Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 26.02.2019 – RN 15 K 17.31153
Titel:

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Normenketten:
AufenthG § 60 Abs. 1
AsylG § 3, § 3a, § 3e, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Kläger steht eine interne Schutzalternative zur Verfügung.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
afghanischer Staatsangehöriger, Flüchtlingseigenschaft, Taliban, Furcht vor Verfolgung, erhebliche Gefahrendichte, interne Schutzalternative, Existenzsicherung, Leistungsfähigkeit
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 11.02.2020 – 13a ZB 20.30264
VGH München, Beschluss vom 11.02.2021 – 13a ZB 20.30264
Fundstelle:
BeckRS 2019, 55461

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger, ein am … 1997 geborener afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Paschtunen und sunnitischen Glaubens begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes, sowie hilfsweise die Feststellung des Bestehens von Abschiebeverboten.
2
Der Kläger stammt nach seinen eigenen Angaben aus dem Dorf Da K. K., Bezirk Khanabad in der Provinz Kunduz. Der Kläger gibt an, drei Jahre Privatunterreicht bekommen zu haben. Er gibt weiter an zuhause mitgeholfen zu haben. Für den Familienunterhalt habe der Vater und der ältere Bruder gesorgt. Der Kläger gibt an keinen Kontakt zur Mutter mehr zu haben. Darüber hinaus habe er noch Geschwister und die Großfamilie in Afghanistan. Der Kläger reiste nach eigenen Angaben auf dem Landweg am 14.2.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11.5.2015 hier einen Asylantrag.
3
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 7.10.2016 gab der Kläger an, dass es in seinem Heimatdorf sehr viele Taliban gegeben habe. Alle seine Verwandten, seine Cousins seien Taliban. Sein Vater sei früher ein Mudjaheddin gewesen. Dieser habe sich aber nie den Taliban angeschlossen. Seine Verwandtschaft habe nie viel Kontakt mit seiner Familie gepflegt, da seine Eltern aus Liebe geheiratet hätten. Sein Vater sei bedrängt worden seine Kinder in die Talibanschule zu schicken. Dies habe der Vater jedoch immer abgelehnt und gesagt, dass er seine Kinder lieber selbst unterrichten wolle. Der Druck seitens der Verwandtschaft sei aber immer größer geworden und sein Vater habe seine Freunde verloren. Dann habe der Vater gesagt, dass die ganze Familie nach Khanabad umziehen solle. Eines Morgens nach dem Frühstück sei der Vater dorthin aufgebrochen um nach einem Haus für die Familie zu suchen. Drei bis vier Stunden später sei sein Leichnam von Dorfbewohnern nach Hause gebracht worden. Sein Vater habe eine Kugel ins Herz bekommen. Die Taliban hätten dann gewollt, dass die Familie den Vater nachts beerdigt. Bei der Beerdigung hätten Taliban herumerzählt, der Vater sei durch die Regierung getötet worden. Die Söhne sollten nun den Vater rächen und gegen die Regierung kämpfen. Von da an habe die Familie täglich Besuch von den Taliban bekommen. Sie hätten Druck auf den Kläger und seinen älteren Bruder ausgeübt, sich ihnen anzuschließen. Der ältere Bruder sei dann eines Nachts spurlos verschwunden. Der Kläger gibt an dann zu einem Freund des verstorbenen Vaters gegangen zu sein und diesen um Hilfe gebeten zu haben. Dieser Freund sei seinerzeit selbst ein Anführer der Mudjaheddin gewesen. Sie hätten dann eine ganze Nacht im Dorf nach seinem Bruder gesucht. Dieser Freund sei dann gemeinsam mit dem Kläger zum Anführer der örtlichen Taliban gegangen. Dieser habe sie zuerst beschuldigt, dass sie den Bruder verloren und nicht auf ihn aufgepasst hätten. Der Anführer habe ihm gesagt, dass er demnächst einem höheren Taliban den heiligen Schwur leisten müsse. Dieser Freund des Vaters habe ihn dann nach Kabul gebracht und für ihn dort seine Flucht organisiert.
