Titel:
Untersagung der Nutzung einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle für nichtlandwirtschaftliche Zwecke
Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 2
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 7
Leitsatz:
Ein (teilweiser) Wechsel von der bislang genehmigten ausschließlichen Nutzung als landwirtschaftliche Maschinenhalle in eine sonstige gewerbliche Nutzung bedarf einer Baugenehmigung und ist damit formell illegal vorgenommen worden. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung der sofortigen Vollziehung, Nutzungsuntersagung, Nutzungsänderung, Offensichtliche Genehmigungsfähigkeit, Auswahlermessen, Störerauswahl, Umnutzung, Splittersiedlung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10420
Tenor
1. Die Klage wird abgelehnt.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer für sofort vollziehbar erklärten sowie mit einer Zwangsgeldandrohung verbundenen Untersagung der Nutzung einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle für nichtlandwirtschaftliche Zwecke.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung …, auf welchem sich eine mit Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 1993 genehmigte landwirtschaftliche Maschinenhalle befindet. Diese Halle bzw. Teile hiervon hat der Kläger an die Firma … vermietet. Das private Wohnhaus des Klägers in der … … in … liegt circa 90 m Luftlinie von der Maschinenhalle entfernt.
3
Der Flächennutzungsplan weist das streitgegenständliche Grundstück als „Fläche für die Landwirtschaft“ aus. Unmittelbar westlich des Vorhabengrundstücks grenzt das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 05 „Süd Teil 2 mit Änderungen“ der Gemeinde … an, welcher für die direkt angrenzenden Nachbargrundstücke ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
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Ausgehend von Beschwerden der dortigen Bevölkerung wurde anlässlich einer Baukontrolle am 26. März 2019 festgestellt, dass die landwirtschaftliche Maschinenhalle auf dem Grundstück des Klägers anderweitig gewerblich genutzt wird. So wurden dort unter anderem Holzplatten sowie Reifen gelagert. Darüber hinaus wurden in der Halle eine Hebebühne, eine Werkstatt sowie ein Büro eingebaut. Ferner wurde ein Getränkelager vorgefunden. Ausweislich der im Rahmen der Baukontrolle angefertigten Lichtbildaufnahmen ist ein Teil der Halle nach circa 15 m mit einer Holzbretterwand abgetrennt worden. Dort befinden sich die Werkstatt nebst Hebebühne sowie das Büro mit Küche und ein darüber liegender Lagerraum auf einer Größe von circa 6,00 x 5,00 m. In dem anderen Bereich der Halle wurde auf circa 5,00 x 4,00 m ein Getränkelager eingebaut.
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Mit Schreiben vom 4. Juli 2019 wurden der Kläger als Eigentümer sowie die Firma … als Mieter aufgefordert, die gewerbliche Nutzung bis spätestens 12. August 2019 aufzugeben. Gleichzeitig wurde ihnen Gelegenheit zur Stellung gegeben.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte hierzu mit Schreiben vom 11. Juli 2019 mit, dass die Landwirtschaft aufgegeben worden sei. Der Beklagte wurde um Prüfung der nachträglichen Genehmigungsfähigkeit gebeten.
7
Der Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 18. Juli 2019 mit, dass die begehrte Prüfung der nachträglichen Genehmigungsfähigkeit bereits durchgeführt und das Ergebnis dem Kläger in dem Anhörungsschreiben vom 4. Juli 2019 bereits mitgeteilt worden sei.
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Weitere Einlassungen erfolgten trotz mehreren Fristverlängerungsersuchen nicht.
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Nachdem eine Aufgabe der gewerblichen Nutzung nicht erfolgte, verpflichtete der Beklagte mit Anordnung vom 20. November 2019, zugestellt an den Prozessbevollmächtigten am 27. November 2019, den Kläger in Ziffer 1 sowie dessen Mieter (…) in Ziffer 2, die Nutzung der landwirtschaftlichen Maschinenhalle auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … für nichtlandwirtschaftliche Zwecke unverzüglich, spätestens aber bis zum 7. Januar 2020 zu unterlassen. In Ziffer 3 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 angeordnet und in den Ziffern 4 und 5 für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnungen jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR angedroht.
