Titel:
Anspruch auf eine erstmalige periodische dienstliche Beurteilung
Normenketten:
LIbG Art. 17a, § 56 Abs. 1 S. 1, § 58 Abs. 2 S. 1
GG Art. 3. Art. 6, Art. 33 Abs. 2
BayBG Art. 15
Leitsatz:
Für eine fiktive Fortschreibung einer Beurteilung muss eine belastbare Tatsachengrundlage vorliegen, da andernfalls ein Verstoß gegen das Leistungsprinzip vorliegen würde. Eine belastbare Tatsachengrundlage ist aber nur gegeben, wenn zumindest eine periodische Beurteilung vorliegt, die auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu lange zurückliegen darf. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamtenrechts, Beurteilung, Elternzeit, Bestenauslese, Anlassbeurteilung, periodische Beurteilung, dienstliche Beurteilung, Regelbeurteilung, fiktive Fortschreibung, Zusammenhängende Dienstzeit, Probezeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10427
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die … 1991 geborene Klägerin begehrt eine erstmalige periodische dienstliche Beurteilung zum Stichtag 31. Dezember 2017.
2
Die Klägerin steht als Regierungsinspektorin (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst des Beklagten.
3
Sie wurde mit Wirkung vom … 2010 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Regierungsinspektoranwärterin ernannt und dem Landratsamt … zugewiesen.
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Nach bestandener Qualifikationsprüfung für die 3. Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen, fachlicher Schwerpunkt nichttechnischer Verwaltungsdienst, wurde die Klägerin mit Wirkung vom … 2013 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Regierungsinspektorin ernannt.
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Mit Wirkung vom … 2015 wurde die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen.
6
Die Klägerin hat drei Kinder, die … 2014 (…), … 2016 (…) und … 2017 (…) geboren wurden.
7
Anlässlich der Geburt ihres ersten Kindes befand sich die Klägerin in der Zeit vom 20. Juni 2014 bis 28. September 2014 in Mutterschutz. Mit Schreiben des Landratsamtes … vom 26. August 2014 wurde der Klägerin anlässlich der Geburt ihres ersten Kindes vom 3. November 2014 bis 2. August 2016 Elternzeit gewährt. Zudem wurde auf einen entsprechenden Antrag hin vom 3. November 2014 bis 2. November 2015 Teilzeitarbeit im Umfang von 8 Stunden wöchentlich genehmigt.
8
Anlässlich der Geburt ihres zweiten Kindes befand sich die Klägerin in der Zeit vom 4. April 2016 bis 17. Juli 2016 in Mutterschutz. Sie hat die Elternzeit für ihr Kind … vorzeitig zum 3. April 2016 beendet, da die Mutterschutzfrist für ihr zweites Kind voraussichtlich am 4. April 2016 begann. Mit Schreiben des Landratsamtes … vom 1. Juni 2016 wurde der Beginn der Elternzeit auf den 18. Juli 2016 bis zum 21. Mai 2018 festgelegt.
9
Das Landratsamt … teilte der Klägerin mit Schreiben vom 2. Februar 2017 mit, dass die Elternzeit für ihr zweites Kind antragsgemäß vorzeitig zum 17. Juni 2017 beendet wurde, da die Mutterschutzfrist für ihr drittes Kind voraussichtlich ab dem 18. Juni 2017 beginne und am 2.Oktober 2017 ende.
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Mit Schreiben vom 21. August 2017 stellte das Landratsamt … fest, dass die Elternzeit der Klägerin am 3. Oktober 2017 beginnt und mit Ablauf des 6. August 2019 endet.
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Nach einer E-Mail der Regierung … vom 14. Mai 2018 hat die Klägerin im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit an 14 Arbeitstagen in der Zeit vom 14. Oktober bis 2. November 2015 tatsächlich zusammenhängend Dienst geleistet.
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Gemäß der vorgelegten Personalakte ist die Klägerin wie folgt beurteilt worden:
13
Für den Zeitraum vom 14. Oktober 2013 bis 13. Oktober 2014 erfolgte eine Einschätzung während der Probezeit. Demnach habe die Klägerin in der bisher abgeleisteten Probezeit gute Leistungen erbracht und die Anforderungen in vollem Umfang erfüllt.
