Inhalt

LG München I, Endurteil v. 28.02.2019 – 16 HK O 10218/18
Titel:

Abfindungszahlung

Normenketten:
ZPO § 91 Abs. 1, § 148 Abs. 1
BGB § 181
GmbHG § 19 Abs. 2, § 30 f
HGB § 140 Abs. 2, § 252 Abs. 1 Nr. 4
Leitsatz:
Vergleichbar der actio pro socio - ist eine Ausschließungsklage des Gesellschafters in der Zweipersonen GmbH  zulässig. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abfindungsguthaben, Abfindungsanspruch, Abtretung, Abfindungszahlung, Gesellschafterausschließung, Schadensersatz
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 16.06.2021 – 7 U 1407/19
BGH Karlsruhe vom -- – II ZR 116/21
BGH Karlsruhe, Versäumnisurteil vom 11.07.2023 – II ZR 116/21
Fundstelle:
BeckRS 2019, 55438

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Nebenintervenientin trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger betreibt gegen den Beklagten dessen Ausschließung aus einer GmbH, der Nebenintervenientin.
2
Die Nebenintervenientin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts München eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Stammkapital € 25.000,- beträgt und deren Geschäftsgegenstand die Beteiligung an Projektgesellschaften zur Entwicklung und Realisierung von Bauvorhaben sowie die Erbringung aller damit zusammenhängenden Dienstleistungen ist. Gesellschafter der Nebenintervenientin sind zu gleichen Teilen der Kläger und der Beklagte. Auf den Handelsregisterauszug (Anlage K 1) und die Gesellschafterliste (Anlage K 2) wird Bezug genommen. Die Satzung der Nebenintervenientin (Anlage K 3) sieht eine Gesellschafterausschließung im Beschlussweg nicht vor.
3
Die Nebenintervenientin ist Eigentümerin von 49 in M. gelegenen, vermieteten Eigentumswohnungen.
4
Der Beklagte erhielt seinen Geschäftsanteil aufgrund einer nicht näher bekannten Urkunde des Notars …/M. am 21.09.2017 vom damaligen Mitgesellschafter Ku. Dieser und der Kläger hatten ihre Gesellschaftsbeteiligungen im Jahr 2009 vom Vater des Klägers und Onkel des ehemaligen Mitgesellschafters Ku, Dr. W, erworben (Anlage K 12). Die Gesellschafter der Beklagten befinden sich seit Jahren in Streit.
5
Seit Übernahme der Geschäftsanteile nahm der Beklagte persönlich weder an Gesellschafterversammlungen noch an gerichtlichen Terminen teil, sondern ließ sich stets anwaltlich vertreten.
6
Alleiniger, alleinvertretungsberechtigter und von § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Beklagten war lange Zeit der ehemalige Mitgesellschafter Ku. Streitig und Gegenstand eines Beschlussanfechtungsverfahrens (Landgericht München I, Az.: …) ist, ob er wirksam als Geschäftsführer abberufen wurde. Zuletzt war ihm aufgrund einstweiliger Verfügung des Landgerichts München II, Az.: … bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung das Tätigwerden als Geschäftsführer untersagt (Anlage K 7).
7
Zwischen den Parteien ist streitig, ob in der Gesellschafterversammlung vom 04.08.2017 noch vor dem Anteilserwerb des Beklagten ein Herr Ko wirksam zum Geschäftsführer bestellt wurde. Diesbezüglich war vor der Kammer ein Verfahren anhängig (16 HK O 7483/17), der positive Feststellungsantrag des Beklagten wurde in dem am 07.02.2019 verkündeten Endurteil abgewiesen wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
8
In einer Gesellschafterversammlung vom 31.01.2018 (Niederschrift des klägerischen Bevollmächtigten Anlage K 120, Protokoll des vom Beklagten Bevollmächtigten Anlage B 1) lehnten die Parteien wechelseitig ihre Bestellung als Geschäftsführer ab. Auch Beschlüsse aus der Gesellschafterversammlung vom 31.01.2018 wurden Gegenstand eines Verfahrens vor dem angerufenen Gericht (12 HK O 2965/18).
