Inhalt

LG Passau, Beschluss v. 14.02.2019 – 2 T 131/18
Titel:

Auskunftsbegehren von Urkunden gegenüber Notar

Normenketten:
BeurkG § 51, § 54 Abs. 1
BNotO § 18 Abs. 2
DSGVO Art. 15 Abs. 1
FamFG § 63 Abs. 1
StPO § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AEUV Art. 16 Abs. 1
Leitsatz:
§ 51 BeurkG ist kein allgemeiner Auskunftsanspruch. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzverfahren, Abschrift, Rechtsnachfolger, Urkunde, Notar, Nachlassinsolvenzverwalter, Auskunftsanspruch, Verschwiegenheitspflicht
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 08.07.2021 – V ZB 42/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 56394

Tenor

1. Die Beschwerde vom 24. Juli 2018 gegen den Beschluss des Notars G. R. vom 25.06.2018 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller und Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Mit Beschluss vom 12.02.2018 eröffnet das Amtsgericht München - Insolvenzgericht -, Az.: 1509 IN 1258/17, das Insolvenzverfahren über den Nachlass des am 07.01.2016 verstorbenen Erblassers E. St. wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Als Insolvenzverwalter bestellte das Amtsgericht München den Antragsteller und Beschwerdeführer. Erbe des Verstorbenen ist der Freistaat Bayern.
2
Mit Schriftsatz vom 19.04.2018, eingegangen bei den Notaren A. F. und G. R. in … R. am 25. April 2018, beantragte der Antragsteller die Fertigung von nicht beglaubigten Zweitschriften sämtlicher Urkunden, die sich im Besitz der Notare befinden und den Erblasser als Urkundenbeteiligter ausweisen, soweit es um Urkunden geht, die im Zusammenhang mit dem privaten und/oder geschäftlichen Vermögen des Erblassers stehen.
3
Zur Begründung führte er aus, er habe als Insolvenzverwalter über den Nachlass des Erblassers als Rechtsnachfolger kraft Amtes den Anspruch aus § 51 Abs. 1 BeurkG auf die Einsichtnahme und/oder die Nacherstellung von Urkunden, soweit diese das Vermögen des Schuldners/Erblassers betreffen. Im Schreiben vom 15.05.2018 (Anlage 2 zu Bl. 1/3) wies Notar G. R. den Antragsteller darauf hin, dass es erforderlich ist, die Urkunden hinsichtlich deren Abschriften beantragt werden, zu konkretisieren. Darüber hinaus wies der Notar auf seine Pflicht zur notariellen Verschwiegenheit hin und begründete seine Ansicht, keine Dispositionsbefugnis über die der Verschwiegenheit unterliegenden Geheimnisse habe.
4
Mit Schreiben vom 07. Juni 2018 (Anlage 3 zu Bl. 1/3) hielt der Antragsteller auf seinen Anspruch auf Erstellung der angeforderten und beglaubigten Abschriften fest. Als Insolvenzverwalter nehme er hoheitliche Aufgaben wahr. Er handle nicht nur im Interesse einer Privatperson, sondern er sei gerade auch für die Rechtspflege tätig und seinem Interesse sei daher ein vergleichbares Gewicht beizumessen. Das öffentliche Interesse bestehe darin, dass das Insolvenzverfahren regelgerecht - entsprechend den verfahrensrechtlichen, prozessualen und inhaltlichen Anforderungen durchgeführt werde. Der Insolvenzverwalter müsse die gesamten wirtschaftlichen und vermögensrechtlichen Interessen betreffenden rechtlichen Aktivitäten des Schuldners und/oder des Erblassers für den Nachlass erforschen und darlegen.
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Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde bezüglich der Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht nach § 18 Abs. 2 BNotO sei nicht einzuholen, da das Ermessen der Aufsichtsbehörde auf 0 reduziert sei. Zudem bestünde ein Anspruch auf Mitteilung der personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Der Notar müsse mitteilen, welche Urkunden des Erblassers gespeichert seien.
6
Es gebe keinerlei Möglichkeiten des Insolvenzverwalters die Vermögenswerte des Erblassers zu überprüfen, da die Witwe des Erblassers sämtliche Unterlagen bei sich zu Hause vernichtet habe.
7
Mit Hinweisbeschluss vom 25.06.2018 (Anlage 4 zu Bl. 1/3) ergänzte und vertiefte Notar G. R. seine Rechtsansicht, dass die begehrten Abschriften nicht zu erteilen seien.
8
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 24.07.2018, bei Notar G. R. eingegangen am 24.07.2018, Beschwerde ein und beantragte:
„Der Notar wird verpflichtet, dem Unterzeichner die insbesondere bereits während des Insolvenzeröffnungsverfahrens mit Schreiben des Unterzeichnenden, damals noch als Gutachter, vom 14.08.2017 und vom 13.09.2017 angeforderten Abschriften aller beim Notar vorliegenden notariellen Urkunden, den Erblasser betreffend, zu fertigen und auszuhändigen.
