Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 20.04.2020 – AN 9 K 19.02284
Titel:

Anordnung der Beseitigung von Anpflanzungen im Überschwemmungsgebiet

Normenketten:
BayWG Art. 58 Abs. 1 S. 2
WHG § 78a, § 100 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Den amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebietes und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen und deshalb grundsätzlich ein weit größeres Gewicht besitzen als Expertisen von privaten Fachinstituten. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist der Hochwasserabfluss in ausreichendem Maße gewährleistet, tritt die Untersagungswirkung des § 78a Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WHG nicht ein, weshalb eine Zulassung nach § 78a Abs. 2 S. 1 WHG nicht nötig sein dürfte, jedenfalls aber zu erteilen ist. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Zulassung von Maßnahmen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten gem. § 78a Abs. 2 S. 1 WHG ist zwar als Ermessensvorschrift ausgestaltet, kommt aber unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen einer Ermessensreduzierung auf Null nahe. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beeinträchtigung Hochwasserabfluss, Pflanzungen im festgesetzten Überschwemmungsgebiet, Beseitigungsanordnung, Gewässeraufsicht, Wasserwirtschaftsamt, Verhältnismäßigkeit, Ermessensreduzierung auf Null
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10439

Tenor

I. Der Bescheid wird aufgehoben, soweit auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, hinsichtlich der parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat verlaufenden Buchenhecke die Beseitigung angeordnet wurde, soweit hinsichtlich der quer zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat verlaufenden Buchenhecke mehr als die Beseitigung jeder fünften Heckenpflanze angeordnet wurde und soweit diesbezüglich jeweils Zwangsgelder angedroht wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt 1/10 und der Beklagte 9/10 der Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar, der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Rechtsschutz gegen eine vom Beklagten bezüglich der Anpflanzungen von Buchenhecken auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, erlassene Beseitigungsanordnung.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … Das streitgegenständliche Grundstück befindet sich im mit Verordnung vom 28. Juni 2005 festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Fränkischen Rezat. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück wurden auf Veranlassung des Klägers mehrere Buchenhecken und Ahornbäume gepflanzt. Die Heckenpflanzungen erfolgten teilweise senkrecht, teilweise parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat.
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Mit Schreiben vom 29. April 2019 forderte das Landratsamt den Kläger auf, die Pflanzungen bis 24. Mai 2019 zu beseitigen.
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Am 6. Mai 2019 sprach der Kläger persönlich beim Landratsamt vor und teilte u.a. mit, dass er mit einer Drohne das Überschwemmungsgebiet überflogen habe und viele Heckenpflanzungen und Bäume entdeckt habe; er sehe sich nicht gleich behandelt. Auf diese Vorsprache hin wurde die Frist zur Beseitigung bis zum 20. Juni 2019 verlängert.
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Mit E-Mail vom 15. Mai 2019 teilte der Kläger mit, dass die Allee im Rahmen der auf dem streitgegenständlichen Grundstück stattfindenden Außentrauungen von Hochzeitspaaren gebucht werde. Es werde um eine Sondergenehmigung gebeten. Weiterhin wurde ein Plan mit der derzeitigen Bepflanzung und einer aus Sicht des Klägers möglichen zukünftigen Gestaltung vorgelegt. Nach dem vorgelegten Vorschlag entfällt die westliche, sich am nächsten an der Fränkischen Rezat befindliche Heckenpflanzung.
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Mit E-Mail vom 4. Juni 2019 teilte das Wasserwirtschaftsamt mit, dass aus seiner Sicht keine nachteiligen Veränderungen von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser aufgrund der Ahornbaum-Pflanzungen erkennbar seien. Die Ahornbäume seien mit ca. 8 Meter Abstand voneinander angeordnet, mit Laubaustrieb sei nur im Kronenbereich zu rechnen. Der Abstand der Baumreihen zur Fränkischen Rezat betrage rund 50 Meter. Jedoch sei die Buchenhecke, insbesondere im nördlichen Grundstücksbereich, quer zur Fließrichtung angelegt. Die Einzelpflanzen seien mit geringem Abstand sehr dicht gesetzt. Es sei nach Laubaustrieb mit dichtem Blätterwerk ab Geländeoberkante zu rechnen. Daher sei keine Möglichkeit für eine Ausnahme gegeben. Die Hecke sei in Gänze zu entfernen.
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Mit behördlichem Schreiben vom 2. Juli 2019 wurde der Kläger zum möglichen Erlass einer Beseitigungsanordnung angehört.