9
Auf die einvernehmliche Bestellung eines neuen Geschäftsführers konnten sich die Parteien nicht einigen. Vom Amtsgericht München - Registergericht - wurde auf Antrag des Klägers und entgegen des Antrages des Beklagten mit Beschluss vom 20.07.2018 Herrn S als Notgeschäftsführer mit dem Aufgabenkreis Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses 2017 sowie Überprüfung der vorherigen Jahresabschlüsse, Erstellung von Steuererklärungen, Führung laufender Bankgeschäfte und Vertretung der Gesellschaft in anhängigen Gerichtsverfahren bestellt (vgl. Anlage B 16). Beide Parteien haben gegen die Entscheidung des Registergerichts Beschwerden eingelegt.
10
Der ehemalige Gesellschafter Ku war auch geschäftsführender Gesellschafter der A GmbH.
11
Der Kläger betrieb gegen den ehemaligen Mitgesellschafter Ku die Ausschließung aus der Gesellschaft, die diesbezüglich vor dem Landgericht München II erhobene Klage wurde nach Eintragung des Beklagten in die Gesellschafterliste zurückgenommen. Derzeit wird der ehemalige Gesellschafter Ku von der Nebenintervenientin vor dem Landgericht München II auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen (Az: …).
12
Der Kläger bestreitet, dass der Beklagte seinen Geschäftsanteil vom ehemaligen Mitgesellschafter Ku für einen Kaufpreis erworben habe, und behauptet, der Beklagte halte den hälftigen Geschäftsanteil an der Nebenintervenientin lediglich treuhänderisch für den ehemaligen Mitgesellschafter Ku und sei als dessen Strohmann und „Handlanger“ tätig; Ku könne unverändert auf die gesellschaftlichen Verhältnisse einwirken und/oder wieder in die Gesellschaft eintreten. Der Beklagte verfolge in diesem und in den weiteren anhängigen Verfahren ausschließlich die Interessen von Ku und handele nicht wie ein Gesellschafter mit eigenen wirtschaftlichen Interessen.
13
Der Kläger trägt diverse Gründe vor, aufgrund derer ein Gesellschafterausschluss des ehemaligen Mitgesellschafters Ku gerechtfertigt sei, u.a. ein seit dem Jahr 2014 tiefgreifendes Zerwürfnis, verschiedene ihre Vermögensinteressen schädigende Pflichtwidrigkeiten zum Nachteil der Nebenintervenientin aufgrund von Rechtsbeziehungen zur A GmbH (so Ausreichung von Darlehen der Nebenintervenientin an die behauptet überschuldete A GmbH, teilweise unter Abgabe einer Rangrücktrittserklärung, Abschluss eines nachteiligen Dienstleistungsvertrages der Nebenintervenientin mit der A GmbH und Zahlungen hierauf, Abschluss eines nachteiligen Mietverwaltungsvertrages der Nebenintervenientin mit der A GmbH und Zahlungen hierauf, unberechtigte und nachteilige Veräußerung von sechs Wohnungen der Nebenintervenientin in den Jahren 2010 bis 2013), die Veröffentlichung von inhaltlich falschen, nicht beschlossenen Jahresabschlüssen der Nebenintervenientin, die Überlassung eines Immobilienprojektes von der Nebenintervenientin an eine vom ehemaligen Gesellschafter Ku als Geschäftsführer vertretene C GmbH & Co. KG unter Verheimlichung dieses Vorgangs sowie die Bezahlung von privaten Schulden des Ku für Rechtsberatung/-Vertretung seitens der Nebenintervenientin.
14
Des Weiteren macht der Kläger vom Beklagte persönlich gesetzte Ausschlussgründe geltend, u.a. die Verhinderung der Bestellung eines (Not-)Geschäftsführers, die Mitwirkung an der Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen durch den ehemaligen Gesellschafter Ku insb. bzgl. des sog. C-Projektes und das Torpedieren von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen gegen den ehemaligen Gesellschafter Ku bzw. von ihm vertretene Gesellschaften.
15
Der Kläger behauptet, der einzuziehende Geschäftsanteil habe nach dem Ertragswertverfahren keinen Wert. Die im Eigentum der Nebenintervenientin stehenden Wohnungen hätten einen Wert von ca. 16,7 Mio. Euro, es ergebe sich unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten ein Abfindungsguthaben von weniger als 2,5 Mio. Euro. Hiervon sei eine Schadensersatzforderung von 1,5 Mio. Euro in Abzug zu bringen. Jedenfalls sei eine Abfindungszahlung an den Beklagten dadurch gesichert, dass Wohnungen der Nebenintervenientin verkauft oder ein Kredit aufgenommen werden könnten.