4
Mit Bescheid vom 7.3.2017 (Az.:5999.-423) versagte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2) und versagte ihm die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3). Außerdem wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Ziffer 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
5
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16.3.2017, eingegangen bei Gericht per Fax am selben Tag, Klage erheben lassen. Eine nähere Begründung erfolgte nicht.
6
Der Kläger lässt sinngemäß beantragen,
den Bescheid des Bundesamtes (Az.: 5999.-423) vom 7.3.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm den subsidiären Schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
7
Das Bundesamt beantragt für die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.3.2017
die Klage abzuweisen.
8
Mit Beschluss vom 29.11.2018 hat die Kammer den Rechtsstreit auf die zuständige Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
9
Zur Ergänzung der Sachverhaltsschilderung wird auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Bundesamtsakte und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 26.2.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhan-deln und entscheiden, da in der ordnungsgemäßen Ladung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
11
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet.
12
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) liegen weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (dazu Nr. 1), noch des subsidiären Schutzes (dazu Nr. 2), noch waren nationale Abschiebungsverbote (dazu Nr. 3) festzustellen. Zudem begegnen Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (vgl. unter 4) keinen Bedenken. Dies hat das Bundesamt im Bescheid vom 7.3.2017 ohne erkennbaren Rechtsfehler begründet. Es wird daher voll-umfänglich auf die Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid Bezug ge-nommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
13
1. . Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylG zu:
14
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten so-zialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b)). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Einzelne in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 a AsylG ausgesetzt ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Ausländer gezielte Rechtsverletzungen zu befürchten hat, die ihn wegen ihrer Intensität dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, B. v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris). Eine Verfolgung kann nach § 3 c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die soeben genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. dazu § 3 d AsylG), und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3 b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
15
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - juris, Rn. 22 = BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QualRL - RL 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9 ff.). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegen-den Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U. v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris, Rn. 24).
16
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet an-derseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG U. v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16 = BVerwGE 71, 180 und U. v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris, Rn. 11). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U. v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16, U. v. 1.10.1985 - 9 C 19.85 - juris, Rn. 16 und B. v. 21.7.1989 - 9 B 239.89 - juris, Rn. 3 = NVwZ 1990, 171).
17
Aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflichten ist der Kläger gehalten, von sich aus die in seine eigene Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen. Sein Vortrag muss danach insgesamt geeignet sein, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U. v. 22.3.1983 - BVerwG 9 C 68.81 - juris; Hessischer VGH, U. v. 24.8.2010 - VGH 3 A 2049/08.A - juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt dies entsprechend.
18
b) Dies zu Grunde gelegt hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Die diesbezüglichen Ausführungen im Bescheid begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Selbst bei Unterstellung der Glaubhaftigkeit können die Angaben des Klägers bei seiner Anhörung nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen. Die erkennende Einzelrichterin ist nicht davon überzeugt, dass diesem im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich eine Verfolgung drohen wird. Der Kläger hat bei seiner Anhörung berichtet, dass alle seine Verwandten bei den Taliban seien und er nachdem sein Vater tot gewesen und sein Bruder geflohen sei, von der Taliban aufgefordert worden sei den heiligen Schwur zu leisten. Es sei Druck auf ihn und seinen Bruder ausgeübt worden, sie hätten sich der Taliban anschließen sollen. Zwar kann die Weigerung, sich den Taliban anzuschließen, durchaus geeignet sein um von den Taliban als politisch motivierte Opposition wahrgenommen zu werden. Der Kläger hat sich den Rekrutierungsversuchen der Taliban dadurch entzogen, dass er sein Heimatland verlassen hat. Selbst wenn man daher annehmen sollte, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatdorf aufgrund dessen, dass er sich diesem Rekrutierungsversuch entzogen hat, Verfolgung droht, kann er sich dieser entziehen. Dem Kläger steht nämlich nach der Überzeugung des Gerichts eine interne Schutzalternative zur Verfügung.