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Mit E-Mail vom 5. Juli 2019 teilte der Kläger mit, dass sich an der Nordseite des Grundstücks teils Gebäude und Zäune des Nachbarn sowie der erhöht gebaute Straßendamm befänden. Hier könne kein Treibgut angeschwemmt werden, da die Fränkische Rezat in Fließrichtung Westen hinter dem Straßendamm liege. Soweit die Fränkische Rezat in Nord-Süd-Richtung fließe, sei die Hecke sehr weit entfernt. Ein Anstau von Treibgut oder eine Behinderung sei nicht einmal theoretisch möglich, zumindest bis zu der Stelle, welche mehr als 50 Meter vom Ufer der Fränkischen Rezat entfernt sei. Die in Nord-Süd-Richtung angepflanzte Hecke verlaufe parallel zur Rezat, welche 50 Meter entfernt sei. Der Kläger bot die Erstellung eines Strömungsgutachtens zum Nachweis der Unbedenklichkeit an und wies auf die Möglichkeit hin, die Hecken in Kübel umzutopfen und im Hochwasserfall rechtzeitig abtransportieren zu lassen.
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Am 10. Juli 2019 beantragte der Kläger eine Ausnahmegenehmigung für die Anpflanzung von Bäumen im Überschwemmungsgebiet.
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Am 11. Juli 2019 wurde ein Vorschlag zur Neuanpflanzung durch ein vom Kläger beauftragtes Ingenieurbüro vorgelegt und mitgeteilt, dass die bestehende Heckenbepflanzung zwischenzeitlich vertrocknet sei.
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Mit Bescheid vom 25. Juli 2019 wurde dem Kläger die Genehmigung nach § 78a Abs. 2 WHG für die Anpflanzung von Bäumen im festgesetzten Überschwemmungsgebiet erteilt.
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Mit E-Mail vom 16. Oktober 2019 legte der Kläger eine weitere Stellungnahme durch das von ihm beauftragte Ingenieurbüro vor. Dieser ist zu entnehmen, dass das Hochwasser der Fränkischen Rezat im Hochwasserfall nach Süden im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks nur über zwei Stellen, nämlich unter der Brücke sowie über den Mühlbach, abfließen könne. Nach der amtlichen Hochwasserkarte sei die Straße hochwasserfrei und werde nicht überschwemmt. Sie wirke als Hochwasserdamm. Hauptfließrichtung nach der Brücke sei das Flussbett der Fränkischen Rezat. In Nord-Süd-Richtung bestehe darüber hinaus der Horrender Weg, der durch seine ca. 0,5 - 1,5 Meter hohe Aufschüttung zusätzlich den Hochwasserabfluss Richtung streitgegenständliches Grundstück verhindere. Durch die Bepflanzung in Nord-Süd-Richtung bestehe keine Beschränkung, da der Hellip Weg eine entsprechende Dammfunktion übernehme. Es sei keine Reduktion des Retentionsvolumens gegeben. Bezüglich der in Ost-West-Richtung verlaufenden Bepflanzung sei nach Aussage von Anwohnern der nördlich der Bepflanzung liegende Bolzplatz seit mindestens 50 Jahren nicht überflutet worden. Aufgrund der geodätischen Höhenlage sei die Hochwassergefahr als äußerst gering einzuschätzen.
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Mit E-Mail vom 21. Oktober 2019 teilte das Wasserwirtschaftsamt mit, dass auch unter Berücksichtigung der nunmehr vorgelegten Unterlagen nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss nicht ausgeschlossen werden könnten.
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Mit E-Mail vom 22. Oktober 2019 teilte die Bürgermeisterin des Marktes … mit, dass sie über die Vornahme von Ersatzpflanzungen an der Buchenhecke durch den Kläger informiert worden sei.