16
Der Kläger ist der Auffassung, die in der Person des ehemaligen Gesellschafters Ku liegenden Ausschlussgründe müsse sich der Beklagte zurechnen lassen, außerdem sei er aus den in seiner Person liegenden Gründen auszuschließen. Da für die Berechnung der Abfindung der Substanzwert nicht maßgeblich sei, bestehe kein Abfindungsanspruch des Beklagten.
17
Der Kläger beantragt,
Der Beklagte wird aus der im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB … eingetragenen W mbH ausgeschlossen und sein Geschäftsanteil an dieser Gesellschaft (Nummer 2 der Gesellschafterliste) nach Wahl des Klägers gegen Zahlung einer der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung eingezogen oder der Kläger für befugt erklärt, die Abtretung des Geschäftsanteils des Beklagten (Nr. 2 der Gesellschafterliste) an sich, die Gesellschaft oder einen Dritten herbeizuführen.
Hilfsweise:
Der Beklagte wird aus der im Handelsregister des Amtsgerichts München HRB … eingetragenen W mbH unter der Bedingung ausgeschlossen, dass die Gesellschaft innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten ab Rechtskraft dieser Entscheidung an den Beklagten einen der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrag bezahlt. Unter dieser Bedingung wird der Kläger für befugt erklärt, nach seiner Wahl die Einziehung oder die Abtretung des Geschäftsanteils des Beklagten (Nr. 2 der Gesellschafterliste) an sich, die Gesellschaft oder einen Dritten herbeizuführen.
18
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
19
Er rügt die fehlende Aktivlegitimation des Klägers.
20
Der Beklagte behauptet, der Kläger selbst habe das unheilbare Zerwürfnis zwischen den Parteien durch ehrrührige Behauptungen und den Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens verursacht. Er bestreitet irgendwelche eigene Pflichtverletzungen.
21
Zum klägerischen Vortrag hinsichtlich Ausschlussgründen in der Person des ehemaligen Gesellschafters Ku verhält er sich im Wesentlichen mit Nichtwissen und trägt vor, er habe den Gesellschaftsanteil gekauft und erworben, es bestünden keinerlei Absprachen zwischen ihm und dem ehemaligen Gesellschafter Ku, die ein irgendwie geartetes Strohmann- bzw. Treuhandverhältnis begründeten.
22
Der Beklagte behauptet unter Berufung auf Beleihungs- und Marktwertgutachten zum Stichtag 06.06.2017 (Anlagen B 39 und 40), die im Eigentum der Nebenintervenientin stehenden Eigentumswohnungen hätten einen Wert von € 23 Mio. (€ 9,9 Mio. …allee, € 13,1 Mio. …straße). Bei Berechnung der Abfindung seien Rückstellungen und Verbindlichkeiten der Nebenintervenientin im Umfang von weniger als € 8.250.000,- zu berücksichtigen.
23
Der Beklagte ist der Auffassung, er müsse sich etwaige in der Person seines Rechtsvorgängers Ku liegende Ausschließungsgründe nicht zurechnen lassen.
24
Zu den Erörterungen im Termin vom 27.11.2018 und den dort erteilten Hinweisen erhielten die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme und zu neuem Vortrag. Beide Parteien haben hiervon Gebrauch gemacht, jeweils mit Schriftsatz vom 08.02.2019. Insbesondere haben die Parteien nochmals vorgetragen zu der dem Beklagten im Fall eines Klageerfolges zustehenden Abfindung, dem frei verfügbaren Vermögen der Nebenintervenientin und der Frage, ob dieses die Abfindung zu decken vermag.
25
Der Kläger wiederholt im Schriftsatz vom 08.02.2019 (Bl. 402/431 d.A.) einerseits seinen Vortrag aus der Klage, der Abfindungsanspruch betrage lediglich € 1.000.000. Die Nebenintervenientin verfüge über eine freie Liquidität in Höhe von € 630.000,-. Zusätzlich errechnet der Kläger ein weiteres verfügbares Vermögen aus der Differenz der Buchwerte zum 31.12.2016 und den zu diesem Zeitpunkt bilanzierten Kreditverbindlichkeiten, so dass ein freies Vermögen in Höhe von € 1.382.572 zur Verfügung stehe. Es gebe einen Schadensersatzanspruch der Nebenintervenientin gegen den ehemaligen Gesellschafter Ku von wenigstens € 2.330.000, der werthaltig und ebenfalls als freies Vermögen anzusehen sei. Dieser Anspruch könne einem Abfindungsguthaben entgegengesetzt werden. Zum Wohnungswert beruft er sich andererseits auf eine gutachterliche Stellungnahme vom 31.08.2017, die einen Gesamtwert in Höhe von maximal € 18.610.000 ergebe und errechnet diesbezüglich ein Abfindungsguthaben des Beklagten von € 2.839.456,65 bzw. von € 3.538.555 unter Berücksichtigung des Schadensersatzanspruchs gegen den Mitgesellschafter Ku. Der Kläger behält sich vor, einen vom Gericht „in diesem Urteil“ festzusetzenden Betrag in voller Höhe in die Nebenintervenientin einzulegen bzw. zu hinterlegen und den Klageantrag so zu stellen, dass er vom Gericht für befugt erklärt wird, die Abtretung des Geschäftsanteils an sich selbst herbeizuführen.