19
Gemäß § 3 e AsylG hat ein Schutzsuchender nämlich dann keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr vor Verfolgung oder er Zugang zu Schutz vor einer solchen Verfolgung nach § 3d AsylG hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Dem Ausländer dürfen in dem in Betracht kommenden Gebiet keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, BVB. 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 - juris; Hailbronner, Asyl und Ausländerrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 1325).
20
Es ist nicht ersichtlich, dass die Taliban in der Lage sind den Kläger landesweit ausfindig zu machen. Außerdem ist auch keine ausreichende Motivation hierfür ersichtlich. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Taliban versuchen werden den Kläger im ganzen Land zu finden um zu versuchen ihn dazu zu bewegen sich den Taliban anzuschließen. Auch die Verweigerung des Klägers stellt nach Auffassung der erkennenden Einzelrichterin keine ausreichende Motivation dar um den Kläger nach wie vor im ganzen Land zu suchen um ihn zu bestrafen.
21
Diese oben genannten Voraussetzungen sind neben der Großstädte Herat und Masar-e-Sharif auch hinsichtlich der Hauptstadt Kabul erfüllt (vgl. VGH BaWü, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris). Es ist davon auszugehen, dass es dem Kläger möglich sein wird, dort ein Leben oberhalb des Existenzminimums zu führen. Der Kläger ist gesund und arbeitsfähig.
22
Der Kläger könnte darüber hinaus sicher und legal in einen der weiteren Landesteile reisen, in denen er vor Verfolgung sicher ist. Zwar gibt es keine direkten Flugverbindungen von Deutschland nach Afghanistan, Kabul kann und wird jedoch im Rahmen von Abschiebungen von Deutschland aus angeflogen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Mai 2018, S. 29). Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind außerdem jedenfalls auf dem Luftweg entweder mit Umsteigemöglichkeiten im Ausland oder durch Inlandsflüge von Kabul aus sicher zu erreichen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Mai 2018, S. 29; EASO, Country of Origin Information Report, Key socioeconomic indicators, August 2017, S. 125 ff.). Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger die für eine etwaige Reise innerhalb Afghanistans erforderlichen finanziellen Mittel aufbringen kann, da er auch imstande war, die weitaus teurere Flucht nach Europa zu finan-zieren. Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt.
23
Aus Sicht des Gerichts ist der Kläger daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung nach § 3a AsylG ausgesetzt und damit dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
24
2. Dem Kläger steht auch nicht die hilfsweise begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung), oder § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf Afghanistan, wohin ihm die Abschiebung angedroht wurde, zu.
25
a) Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) drohen könnten. Der Kläger ist nicht dazu gezwungen in seine Heimatregion zurückzukehren, sondern kann sich in einem anderen Teil des Landes niederlassen, vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m § 3e AsylG. Die erkennende Einzelrichterin ist nicht überzeugt, dass die Taliban versuchen wird den Kläger landesweit ausfindig zu machen (vgl. hierzu die obigen Ausführungen).
26
b) Auch die Schutzregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylG führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist nicht erkennbar.
27
Danach steht einem Ausländer subsidiärer Schutz zu, wenn er in seinem Herkunftsland als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre. Die geforderte „individuelle“ Bedrohung muss dabei nicht notwendig auf die spezifische persönliche Situation des schutzsuchenden Ausländers zurückzuführen sein. Der betreffende subsidiäre Schutzanspruch besteht vielmehr auch dann, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U. v. 17.2.2009 - C-465/07). Die Bestimmung der Gefahrendichte erfordert eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau). Außerdem muss eine wertende Gesamtbetrachtung erfolgen (BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris; BVerwG, U. v. 23.7.2014 - 10 C 6.13 - juris).
28
Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist nicht davon auszugehen, dass die Gefahrendichte in Afghanistan ein so hohes Niveau erreicht hat, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes vorliegen.