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Mit Bescheid vom 23. Oktober 2019, zugestellt am 25. Oktober 2019, wurde der Kläger verpflichtet, die Anpflanzungen von Buchenhecken auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, im festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Fränkischen Rezat, bis spätestens vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu beseitigen und die Beseitigung durch Übersendung von Fotos nachzuweisen (Ziffer 1 des Bescheids). Für den Fall der Nichterfüllung wurde in Ziffer 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR angedroht. In Ziffer 3 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 angeordnet.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei der dicht gesetzten Hecke mit Ast- und Laubaustrieb und dichtem Blätterwerk ab Geländeoberkante zu rechnen sei. Im Hochwasserfall würde in der quer zur Fließrichtung errichteten Hecke eine Ansammlung von Treibgut entstehen. Nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes könnten daher nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser nicht ausgeschlossen werden, was zu Schädigungen von Dritten führen könne. Das öffentliche Interesse an einem unbeeinträchtigten Hochwasserabfluss überwiege das Interesse des Klägers an der Beibehaltung der Heckenpflanzung. Ein durch Treibgutansammlung gehinderter Hochwasserabfluss könne zu einer nachteiligen Veränderung des Wasserstandes führen, was zu Schäden von Dritten führen könne.
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Die sofortige Vollziehung wird mit der Einschätzung als Abflusshindernis begründet. Bei nachteiligen Veränderungen des Wasserstands und Hochwasserabflusses seien Schädigungen schutzwürdiger Interessen Dritter nicht auszuschließen. Insbesondere im anstehenden Winterhalbjahr sei mit zunehmenden Niederschlägen und steigenden Pegeln in den Gewässern zu rechnen.
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Mit Schriftsatz vom 21. November 2019, ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage erheben und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (AN 9 S 19.02283) stellen.
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Zur Begründung wird ergänzend ausgeführt, der Kläger habe die streitgegenständliche Hecke in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September 2019 gem. § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG überhaupt nicht beseitigen dürfen. Im Übrigen stelle die Hecke keine nachteilige Veränderung dar. Die Hecke sei einreihig gepflanzt, der Abstand betrage ca. 1,2 - 1,5 Meter. Statt einer Entfernung der Bepflanzung wäre es möglich, zunächst die Höhen der Geländeoberkante zu vermessen oder auch (ggf. befestigte) Furchen zur Sicherung des Zu- und Ablaufs einzurichten. Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt seien in keinster Weise auf die Lösungsbemühungen des Klägers eingegangen, obwohl mehrfach bauliche Anlagen genehmigt worden seien wie die erst kürzlich neu errichtete Kläranlage … direkt im Überflutungsbereich oder das neue Betriebsgelände des Bauhofs … unmittelbar im Hauptabflussbereich der Fränkischen Rezat. Der Kläger habe einen Anspruch auf Genehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG, die Beseitigungsanordnung sei unverhältnismäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei lediglich formelhaft begründet. Die Beseitigung sei nur zwischen März und September möglich, weshalb die zu erwartende Witterung in den restlichen Monaten per se kein Argument für eine beschleunigte Beseitigung sei. Selbst im Falle eines Hochwassers sei aufgrund der Verhältnisse vor Ort keine Gefährdung zu befürchten. Es entspreche dem in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Eigentums, dass mit erheblichem Aufwand geschaffene Substanzwerte grundsätzlich nicht zerstört würden, solange nicht sicher sei, ob sie erhalten bleiben dürften. Die Anpflanzung und Anwuchspflege der Hecke habe 8.800,00 EUR gekostet; die Beseitigung wäre aufgrund der erforderlichen Beseitigung und des Ausgrabens der Wurzelstöcke noch weit teurer. Dazu kämen die erneuten Kosten für die Wiederanlage nach Abschluss des Verfahrens.
20
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Landratsamts Ansbach vom 23. Oktober 2019 aufzuheben.
21
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
22
Zur Begründung wird ergänzend ausgeführt, dass das festgesetzte Überschwemmungsgebiet den Bereich des Straßendammes nicht als überschwemmte Fläche ausweise. Aufgrund der fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes … (Vergleich der Höhenkoten Gelände mit Wasserspiegel) sei davon auszugehen, dass unabhängig von der planerischen Darstellung im Bemessungshochwasserfall auch ein Abfluss über den genannten Straßendamm erfolge, dieser also überschwemmt werde.
23
Der Neubau der Kläranlage sei bewusst außerhalb des festgesetzten Überschwemmungsgebiets errichtet worden und könne daher nicht als Vergleichsfall herangezogen werden. Die Gebäude des Bauhofs hätten zum Zeitpunkt der Festsetzung des Überschwemmungsgebiets bereits bestanden.
24
Die Beseitigung der Hecke sei naturschutzrechtlich jederzeit möglich, da die Verbote des § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG nicht bei behördlich angeordneten Maßnahmen gälten.
25
Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2020 teilte das Landratsamt mit, dass der sich westlich des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, befindliche Teil der Heckenpflanzungen entfernt worden sei. Der gestellte Antrag werde im Hinblick auf die quer zur Fließrichtung errichteten Heckenpflanzungen weiter aufrechterhalten.