26
Der Beklagte berechnet seinen etwaigen Abfindungsanspruch mit mindesten 4,5 Mio. Euro und behauptet unter Berufung auf einen Bilanzentwurf zum 31.12.2017, das freie Vermöge der Nebenintervenientin belaufe sich aktuell auf deutlich unter € 1.000.0000. Er beantragt, wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens 12 HK O 2965/18, in dem am 22.11.2018 ein klageabweisendes Urteil zum Nachteil des dortigen und hiesigen Klägers ergangen sei, das Verfahren gem. § 148 Abs. 1 ZPO auszusetzen.
27
Hinsichtlich des weiteren Vortrages der Parteien zur Sach- und Rechtslage sowie zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die gerichtlichen Verfügungen und Beschlüsse und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

28
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte kann aus der Nebenintervenientin nicht ausgeschlossen werden, da das frei verfügbare Vermögen für die vollständige Zahlung der Abfindung nicht ausreicht.
29
I. Das Verfahren ist entscheidungsreif, ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung ist nicht angezeigt.
30
Zwar haben beide Parteien in den nachgelassenen Schriftsätzen vom 08.02.2019 neuen Sach- und Rechtsvortrag angebracht. Die Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer Entscheidung und hierfür ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung ist jedoch nicht erforderlich, da sowohl nach dem Vortrag des Klägers als auch nach dem Vortrag des Beklagten die Klage abzuweisen ist.
31
Dem Kläger ist auch nicht durch Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung (nochmals) Gelegenheit zu gewähren, die Unterdeckung durch Kapitalmaßnahmen abzuwenden oder die Abfindungszahlung durch Hinterlegung des Unterdeckungsbetrages abzusichern und somit die bei Schluss der mündlichen Verhandlung unbegründete Klage begründet zu machen. Die erforderlichen rechtlichen Hinweise wurden im Termin erteilt und auch die letzte höchstrichterliche Rechtsprechung im Anschluss konkret mitgeteilt (Verfügung vom 05.12.2018).
32
I. Die Klage ist zulässig, der Kläger ist für die Erhebung der Ausschlussklage prozessführungsbefugt.
33
II. Zwar sind Prozesse über gesellschaftsrechtliche Angelegenheiten bei einer GmbH grundsätzlich zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft zu führen und nicht zwischen den Gesellschaftern. Bei der Nebenintervenientin handelt es sich jedoch um eine GmbH, an der die Parteien jeweils zu 50% beteiligt sind. Die Gesellschaft würde in dem Ausschließungsstreit nicht eine Gesellschaftermehrheit repräsentieren, sondern wäre nur der verlängerte Arm eines einzigen, nämlich des die Ausschließung betreibenden Mitgesellschafters. Deshalb lässt die ganz herrschende Auffassung zu Recht in der Zweipersonen GmbH - vergleichbar der actio pro socio - eine Ausschließungsklage des Gesellschafters zu, vgl. beispielhaft mit zahlreichen weiteren Fundstellen: Strohn in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, RN 163 zu § 34.
34
Die Kammer folgt dieser in jeglicher Hinsicht sach- und interessengerechten Auffassung. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass es derzeit bei der Nebenintervenientin keinen Geschäftsführer gibt, der für die Führung eines Ausschließungsverfahrens vertretungsberechtigt wäre; der Aufgabenkreis, für den der Notgeschäftsführer bestellt wurde, umfasst einen solchen Prozess nicht.
35
Vor diesem Hintergrund steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht entgegen, dass die Gesellschafterversammlung der Nebenintervenientin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein Beschluss nach § 46 Nr. 4 GmbHG getroffen hat.
36
III. Die Ausschließungsklage ist die richtige Klageart; ein einfacherer Weg, den Beklagten gegen seinen Willen aus der Gesellschaft zu entfernen, fehlt.
