Inhalt

VG München, Urteil v. 06.02.2019 – M 5 K 16.4520
Titel:

Zulage für Schichtdienst

Normenketten:
BayZulV § 12 Abs. 1 Nr. 2
BayBeamtVG Art. 26 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BayBesG Art. 3 Abs. 1, Art. 55 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Erfolgt die Dienstplaneinteilung der einzelnen Beamten nicht mit der erforderlichen Regelmäßigkeit nach einem erkennbaren und sich wiederholenden Muster, sondern nach dem jeweils konkret anfallenden Bedarf sowie auch nach persönlichen Einsatzpräferenzen der Beamten, kann nicht von einem Schichtdienst ausgegangen werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund des in Art. 3 Abs. 1 BayBesG geregelten strengen Gesetzesvorbehalts scheidet eine erweiternde oder analoge Anwendung der besoldungsrechtlichen Vorschrift grundsätzlich aus; darüber hinaus mangelt es auch an einer planwidrigen Regelungslücke. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schichtdienst, Zulage für Schichtdienst, Bedarfsorientierter Dienst, Regelmäßiger Wechsel der täglichen Arbeitszeit, Erschwerniszulage, Dienstplan, Leistungswiderspruch, Pflichtstreifen, Objektschutz, Fußstreifen
Fundstelle:
BeckRS 2019, 7638

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger steht als Polizist in Diensten des Beklagten. Jedenfalls seit dem 1. März 2014 verrichtet er seinen Dienst mit Unterbrechungen in der Verfügungsgruppe 1 der Polizeiinspektion 11 in M. Von 1. September 2014 bis 28. Februar 2015 war der Kläger in der Dienstgruppe eingesetzt, wofür er eine Schichtzulage erhielt.
2
Mit Schreiben vom 20. Mai 2016 beantragte der Kläger bei seinem Dienstherrn die Zahlung einer „Zulage“ ab dem 1. März 2014, da seine Dienstzeiten auch die Nachtzeiten und Wochenenden umfassten und daher als „über das normale Maß hinaus“ belastend einzustufen seien. Aufgrund der physischen und psychischen Belastung seien die geleisteten Dienste auch anrechnungsfähig auf die Altersarbeitszeit.
3
Das Landesamt für Finanzen - Dienststelle Augsburg, Bezügestelle Besoldung, Familienkasse - des Beklagten wertete diesen Antrag auf Zahlung einer „Zulage“ als Antrag auf Zahlung einer Schichtzulage gem. § 12 Verordnung über die Gewährung von Zulagen (Bayerische Zulagenverordnung - BayZulV) und zugleich als Leistungswiderspruch gegen die gezahlte Besoldung. Im Übrigen wertete es das Schreiben als Antrag auf Berücksichtigung der Zeiten dieser „Schichtdienste“ bei der Einstufung als dem Wechselschicht- bzw. Schichtdienst vergleichbar belastender unregelmäßiger Dienste nach Art. 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz - BayBeamtVG.
4
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2016 wies die Bezügestelle den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Dienstverrichtung des Klägers stelle lediglich einen Dienst nach Bedarf in ungeregelter zeitlicher Reihenfolge dar. Daher sei es auch unschädlich, wenn bestimmte Arbeitsaufgaben (motorisierter Streifendienst, Verkehrsstreifendienst, Objektschutzstreife) erheblich länger als die tägliche Arbeitszeit dauerten und daher von mehreren Beschäftigten in Folge erbracht werden müssten. Über den Antrag auf Berücksichtigung der geltend gemachten Zeiten als Schichtdienst nach dem BayBeamtVG werde die Bezügestelle Besoldung mangels Zuständigkeit nicht entscheiden.
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Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016, eingegangen bei Gericht am 6. Oktober 2016, hat der Kläger Klage erhoben und zuletzt beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 8. September 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit 1. März 2014 bis 31. August 2014 sowie für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2016 eine Zulage für Schichtdienst gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. a BayZulV zu gewähren sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen.
6
Der Kläger verrichte Schichtdienst, nämlich Aufgaben, die über die Dienstzeit eines Beamten hinaus anfallen und damit auf eine Gruppe übertragen werden und in einem Dienstschichtplan koordiniert werden müssten. Die Beamten würden größtenteils zu feststehenden, von der Dienststelle vorgegebenen Diensten regelmäßig bis spät in den Abend bzw. die Nacht und an Wochenenden eingeteilt. Dazu zählten der Objektschutz (24 Stunden am Tag mit drei Schichten) sowie Pflichtstreifen und angeordnete Streifen kombiniert mit Fußstreifen. Der Dienstplan der Beamten werde im Voraus festgelegt, sodass der Kläger ständig - nicht nur ausnahmsweise - Schichtdienst zu verrichten habe. Dagegen spreche auch nicht der unregelmäßige Wechsel der täglichen Arbeitszeit bzw. die lose Wiederholung der Art der Dienste. Eine Regelmäßigkeit in diesem Wortsinne sei § 12 BayZulV gerade nicht zu entnehmen. Die (Schicht-)Dienstpläne müssten nicht aufeinander aufbauen; auch werde kein Mindestzeitraum der Dienstplanerstellung verlangt. Auch auf eine „Regelmäßigkeit“ des Dienstes des einzelnen Beamten komme es nicht an. Ebenso bedürfe es keiner Kontinuität.
7
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
Der Kläger sei keinem regelmäßigen Wechsel seiner täglichen Arbeitszeit unterlegen gewesen. Vielmehr sei angesichts seines Einsatzes in der Verfügungsgruppe von einem unregelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit (an sogar wechselnden Wochentagen) auszugehen. Eine Regelmäßigkeit könne allenfalls im Hinblick auf eine lose Wiederholung der Art der Dienste, die vom Kläger als Teil der Verfügungsgruppe zu verrichten gewesen seien, angenommen werden. Ein Dienstbetrieb „rund um die Uhr“ werde durch die zum Schichtdienst eingeteilten Beamten der Polizeiinspektion - und nicht durch die Beamten der Verfügungsgruppe - mit regelmäßigem Wechsel deren täglicher Arbeitszeit sichergestellt. Der Einsatz der Verfügungsgruppe erfolge hingegen im jeweiligen Bedarfsfall, dann auch zu jeder Tages- und Nachtzeit.
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In der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2019 hat das Gericht Beweis erhoben über das Zustandekommen der Dienstpläne für die Verfügungsgruppe der Polizeiinspektion 11 durch Einvernahme von Polizeihauptmeister K. als Zeugen und von dem hiesigen Verfahren die Klage insoweit abgetrennt, als die Berücksichtigung der Dienste des Klägers als vergleichbar belastende unregelmäßige Dienste gem. § 26 Abs. 3 Nr. 3 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz geltend gemacht wird.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 6. Februar 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