29
Zwar besteht nach wie vor in Afghanistan landesweit ein bewaffneter Konflikt zwischen den von den internationalen Kräften unterstützten Regierungseinheiten und den pauschal als Taliban bezeichneten Oppositionskräften. Die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2016 hat ge-genüber dem Vorjahr einmal mehr insgesamt zugenommen, wobei allerdings einem Anstieg von sechs Prozent bei den Verletzten ein Rückgang um zwei Prozent bei den Toten gegen-über steht. Insgesamt waren in Afghanistan im Jahr 2016 3.498 zivile Todesopfer und 7.920 verletzte Zivilpersonen zu beklagen (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict 2016, February 2017, S. 10). Im Jahr 2017 sind die Opferzahlen mit 3.438 Toten und 7.015 Verletzten leicht gesunken (vgl. UNAMA, Annual Report 2017, Februar 2018, S. 1), wohingegen im Jahr 2018 die Zahl der zivilen Opfer (3.804 Tote und 7.184 Verletzte) einmal mehr zugenommen hat (vgl. UNAMA, Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict 2018, February 2019, S. 1), aber insgesamt nicht mehr das Niveau der Opferzahlen aus 2016 erreicht. Aus diesen Zahlen allein kann jedoch weder für das ganze Land noch für einzelne Gebiete auf eine Extremgefahr im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG i.V.m. Art. 15 Buchst. c QRL geschlossen werden. Dass nicht gleichsam jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist, folgt aber im Übrigen bereits aus einem Vergleich der genannten Opferzahlen aus den Jahren 2016 bis 2018 mit der geschätzten Einwohnerzahl für ganz Afghanistan von knapp 30 Millionen Personen. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht vom 31.5.2018) hat sich die Bedrohungslage für Zivilisten in jüngster Zeit nicht wesentlich verschlechtert. Das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, liegt immer noch im Promillebereich.
30
Die im Norden Afghanistan gelegene Provinz Kunduz, aus der der Kläger ursprünglich kommt, wird von EASO - wie ein Gutteil der Provinzen Afghanistans in die Kategorie 2, Provinzen mit hoher Gewalt, eingeteilt und hat für das Jahr 2017 36 zivile Todesopfer pro 100.000 Einwohner (= 1 : ca. 2778 oder 0,036%) zu verzeichnen (vgl. SFH, Afghanistan, die aktuelle Sicherheitslage, Update, 12.9.2018, S. 23 unter Verweis auf EASO, Country Guidance, Juni 2018, S. 85 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 17.11.2011 (10 C 13.10, Rn 22 und 10 C 11.10, Rn 20) bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres ein Risiko von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen. Allein die abstrakte Gefahr, angesichts der fragilen Sicherheitslage in Afghanistan Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, reicht für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus jedenfalls nicht aus. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Auskünfte von Amnesty International an das VG Leipzig vom 8.1.2018 und an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, die auf das - ältere - Daten- und Zahlenmaterial aus dem Afghanistan Annual Report 2016 von UNAMA sowie aus dem Afghanistan Midyear Report 2017 von UNAMA Bezug nehmen.
31
Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürli-cher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hat jedenfalls auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für keine der Regionen Afghanistans angenommen und die Lage in Afghanistan nicht derart eingeschätzt, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen wäre (BayVGH, B. v. 8.2.2018 - 13a ZB 17.30801 - juris).
32
Die „Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan aufgrund einer Anfrage des Bundesministeriums des Innern“ vom Dezember 2016 begründen kein anderes Ergebnis. Zwar stellen diese fest, dass sich die Sicherheitslage seit Verfassen der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (April 2016) insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe (a.a.O., S. 1). Die Zahl an 1.601 getöteten Opfern im ersten Halbjahr 2016 stelle gegenüber 2015 einen Anstieg um 4% dar und sei die höchste seit 2009 (a.a.O., S. 3). Die dortigen Bewertungen - wie auch schon die in den UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016 - beruhen aber auf vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben, die sich nicht mit den dargestellten Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts decken. Wie oben dargestellt, lässt sich den danach maßgebenden - und nach dem Ergehen der Stellungnahme des UNHCR fortgeschriebenen - Opferzahlen weder im Jahr 2016 noch im Jahr 2017 eine dramatische Verschlechterung entnehmen, sondern zumindest rechnerisch sogar eine geringfügige Verbesserung im Jahr 2017 gegenüber den Jahren 2016, 2015 und 2014. Unabhängig davon sind aber auch nach Auffassung des UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (UNHCR-Richtlinien vom 30.8.2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, S. 125).
