Inhalt

OLG München, Beschluss v. 08.05.2019 – 7 W 467/19
Titel:

Zustimmung der Gesellschafterversammlung, Veräußerung von Beteiligungen, Veräußerung des Grundstücks, Veräußerungserlös, Fondsgesellschaft, Zustimmungsbedürftigkeit, Beschlüsse, Antragsgegner, Änderung des Gesellschaftsvertrages, Publikumsgesellschaft, Grundstücksgeschäfte, Vertragsauslegung, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Geschäftsführender Gesellschafter, Kostenentscheidung, Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Beschlussgegenstand, Investitionsplan, Schriftliches Verfahren, Rechtsgeschäft

Schlagworte:
Gesellschafterversammlung, Mehrheitsbeschluss, Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte, Einstimmigkeitsprinzip, Auslegung des Gesellschaftsvertrags, Liquidation der Gesellschaft, Kostenentscheidung
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 01.04.2019 – 8 HK O 4363/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 68093

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 1.4.2019 (Az.: 8 HK O 4363/19) wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten im Verfahren der einstweiligen Verfügung über die Befugnis der Antragsgegnerin zum Verkauf eines Grundstücks.
2
Die Antragstellerin ist über einen Treuhänder an der … GmbH & Co. KG [im folgenden: Fondsgesellschaft] beteiligt. Die Treugeber haben im Innenverhältnis der Fondsgesellschaft die Rechtsstellung von Kommanditisten (§ 5 Abs. 2 S. 2 der Satzung). Die Antragsgegnerin ist geschäftsführende Komplementärin der Fondsgesellschaft. Die Fondsgesellschaft verfügt nur noch über eine Immobilie in L..
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In der Zeit bis 14.2.2019 fand eine Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft im satzungsmäßig vorgesehen schriftlichen Verfahren statt, wobei auf Vorschlag der Antragsgegnerin folgender Tagesordnungspunkt 9 zur Abstimmung stand: Dem Verkauf der Fondsimmobilie „…“, … zu einem Mindestverkaufspreis in Höhe von 17,00 Mio. € und der Verwendung des Veräußerungserlöses zur vollständigen Rückführung des Fremdkapitals wird zugestimmt. Diesem Beschlussantrag stimmten unstreitig 65,38% der abgegebenen Stimmen zu.
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Die Antragsgegnerin steht auf dem Standpunkt, dass damit der entsprechende Beschluss gefasst wurde. Demgegenüber ist die Antragstellerin der Auffassung, dass für den Beschluss eine Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen erforderlich gewesen wäre.
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Die Satzung der Fondsgesellschaft hat auszugsweise den folgenden Wortlaut.
§ 13 Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte. Zu folgenden Geschäften bedürfen die geschäftsführenden Gesellschafter der Zustimmung der Gesellschafterversammlung: …
c) Erwerb und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Verfügungen über Rechte am Grundbesitz der Gesellschaft, insbesondere Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen an anderen Unternehmen, soweit dies nicht zur Durchführung des Investitionsplans, der Absicherung des Finanzierungskonzepts oder der Arrondierung der in § 2 genannten Objekte erfolgt.
§ 16 Gegenstand der Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafterversammlung ist insbesondere für folgende Beschlussfassungen zuständig:
a) zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte gemäß § 13
§ 17 Beschlussfassung
(3) Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht in diesem Vertrag oder durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. …
(4) Beschlüsse zu § 16 g), h), j) bis m) sowie nach § 16 a) in Verbindung mit § 13 b) und c) bedürfen einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen sowie der Zustimmung eines der geschäftsführenden Gesellschafter, die nur aus wichtigem Grund verweigert werden kann. …
Sind 20% der Stimmen auf 10 oder weniger Gesellschafter verteilt und lehnen diese Empfehlungen der geschäftsführenden Gesellschafter ab, tritt anstelle von 75% eine Mehrheit von 50% der abgegebenen Stimmen.
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Hinsichtlich des Inhalts der Satzung im übrigen wird auf Anlage A 3 Bezug genommen.
7
Die Antragstellerin hat beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, die genannte Fondsimmobilie bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache oder zur Fassung eines wirksamen Zustimmungsbeschlusses zu veräußern. Durch den angegriffenen Beschluss hat das Landgericht den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 15.4.2019 nicht abgeholfen hat, verfolgt die Antragstellerin ihr Verfügungsbegehren weiter.