11
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der angegriffene Leistungswiderspruchsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Schichtzulage gemäß § 12 BayZulV.
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1. Zur Abgeltung besonderer Erschwernisse, die nicht schon bei der Ämterbewertung berücksichtigt, anderweitig abgegolten oder ausgeglichen sind, können Erschwerniszulagen gewährt werden, § 55 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG). Das Nähere wird in der BayZulV geregelt. Diese sah in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in ihrer bis 31. Dezember 2016 gültigen Fassung vor, dass Beamte und Beamtinnen eine monatliche Schichtzulage u.a. dann erhalten, wenn sie ständig Schichtdienst zu leisten haben. Schichtdienst war nach der Legaldefinition des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayZulV Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht.
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2. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Schichtzulage liegen beim Kläger nicht vor. Er hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Schichtzulage für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. August 2014 und auch nicht für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis 31. August 2016. Denn er unterliegt jedenfalls keinem „regelmäßigen“ Wechsel der täglichen Arbeitszeit.
14
In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt Schichtdienst vor, wenn eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tatsächliche Dienstzeit eines Beamten hinaus anfällt und daher von mehreren Beamten (oder Beamtengruppen) in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge in mehreren Zeitabschnitten, teilweise auch außerhalb der allgemeinen Dienstzeit, erbracht wird. Schichtdienst setzt damit voraus, dass mindestens zwei Beamte ein- und dieselbe übereinstimmende Dienstaufgabe erfüllen, indem sie sich regelmäßig nach einem feststehenden und überschaubaren Plan ablösen, sodass der eine Beamte arbeitet, während der andere dienstfreie Zeit hat. Mit dem Schichtplan werden die Dienstaufgabe, die erforderlichen Beamten und der zeitliche Umfang ihres dienstlichen Einsatzes allgemein festgelegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Einzelne im Anschluss an seine Tätigkeit unmittelbar an seinem Dienstplatz durch einen anderen Beamten abgelöst wird, allerdings müssen die Beamten in Bezug auf die Erledigung der Dienstaufgabe arbeitsteilig zusammenwirken. Ihre Arbeitsergebnisse müssen aufeinander aufbauen, sie müssen untereinander austauschbar sein und dieser Austausch muss regelmäßig erfolgen, d.h. kontinuierlich und mit einer gewissen Dauer (vgl. BAG, U.v. 4.2.1988 - 6 AZR 203/85 - juris; U.v. 20.4.2005 - 10 AZR 302/04 - juris; OVG RhPf, U.v. 28.8.2009 - 10 A 10467/09 - juris Rn. 25). Entgegen der Auffassung der Klagepartei ist für die Annahme von Schichtdienst somit eine gewisse Kontinuität der Aufgabenbewältigung, mithin eine inhaltlich aufeinander aufbauende Aufgabenwahrnehmung in zeitlich nacheinander folgenden Schichten über einen gewissen Zeitraum erforderlich.
15
Darüber hinaus bedarf es ausweislich der Legaldefinition des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayZulV für die Qualifikation eines Dienstes als Schichtdienst zwingend eines regelmäßigen Wechsels der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf den Dienstplan im Allgemeinen und in Bezug auf den individuellen Beamten im Besonderen (OVG Berlin-Bbg, a.a.O. Rn. 15; OVG RhPf, a.a.O. Rn. 26). Der Dienstplan muss mithin abstrakt einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit vorsehen, also regelmäßig wiederkehrende Schichten. Aber auch der individuelle Beamte muss innerhalb des (Schicht-)Dienstplans