14
Zudem wurde für den Zeitraum vom 14. Oktober 2013 bis 13. Oktober 2015 eine Probezeitbeurteilung erstellt. Die Klägerin habe in der Probezeit gute Leistungen erbracht und die Anforderungen in vollem Umfang erfüllt.
15
Weitere Beurteilungen sind in der Behördenakte nicht enthalten.
16
Mit Schreiben vom 5. Juli 2016 wandte sich die Regierung … an das Landratsamt … und bat um Erstellung einer Anlassbeurteilung für den Zeitraum vom 14. Oktober 2015 bis 13. Oktober 2016.
17
Mit E-Mail vom 2. Mai 2017 teilte die Regierung … dem Landratsamt … mit, dass die Klägerin wegen Mutterschutz und Elternzeit nur 19 Tage, davon einige Tage in Erholungsurlaub, tatsächlich im Amt gewesen sei. Es werde daher eine fiktive Laufbahnnachzeichnung erstellt und das Landratsamt habe keine Anlassbeurteilung oder sonstiges zu veranlassen.
18
Mit Aktenvermerk vom 14. März 2018 wurde festgestellt, dass für die Klägerin keine periodische Beurteilung durchgeführt worden sei und deshalb die Grundlage für eine fiktive Fortschreibung der periodischen Beurteilung fehle. Außerdem könne keine Beförderung erfolgen. Die Fortschreibung der Beurteilung entfalle.
19
Das Bayerische Staatsministerium des Inneren und für Integration (nachfolgend: Innenministerium) teilte der Regierung … auf entsprechende Nachfrage mit E-Mail vom 14. Mai 2018 mit, dass kein Sonderfall im Sinne der Ziffer 7.3 der Bekanntmachung über „Dienstliche Beurteilung, fiktive Fortschreibung der Beurteilung nach Art. 17a Abs. 1 bis 3 LlbG, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und 66 BayBesG in Verbindung mit Art. 62 LlbG und Vergabe von Leistungsstufen für die Beamten und Beamtinnen im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr - ohne Beamte und Beamtinnen der bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz“ (nachfolgend: Beurteilungsbekanntmachung StMI) vorliege.
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Die Regierung … teilte dem anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 19. Juni 2018 mit, dass das Innenministerium der Auffassung sei, dass kein Sonderfall im Sinne der Ziffer 7.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI vorliege. Nach Wiederaufnahme des Dienstes und einem Jahr zusammenhängender Dienstzeit werde eine periodische Beurteilung nachgeholt. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung:.
21
Nachdem der anwaltliche Bevollmächtigte bei der Regierung … um Übermittlung des Schreibens des Innenministeriums bat, wandte sich das Ministerium mit Schreiben vom 17. Juli 2018 direkt an die anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin und erklärte, dass gemäß Art. 17a Abs. 1 LlbG eine fiktive Fortschreibung immer nur von der letzten periodischen Beurteilung ausgehen könne. Da für die Klägerin keine periodische Beurteilung vorliege, sei eine Fortschreibung nicht möglich. Ein Sonderfall im Sinne der Ziffer 7.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI liege nicht vor.
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Mit Schreiben vom 8. November 2018, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, ließ die Klägerin durch ihre anwaltlichen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg (…) erheben und beantragen,
- 1.
-
Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid der Regierung … vom 19. Juni 2016 [gemeint ist wohl 2018] aufzuheben.
- 2.
-
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zum Stichtag 31. Dezember 2017 zu beurteilen.
- 3.
-
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
23
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin einen Antrag auf periodische Beurteilung bei der Regierung … gestellt habe, dieser jedoch eine periodische Beurteilung nicht möglich sei. Ziffer 7.1 sowie Ziffer 2.3.3 Satz 1 Nr. 6 der Beurteilungsbekanntmachung StMI würden gegen Art. 6 und 3 des Grundgesetzes verstoßen. Die Klägerin sei fast vier Jahre lang tatsächlich tätig gewesen, sodass durchaus Beurteilungsmöglichkeiten gegeben seien. Das Fortkommen der Klägerin werde dadurch behindert, dass sie Mutter geworden sei.