9
Hilfsweise, dem Unterzeichner sämtliche Urkundennummern der Urkunden im Besitz des Notariats zu benennen, die den Erblasser betreffen.
10
Hilfsweise, dem Unterzeichner sämtliche Urkundennummern der Urkunden im Besitz des Notariats zu benennen, die das Vermögen oder Vermögensverfügungen des Erblassers betreffen. Mit weiterem Schreiben vom 03. August 2018 begründete der Antragsteller die Beschwerde und vertiefte seine Rechtsansicht.
11
Mit Beschluss vom 28.08.2018 half Notar G. R. der Beschwerde nicht ab (Bl. 1/3 d.A.) und legte das Verfahren dem Landgericht Passau vor.
12
Die Landesnotarkammer Bayern erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
13
Zur Vertiefung und Ergänzung des Streitinhalts wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze, die Stellungnahme der Landesnotarkammer Bayern vom 20. September 2018 und das beigezogene Verfahren 2 T 35/18 des Landgerichts Passau verwiesen.
II.
14
1. Die nach §§ 51 Abs. 1, Abs. 3, 54 Abs. 1 BeurkG statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ging gemäß § 63 Abs. 1 FamFG binnen eines Monats bei dem Notar ein. Die Zivilkammer des Landgerichts Passau ist zur Entscheidung zuständig, § 54 Abs. 2 S. 2, da das Notariat R. im Bezirk des Landgerichts Passau seinen Sitz hat.
15
2. Die zulässige Beschwerde ist jedoch unbegründet sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags und Hilfs-Hilfsantrags. Rechtsfehlerfrei hat der Notar im Vorbescheid vom 25.06.2018 darauf hingewiesen, dass die beantragte Fertigung von nicht beglaubigten Zweitschriften aller Urkunden, soweit dies im Zusammenhang mit dem privaten und/oder geschäftlichen Vermögen des Erblassers stehen, gemäß § 51 Abs. 1 und Abs. 3 BeurkG nicht besteht. Zwar ist als Rechtsnachfolger im Sinne des § 51 Abs. 1 a.E. BeurkG auch eine Partei kraft Amtes, wie hier der Nachlassinsolvenzverwalter, anzusehen. Dies gilt zumindest so weit, wie die jeweiligen Urkunden einen Bezug zum Insolvenzverfahren haben (Limmer in Eylmann/Vaasen, Bundesnotarordnung/BeurkG § 51 BeurkG Rdnr. 6).
16
Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1, Abs. 3 BeurkG kann nicht nur der Berechtigte eine Ausfertigung verlangen bzw. einfache oder beglaubigte Abschriften verlangen und die Urschrift einsehen. Danach bezieht sich § 51 BeurkG jeweils auf eine bestimmte Urkunde bzw. die Ausfertigung einer Urkunde. Nicht dagegen lässt sich aus dem Wortlaut entnehmen, dass ein Beteiligter, insbesondere der Rechtsnachfolger generell den Anspruch hat, die Ausfertigungen aller Urkunden bzw. die Abschriften aller bei dem Notariat betreffend einer Person vorliegenden Urkunden zu fordern. Es ergibt sich nach § 51 BeurkG kein allgemeiner Auskunftsanspruch, ob und bejahendenfalls welche Urkunden ein Beteiligter bei einem Notar errichten lassen. § 51 Abs. 1 BeurkG ist ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand zur notariellen Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 18 Abs. 1 BNotO. Als gesetzlicher Ausnahmetatbestand ist § 51 BeurkG eng auszulegen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verpflichtung des Notars zur Verschwiegenheit nach § 18 BNotO. § 18 Abs. 2 BNotO bestimmt, dass die Verschwiegenheit nur dann entfällt, wenn die Beteiligten - und zwar alle Beteiligten - hiervon Befreiung erteilen. Ist ein Beteiligter verstorben, so kann an seiner Stelle die Aufsichtsbehörde die Befreiung erteilen, § 18 Abs. 2 a.E. BNotO. Dies bedeutet, dass nicht der Rechtsnachfolger oder eine Partei kraft Amtes nach Versterben eines Beteiligten die Befreiung erteilen kann, sondern allein die Aufsichtsbehörde. Sofern man § 51 BeurkG dahingehend auslegen würde, dass der Rechtsnachfolger Anspruch auf alle und jegliche Urkunden hat, die der Erblasser zu Lebzeiten bei einem Notariat abgeschlossen hat, würde dieser Anspruch, der bereits ein Ausnahmetatbestand zu § 18 BNotO bildet, weiter gehen als § 18 Abs. 2 BNotO. Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte, wie auch der Literatur, ist deshalb anerkannt, dass der Antragsteller konkret und so genau wie möglich bezeichnen muss, auf welche Urkunde sich sein Auskunftsbegehren bezieht. Einem Ausforschungsersuchen darf der Notar nicht nachkommen (BGH, Beschluss v. 31. Januar 2013, V ZB 168/12, OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.10.2005, 3 Wx 212/05, Winkler, BeurkG, § 51 Rdnr. 5). Für den Antragsteller als Nachlassinsolvenzverwalter ergibt sich nichts anderes. Soweit der Antragsteller vorträgt, er nehme hoheitliche Aufgaben wahr und erfülle eine Ordnungsfunktion. Er habe sämtliche Informationen zur wirtschaftlichen Situation des Erblassers zu erforschen und darzulegen. Seinem Auskunftsinteresse komme daher ein vergleichbares Gewicht so wie beispielsweise einer Justizbehörde, so kann dies eine Berechtigung nach § 51 BeurkG nicht herbeiführen. Die Verschwiegenheitspflicht des Notars besteht grundsätzlich gegenüber jedermann, auch insbesondere gegenüber Behörden, Gerichten und sonstigen staatlichen Stellen. Sowohl im Zivilprozess als auch im Strafprozess, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, besteht die Pflicht zur Verschwiegenheit des Notars fort. Es besteht insoweit ein Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO beispielsweise. Dies gilt auch dann, wenn - wie der Antragsteller vorträgt - die Witwe des Erblassers alle Unterlagen vernichtet hat und eine Vertusuchung von Vermögensverschiebungen ermöglicht hätte.
17
Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller allein, wie er auch beantragt, Abschriften von Urkunden erhalten könnte, die Vermögensmasse betreffen. Dem Notar würde somit die Pflicht treffen, sowiet Urkunden vorlägen, zu überprüfen, ob jede einzelne für die Vermögensmasse zum Zeitpunkt des Erbfalls noch relevant ist oder nicht. Er müsste also letztlich Ermittlungen durchführen. Eine derartige Ermittlungspflicht besteht für den Notar ebenfalls nicht.
18
Auch soweit hilfsweise die Bekanntgabe sämtlicher Urkundennummern, die den Erblasser betreffen bzw. sämtliche Urkundennummern, wie das Vermögen oder Vermögensverfügungen des Erblassers betreffen, kann dies nicht auf § 51 BeurkG gestützt werden. Zum einen entspricht dies bereits nicht dem Wortlaut des § 51 BeurkG. Zum anderen würde es eine Umgehung des Ausforschungsverbotes bedeuten, da mit diesen Urkundennummern, soweit sie vorlägen, dann die entsprechende Abschrift angefordert werden würde.
19
Auch ist Art. 15 DSGVO keine Anspruchsgrundlage weder hinsichtlich des Haupt- noch der Hilfsansprüche. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO steht bereits dem Wortlaut nach lediglich dem Betroffenen zu. Nach den Richtliniengründen der Verordnung (EO) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 ist der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ein Grundrecht. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Charter der Grundrechte der Europäischen Union … sowie Art. 16 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Bereits aus dieser Präambel ist ebenso wie aus dem Wortlaut des § 15 DSGVO zu ersehen, dass die jeweils betreffende Person geschützt wird. Hieraus ist zu folgern, dass der Auskunftsanspruch ein höchstpersönliches Recht ist, der weder vererbt noch übertragen werden kann. Ein Rechtsnachfolger sowie eine Partei kraft Amtes kann den Auskunftsanspruch nicht inne haben (so auch Klas/Möhrke-Sobolowksi in NJW 2015, Blatt 3473 ff.).
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Auch kann der allgemeine Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO eine Durchbrechung der notariellen Verschwiegenheit nicht begründen. Die notarielle Verschwiegenheitspflicht sowie die auch für andere Berufsgruppen geltende Geheimhaltungspflicht, z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, steht über dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO.
21
Letztlich ist auch unter dem Gesichtspunkt der Güte- und Interessenabwägung der im Haupt- und Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch nicht entstanden. Es ist anerkannt, dass die Aufklärungspflicht eines Notars zur Schadensverhütung den Vorrang vor seiner Verschwiegenheitspflicht hat (s. unter anderem BGH, Beschluss v. 31.01.2013, VZB 168/12). Jedoch steht hier keine Schadensverhütung, insbesondere nicht die Verhütung kriminellen Handelns im Raum. Auch der Nachlassinsolvenzverwalter hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass Gläubigerinteressen auf strafbare Weise geschädigt wurden.
III.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 BeurkG, 97 Abs. 1 ZPO.