug genommenen Wohnung bei einem Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheid (mittels Umdeutung) aufgeworfen ist, wozu soweit ersichtlich differierende erstinstanzliche Verwaltungsgerichtsrechtsprechung, aber noch keine obergerichtliche vorliegt.