einem regelmäßigen Wechsel seiner täglichen Arbeitszeit unterworfen sein. Ein „regelmäßiger“ Arbeitszeitwechsel liegt vor bei einer nach bestimmten Regeln bzw. erkennbaren Mustern sich wiederholenden Diensteinteilung. Der Arbeitszeitwechsel darf sich nicht als ungeregelt, unregelmäßig oder willkürlich erweisen. Verrichtet der Beamte hingegen sogenannten bedarfsorientierten, zufällig bzw. ungeregelt mit einem Wechsel der täglichen Arbeitszeit einhergehenden Dienst, liegt kein Schichtdienst i.S.d. Legaldefinition vor (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 18.8.2009 - 4 OVG B 11.08 - juris Rn. 19).
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Beim Kläger liegt gerade keine regelmäßige Heranziehung zu unterschiedlichen Arbeitszeiten und damit kein Schichtdienst vor. Dies folgt aus dem Zeugnis des Polizeihauptmeisters K., der bei seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung angab, die Dienstplaneinteilung der Verfügungsgruppen bei der Polizeiinspektion 11 in M. erfolge maximal 7 bis 14 Tage im Voraus. Zwar gebe es ein Grundgerüst an festen Dienstzeiten und Dienstaufgaben. Allerdings verrichte die Verfügungsgruppe auch bedarfsorientierte Dienste, zum Beispiel bei Veranstaltungen und Versammlungen. Diese hätten an der Gesamtdienstzeit grundsätzlich einen Anteil von ca. 50%. Je nach Umfang der ad hoc anfallenden Aufgaben werde dieses Grundgerüst aber nur eingeschränkt oder bisweilen - mit Ausnahme des Objektschutzes - gar nicht bedient. Die Dienstplaneinteilung der einzelnen Beamten in der Verfügungsgruppe richte sich - anders als bei einer strikten Schichtplaneinteilung wie in der Dienstgruppe - nach dem jeweils konkret anfallenden Bedarf sowie persönlichen Einsatzpräferenzen der Beamten, die auch in den meisten Fällen berücksichtigt werden könnten. Der Kläger wurde und wird mithin nicht mit der erforderlichen Regelmäßigkeit - also nach einem erkennbaren und sich wiederholenden Muster -, sondern bedarfs- und präferenzorientiert zu verschiedenen, wiederum vor allem bedarfsorientierten Zeiten zum Dienst herangezogen.
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Auch eine analoge Anwendung des Zulagentatbestands auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet aus. Die durch den irregulären Wechsel der täglichen Arbeitszeit hervorgerufenen physischen und psychischen Belastungen mögen denjenigen durch ständigen, regelmäßig wechselnden Schichtdienst ähnlich sein. Aufgrund des in Art. 3 Abs. 1 BayBesG geregelten strengen Gesetzesvorbehalts, nach dem die Besoldung durch Gesetz geregelt wird, ist eine Berufung auf eine erweiternde oder analoge Anwendung der besoldungsrechtlichen Vorschrift jedoch grundsätzlich ausgeschlossen (siehe BayVGH, B.v. 3.11.2009 - 14 ZB 08.3174 - juris Rn. 5; vgl. zur Rechtslage im Bund: OVG Berlin-Bbg, U.v. 21.7.2015 - OVG 6 B 8.15 - juris Rn. 23 f.; OVG RhPf, U.v. 28.8.2009 - 10 A 10467/09 - juris Rn. 33). Zudem werden die bestehenden Belastungen dadurch abgemildert, dass bei der Diensteinteilung auf die individuellen Wünsche des Beamten Rücksicht genommen wird. Darüber hinaus mangelt es auch an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn § 12 BayZulV fordert ausdrücklich einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit. Im Übrigen kann der Kläger, soweit er einer erhöhten Belastung durch häufigere Nacht- oder Feiertagsdienste ausgesetzt ist, einen finanziellen Ausgleich in Form von Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten gemäß § 11 BayZulV erlangen (vgl. OVG-RhPf a.a.O. Rn. 33; OVG Berlin-Bbg, U.v. 21.7.2015 - OVG 6 B 8.15 - juris Rn. 22). Auch zum Ausgleich einer möglichen unbilligen Härte bedarf es einer Analogie daher nicht.
18
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).