37
Die Satzung der Nebenintervenientin enthält keine Regelung über eine Beschlussausschließung. Damit liegen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 GmbHG nicht vor.
38
Um die Beteiligung des Beklagten an der Nebenintervenientin ohne dessen Zustimmung zu beenden, bleibt daher neben der Auflösung der Gesellschaft nur die Ausschließung. Diese ist gesetzlich nicht geregelt, jedoch in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt. Sie beruht auf dem allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse, die stark in die Lebensgestaltung der Beteiligten einwirken und ein gedeihliches Zusammenwirken in persönlichem Vertrauen voraussetzen, vorzeitig lösbar sein müssen, wenn den Beteiligten eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann. Insbesondere auch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ist abzuleiten, dass den Mitgesellschafter ein anderer Weg als die Auflösung zur Verfügung stehen muss, um ohne einen zum Störenfried gewordenen Gesellschafter die Gesellschaft fortzuführen, vgl. aaO RN 103 ff.
39
Die Ausschließung findet statt gegen Zahlung einer Abfindung. Der auszuschließende Gesellschafter hat Anspruch auf den vollen Wert seines Anteils, den Verkehrswert. Dieser ist zu berechnen in analoger Anwendung von § 140 Abs. 2 HGB zum Stichtag der Anhängigkeit der Ausschlussklage (Zustellung hier am 17.07.2018). Streitig ist, ob der Gesellschafter mit Rechtskraft des Ausschließungsurteils automatisch aus der Gesellschaft ausscheidet und ob Ausschließungs- und Abfindungsverfahren gekoppelt sind.
40
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Grundsatzentscheidung vom 01.04.1953, NJW 53,780/782) ging davon aus, dass eine Ausschließung nur unter der aufschiebenden Bedingung einer Abfindungszahlung binnen angemessener Frist möglich sei, d.h. die Gestaltungswirkung des Urteils sollte sich erst mit Zahlung der Abfindung entfalten (sog. Bindingungslösung). Ob diese Auffassung, denen erhebliche Teile der Literatur und die Rechtsprechung der Instanzgerichte gefolgt sind, noch aufrecht erhalten ist, ist nach einer Entscheidung aus 2012, die jedoch zu einem Einziehungsbeschluss ergangen ist (BGH 24.01.2012, II ZR 109/11), derzeit weder höchstrichterlich noch obergerichtlich geklärt.
41
Vertreten werden in der Kommentarliteratur diverse weitere Meinungen. Strohn vertritt im Münchener Kommentar die Auffassung, die Ausschließung habe keine Auswirkung auf den Geschäftsanteil als solche, sondern beträfe nur den Gesellschafter persönlich und sei abgekoppelt von der Frage der Abfindung. Nach der Ausschließung des Gesellschafters sei von der Gesellschafterversammlung zu beschließen, ob der Geschäftsanteil von der Gesellschaft übernommen, eingezogen oder von einem Mitgesellschafter oder einem Dritten übernommen werde. Der Verweis des ausgeschlossenen Gesellschafters auf einen (späteren) Abfindungsprozess sei abgesichert durch eine subsidiäre Haftung der übrigen Gesellschafter, sog. Haftungslösung, vgl. Strohn in MüKo, RN 174. Nach anderer Auffassung (Seibt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl 2018, 2014, 2015, Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters, RN 43 ff), muss grundsätzlich auch die dem auszuschließenden Gesellschafter zustehende Abfindung bereits im Ausschlussurteil festgesetzt werden, weil der endgültige Eintritt der Ausschließungswirkungen mit Rücksicht auf die Vorschriften der §§ 19 Abs. 2, 30 f GmbHG zur Wahrung der schutzwürdigen Vermögensinteressen des betreffenden Gesellschafters aufschiebend bedingt sei. Der mit der endgültigen Festsetzung des Abfindungsbetrages verbundene Gefahr einer erheblichen zeitlichen Verzögerung soll begegnet werden durch die vereinfachte Schätzung einer vorläufigen Abfindung, ab Rechtskraft des Urteils sollen die nicht-vermögensrechtlichen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten des ausgeschlossenen Gesellschafters suspendiert sein (aaO RN 51). Vertreten wird des Weiteren die Konstruktion, nach der die nicht-fristgerechte Abfindungszahlung als auflösenden Bedingung für die Gestaltungswirkung des Urteils wirken soll (Strohn, aaO, RN 171 m.w.N.).