24
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2018 erklärte sich das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach.
25
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 beantragte die Regierung …,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung mindestens alle drei Jahre dienstlich zu beurteilen sei (periodische Beurteilung). Hiervon sei die Klägerin jedoch aufgrund Ziffer 2.1.1 Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI ausgenommen, da sie lediglich vom 14. Oktober 2015 bis 2. November 2015 tatsächlich Dienst geleistet habe und sich seit dieser Zeit ohne Beschäftigung in Elternzeit befinde.
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Eine fiktive Fortschreibung der Beurteilung gemäß Art. 17a LlbG sei nicht möglich, da für die Klägerin noch keine periodische Beurteilung vorliege (Ziffer 7.2.1 Beurteilungsbekanntmachung StMI). Zudem liege kein Sonderfall gemäß Ziffer 7.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI vor. Ein Härtefall sei nicht gegeben. Insbesondere sei davon auszugehen, dass auch unter Berücksichtigung von Art. 3 und 6 GG keine vollständige Gleichstellung von Beamtinnen und Beamten, die sich in Elternzeit oder familienpolitische Beurlaubung befinden würden, mit den übrigen Beamten erfolgen müsse. Eine solche finde sich auch an anderer Stelle nicht. Mangels Vorliegens einer periodischen Beurteilung könne auch keine fiktive Fortschreibung erfolgen. Dies werde auch dem im Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung niedergelegten Leistungsgrundsatz gerecht. Die Grenze für eine fiktive Fortschreibung müsse dort liegen, wo eine zuverlässige Aussage über Eignungsbefähigung und fachliche Leistung nicht möglich sei, um die Verwirklichung des Leistungsgrundsatzes bei Personalentscheidungen sicherzustellen.
28
Der anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerin ergänzte seinen Vortrag mit Schreiben vom 14. Februar 2019 und verwies zudem auf Art. 18 und 125 BV. Die Regelungen der Beurteilungsbekanntmachung StMI müssten verfassungsrechtlichen Vorgaben gemäß ausgelegt werden. Eine Beurteilung der Klägerin sei aufgrund der Geburten nicht möglich gewesen. Dies müsse grundsätzlich einen Sonderfall darstellen, da ansonsten Beamtinnen bestraft würden, die Kinder zur Welt bringen. Unter Bezugnahme auf Ziffer 7.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI sei im konkreten Fall eine Einzelfalllösung zu finden.
29
Die Regierung … erwiderte hierauf mit Schreiben vom 9. April 2019, dass weder Art. 3 und 6 GG noch Art. 118 und 125 BV eine vollständige Gleichstellung von Beamtinnen und Beamten, die sich in Elternzeit oder familienpolitische Beurlaubung befinden, mit den übrigen Beamten verlangen würden (BVerfG vom 2.4.1996 - 2 BvR 169/93). Daneben würde eine Beurteilung vorliegen, die auch nicht mit dem beamtenrechtlichen Leistungsgrundsatz in Einklang stehe. Das Leistungsprinzip beziehe sich insgesamt auf den Personaleinsatz.
30
Über die tatsächlichen Leistungen der Klägerin könnten keine Aussagen getroffen werden, weshalb deren periodische Beurteilung rein fiktiv erstellt werden müsste. Mit dieser fiktiven Beurteilung würde sie in Konkurrenz zu den übrigen Beamten treten. Das Prinzip der Bestenauslese würde unterlaufen und das Leistungsprinzip konterkariert. Eine Bewerbung dürfe nur aus den vom Leistungsprinzip nach Art. 33 Abs. 2 GG gedeckten Gründen zurückgewiesen werden (BVerwGE 122, 147; BVerwGE 124, 99). Dementsprechend fordere auch das Bundesverwaltungsgericht für die fiktive Fortschreibung einer Beurteilung eine belastbare Tatsachengrundlage und verneine das Vorliegen einer solchen bereits dann, wenn zwischen der letzten Beurteilung und dem Stichtag, zu dem die fiktive Fortschreibung zu erstellen sei, mehr als 16 Jahre lägen (BVerwG vom 16.12.2010 - 2 C 11/09). Ein Anspruch auf dienstliche Beurteilung bestehe daher nicht.