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Der Beklagte führte aus, dass die Nutzung der bestehenden Maschinenhalle zu gewerblichen anstatt zu landwirtschaftlichen Zwecken eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstelle. Ein entsprechender Antrag sei bei der unteren Bauaufsichtsbehörde bis zum Erlass der streitgegenständlichen Anordnung nicht gestellt worden. Darüber hinaus sei eine nachträgliche Genehmigungsfähigkeit für die gewerbliche Nutzung der im Außenbereich gelegenen landwirtschaftlichen Maschinenhalle aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht gegeben.
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Der Beklagte habe zudem von seinem pflichtgemäßen Ermessen in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Die zu erkennende Belastung des Klägers, insbesondere wirtschaftliche Interessen, stünden im Ergebnis nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg der Maßnahme. Die Nutzungsuntersagung sei verhältnismäßig, da von der derzeitigen Nutzung eine negative Vorbildwirkung im Hinblick auf eine offensichtlich nicht genehmigte gewerbliche Nutzung im Außenbereich ausgehe und die Bevölkerung des angrenzenden allgemeinen Wohngebiets vor Lärm- und Verkehrsbelästigungen zu schützen sei. Darüber hinaus sei die Prüfung des Beklagten über eine mögliche Genehmigung der Nutzungsänderung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig wäre; es würden weder eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB noch die Voraussetzungen nach § 35 Abs. 2 oder 4 BauGB vorliegen.
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Die Maßnahme sei ferner auch zu Recht gegen den Kläger als Grundstückseigentümer und Vermieter und damit als Zustandsstörer gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LStVG gerichtet worden. Zur Durchsetzung der Nutzungsuntersagung sei neben dem Mieter als Handlungsstörer auch der Kläger als Zustandsstörer zu verpflichten gewesen. Als Eigentümer habe er die Möglichkeit gehabt, die Halle an einen landwirtschaftlichen Betrieb zu vermieten bzw. eine Vermietung zu anderen Zwecken nicht zuzulassen. Hinzu komme, dass ein kleiner Teil der Halle durch eine weitere Person als Getränkelager genutzt werde. Mangels Anschriftdaten und näheren Informationen habe der Beklagte gegenüber dieser Person keine entsprechende Anordnung erlassen können. Auch wurde von dem Kläger trotz schriftlicher Nachfrage des Beklagten diesbezüglich keine Aufklärung geleistet. Hinzu komme, dass nicht zweifelsfrei alle Gegenstände in der Halle den verschiedenen Störern hätten zugeordnet werden können, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch durch den Kläger selbst eine unzulässige Nutzung in der Halle erfolgt. Bei einer Abwägung müsse daher das Interesse des Klägers am Fortbestehen der jetzigen Nutzung zurückstehen.
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Im Hinblick auf die sofortige Vollziehung wurde ausgeführt, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der umgehenden Unterbindung der Beeinträchtigungen gegenüber der Bevölkerung im angrenzenden Wohngebiet bestehe. Darüber hinaus lasse eine negative Vorbildwirkung, ausgehend von einer offensichtlich nicht genehmigten gewerblichen Nutzung im Außenbereich, ein Zuwarten der Nutzungsaufgabe bis zum Abschluss eines etwaigen gerichtlichen Verfahrens nicht zu.
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Der Kläger erhob am 27. Dezember 2019 Klage gegen den Bescheid vom 20. November 2019 und beantragte gleichzeitig die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage. Zur Begründung wurde mit dem am 24. Januar 2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ausgeführt, dass im Hinblick auf die aktuelle Nutzung der Halle von einer Genehmigungsfähigkeit auszugehen sei, da diese nach wie vor dem landwirtschaftlichen Betrieb diene.