26
Der übermittelten Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes ist zu entnehmen, dass durch das Wasserwirtschaftsamt für den hier maßgeblichen Bereich der Fränkischen Rezat eine 2d-Berechnung für den Bemessungshochwasserfall durchgeführt worden sei. Die Straße (FlNr. …, Gemarkung …) werde im Bemessungshochwasserfall auf einer Breite von ca. 70 Meter überströmt; in Teilbereichen würden Wasserstände von bis ca. 0,45 Meter über Straßenoberkante erreicht. Aufgrund der Höhenlage des Straßendammes (d.h. Straßenoberkante deutlich über dem Geländeniveau südlich der Straße; Höhendifferenz bei rd. 1,5 Meter) erhöhe sich die Fließgeschwindigkeit beim Überströmen der Straße und dem breitflächigen Abfließen in Dammneigung; aufgrund dieses Strömungszustandes seien nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser durch die quer zur Fließrichtung verlaufende Hecke nicht auszuschließen. Bei dem Bewuchs direkt nördlich und südlich der Straße (FlNr. …, Gemarkung …) handele es sich weitestgehend um hochstämmige Bäume. Mit Laubaustrieb sei im Wesentlichen im Kronenbereich zu rechnen, also nicht direkt ab Geländeoberkante. Die dicht gesetzte Heckenpflanzung mit dichtem Blätterwerk ab Geländeoberkante berge ein erhöhtes Risiko der Verklausung durch Treibgut im Hochwasserfall. Sofern ausschließlich der Teil der Heckenpflanzung verbliebe, der parallel zur Fließrichtung verlaufe, seien mögliche nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Hochwasserabfluss, sowie eine potentielle Verklausungsgefahr als vertretbar einzuschätzen.
27
Mit Beschluss vom 12. Februar 2020 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wiederhergestellt, als auf dem Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung …, mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 die Beseitigung der parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat verlaufenden Buchenhecken verlangt wurde. Im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen.
28
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2020 teilte die Klägerbevollmächtigte mit, dass die behauptete Neuberechnung des Überschwemmungsgebietes nicht prüffähig sei. Behauptete Wasserstände bis ca. 0,45 m über Straßenoberkante würden bestritten. Am 6. Februar 2020 habe eine Ortbegehung mit Vertretern von Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt stattgefunden; im Rahmen dieser Begehung seien verschiedene Varianten besprochen worden, soweit ersichtlich habe Variante 2 allseitige Zustimmung gefunden.
29
Mit Schriftsatz vom 3. März 2020 teilte der Beklagte mit, dass als Fazit des Ortstermins am 6. Februar 2020 nur die Variante b als machbar erschienen sei. Der Kläger sei gebeten worden, eine Berechnung und Planung dieser Variante ausarbeiten zu lassen und dem Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt zur Prüfung vorzulegen. Das Wasserwirtschaftsamt habe die Variante einer 20-prozentigen Entnahme der Heckenpflanzen geprüft und halte diese für geeignet, den erforderlichen Hochwasserabfluss in ausreichendem Maße zu gewährleisten. Die parallel zur Fränkischen Rezat verlaufende Hecke könne unverändert bestehen bleiben. Es könne daher in Aussicht gestellt werden, die Beseitigungsanordnung derart abzuändern, dass nur noch Teile der Bepflanzung zu entfernen seien. Darüber hinaus sei weiterhin eine Ausnahme von der Verordnung über das Überschwemmungsgebiet für die Fränkische Rezat vom 28. Juni 2005 erforderlich. Diese Einschätzung sei der Klägerbevollmächtigen am 2. März telefonisch mitgeteilt worden. Diese habe angegeben, zwar vergleichsbereit zu sein, aber an der Klage festhalten zu wollen. Der Beklagte weist darauf hin, dass trotz des in der Verordnung über das Überschwemmungsgebiet normierten Verbotes von Anpflanzungen die Bepflanzungen des Klägers ohne Rücksprache erfolgt seien und dafür auch keine Ausnahmegenehmigungen beantragt worden seien. Die Bepflanzungen seien demnach vollumfänglich rechtswidrig gewesen. Die Beseitigungsanordnung sei verhältnismäßig gewesen, um rechtmäßige Zustände wiederherzustellen. Aus diesem Grund würden die Anträge aufrechterhalten, da zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes keine der vorgeschlagenen Variantenlösungen in Aussicht gewesen sei und diese auch im Anhörungsverfahren nicht vorgetragen worden seien. Eine Ausnahmegenehmigung für die Heckenbepflanzung bzw. Teile davon sei nicht beantrag worden, dem Kläger sei es stets um die Hecke als Ganzes gegangen.