33
Die vorstehende Einschätzung, dass im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für die Zentralregion mit der Stadt Kabul und auch für ganz Afghanistan die erforderliche Gefahrendichte für die Bejahung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht generell gegeben ist, steht auch in Einklang mit aktuellen zweitinstanzlichen Entscheidungen (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 26.3.2018 - 13a ZB 17.30399; B. v. 3.11.2017 - 13a ZB 17.31228; B. v. 3.11.2017 - 13a ZB 17.30625; B. v. 8.11.2017 - 13a ZB 17.30615 und zuletzt VGH Bad.-Württ., U. v.12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris).
34
Gefahrerhöhende in der Person des Klägers liegende Umstände sind nicht anzunehmen. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Risiko, Opfer von Bürgerkriegsauseinandersetzungen zu werden, für Rückkehrer aus dem Ausland erhöht ist (Lagebericht Auswärtiges Amt, Mai 2018, S. 28). Damit ist auch nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylG davon auszugehen, dass der Kläger individuell einem besonders hohen Risiko ausgesetzt wäre.
35
Damit ist auch nicht von einer erheblichen Gefahrendichte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylG auszugehen.
36
Insgesamt ist das Gericht daher davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG droht.
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3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
38
a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund der schlechten humanitären Bedingungen in Afghanistan besteht nicht. Denn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sind unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Afghanistan insgesamt und der in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif als angenommenem Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung auch in Ansehung der persönlichen Situation des Klägers nicht gegeben.
39
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK kann nur beanspruchen, wem prinzipiell im gesamten Zielstaat der Abschiebung die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung droht. Es darf also für den Betroffenen auch keine interne/innerstaatliche Fluchtalternative bestehen. Für die Annahme einer solchen internen Fluchtalternative im Rahmen des Art. 3 EMRK müssen gewisse, dem internen Schutz nach § 3 e AsylG ähnliche Voraussetzungen erfüllt sein. Die abzuschiebende Person muss in der Lage sein, sicher in das betroffene Gebiet zu reisen, Zutritt zu diesem zu erhalten und sich dort niederzulassen. Es muss dort ein menschenwürdiges Dasein einschließlich des Zugangs zu einer Grundversorgung sowie der erforderlichen sanitären Einrichtungen möglich sein. Erforderlich ist eine Gesamtschau und eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung unter Berücksichtigung objektiver Gesichtspunkte.
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Anknüpfend hieran ergibt sich für den Kläger unter Berücksichtigung der landesweiten Lebensverhältnisse in Afghanistan und auch der in Kabul, Herat bzw. Mazar-e Sharif als An-kunfts- bzw. Endort der Abschiebung, dass unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Klägers kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt.
41
Die humanitäre Lage und die Lebensbedingungen, die der Kläger in Afghanistan zu er-warten hat, sind nicht derart schlecht, dass davon ausgegangen werden müsste, der Kläger habe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu befürchten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht nach wie vor in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es aus dem europäischen Ausland zurückkehrenden, al-leinstehenden männlichen arbeitsfähigen afghanischen Staatsangehörigen auch ohne nen-nenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiären Rückhalt möglich ist, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich (wieder) in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. (vgl. BayVGH, U. v. 12.2.2015, - 13a B 14.30309; BayVGH, U. v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 m.w.N). Daran ändert sich auch nichts auf Grundlage der neuesten Erkenntnisquellen. Dies entspricht immer noch auch der neuesten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B. v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris; BayVGH, B. v. 13.3.2018 - 13a ZB 17.30315 -; BayVGH, B. v. 8.2.2018 - 13a ZB 17.30801) und anderer Obergerichte (VGH Baden-Württemberg, U. v. 11.4.2018 - A 11 S 1729/17 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 23.8.2018 - 3 L 293/18 - juris).
