Titel:
Bauaufsichtsrechtliche Nutzungsuntersagung und Zwangsgeldandrohung bei genehmigungswidriger Nutzung von Büroräumen zu Wohnzwecken
Normenketten:
VwZVG Art. 29, Art. 31, Art. 36, Art. 38
BayBO Art. 76 S. 1, S. 3
Leitsätze:
1. Bauaufsichtliche Anordnungen haben gegenüber derjenigen Person zu ergehen, die die sicherheitsrechtliche Verantwortung für den baurechtswidrigen Zustand trägt. Bei einer Störermehrheit hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Inanspruchnahme eines Störers zu entscheiden. Das Auswahlermessen hat sich dabei an den Umständen des Einzelfalls, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gebot der schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung zu orientieren. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Regelmäßig erscheint es sachgerecht, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen, wenn nicht ausnahmsweise die Wirksamkeit der Maßnahme eine andere Reihenfolge gebietet. Bezogen auf die Nutzungsuntersagung ist derjenige Handlungsstörer, der für die formelle und materiell rechtswidrige Nutzung unmittelbar verantwortlich ist (hier Heranziehung der gekündigten Mieterin von als Büroraum genehmigten Räumlichkeiten als Handlungsstörerin wegen weiterer rechtwidriger Nutzung zu Wohnzwecken und zum Betrieb einer Kindertagesstätte. (Rn. 51 – 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
isolierte Zwangsgeldandrohung, Bestandskraft, Störerauswahl, Bauaufsicht, Nutzungsuntersagung, Büroräume, rechtswidrige Nutzung, Wohnraum, Kindertagesstätte
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10442
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Zwangsgeldandrohung nebst Nachfristsetzung zur Erfüllung einer Nutzungsuntersagung.
2
Die Klägerin bewohnt gegenwärtig im Anwesen …, Fl.Nr. …, Gemarkung …, eine Erdgeschosswohnung und betreut dort auch bis zu 5 Kinder als Tagesmutter.
3
Für die streitgegenständlichen Räumlichkeiten wurde mit Bescheid vom 14. Februar 1989 eine Nutzung als „Büro“ genehmigt.
4
Bei einer Ortseinsicht durch die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten am 10. November 2014 wurde festgestellt, dass die streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Wohnräume und „Kindertagesstätte“ genutzt werden.
5
Mit Bescheid vom 11. Juni 2015 wurde der Wohnungseigentümer und damalige Vermieter der Klägerin aufgefordert, für die „Nutzungsänderung von Büro zu Wohnung“ einen Bauantrag mit den erforderlichen Bauvorlagen einzureichen.
6
Mit Schriftsatz vom 22. August 2015 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Wohnungseigentümers mit, dass am 20. August 2015 eine Eigentümerversammlung stattgefunden habe und die Eigentümerversammlung nicht bereit gewesen sei, der Umwandlung der Gewerberäume in Wohnungseigentum zuzustimmen. Die Einreichung eines Bauantrages könne daher bis auf weiteres nicht erfolgen, da sich eine Nutzungsänderung derzeit nicht zivilrechtlich durchsetzen lasse.
7
Mit Bescheid vom 10. Februar 2017 wurde dem Wohnungseigentümer eine Nachfrist eingeräumt und ein weiteres Zwangsgeld angedroht. Gleichzeitig wurde mit Mitteilung vom 10. Februar 2017 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR fällig gestellt.
8
Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Wohnungseigentümers mit, dass das Mietverhältnis zum 31. Mai 2017 gekündigt worden sei, Der Rechtsstreit zwischen dem Wohnungseigentümer und der Eigentümergemeinschaft vor dem Amtsgericht sei dahingehend entschieden, dass die Nutzungsänderung aufgrund des entgegenstehenden mehrheitlichen Willens der Eigentümergemeinschaft nicht durchsetzbar sei.
9
Mit Schreiben vom 17. August 2017 forderte der Verfahrensbevollmächtigte des Wohnungseigentümers die Klägerin auf, die streitgegenständlichen Räumlichkeiten unverzüglich zu räumen.
10
Bei Ortseinsichten durch die Bauaufsichtsbehörde am 13. September 2017 und am 2. Februar 2018 wurde jeweils festgestellt, dass die Wohnnutzung weiterhin fortbesteht.