31
Der anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerin teilte mit Schreiben vom 1. August 2019 mit, dass die Klägerin seit dem 1. Oktober 2010 Beamtin sei und somit über sieben Jahre im Dienst des Beklagten stünde. Es liege daher eine ausreichende Tatsachengrundlage vor. Es stelle sich ferner die Frage, ob Ziffer 7.1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI gegen das Grundgesetz bzw. die Bayerische Verfassung verstoße.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
33
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
34
Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine erstmalige periodische Beurteilung zu, weshalb die Entscheidung des Beklagten vom 19. Juni 2018, die aus Sicht der Kammer einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt, rechtlich nicht zu beanstanden ist, § 113 Abs. 5 und 1 VwGO.
35
Gemäß Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG sind die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung der bayerischen Beamtinnen und Beamten mindestens alle drei Jahre dienstlich zu beurteilen (periodische Beurteilung). Die Beurteilung hat die fachliche Leistung in Bezug auf die Funktion und im Vergleich zu den anderen Beamtinnen und Beamten derselben Besoldungsgruppe der Fachlaufbahn und, soweit gebildet, desselben fachlichen Schwerpunkts objektiv darzustellen und außerdem von Eignung und Befähigung ein zutreffendes Bild zu geben (Art. 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG).
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Nach Art. 58 Abs. 6 Satz 1 LlbG können die Staatsministerien die nähere Ausgestaltung der Beurteilung durch Verwaltungsvorschriften gemäß Art. 15 BayBG regeln. Das Innenministerium hat hiervon durch Erlass der Beurteilungsbekanntmachung StMI Gebrauch gemacht. Gegen diese Vorschriften wurden seitens der Klägerin keine durchgreifenden Einwände vorgebracht, da die Regelungen weder in Widerspruch zu gesetzlichen Normen des bayerischen Beamtenrechts noch zu Verfassungsrecht stehen.
37
Die Beurteilungsbekanntmachung StMI findet auf die Klägerin Anwendung, da sie als im Geschäftsbereich des Innenministeriums tätige Beamtin eine dienstliche Beurteilung in Form einer (erstmaligen) periodischen Beurteilung begehrt, ggf. im Wege einer fiktiven Fortschreibung; Ziffer 1.1, Spiegelstrich 1 und 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI.
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Die Klägerin gehört jedoch nicht dem zu beurteilenden Personenkreis an. Zwar unterliegen gem. Ziffer 2.1.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI der periodischen Beurteilung alle Beamten und Beamtinnen bis einschließlich Besoldungsgruppe A 16, die am Beurteilungsstichtag im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit stehen, jedoch sind Beamte und Beamtinnen, die im jeweiligen Beurteilungszeitraum weniger als sechs Monate zusammenhängend Dienst geleistet haben, von der jeweiligen periodischen Beurteilung zum Stichtag ausgenommen, Ziffer 2.1.1 Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Nach unbestrittenem Vortrag hat die Klägerin im fraglichen Beurteilungszeitraum lediglich 19 Tage Dienst geleistet.
39
Für die Klägerin begann der Beurteilungszeitraum frühestens mit der Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit (Ziffer 2.2.2 Nr. 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI), mithin am 14. Oktober 2015. Der Dienst der Klägerin endete aber am 2. November 2015, da sie sich danach ohne (Teilzeit-)Beschäftigung in Elternzeit befunden hat. Zeiten der Beurlaubung, worunter auch Elternzeit zu fassen ist, werden dabei nicht in die Beurteilung einbezogen, Ziffer 2.2.3 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI.
40
Demnach ist die Beurteilung der Klägerin nach Wiederaufnahme deren Dienstes nach einem Jahr zusammenhängender Dienstzeit nachzuholen, Ziffer 2.3.3 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI, und es besteht kein Anspruch auf eine erstmalige periodische Beurteilung.