42
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht hat in jüngerer Zeit mehrfach entschieden, dass die allgemeine Lage in der Islamischen Republik Afghanistan nicht als so ernst anzusehen sei, dass eine Abschiebung dorthin ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (vgl. EGMR, Urteile vom 11.7.2017 - 46051/13, 41509/12, 77691/11 und 72586/11 - und vom 5.7.2016 - 29094/09, vom 12.1.2016 - 46856/07). Nur das Hinzutreten weiterer spezifischer individueller Einschränkungen oder Handicaps der betreffenden Person kann nach der Rechtsprechung im Einzelfall ausnahmsweise zu einer derart außergewöhnlichen Situation führen, dass humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen.
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Nach Auffassung des Gerichts kann dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31.5.2018 nicht entnommen werden, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan drastisch verschlechtert hat, auch nicht in Bezug auf die Situation der Rückkehrer ohne nennenswertes familiäres Netzwerk. Dem Lagebericht sind keine signifikanten Änderungen in Bezug auf u.a. Sicherheit und humanitäre Situation im Vergleich zum letzten Bericht vom Juli 2017 zu entnehmen.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass die angeführten obergerichtlichen Entscheidungen auf veralteten Erkenntnismitteln fußen würden. Auch wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. April 2018 (BVerfG, B. v. 25.4.2018 - 2 BvR 2425/17 - juris) sich auf die Anforderungen der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet bezog und daher auf den vorliegenden Fall gar nicht übertragbar ist, ist das Gericht seiner Verpflichtung zur tagesaktuellen Berücksichtigung von Erkenntnisquellen uneingeschränkt nachgekommen und hat auch die neuesten verfügbaren Erkenntnisquellen für die Beurteilung des Einzelfalles herangezogen.
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Auch unter Berücksichtigung sämtlicher aktueller Erkenntnismittel liegen keine Anhaltspunkte dafür, dass gerade der Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen solcher spezi-fischer individueller Einschränkungen oder Handicaps einer extremen Gefahrenlage bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden würden, vor.
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Im Hinblick auf eine mögliche eigene Existenzsicherung hat der Kläger die hierfür erforderliche Leistungsfähigkeit. Die Chancen des Klägers im Verdrängungskampf um die knappen Arbeitsmarktressourcen sind zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt daher als nicht aussichtslos im Vergleich bei der derzeitigen afghanischen Konkurrenzsituation einzuschätzen. Der Kläger ist ein 21-jähriger, arbeitsfähiger Mann. Der Kläger gab bei seiner Anhörung an, dass er drei Jahre Privatunterricht bekommen habe. Auch wenn er nach seinen Angaben nicht gearbeitet, sondern nur zuhause mitgeholfen habe, unterscheidet er sich damit nicht wesentlich von einer Vielzahl anderer afghanischer Flüchtlinge, die in ihr Heimatland zurückkehren müssen. Die Einzelrichterin geht davon aus, dass der Kläger in der Lage sein wird eine Arbeitsstelle zu finden, für die er keine Berufserfahrung vorweisen muss. Es ist ihm auch zumutbar eine solche Arbeit, z.B. als Hilfsarbeiter anzutreten. Auch ist zu berücksichtigen, dass gerade Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position sind. Allein schon durch die Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in Nachbarländer Afghanistans geflohen sind, wesentlich höher (vgl. BayVGH, U. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris). Der Kläger kann daher von seinen erworbenen Sprachfähigkeiten bei der Arbeitssuche in seinem Heimatland profitieren.
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Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger in dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgebli-chen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Falle einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland in der Lage wäre, durch Gelegenheitsjobs wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.
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Diese Einschätzung gilt nach der Rechtsprechung unverändert auch, wenn keine familiären oder sozialen Unterstützungsnetzwerke vorhanden sind (BayVGH, B. v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31652 - juris; VGH BW, U. v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris; VGH BW, U. v. 9.11.2017 - A 11 S 789/17 - juris; VG München, U. v. 9.3.2017 - M 17 K 16.35022; VG Lüneburg, U. v. 6.2.2017 - 3 A 140/16 - juris Rn. 55 ff.; vgl. BayVGH, B. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn.12).