11
Mit Bescheid vom 5. Februar 2018 wurde dem Wohnungseigentümer eine Nachfrist eingeräumt und ein weiteres Zwangsgeld angedroht. Gleichzeitig wurde mit Mitteilung vom 5. Februar 2018 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR fällig gestellt.
12
Mit Urteil des Amtsgerichts … vom 9. Februar 2018 (Aktenzeichen: 14 C 5515/17 WEG) wurde der Wohnungseigentümer verurteilt, den „unzulässigen Gebrauch seiner Teileigentumseinheit Büro/Praxis im Erdgeschoss rechts, Nr. II des Aufteilungsplanes in der Wohnungseigentumsanlage in der … in … als ganztägige Tagespflege für bis zu 5 Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren und als Wohnung zu unterlassen“.
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Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 teilte der Wohnungseigentümer mit, dass das Mietverhältnis mit Kündigung vom 28. November 2017, durch Boten am 29. November 2017 übergeben, fristlos gekündigt worden sei.
14
Nach Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2018 wurde am 19. März 2018 ein Bescheid mit identischem Inhalt an den Wohnungseigentümer erlassen.
15
Mit Schreiben vom 16. April 2018 wies der Wohnungseigentümer auf das Urteil des Amtsgerichts … vom 9. Februar 2018 hin, woraus sich ergebe, dass eine Änderung der Teilungserklärung nicht erfolgen werde.
16
Mit Schreiben vom 20. April 2018 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die derzeitige Nutzung im Widerspruch zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolge und die Beklagte berechtigt sei, die Nutzungsuntersagung und die Räumung der Wohnung im Erdgeschoss rechts bis spätestens 20. Juli 2018 zu fordern.
17
Mit Schreiben vom 8. Mai 2018 teilte die Klägerin mit, dass es ihr aufgrund der aktuellen Wohnungssituation kaum möglich sei, die geforderte Frist einzuhalten. Sie befinde sich bereits seit mehr als einem Jahr auf der Suche nach einer neuen Wohnung, bisher ohne Erfolg. Es werde einer Verlängerung der Frist bis zum 31. Dezember 2018 beantragt.
18
Mit Schreiben vom 22. Mai 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass einer Fristverlängerung zugestimmt werden könne, wenn die sofortige Löschung aller beim Amt für Existenzsicherung und soziale Integration angegebenen Kriterien erfolge, womit eine schnellere Wohnungsvermittlung möglich sei. Zudem werde eine zusätzliche Suche auf dem freien Wohnungsmarkt vorausgesetzt. Falls diese Bedingungen nicht erfüllt würden, werde eine kostenpflichtige Nutzungsuntersagung erlassen.
19
Ein Aktenvermerk der Beklagten vom 19. Juni 2018 ist zu entnehmen, dass eine Rücksprache beim Amt für Existenzsicherung und soziale Integration ergeben habe, dass die Kriterien „Erdgeschoss“ und „Haustiere erlaubt“ nach wie vor eingetragen seien. Es seien bereits 4 Wohnungen vermittelt worden, die die Klägerin jeweils abgelehnt habe.
20
Mit Bescheid vom 23. Juli 2018 wurde der Klägerin die Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss rechts des Anwesens … als Wohnung untersagt und aufgegeben, die Nutzung bis spätestens 31. Dezember 2018 einzustellen (Nr. 1). Für den Fall, dass der Nutzungsuntersagung nicht fristgemäß Folge geleistet werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR angedroht (Nr. 2).
21
Mit einem mit „Einspruch“ betiteltem Schreiben vom 28. August 2018 bat die Klägerin, die Frist für die Nutzungsuntersagung zu verlängern, da sie schon aktiv auf Wohnungssuche sei und bei der Stadt … schon in der Warteschlange sei. Wann und wie schnell sie eine Wohnung bekomme, könne sie leider nicht sagen, da sie Kinder habe, Tagesmutter sei und es somit nicht so einfach sei, so schnell eine Wohnung zu kriegen. Sie bitte um Verständnis und um eine Verlängerung der Frist für die Nutzungsuntersagung. Den Betrag in Höhe von 224,11 EUR werde sie innerhalb der angegebenen Frist begleichen.