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Die von dem Beklagten ausgeführten Versagungsgründe, insbesondere die Beeinträchtigung der öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 7 BauGB, seien zweifelhaft. So würden Anhaltspunkte im Hinblick auf das Entstehenden einer Splittersiedlung fehlen, da bis auf das Anbringen von Werbeschildern das äußere Erscheinungsbild der inmitten stehenden Halle im Zuge der Umnutzung lediglich unwesentlich verändert worden sei. Die äußerlichen Änderungsmerkmale betreffend die Werbung könnten indes problemlos zurückgebaut werden. Darüber hinaus unterscheide sich die tatsächliche Nutzung der Halle nur geringfügig von der vormaligen Nutzung als landwirtschaftliche Gerätehalle, da sich lediglich die Art der dort gewarteten Fahrzeuge teilweise geändert habe. Nunmehr würden dort neben landwirtschaftlichen Maschinen auch Baumaschinen abgestellt und gewartet werden. Die landwirtschaftlichen Maschinen würden nach wie vor einen Teil der dort ausgeführten Tätigkeiten betreffen. Weiterhin würden sich die von dem Beklagten befürchteten Emissionen, insbesondere im akustischen Bereich, nur unwesentlich von den Emissionen unterscheiden, welche die Nutzung als landwirtschaftliche Maschinenhalle bislang verursacht habe; letztlich handele es sich um eine gleichartige Tätigkeit. Ferner würden nach wie vor auch Tätigkeiten ausgeübt werden, welche dem landwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen seien. Somit liege insgesamt keine wesentliche, nach Außen wahrnehmbare Umnutzung der Halle vor, so dass nur auf Grundlage der Umnutzung die Entstehung einer Splittersiedlung nicht zu befürchten sei.
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Auch der von dem Beklagten ausgeführte Widerspruch zum Flächennutzungsplan könne der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht entgegengehalten werden, da eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB vorliegen würde. Da die übrigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB wohl erfüllt seien, sei der von dem Beklagten verneinte räumlich-funktionale Zusammenhang zu einer Hofstelle unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten nochmals zu überprüfen. Das in unmittelbarer Nähe befindliche Wohnhaus des Klägers unter der Adresse … …, … … sei als solch eine Hofstelle zu betrachten, da die Maschinenhalle von dort über eine Straße direkt erreichbar und somit in unmittelbarer Nähe sei. Mithin könne sich aus § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB eine mögliche Genehmigungsfähigkeit ergeben.
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Des Weiteren könne sich die Genehmigungsfähigkeit aus § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ergeben, da es sich bei der Maschinenhalle auch nach der Vermietung um ein Gebäude handele, welches dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb diene. Der Mieter des Klägers führe bereits seit Monaten insbesondere landwirtschaftliche Dienstleistungen in der Halle aus und habe hierzu am 31. Januar 2019 eine Gewerbeummeldung bei der Stadt … angezeigt, wonach als neu ausgeübte Tätigkeit „Anund Verkauf von gebrauchten landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Autokosmetik, Transporte von landwirtschaftlichen Mitteln wie z.B. Futter und Holz“ sowie als weiterhin ausgeübte Tätigkeit „Transporte bis 3,5 t Gesamtgewicht und die Logistik von Kraftfahrzeugen, Lastkraftwagen und Baumaschinen sowie der An- und Verkauf sowie der Ex- und Import von Kraftfahrzeugen, Lastkraftwagen, Baumaschinen und Ersatzteilen“ angegeben wurden. Der Mieter führe insbesondere landwirtschaftliche Dienstleistungen - wie beispielsweise die Reparatur von landwirtschaftlichen Maschinen, mit welchen der Mieter auch Handel betreibe, oder den Transport von landwirtschaftlichen Produkten - aus. Der Mieter transportiere unter anderem Produkte wie Rüben, Kartoffeln oder Holz und betreibe nebenbei eine Kleinviehzucht sowie Rodungs- und Waldarbeiten, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der Landwirtschaft stünden. Durch die Reparatur der landwirtschaftlichen Maschinen würden in dem Gebäude notwendige Wartungsarbeiten durchgeführt werden, um die Maschinen in der Urproduktion einsetzen zu können. Auch die Transporttätigkeit des Mieters sei ein unabdingbarer Bestandteil der landwirtschaftlichen Produktionskette. In den Wald- und Rodungsarbeiten liege ferner eine planmäßige und eigenverantwortliche Bewirtschaftung des Bodens, welcher sodann für die Landwirtschaftlich nutzbar gemacht werde. Diese Tätigkeiten des Mieters, welche er auch als Lohnunternehmer des Klägers ausführe, seien unter die Definition des Landwirtschaftsbegriffs nach § 201 BauGB zu subsumieren.