41
Die fiktive Fortschreibung einer periodischen Beurteilung bleibt von vorstehender Regelung zwar unberührt (Ziffer 2.3.3 Satz 1 Nr. 6 der Beurteilungsbekanntmachung StMI), jedoch kommt eine solche vorliegend nicht in Betracht, da die in Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Kammer teilt zudem nicht die von der Klägerin hinsichtlich Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI geäußerten Bedenken, da die dortigen Regelungen in keinem Widerspruch zu Art. 17a Abs. 1 bis 3 LlbG stehen und somit die gesetzlichen Vorschriften in zulässigem Umfang konkretisieren. Zudem ist auch kein Verstoß gegen Verfassungsrecht ersichtlich.
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Zwar wäre der Anwendungsbereich von Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI grundsätzlich eröffnet, da die Klägerin weniger als sechs Monate zusammenhängenden Dienst geleistet hat (Ziffer 7.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI), jedoch wurde die Klägerin bisher nicht periodisch beurteilt, so dass es bereits an einem wesentlichen Tatbestandsmerkmal fehlt. Bereits dies steht einer fiktiven Fortschreibung entgegen.
43
Die Regelung der Ziffer 7.2.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI steht auch in Einklang mit Art. 17a Abs. 1 LlbG, da auch dieser an eine bereits vorhandene periodische Beurteilung anknüpft. Hiergegen bestehen seitens der Kammer keine Bedenken, da dies mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung vereinbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 16.12.2010 - 2 C 11/09 - juris Rn. 8 ff.) hat bereits entschieden, dass für eine fiktive Fortschreibung einer Beurteilung eine belastbare Tatsachengrundlage vorliegen muss, da andernfalls ein Verstoß gegen das Leistungsprinzip vorliegen würde. Dies hat der Gesetzgeber bei Erlass von Art. 17a LlbG berücksichtigt und umgesetzt (LT-Drs. 17/6577, S. 8 f.). Eine belastbare Tatsachengrundlage ist aber nur gegeben, wenn zumindest eine periodische Beurteilung vorliegt, die auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu lange zurückliegen darf, wobei das Bundesverwaltungsgericht einen Zeitraum von 16 Jahren als zu lange erachtet. Dies ist bezüglich der Klägerin jedoch mangels Vorliegens einer periodischen Beurteilung gerade nicht der Fall.
44
Da das Vorliegen einer belastbaren Tatsachengrundlage auch einen sachlichen Grund darstellt, bestehen seitens der Kammer auch mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 und 2 BayGlG keine Bedenken.
45
Des Weiteren greifen die von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 3 und 6 GG bzw. Art. 118 und 125 BV nicht durch. Es ist der Klägerin zwar zuzugestehen, dass die bei ihr vorliegende Fallkonstellation in aller Regel Frauen betreffen wird, jedoch ist diese Ungleichbehandlung letztlich dadurch gerechtfertigt, dass eine periodische Beurteilung nur auf einer belastbaren Tatsachengrundlage erstellt werden kann, um letztlich auch dem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsprinzip ausreichend Rechnung zu tragen.
46
Entgegen der Auffassung der Klägerin können auch nicht die Einschätzung während der Probezeit bzw. die Probezeitbeurteilung als eine belastbare Tatsachengrundlage herangezogen werden. Dies stünde bereits dem eindeutigen Wortlaut der Vorschriften entgegen, die das Vorliegen einer periodischen Beurteilung voraussetzen.