II.
8
Die Beschwerde ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht in dem Nichtabhilfebeschluss das Bestehen eines Verfügungsanspruchs verneint. Für den Beschluss gemäß Ziffer 9 der gegenständlichen Gesellschafterversammlung genügte die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, welche unstreitig erreicht ist. Damit hat die Gesellschafterversammlung der Veräußerung des Grundstücks der Fondsgesellschaft in … zugestimmt, so dass kein Anlass besteht, der Antragsgegnerin die Veräußerung des Fondsgrundstücks zu verbieten.
9
1. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer Personengesellschaft sind grundsätzlich einstimmig zu fassen (§§ 709 Abs. 1 BGB, 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB), sofern nicht die Auslegung des jeweiligen Gesellschaftsvertrages eindeutig ergibt, dass für den betroffenen Beschlussgegenstand das Einstimmigkeitsprinzip durch das Prinzip einfacher oder qualifizierter Mehrheit ersetzt worden ist (BGH, Urteil vom 16.10.2012 – II ZR 239/11, Rz. 11). Dabei sind Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ihrem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertrages auszulegen, wobei Maßstab die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen, verständigen Anlegers ist (BGH, Urteil vom 16.2.2016 – II ZR 348/14, Rz. 13 m.w.Nachw.).
10
Hieraus entnimmt der Senat den Grundsatz, dass die Auslegung nach dem genannten Maßstab für den betroffenen Beschlussgegenstand eindeutig sowohl das Genügen einer Mehrheitsentscheidung als auch die jeweils erforderliche Mehrheit ergeben muss. Ergibt sich hiernach schon nicht eindeutig die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung, bleibt es beim Einstimmigkeitsprinzip. In Fällen gestufter Mehrheitserfordernisse (wie vorliegend in der Satzung der Fondsgesellschaft: grundsätzlich einfache Mehrheit, § 17 (3); ausnahmsweise ¾ – Mehrheit, § 17 (4) Abs. 1; Rückausnahme in § 17 (4) Abs, 2) verbleibt es bei der Mehrheit, die auf der jeweiligen Stufe bedenkenfrei, da eindeutig angeordnet wurde, wenn die Auslegung der Ausnahme auf der jeweils nachfolgenden Stufe nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt.
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2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zu der Feststellung, dass der gegenständliche Beschluss über die Veräußerung des Grundstücks mit einfacher Mehrheit gefasst werden konnte.
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Eindeutig und keiner anderen Auslegung ist zunächst die Regelung in § 17 (3) der Satzung der Fondsgesellschaft, wonach die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet. Damit verbleibt es bei diesem Grundsatz, wenn die Auslegung der Ausnahme auf der nächsten Stufe, nämlich in § 17 (4) Abs. 1 der Satzung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt.
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Hiernach bedürfen (unter anderem) Beschlüsse nach § 16 a) in Verbindung mit § 13 c) einer ¾ – Mehrheit. § 16 a) begründet die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte gemäß § 13. Das bedeutet im vorliegenden Zusammenhang zunächst, dass (nur) Beschlüsse über zustimmungsbedürftige Geschäfte im Sinne des § 13 der Satzung der qualifizierten Mehrheit bedürfen.
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Nun wird allerdings für den durchschnittlichen, verständigen Anleger, auf dessen Sicht es wie dargestellt ankommt, aus der Lektüre des hier einschlägigen § 13 c) der Satzung nicht klar, wann ein Beschluss über Grundstücksgeschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Die Auslegung, dass sich die Einschränkung („soweit dies nicht zur Durchführung des Investitionsplans, der Absicherung des Finanzierungskonzepts oder Arrondierung der in § 2 genannten Objekte erfolgt“) nicht nur auf die dritte Alternative der Vorschrift („Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen“), sondern auf die Vorschrift insgesamt bezieht, ist zumindest möglich und damit vorzugswürdig (§ 305 c Abs. 2 BGB). Das bedeutet, dass ein durchschnittlicher Anleger nicht aus dem Satzungstext allein beurteilen kann, ob ein zustimmungspflichtiges Geschäft vorliegt und damit für Beschlüsse eine ¾ – Mehrheit erforderlich ist; vielmehr muss er, um diese Frage zu klären, den Investitionsplan und das Finanzierungskonzept heranziehen und rechtliche Wertungen bezüglich der Begriffe „Durchführung des Investitionsplans“, „Absicherung des Finanzierungskonzepts“ und „Arrondierung der Fondsobjekte“ vornehmen.