22
Mit Schreiben vom 31. August 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass einer erneuten Fristverlängerung nicht zugestimmt werden könne, da die Frist noch nicht abgelaufen sei. Die Frist zur Einstellung der Nutzung laufe am 31. Dezember 2018 ab. Um die Frist verlängern zu können, sei die sofortige Löschung aller Kriterien beim Amt für Existenzsicherung und soziale Integration zu veranlassen und schriftlich nachzuweisen. Die bereits vermittelten 4 Wohnungen seien ohne wichtigen Grund abgelehnt worden. Eine Ablehnung sei nur aus wichtigen Gründen gestattet. Zusätzlich seien entsprechende Nachweise der Bauordnungsbehörde vorzulegen, dass eine zusätzliche Suche auf dem freien Wohnungsmarkt erfolge. Sofern diese Bedingungen nicht bis zum 31.12.2018 erfüllt würden oder die Nutzung aufgelassen werde, werde die Zwangsgeldforderung in Höhe von 1.000,00 EUR fällig.
23
Bei einer Ortseinsicht durch die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten am 5. Februar 2019 wurde die Klägerin in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten angetroffen und gab an, nach wie vor dort zu wohnen.
24
Mit Bescheid vom 11. Februar 2019, zugestellt am 14. Februar 2019, bestimmte die Beklagte der Klägerin zur Erfüllung der Anordnung Nr. 1 des unanfechtbaren Bescheides vom 23. Juli 2018 eine Nachfrist von 6 Monaten ab Zustellung des Bescheides (Nr. 1). Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR angedroht.
25
Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die angeordnete Nutzungsuntersagung vorliege. Die Bauordnungsbehörde müsse darüber wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften ergangenen Anordnungen eingehalten würden.
26
Mit Schreiben vom 11. Februar 219 wurde das zuvor angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR fällig gestellt.
27
Mit Schriftsatz vom 4. März 2019, eingegangen bei Gericht am 6. März 2019, erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage.
28
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 8. April 2019 ausgeführt, dass die Klägerin geltend mache, dass sie gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2018 Widerspruch eingelegt habe. Das Schreiben sei zwar mit Einspruch überschrieben, dies sei aber nicht schädlich, da sich aus dem Schreiben ergebe, dass die Klägerin mit der Anordnung der Beklagten nicht einverstanden sei. Unabhängig von der Rechtskraft der Anordnung berücksichtige die Beklagte nicht, dass die Klägerin die Räume aufgrund eines wirksam abgeschlossenen Mietvertrages nutze. Die Nutzungsuntersagung sei daher nicht an die Klägerin zu richten, sondern an den Eigentümer der Räume und den Vermieter. Im Übrigen bemühe sich die Klägerin dauernd um eine Ersatzwohnung. Aufgrund der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt sei es ihr trotz vielfältiger Bemühungen nicht gelungen, eine Wohnung zu finden.
29
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 11. Februar 2019 aufzuheben.
30
Die Beklagte beantragt,
31
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz mit 21. Mai 2019 ausgeführt, dass mit Schreiben vom 28. August 2018 durch die Klägerin nur eine Fristverlängerung beantragt worden sei. Ein Widerspruch sei nicht ersichtlich, da nur auf die im Bescheid vom 23. Juli 2018 genannte Frist eingegangen werde. Zudem sei auch die Kostenfestsetzung in Höhe von 224,11 EUR beglichen worden.
32
Ein Widerspruch wäre als förmlicher Rechtsbehelf auch nicht zulässig gewesen. Ein unzulässiger Rechtsbehelf verhindere weder den Eintritt von Bestandskraft und Unanfechtbarkeit des Bescheids noch gegebenenfalls dessen Vollzug bzw. Vollstreckung und hat mithin keine rechtliche Wirkung.
33
Der Mietvertrag sei bereits fristlos durch den Vermieter zum 14. Dezember 2017 gekündigt worden.
34
Der Bescheid sei somit auch an die richtige Adressatin gerichtet und die Störerauswahl sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Bei einer bauordnungsrechtlichen Maßnahme nach Art. 76 Satz 2 BayBO sei der richtige Adressat nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für eine Beseitigungsanordnung oder einen Bauvorlagebescheid gem. Art. 76 Satz 1 und 3 BayBO gälten. Es werde auf die Entscheidung im Verfahren AN 9 K 17.02668 verwiesen. Die Störerauswahl sei ermessensfehlerfrei gewesen. Die Fristverlängerung habe unter bestimmten Bedingungen in Aussicht gestellt werden können. Weder sei die Löschung der Kriterien zur Wohnungssuche erfolgt, noch seien entsprechende Nachweise der zusätzlichen Wohnungssuche erfolgt. Somit sei keine Zustimmung zur beantragten Fristverlängerung erfolgt. Bereits 4 Wohnungen seien nach Angaben des Amtes für Existenzsicherung angeboten und ohne wichtigen Grund abgelehnt worden. Es sei keine Rechtsverletzung der Klägerin durch den streitgegenständlichen Bescheid festzustellen.