30
Mit Schriftsatz vom 1. April 2020 bzw. vom 8. April 2020 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
31
Mit Beschluss vom 20. April 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung der Einzelrichterin übertragen.
32
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakten.

Entscheidungsgründe

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1. Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist die die Aufhebung des Bescheides vom 23. Oktober 2019, der den Kläger zur Beseitigung der Anpflanzungen von Buchenhecken auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, verpflichtet.
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2. Die zulässige Klage, über die auf Grund des Einverständnisses der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nur teilweise begründet. Die Beseitigungsanordnung erweist sich als zum Teil rechtswidrig und verletzt insoweit den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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2.1 Als Rechtsgrundlagen für die Beseitigungsanordnung sind Art. 58 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG heranzuziehen. Gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder aufgrund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Nach Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayWG obliegt diese Gewässeraufsicht den Kreisverwaltungsbehörden, welche gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen.
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2.2 Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken, insbesondere fand eine Anhörung statt.
37
2.3 Die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlagen sind allerdings nur hinsichtlich eines Teils der quer zur Fließrichtung errichteten Hecke zu bejahen.
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2.3.1 Eine Anordnung für den Einzelfall gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG ist möglich, wenn eine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes vermieden oder beseitigt werden soll oder die Erfüllung einer nach dem WHG und dem BayWG bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung sicherzustellen ist (vgl. Gößl in Sieder/Zeitler BayWG, Stand Februar 2017, Art. 58 Rn. 52). Eine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes ist nur durch die quer zur Fließrichtung errichtete Hecke denkbar.
39
2.3.2 Gem. § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG ist in einem - wie hier gegebenen - festgesetzten Überschwemmungsgebiet das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen untersagt, soweit diese den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und § 75 Abs. 2 WHG entgegenstehen. Zur Durchsetzung dieser Untersagungswirkung ist dann eine Einzelfallanordnung gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG möglich, um die nach dem WHG bestehenden Verpflichtungen durchzusetzen und eine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes zu vermeiden.
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Die Beschränkung dieser Untersagung auf solche Pflanzungen, die den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes zuwiderlaufen und somit den Hochwasserabfluss oder die Rückhaltung beeinträchtigen, ist vor allem damit zu begründen, dass Bäume und Sträucher durchaus auch zur Hochwasserrückhaltung beitragen und damit das Abflussverhalten sogar positiv beeinflussen können. Derartig wirkende Anpflanzungen sollen vom Verbot des § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG schon gar nicht erfasst werden; dieser soll eben nur eingreifen, wenn eine Beeinträchtigung droht. Für die Fälle einer Beeinträchtigung bleibt es dann grundsätzlich bei der Untersagung (vgl. Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, Stand August 2019, § 78 a Rn. 18). Allerdings kann die zuständige Behörde gem. § 78a Abs. 2 Satz 1 WHG bei unwesentlichen Beeinträchtigungen im Einzelfall Maßnahmen nach § 78a Abs. 1 Satz 1 WHG zulassen. Voraussetzung hierfür ist, dass Belange des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen, der Hochwasserabfluss und die Hochwasserrückhaltung nicht wesentlich beeinträchtigt werden und eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit oder erhebliche Sachschäden nicht zu befürchten sind.
41
2.3.3 Unter Anwendung dieser Grundsätze ist für die im nördlichen Bereich des Grundstückes FlNr. …, Gemarkung …, quer zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat angebrachte Heckenanpflanzung das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 58 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG nur teilweise zu bejahen.
42
Nach den überzeugenden und in sich schlüssigen Darlegungen des Wasserwirtschaftsamtes wird die sich nördlich des streitgegenständlichen Grundstückes befindliche Straße im Bemessungshochwasserfall auf einer Breite von ca. 70 Metern überströmt; es fließen 18% der Gesamtabflussmenge über den Straßendamm. Aufgrund der Höhendifferenz von bis zu 1,5 Meter zwischen Straßendamm und Gelände südlich der Straße erhöht sich die Fließgeschwindigkeit deutlich. Berücksichtigt man dies, wird deutlich, dass der Abfluss durch die quer zur Fließrichtung errichtete Hecke, insbesondere wenn sich Treibgut zwischen den einzelnen Heckenpflanzen ansammelt und die Stauwirkung dadurch verstärkt, behindert werden kann.