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Der Klägervertreter teilte mit Schreiben vom 4. Mai 2020 mit, dass der Kläger das Mietverhältnis in der jetzigen Form fristlos gekündigt habe und übermittelte ferner mit Schreiben vom 7. Mai 2020 Lichtbildaufnahmen vom aktuellen Zustand von Teilen der gegenständlichen Halle, auf welchen unter anderem landwirtschaftliche Maschinen abgebildet sind. In der Halle seien derzeit überdies noch einige Regale, Reifen und ein altes Wohnmobil.
Der Bescheid des Beklagten vom 20. November 2019 wird hinsichtlich der den Kläger betreffenden Anordnungen aufgehoben.
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Der Beklagte beantragt
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Zur Begründung wurde der Hergang aus dortiger Sicht geschildert, die Begründung des Bescheides vom 20. November 2019 vertieft und dargelegt, dass sich die Ausführungen des Klägers primär auf die völlig unstreitig als gewerblich einzuordnende Tätigkeit des Mieters … beziehen würden. Gegenüber dem Mieter sei jedoch eine eigenständige Anordnung zur Unterlassung ergangen, welche zwischenzeitlich auch bestandskräftig sei.
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Allerdings werde die Halle nicht ausschließlich von der Firma … genutzt. So sei ihr beispielsweise das Getränkelager nicht zuzuordnen. Von wem die durch eine Holzwand aufgeteilte Halle noch genutzt wird, habe im Verfahren trotz Nachfrage nicht abschließend ermittelt werden können.
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Weiterhin habe der Kläger mit Schreiben vom 11. Juli 2019 zum Ausdruck gebracht, dass er die Halle unabhängig vom dem derzeitigen Mietverhältnis dauerhaft einer gewerblichen Nutzung zuführen wolle. Zuletzt habe er bei einem gemeinsamen Gespräch im Landratsamt am 17. Januar 2019 nochmals bekräftigt, dass er für die Halle keine sinnvolle landwirtschaftliche Nutzung mehr habe. Dies würden auch die im Rahmen einer erneuten Baukontrolle am 5. Februar 2020 entstandenen Lichtbildaufnahmen bestätigen; so standen an diesem Tag mehrere Kraftfahrzeuge ohne Kennzeichen in der Halle, welche außerdem auch weiterhin als Getränkelager sowie als Büro nebst Küche genutzt werde.
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Abgesehen davon, dass eine landwirtschaftliche Nutzung wohl bereits von der ursprünglichen Genehmigung umfasst wäre und überhaupt kein neues Genehmigungserfordernis bestünde, habe sich der Geschäftszweck der Firma … nicht entscheidungserheblich geändert. Hieran würden auch die etwaigen dargestellten „landwirtschaftlichen Dienstleistungen nichts ändern. Darüber hinaus gehe es im Hinblick auf den Kläger nicht alleine um die Nutzung der Halle durch die Firma …, sondern gerade auch um weitere Nutzungen von im Verfahren nicht zu ermittelnden Dritten und die vom Kläger eindeutig gewünschte dauerhafte gewerbliche Nutzung. Es sei zu befürchten, dass der Kläger die Halle unabhängig vom konkreten Mietverhältnis auch in Zukunft an etwaige Interessenten zur gewerblichen Nutzung vermieten werde.
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Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Februar 2020 (AN 3 S 19.02602) wurde der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
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Mit Beschluss vom 9. März 2020 wurde der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen.
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Mit Schreiben vom 5. Mai 2020 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen.
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Der Bescheid des Beklagte vom 20. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO sind erfüllt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
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a) Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften‚ der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt‚ liegt grundsätzlich schon bei sogenannter formeller Rechtswidrigkeit vor, wenn also die untersagte Nutzung ein gemäß Art. 55 Abs. 1 BauGB genehmigungspflichtiges Vorhaben betrifft, dem die erforderliche Baugenehmigung fehlt (ständige Rechtsprechung BayVGH, vgl. etwa B.v. 18.9.2017 - 15 CS 17.1675 - juris)
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Ausweislich der Behördenakten und den darin enthaltenen Lichtbildaufnahmen wurden in der Halle des Klägers neben landwirtschaftlichen Maschinen ferner auch zahlreiche Holzplatten, Reifen, eine Werkstatt nebst Hebebühne, ein Büro nebst Küche sowie ein Getränkelager vorgefunden. Der Beklagte ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der (teilweise) Wechsel von der bislang genehmigten ausschließlichen Nutzung als landwirtschaftliche Maschinenhalle in die vorliegende sonstige gewerbliche Nutzung einer Baugenehmigung gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO bedarf und damit formell illegal vorgenommen worden ist. Auch die von der Klägerseite nunmehr vorgetragene fristlose Kündigung des Mietverhältnisses in der jetzigen Form, die übermittelten Lichtbildaufnahmen von Teilen der gegenständlichen Halle sowie der Vortrag, dass sich neben den landwirtschaftlichen Maschinen einige Regale, Reifen sowie ein altes Wohnmobil und damit weiterhin auch nichtlandwirtschaftliche Gegenstände in der streitgegenständlichen Halle befinden, führen zu keiner anderen Bewertung.