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Auch nach der Neufassung der Richtlinien des UNHCR sind alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter grundsätzlich in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, S. 125). Insoweit hat sich durch die Neufassung der Richtlinien an der Beurteilung aus dem Jahr 2016 nichts geändert. Der Zumutbarkeitsmaßstab im Rahmen des internen Schutzes geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 6.6.2016 - 13 A 18182/15.A - juris). Zudem beruht die Bewertung des UNHCR- wie auch schon die in den UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016 - auf vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben, die sich nicht mit den vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Anforderungen decken.
50
Das Gericht kommt im vorliegenden Einzelfall auch unter Berücksichtigung der in der neuen UNHCR-Richtlinie genannten Kriterien zu dem Ergebnis, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK droht. Die Städte Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif sind mit dem Flugzeug erreichbar. Es gibt keine direkte Flugverbindung von Deutschland nach Afghanistan. Kabul kann jedoch aus Deutschland relativ unkompliziert mit Umsteigemöglichkeiten z.B. in Istanbul, Dubai, Neu-Delhi oder Islamabad angeflogen werden. Ankunftsort der Abschiebung ist dabei stets zunächst Kabul, wohin die seit Ende 2016 durchgeführten Abschiebeflüge nach Afghanistan ausnahmslos führten (vgl. auch VGH Bad.-Württ., U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris).
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Zwar ist die Lage in Kabul prekär, da sowohl die wirtschaftlichen Voraussetzungen als auch die humanitären Umstände und die Sicherheitslage schlecht sind. Im ersten Halbjahr 2018 wurden in der Provinz Kabul 993 zivile Opfer registriert. 2017 wurde wiederum der höchste Stand an zivilen Opfern in der Provinz Kabul festgestellt, 88% davon entfiel auf Attentate von Nichtregierungsorganisationen in der Stadt Kabul (vgl. vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, S. 127; UNAMA, Annual Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict 2017, Februar 2018). Zudem ist v.a. Kabul in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Obwohl die Situation für Rückkehrer dort nach alledem schwierig ist, stellt sie sich nicht für alle Betroffenen gleichermaßen problematisch dar. Der Kläger gehört als alleinstehender und arbeitsfähiger Mann nicht zu einer vulnerablen Gruppe. Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK kann bei Angehörigen dieser Personengruppe im Allgemeinen nicht festgestellt werden, auch dann nicht, wenn diese über kein familiäres oder soziales Netzwerk in Kabul verfügen (vgl. hierzu ebenfalls VGH Bad.-Württ., U. v.12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris).
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Zuletzt hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erneut bestätigt, dass in der Rechtsprechung geklärt sei, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK führen würde (BayVGH, B.v. 21.12.2018 - 13a ZB 17.31059 - juris).
53
Dem Kläger ist es außerdem auch unbenommen sich in Herat oder Mazar-e-Sharif niederzu-lassen. Mazar-e Sharif kann von Teheran und Mashad oder auch über Istanbul angeflogen werden (AA, Lagebericht vom 31.5.2018, S. 29). Herat kann mit einem Inlandsflug über Kabul erreicht werden. Die beiden Städte sind nach den Recherchen des Gerichts mit einem Inlandsflug von Kabul aus nahezu täglich in 1 bis 1 ½ Stunden mit Flugkosten in Höhe von ungefähr 150 € erreichbar. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Die Provinzhauptstadt Herat hat 506.900 Einwohner, die Bevölkerungszahl in der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Sie wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, wenn auch hier in einigen Distrikten Aufständische aktiv sind. Alle Provinzhauptstädte befinden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung. Im Zeitraum vom 1.1.2017 bis 30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer registriert (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, S. 119 ff.). Mazar-e Sharif liegt in der Provinz Balkh in Nordafghanistan. Die Bevölkerungszahl der gesamten Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt, für Mazar-e Sharif auf 427.600. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen dort neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungssektor wächst. Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Die Provinz Balkh ist eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Im Zeitraum 1.1.2017 bis 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) gezählt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, S. 83 ff.).