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Dies gilt exemplarisch und insbesondere für den Begriff der Arrondierung. Das kann – wie die Antragstellerin im Senatstermin zutreffend ausgeführt hat – Ergänzungsgeschäfte wie etwa den Erwerb oder die Veräußerung kleinerer Flächen, etwa für Zwecke des Straßenbaus oder der Begradigung von Grundstücksgrenzen bedeuten. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, von dem der Durchschnittsanleger ausgehen wird, kann die Arrondierung („Abrundung“) der Fondsobjekte aber auch erhebliche Geschäfte wie den Zuerwerb oder die Veräußerung benachbarter Grundstücke bedeuten. Jedenfalls verlangt die Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall eine Arrondierung vorliegt, eine letztlich juristische Wertung aufgrund von Umständen, die aus der Satzung selbst nicht ersichtlich sind. – Im übrigen zeigt gerade der Begriff der Arrondierung, dass mit dem „soweit“ – Zusatz – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – nicht nur Geschäfte in der Anlaufphase des Fonds gemeint sein können; denn nach dem Verständnis des durchschnittlichen Anlegers kann sich die Formulierung auf Ergänzungsgeschäfte in jeder Phase des laufenden Fonds beziehen.
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Damit ist für den durchschnittlichen Anleger, auf dessen Erkenntnismöglichkeiten es für die Auslegung der Satzung ankommt, aus dem Satzungstext heraus, der ausschließlich die Grundlage der Auslegung bildet, nicht verständlich, wann ein Grundstücksgeschäft der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Damit ergibt die Auslegung, jedenfalls soweit es um Beschlüsse nach § 13 c) der Satzung geht, nicht eindeutig, wann eine ¾ – Mehrheit angeordnet ist. Damit hat es mangels geltungserhaltender Reduktion bei dem eindeutigen § 17 (3) der Satzung zu verbleiben, wonach Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden.
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3. Das Erfordernis einer ¾ – Mehrheit für den gegenständlichen Beschluss ergibt sich – unabhängig von den vorstehend erörterten Fragestellungen – auch nicht aus § 17 (4) Abs. 1 in Verbindung mit § 16 j) oder § 16 m) der Satzung.
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§ 16 j) betrifft Änderungen des Gesellschaftsvertrags. Der Beschluss über die Veräußerung eines Fondsgrundstücks – und sei es des letzten – stellt jedoch keine Änderung des Gesellschaftsvertrages dar, weil die Veräußerung von Grundstücken schon als Gesellschaftszweck in § 2 der Satzung aufgeführt ist.
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Abstrakt gesehen erscheint es aber diskutabel, in einem Beschluss über die Veräußerung des letzten Fondsgrundstücks konkludent einen Beschluss über die Liquidation der Fondsgesellschaft zu sehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 18.7.2018 – 7 U 4225/17, Rz. 45, 46). Bei diesem Verständnis des gegenständlichen Beschlusses ergäbe sich das Erfordernis einer ¾ – Mehrheit aus § 16 m) der Satzung der Fondsgesellschaft. Zwingend ist ein solches Verständnis jedoch je nach den Umständen des Einzelfalles nicht. Denn theoretisch vorstellbar ist auch die Möglichkeit, dass das letzte Grundstück veräußert, die Gesellschaft fortgesetzt und ein anderes Grundstück erworben wird (was von Gesellschaftszweck nach § 2 der Satzung gedeckt wäre). Unter den Umständen des vorliegenden Falles verbietet sich aber ein solches Verständnis ohnehin. Denn die Frage der Liquidation der Gesellschaft stand bei der selben Gesellschafterversammlung als Tagesordnungspunkt 10 gesondert zur Abstimmung. Damit kommt – unabhängig von der Frage, ob der Beschluss gemäß Tagesordnungspunkt 10 angenommen wurde – die Annahme nicht in Betracht, dass die Gesellschafterversammlung bereits mit Tagesordnungspunkt 9 konkludent die Auflösung der Gesellschaft beschlossen hat. § 16 m) der Satzung ist daher für den gegenständlichen Tagesordnungspunkt 9 nicht einschlägig.
III.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
21
Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst (§§ 542 Abs. 2, 574 Abs. 1 S. 2 ZPO).