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Die Verfahrensfreiheit der Nutzungsänderung ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO. Danach ist eine Änderung der Nutzung von Anlagen verfahrensfrei, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen nach Art. 60 Satz 1 und Art. 62 BayBO als für die bisherige Nutzung in Betracht kommen. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, weil für die neue Nutzung andere bauplanungsrechtliche Anforderungen bestehen als für die bisherige bzw. genehmigte Nutzung und die untersagte sonstige gewerbliche Nutzung die „Variationsbreite“ der Baugenehmigung vom 10. Februar 1993 verlässt (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 19.5.2011 - 2 B 11.353 - juris; B.v. 19.5.2016 - 15 CS 16.300 - juris; B.v. 28.6.2016 - 15 CS 15.44 - juris).
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b) Die Nutzungsuntersagung ist auch ermessensfehlerfrei ergangen (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO vorliegen, steht das Einschreiten im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Der der Behörde eingeräumte Ermessensspielraum bezieht sich zum einen darauf, ob sie überhaupt einschreitet (sog. Handlungs- oder Erschließungsermessen) und zum anderen darauf, welches Mittel sie zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands einsetzt und welchen Störer sie in Anspruch nimmt (sog. Auswahlermessen). Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung ermitteln.
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Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt und somit nicht genehmigungsfähig ist. Ist die Nutzungsänderung jedoch offensichtlich genehmigungsfähig, so scheidet eine Nutzungsuntersagung im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung aus (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.8.2004 - 15 CS 04.1648 - juris; B.v. 26.2.2007 - 1 ZB 06.2296 - juris). Folglich muss in der Begründung der Ermessensentscheidung (Art. 39 Satz 3 BayVwVfG) auch auf die materielle Illegalität der (neuen) Nutzung eingegangen werden. Nach Sinn und Zweck des Art. 76 Satz 2 BayBO ist die Bauaufsichtsbehörde jedoch nicht gehalten, nach den Maßstäben für ein Baugenehmigungsverfahren zu prüfen; es genügt eine Offensichtlichkeitsprüfung. Denn es ist nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, in einem Verfahren, in dem durch die Ausübung baurechtlicher Eingriffsbefugnisse die ungenehmigte Nutzung unterbunden werden soll, gleichsam insoweit die Prüfung in einem künftigen Genehmigungsverfahren vorwegzunehmen. Die Eingriffsbefugnis nach Art. 76 Satz 2 BayBO soll sicherstellen, dass genehmigungspflichtige Vorhaben nicht ohne die Durchführung des erforderlichen Genehmigungsverfahrens verwirklicht werden und eine baurechtlich nicht zulässige Nutzung unterbunden werden kann.
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Vorliegend kann von einer Offensichtlichkeit in diesem Sinne nicht ausgegangen werden. Die inmitten stehende Nutzungsänderung ist im Hinblick auf die im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nicht ohne Weiteres zu klärenden Rechtsfragen nicht als offensichtlich genehmigungsfähig anzusehen.
40
Das Vorhaben ist nach § 35 BauGB zu beurteilen.
41
Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der inmitten stehenden Nutzungsänderung ergibt sich jedenfalls nicht aus § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Denn die Rechtsfrage, ob zumindest ein Teil der streitgegenständlichen Nutzungen als sogenannter „mitgezogener“ Betriebsteil gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sind, lässt sich im Regelfall und auch hier nicht ohne Weiteres beantworten. Hierzu bedarf es vielmehr einer umfassenden Einzelfallprüfung, so dass die erforderliche Offensichtlichkeit zu verneinen ist.