47
Zudem gelten für die Einschätzung während der Probezeit, die periodische Beurteilung und die Probezeitbeurteilung unterschiedliche Maßstäbe und Anknüpfungspunkte, weshalb diese auch aus diesem Grund nicht vergleichbar sind. In der Einschätzung während der Probezeit werden Eignung, Befähigung und fachliche Leistung bewertet, Art. 55 Abs. 1 Satz 1 LlbG und Ziffer 3.2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Die Probezeitbeurteilung beschränkt sich auf eine verbale Würdigung der während der Probezeit erwiesenen Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten oder der Beamtin sowie der Gesamtpersönlichkeit, Art. 55 Abs. 2 LlbG und Ziffer 3.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Gegenstand dieser dienstlichen Beurteilungen sind damit der zu beurteilende Beamte und dessen Leistungen. Demgegenüber steht der Beamte hinsichtlich fachlicher Leistung, Eignung und Befähigung bei einer periodischen Beurteilung im Vergleich zu anderen Beamten, Art. 56 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG und Ziffer 3.2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Aufgrund dieser unterschiedlichen Maßstäbe können eine Einschätzung während der Probezeit und eine Probezeitbeurteilung nicht einer periodischen Beurteilung gleichgestellt und als belastbare Tatsachengrundlage für eine fiktive Fortschreibung herangezogen werden.
48
Mangels periodischer Beurteilung fehlt somit bereits eine Basis, auf deren Grundlage eine fiktive Fortschreibung erfolgen könnte. Es wäre willkürlich, nunmehr für die Klägerin eine periodische Beurteilung zu erstellen, da es an einer belastbaren Tatsachengrundlage fehlt. Zudem wäre ein derartiges Vorgehen nicht mit dem Leistungsprinzip nach Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar. Überdies wäre eine fiktive Fortschreibung auch mit Blick auf Ziffer 7.2.4.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI nicht möglich. Diese Regelung, die im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. B.v. 7.5.2019 - 3 ZB 17.2542 - juris Rn. 21) steht und daher nicht zu beanstanden ist, setzt für die Bildung einer Vergleichsgruppe voraus, dass die Beamten der Vergleichsgruppe dasselbe Gesamturteil haben. Ein solches existiert jedoch für die Klägerin nicht, so dass auch eine geeignete Vergleichsgruppe nicht gebildet werden könnte.
49
Aus Sicht der Kammer besteht auch kein Sonderfall im Sinne von Ziffer 7.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Demnach sind in Fällen, die von den vorstehenden Regelungen der Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI nicht erfasst sind (z.B. Beurteilung nach modularer Qualifizierung oder keine ausreichend große Vergleichsgruppe) oder die im Einzelfall eine besondere Härte darstellen würden (z.B. weit überdurchschnittliche Leistungsentwicklung vor der Elternzeit, Beurlaubung oder Freistellung, die nicht bereits bei der Bildung der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden konnte), zur Sicherung des Benachteiligungsverbots jeweils Einzelfalllösungen in Abstimmung mit dem Staatsministerium zu finden.
50
Der Normgeber hat mit Ziffer 7.2.1 Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI klargestellt, dass die Fortschreibung in Fällen entfällt, in denen noch keine periodische Beurteilung vorliegt.
51
Demnach war dem Normgeber bewusst, dass es Konstellationen geben kann, in denen ein Beamter oder eine Beamtin z.B. wegen der Geburt mehrerer Kinder und der sich anschließenden Elternzeit nicht periodisch beurteilt worden ist. Der Fall der Klägerin ist demnach bereits von der Beurteilungsbekanntmachung StMI erfasst. Der Verweis auf die Nachholung der Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt ist nicht zu beanstanden, da es an einer belastbaren Tatsachengrundlage fehlt.
52
Zudem liegt kein besonderer Härtefall vor. Zum einen wurde seitens der Klägerin hierfür nichts vorgetragen, zum anderen handelt es sich bereits um eine Fallkonstellation, die von der Beurteilungsbekanntmachung StMI erfasst ist. Weiter würde einem besonderen Härtefall entgegenstehen, dass es der Klägerin durchaus zumutbar gewesen wäre, sich bei dem Beklagten vorab über die Rechtslage zu informieren, insbesondere wie sich eine Elternzeit ohne Beschäftigung auf deren berufliches Fortkommen, auch mit Blick auf mögliche Beurteilungen und damit zusammenhängende Beförderungsmöglichkeiten, auswirken würde.
53
Die Klage war daher mangels eines Anspruchs auf periodische Beurteilung abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vor-läufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
55
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.