35
Mit Schriftsätzen vom 30. März 2020 verzichteten die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
36
Mit Beschluss vom 2. April 2020 wurde der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen.
Entscheidungsgründe
37
Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist eine isolierte, nicht mit dem zugrundeliegenden, bereits unanfechtbaren Grundverwaltungsakt vom 23. Juli 2018 verbundene Androhung eines erneuten Zwangsgeldes unter Setzung einer Nachfrist zur Erfüllung der Anordnung Nr. 1 des unanfechtbaren Bescheides vom 23. Juli 2018 (Nutzungsuntersagung).
38
Der zugrundeliegende Bescheid vom 23. Juli 2018 ist auch bereits unanfechtbar geworden, insbesondere wurde entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten kein Widerspruch eingelegt, der den Eintritt der Unanfechtbarkeit hätte hindern können. Das Schreiben der Klägerin vom 28. August 2018 ist, wie die Beklagte zutreffend ausführt, schon nicht als Widerspruch zu werten, da inhaltlich ausschließlich um eine Fristverlängerung ersucht wird und auch die festgesetzten Kosten bezahlt wurden, was für ein grundsätzliches Einverständnis mit dem Bescheid spricht. Jedenfalls wäre aber der Widerspruch auch kein statthafter Rechtsbehelf gewesen, was sich aus § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 2 AGVwGO ergibt, der das grundsätzliche Entfallen des Widerspruchsverfahrens anordnet. Es ist nicht ersichtlich, dass eine der Varianten des Art. 15 Abs. 1 AGVwGO einschlägig wäre, wonach ein Vorverfahren statthaft sein könnte.
39
Der Bescheid vom 23. Juli 2018 wurde somit bestandskräftig, und die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene isolierte Zwangsgeldandrohung kann gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 BayVwZVG mit der Anfechtungsklage nur insoweit angegriffen werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst geltend gemacht wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt sind ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH Entscheidung v. 24.1.2007 - Vf. 50-VI-05 - juris). Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23. Juli 2018 ist somit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
40
Die zulässige Klage, über die auf Grund des Einverständnisses der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
41
Die erneute Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 BayVwZVG.
42
Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken.
43
Auch die materielle Rechtmäßigkeit ist zu bejahen.
44
1. Der der Vollstreckung zugrunde liegende Grundverwaltungsakt, der Bescheid vom 23. Juli 2018, ist unanfechtbar im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG. Der Verwaltungsakt ist auch wirksam; Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit gem. Art. 44 BayVwVfG sind nicht ersichtlich.
45
2. Die Pflicht zur Unterlassung der Nutzung stellt eine Unterlassenspflicht dar; das Zwangsgeld ist somit das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel (Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG).
46
3. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes wird von der Klägerin nicht substantiiert angegriffen und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie bewegt sich mit 1.500,00 EUR im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR betragen darf. Angesichts der Tatsache, dass eine nicht genehmigte Wohnnutzung vorliegt und mangels genehmigter Nutzung beispielsweise keine Überprüfung der Rettungswege erfolgt ist, erscheint die Höhe als absolut angemessen.
47
4. Die gesetzte Frist begegnet ebenfalls keinen Bedenken, Art. 36 Abs. 1 BayVwZVG. Auf das Vorbringen der Klägerin wurde ihr eine Fristverlängerung bis 31. Dezember 2018 eingeräumt. Diese Frist ist erfolglos verstrichen. Der streitgegenständliche Bescheid räumt eine Nachfrist von weiteren 6 Monaten ab Zustellung des Bescheides ein. Es ist davon auszugehen, dass diese Frist angemessen ist, um eine neue Wohnung zu finden; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bereits im April 2018 über die bevorstehende Nutzungsuntersagung informiert wurde und somit bereits ausreichend Zeit bestanden hat, sich auf die Situation einzustellen. Auch bezüglich der Angemessenheit der Frist gilt zu bedenken, dass gegenwärtig eine Wohnnutzung ohne geprüfte Rettungswegsituation erfolgt und bereits vor diesem Hintergrund eine zeitnahe Beendigung dieses Zustandes angezeigt ist.