42
Darüber hinaus ergibt sich auch aus § 35 Abs. 2 BauGB keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Nutzungsänderung.
43
Eine Genehmigung als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist vorliegend offensichtlich gerade nicht möglich, da die streitgegenständliche Nutzungsänderung einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle in einen sonstigen gewerblichen Betrieb öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigen würde. Dabei reicht aus, wenn bereits einer der dort aufgezählten oder von der Rechtsprechung anerkannten Belange beeinträchtigt wird.
44
Im vorliegenden Fall wird der Belang des § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB beeinträchtigt, da das Bauvorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Gemeinde … widerspricht. Dieser weist das streitgegenständliche Grundstück als „Fläche für die Landwirtschaft“ aus. Eine landwirtschaftliche Maschinenhalle entspricht dieser Darstellung, ein Gewerbebetrieb widerspricht ihr.
45
Ferner beeinträchtigt das Bauvorhaben den Belang des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB, da es die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Ein Gewerbebetrieb im Außenbereich beeinträchtig regelmäßig diesen Belang; er läuft einer geordneten Siedlungsstruktur zuwider und ist städtebaulich unerwünscht. Auch durch eine Nutzungsänderung, die sich innerhalb des vorhandenen Gebäudebestands hält, kann der Außenbereich in einer im Hinblick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB negativ zu beurteilenden Weise stärker in Anspruch genommen werden. Denn die große Nachahmungsgefahr bzw. die negative Vorbildwirkung, die von einem solchen Vorhaben ausgeht, rechtfertigt die Befürchtung, dass eine Splittersiedlung entsteht (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2007 - 1 ZB 06.3059 - juris sowie B.v. 19.8.2010 - 1 CS 10.1430 - juris).
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Dass auch die Änderung der Nutzung eines landwirtschaftlichen Gebäudes in eine gewerbliche Nutzung die Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 1 und 7 BauGB beeinträchtigt, wird durch die Bestimmung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB bestätigt. Denn dieser (hier nicht einschlägige) Begünstigungstatbestand für die Nutzungsänderung ginge hinsichtlich der „Ausblendung“ der Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 7 BauGB ins Leere, wenn dessen Beeinträchtigung bei Nutzungsänderungen von vornherein ausgeschlossen wäre (BayVGH, B.v. 17.10.2007 - 1 ZB 06.3059 - juris).
47
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen einer Teilprivilegierung gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht vor, da das streitgegenständliche Gebäude offenkundig nicht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der „Hofstelle” eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs steht (vgl. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1e BauGB).
48
Unter Hofstelle ist ein Gebäudekomplex zu verstehen, der wesentliche Teile der Gebäude des landwirtschaftlichen Betriebs enthält und bei dem eines der Gebäude das Wohnhaus oder die Wohnung des Landwirts ist oder enthält (BVerwG, B.v. 14.3.2006 - 4 B 10.06 - juris).
49
Im Hinblick auf das von Klägerseite hierzu angeführte private Wohnhaus des Klägers in der … … in … liegen offensichtlich keine wesentlichen Teile der Gebäude eines landwirtschaftlichen Betriebs vor. Durch das Erfordernis des räumlichen Zusammenhangs wird darüber hinaus eine räumliche Nähe zur Hofstelle verlangt. Ausgeschlossen sind daher von der Hofstelle abgesetzte landwirtschaftliche Gebäude, wie etwa im Außenbereich einzeln stehende Ställe, Scheunen oder Hallen (vgl. EZBK/Söfker, BauGB § 35 Rn. 144).
50
Selbst bei Vorliegen einer Hofstelle müsste zudem zur Beurteilung der in diesem Zusammenhang zwingend zu klärenden Frage des räumlich-funktionalen Zusammenhangs Beweis durch Augenschein erhoben werden, was ebenfalls gegen die erforderliche Offensichtlichkeit der Genehmigungsfähigkeit spricht.
51
c) Weiterhin hat der Beklagte das ihm zustehende Auswahlermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, indem er sowohl den Kläger als Grundstückseigentümer und damit Zustandsstörer als auch die Firma … als Handlungsstörer zur Nutzungsunterlassung verpflichtet.