43
Dieser plausiblen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes kommt auch für das gerichtliche Verfahren besonderes Gewicht zu. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat vielfach entschieden, dass den amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen und deshalb grundsätzlich ein weit größeres Gewicht besitzen als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2011 - 8 ZB 10.2312 - juris; B.v. 31.8.2011 - 8 ZB 10.1961 - juris; B.v 17.7.2012 - 8 ZB 11.1285 - juris).
44
Das Gericht folgt der nachvollziehbaren Darlegung des Wasserwirtschaftsamtes und kommt zu dem Ergebnis, dass der quer angelegten Hecke grundsätzlich die Eignung zur Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses zuzusprechen ist, wonach eigentlich die Untersagungswirkung des § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG eintritt.
45
Die angeordnete vollständige Beseitigung der quer zur Fließrichtung verlaufenden Hecke erweist sich aber indes als unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO), da nach dem Vortrag des Beklagten die Entfernung nur jeder fünften Pflanze nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes genügt, um den Hochwasserabfluss in ausreichendem Maße zu gewährleisten. Das Gericht verweist auch hinsichtlich dieser Einschätzung auf die besondere Bedeutung der Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes.
46
Ist aber der Hochwasserabfluss in ausreichendem Maße gewährleistet und somit gerade nicht von einer Beeinträchtigung auszugehen, so tritt bereits die Untersagungswirkung des § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG nicht ein, weshalb die Erteilung einer Zulassung nach § 78a Abs. 2 Satz 1 WHG schon gar nicht nötig sein dürfte, diese jedenfalls aber zu erteilen gewesen wäre. Die Zulassung gem. § 78a Abs. 2 Satz 1 WHG ist ihrerseits zwar als Ermessensvorschrift ausgestaltet, kommt aber unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen einer Ermessensreduzierung auf Null nahe (vgl. hierzu Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwG, Stand August 2019, § 78a WHG Rn. 30).
47
Eine Beseitigung der quer zur Fließrichtung verlaufenden Hecke in Gänze wäre vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig, da ein milderes Mittel zur Verfügung steht.
48
Es handelt sich auch gerade nicht um eine Änderung der Sach- und Rechtslage seit dem Erlass des Verwaltungsaktes, wobei im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG auch Änderungen im Laufe des gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich zu beachten wären. Die Möglichkeit der nur teilweisen Beseitigung der Hecke bestand vielmehr von Anfang an, lediglich die fachliche Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes erging erst im späteren Verfahrensverlauf.
49
Soweit hinsichtlich der quer zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat verlaufenden Hecke die Beseitigung von mehr als jeder fünften Pflanze angeordnet wurde, erweist sich der Verwaltungsakt jedenfalls als rechtswidrig.
50
2.3.4 Hinsichtlich der angeordneten Beseitigung der Hecke parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage in Gänze nicht gegeben. Aufgrund der Anordnung parallel zur Fließrichtung steht dieser Teil der Hecke wohl bereits den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes nicht entgegen, womit schon keine Durchsetzung einer nach dem WHG bestehenden Verpflichtung bzw. keine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes gegeben ist. Eine Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses ist diesbezüglich seitens der Behörde nicht dargelegt, das Wasserwirtschaftsamt selbst schätzt mögliche nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss sowie eine potentielle Verklausungsgefahr als vertretbar ein. Abermals tritt somit wohl bereits die Untersagungswirkung des § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG nicht ein, weshalb auch hier die Erteilung einer Zulassung nach § 78a Abs. 2 Satz 1 WHG schon gar nicht nötig sein dürfte, jedenfalls aber zu erteilen gewesen wäre.
51
2.4 Soweit die Beseitigungsanordnung rechtswidrig ist, verletzt sie den Kläger auch in seinem Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG.
52
2.5 Soweit sich die Grundverfügung als rechtswidrig erweist, liegen auch die Voraussetzungen für ihre Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs (Zwangsgeldandrohung gem. Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 33 und 36 BayVwZVG) nicht vor. Die Zwangsgeldandrohung ist damit ebenso wie die Kostenentscheidung (Art. 16 Abs. 5 KG) teilweise aufzuheben.
53
3. Nach alledem war der Klage teilweise stattzugeben.
54
Die Kostentragung richtet sich nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.