48
5. Gem. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist die erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Auch diese Voraussetzung ist gegeben. Die Nutzung der Wohnung besteht nach Aktenlage weiterhin fort, Gegenteiliges wurde nicht vorgetragen. Somit durfte gem. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG eine erneute Zwangsgeldandrohung unter Fristsetzung erfolgen.
49
6. Auch unter sonstigen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bestehen keine Bedenken. Die Behörde hat bereits über einen langen Zeitraum zugewartet und der Klägerin auch schon faktisch eine Nachfrist eingeräumt, obwohl die Klägerin die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung (Löschung der beim Amt für Existenzsicherung angegebenen Kriterien „Erdgeschoss“ und „Haustiere“) gar nicht erfüllt hat. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten seitens der Klägerin 4 durch das Amt für Existenzsicherung angebotene Wohnungen abgelehnt wurden.
50
Soweit Bedenken gegen die Störerauswahl geltend gemacht werden, hätten diese bereits gegen den Grundverwaltungsakt vorgebracht werden müssen. Selbst wenn man die Störerauswahl aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen würde, so begegnet die Inanspruchnahme der Klägerin als Handlungsstörerin keinen Bedenken.
51
Bauaufsichtliche Anordnungen haben gegenüber derjenigen Person zu ergehen, die die sicherheitsrechtliche Verantwortung für den baurechtswidrigen Zustand trägt. Bei einer Störermehrheit hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Inanspruchnahme eines Störers zu entscheiden. Das Auswahlermessen hat sich dabei an den Umständen des Einzelfalls, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gebot der schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung zu orientieren. Regelmäßig erscheint es sachgerecht, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen, wenn nicht ausnahmsweise die Wirksamkeit der Maßnahme eine andere Reihenfolge gebietet (BayVGH, B.v. 28.5.2001 - 1 ZB 01.664 - juris Rn. 5; VG Ansbach,U.v. 10.10.2019 - A N 9 K 18.00119 - juris Rn. 61). Bezogen auf die Nutzungsuntersagung ist derjenige Handlungsstörer, der für die formelle und materiell rechtswidrige Nutzung unmittelbar verantwortlich ist (siehe hierzu VG Ansbach, U.v. 16.8.2018 - AN 9 K 17.02668 - juris Rn. 45).
52
Vor dem Hintergrund, dass nach dem Akteninhalt und dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten gerade nicht mehr von einem wirksamen Mietvertrag auszugehen ist, da dieser durch den Vermieter und Wohnungseigentümer mit Kündigung vom 28. November 2017, durch Boten am 29. November 2017 übergeben, fristlos gekündigt wurde, erscheint die Heranziehung der Klägerin als Handlungsstörerin als angemessen und rechtmäßig. Der Vermieter und Wohnungseigentümer, gegen den die Behörde zunächst vorgegangen war, hat mit der Kündigung reagiert. Insoweit begegnet es keinen Bedenken, die Klägerin als Handlungsstörerin heranzuziehen, da sie gegenwärtig für die rechtswidrige Nutzung unmittelbar verantwortlich ist und somit auch am besten geeignet ist, den Zustand der nicht genehmigten Nutzung durch Aufgabe der Nutzung zu beenden. Der Wohnungseigentümer und Vermieter erweist sich keinesfalls als sachnäher als die Klägerin.
53
Auch die klägerseits vorgelegten Nachweise hinsichtlich der Bemühungen, eine Wohnung zu finden, führen nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Anordnung. Diese wären nur für die Gewährung einer Fristverlängerung bis zum 31.12.2018 von Bedeutung gewesen. Diese Fristverlängerung wurde faktisch aber ohnehin gewährt; es gibt aber keinen Grund, warum künftig von der Durchsetzung der Anordnung abgesehen werden sollte. Auch hier ist wiederum auf die bereits durch das Amt für Existenzsicherung angebotenen Wohnungen, die ohne Angabe von wichtigen Gründen abgelehnt wurden, zu verweisen. Vor diesem Hintergrund ist eine Unverhältnismäßigkeit nicht erkennbar.
54
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.