52
Gegen wen eine Nutzungsuntersagung erlassen werden kann, ergibt sich in erster Linie aus den Bestimmungen der Art. 45 bis 52 BayBO über die am Bau Beteiligten, im Übrigen aus einer entsprechenden Anwendung des Art. 9 LStVG als der allgemeinen Bestimmung über die sicherheitsrechtliche Verantwortlichkeit. Stehen der Bauaufsichtsbehörde mehrere i.S.d. Art. 9 LStVG Verantwortliche gegenüber, so hat die Behörde im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung zu entscheiden (Auswahlermessen), ob alle gemeinsam, einzelne oder auch nur einer und ggf. welcher von ihnen in Anspruch genommen wird (BayVGH, B.v. 28.5.2001 - 1 ZB 01.664 - juris). Zwar ist in der Regel bei der Auswahl zwischen mehreren Störern der Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Wirksamkeit der Maßnahme eine andere Reihenfolge gebietet (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2001 - 1 ZB 01.664 - juris). Mithin ist eine Nutzungsuntersagung, mit der nicht nur präventiv die künftige Nutzung untersagt, sondern eine bereits ausgeübte Nutzung unterbunden werden soll, nicht nur an den Mieter, sondern (auch) an den Eigentümer bzw. Vermieter zu richten, wenn - wie hier - andernfalls die behördliche Anordnung nicht durchsetzbar wäre (vgl. etwa BayVGH, B.v. 30.10.2018 - 9 C 18.675 - juris sowie B.v. 26. Februar 2007 - 1 ZB 06.1196 - juris). Zu berücksichtigen ist vorliegend insbesondere, dass zur Aufklärung, ob und von wem die Halle im Hinblick auf das Getränkelager gewerblich genutzt wird, seitens des Klägers auf Nachfrage des Beklagten nicht Stellung genommen wurde. Nachdem auch darüber hinaus nicht zweifelsfrei alle nichtlandwirtschaftlichen Gegenstände in der Halle den verschiedenen Störern zugeordnet werden können, ist indes nicht auszuschließen, dass auch durch den Kläger selbst eine unzulässige Nutzung in der Halle erfolgt und dieser somit als Handlungsstörer in Betracht kommt.
53
Nach alledem ist mithin nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte aufgrund der unklaren Nutzungsverhältnisse neben dem ihm bekannten Mieter, der Firma …, als Handlungsstörer darüber hinaus auch den Kläger als Zustandsstörer sowie eventuellen Handlungsstörer in Anspruch nimmt.
54
Auch darüber hinaus liegen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte das durch Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Art. 40 BayVwVfG). Dass eine schutzwürdige Vertrauensposition des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt worden wäre, ist schon deswegen nicht anzunehmen, da dem Kläger eine solche Position nicht zustand. Es ist nicht zu ersehen, aus welchen Gründen der Kläger darauf hätte vertrauen dürfen, dass die ungenehmigten gewerblichen Nutzungen trotz zunehmender Nachbarbeschwerden unbeanstandet bleiben würde (vgl. auch BayVGH, B.v. 30.8.2007 - 1 CS 07.1253 - juris).
55
Die dem Kläger gewährte Frist bis zum 7. Januar 2020 erscheint - auch im Hinblick auf das erforderliche Entfernen der nicht der landwirtschaftlichen Nutzung dienenden Gegenstände - ebenfalls angemessen.
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2. Auch die in Ziffer 4 des Bescheids verfügte Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig. Sie entspricht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den Vorschriften der Art. 29 ff. VwZVG.
57
Insbesondere erweist sich die Höhe des angedrohten Zwangsgelds von 3.000,00 EUR angesichts des Rahmens des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG und der negativen Vorbildwirkungen sowie der - vornehmlich auch gegenüber dem erst nach Erteilung einer Genehmigung Nutzenden - ungerechtfertigten Vorteile einer illegalen Nutzung als angemessen. Dies gilt auch hinsichtlich der Erfüllungsfrist gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, welche vorliegend billigerweise bis spätestens 7. Januar 2020 und damit auf über einen Monat bestimmt wurde.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf den streitgegenständlichen Bescheid und seine zutreffende Begründung Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO.
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Nach alledem war die Klage abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.