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Auch unter Berücksichtigung individueller Besonderheiten des Klägers geht das Gericht nicht davon aus, dass der Kläger bei seiner Rückkehr einer extremen Gefahrenlage bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Beim Kläger handelt es sich um einen alleinstehenden, arbeitsfähigen erwachsenen Mann. Er verfügt daher über die persönlichen Ressourcen um sich ein - wenn auch womöglich sehr geringes - Einkommen zu erwirtschaften.
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Zudem kann der Kläger in der ersten Zeit seiner Rückkehr von Unterstützungsmaßnahmen profitieren. Die überwiegende Zahl der Rückkehrprogramme und Hilfen werden von den internationalen Organisationen und nationalen Nichtregierungsorganisationen durchgeführt. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet diverse Reintegrationsprogramme an, darunter Berufsausbildung, ständige Unterkunft für „vulnerable“, rückkehrende Familien und „community infrastructure“. Das Programm ERIN in Afghanistan unterstützt Rückkehrer bei ihrer Reintegration. Die Unterstützung erfolgt in Form von Sachleistungen und kann u.a. folgende Reintegrationshilfen beinhalten: Abholung am Ankunftsort, kurzfristige Unterbringungsmöglichkeiten, Hilfestellung bei Existenzgründungen, Beratung bei der Suche von Arbeitsstellen, Vermittlung in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Unterstützung in rechtli-chen und medizinischen Angelegenheiten und/ oder Unterstützung bei der Miete. Für die Reintegration einer freiwillig zurückkehrenden Person sind 1.500 € vorgesehen, bei festge-stellter Vulnerabilität werden zusätzlich 500 € gewährt, Rückkehrende erhalten 700 € (VG Augsburg, U. v. 18.10.2016 - Au 3 K 16.30949 - juris, Rn. 21). Daher ist auch davon auszu-gehen, dass er ggfs. einen Weiterflug in andere Städte organisieren könnte.
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Insgesamt liegen daher die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht vor.
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b) Auch ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht gegeben.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen an-deren Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies kann aus individuellen Gründen - etwa wegen drohender An- oder Übergriffe Dritter oder auf Grund von Krankheit - der Fall sein, kommt ausnahmsweise aber auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht.
59
aa) Zwar sind allgemeine Gefahren - also auch die die Bevölkerung insgesamt treffenden (schlechten) Lebensbedingungen in einem Land - gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG grundsätzlich bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen und begründen demnach grundsätzlich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine Ausnahme liegt aber bei einer extremen Gefahrenlage vor, welche sich wiederum auch aus den den Ausländer erwartenden Lebensbedingungen ergeben kann. So können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage einen Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise begründen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden.
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Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. u. a. BVerwG, U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - NVwZ 2013, 1489 Rn. 12 f.; U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -; U. v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - NVwZ 2012, 451, Rn. 20; U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - NVwZ 2012, 240, Rn. 22 f. und U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, juris Rn. 14 f.).
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Von diesem Maßstab ausgehend gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz, als es § 60 Abs. 5
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AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter huma-nitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante extreme Gefahrenlage aus.
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bb) Individuelle Gründe, die die Feststellung eines nationalen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Eine weitere Sachaufklärung war daher ebenfalls nicht veranlasst.
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Insgesamt liegen daher die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vor.
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4. Mangels Anspruchs auf Zuerkennung eines Schutzstatus oder der Feststellung von Abschiebungshindernissen sind die Voraussetzungen für den Erlass der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung (Ziffer 5 des Bescheids) nach §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gegeben. Einwendungen hinsichtlich der Dauer der gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG erfolgten Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wurden nicht erhoben, Gründe für die Rechtswidrigkeit sind auch nicht ersichtlich.
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Die Klage war demnach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).