42
Für die hier vorliegende Ausschlussklage überzeugt weder die Haftungslösung noch jegliche Auffassung, die dazu führen würde, dass der auszuschließende Gesellschafter mit Rechtskraft des Urteils seiner wirtschaftlichen Gesellschafterrechte verlustig ginge, um später mit einer Abfindungsklage auf einen ungewissen Anspruch gegen die Gesellschaft, gegen seine ehemaligen Mitgesellschafter oder gar gegen fremde Dritte verwiesen zu werden. Die Kammer kann nicht erkennen, dass der Bundesgerichtshof jeglicher Bedingungslösung endgültig eine Absage erteilt hätte; der im Urteil vom 24.01.2012 zu entscheidende Fall wie auch der dem Urteil vom 10.05.2016 (Az.: II ZR 342/14) zugrunde liegende Sachverhalt betrafen nicht Ausschlussklagen, sondern die Rechtsfolgen von Einziehungsbeschlüssen der dortigen Gesellschafterversammlung. Ausdrücklich anerkannt hat der Bundesgerichtshof im zuletzt zitierten Urteil, dass es den Gesellschaftern einer GmbH frei stehe, die Wirkungen der Ausschließung von Bedingungen (hier Zahlung erste Rate der Abfindung und Verpfändung des Geschäftsanteils) abhängig zu machen.
43
Vorzugswürdig erscheint daher in Fortführung der langjährigen herrschenden Rechtsprechung die Koppelung von Ausschließungswirkung und Abfindungszahlung mittels der aufschiebenden Bedingung einer fristgerechten Abfindungszahlung, was der Kläger zumindest hilfsweise beantragt hat.
44
IV. Die Klage ist jedoch unbegründet.
45
V. Die Ausschließung durch Urteil findet statt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt in der Person oder in dem Verhalten des auszuschließenden Gesellschafters, wenn den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung mit dem betreffenden Mitglied infolge seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit nicht mehr zuzumuten ist. Maßgebend ist die Abwägung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls. Im Fall eines Gesellschafterwechsels ist eine Ausschließung in der Regel erledigt, anders kann dies jedoch sein bei der Veräußerung an einen Strohmann, vgl. insgesamt Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Auflage, RN 2 ff Anh. § 34.
46
Die Kammer lässt dahinstehen bleiben, ob - wofür jedoch manches spricht - sich der Beklagte etwaige in der Person des ehemaligen Gesellschafters Ku liegende Ausschließungsgründe entgegenhalten lassen muss. Des Gleichen kann offen bleiben, ob der Beklagte seit seinem Eintritt eigene Ausschussgründe gesetzt hat, die - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass eine Ausschließung ultima ratio ist, und des eigenen, durchaus eskalierenden Verhaltens des Klägers - seinen Verbleib in der Gesellschaft für den Kläger unzumutbar machen würden. Denn auch bei Bejahung eines Ausschlussgrundes müsste die Klage abgewiesen werden.
47
VI. Entgegenstehender Gläubigerschutz, § 30 GmbHG:
48
Unabhängig von allen dogmatischen Diskussionen besteht in Rechtsprechung und Literatur Übereinstimmung dahingehend, dass im Rahmen von Beschlusseinziehung und Ausschlussklage der Gläubigerschutz, insb. das Gebot der Kapitalerhaltung nach § 30 GmbHG vorrangige Bedeutung zuzumessen ist. Der Austritt oder der Ausschluss eines Gesellschafters dürfen zwar zu einer Verminderung des Gesellschaftsvermögens führen, nicht jedoch zu einem Verbrauch des Stammkapitals und zu einer bilanziellen Überschuldung.
49
Steht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über eine Einziehung fest, dass das freie Vermögen zur Bezahlung des Einziehungsentgelts nicht ausreicht, ist der Einziehungsbeschluss in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 3 AktG nichtig, vgl. BGH Urteil vom 24.01.2012, RN 7 m.w.N. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über stille Reserven verfügt, deren Auflösung ihr die Bezahlung des Einziehungsentgelts ermöglichen würden, vgl. BGH Urteil vom 26.06.2018, Az: II ZR 65/16.
50
Nichts anderes kann für die Ausschlussklage geltend. Sie ist als unbegründet abzuweisen, wenn bei Schluss der mündlichen Verhandlung feststeht, dass die Gesellschaft die Abfindung nicht wird zahlen können, selbst wenn im Übrigen triftige Ausschlussgründe vorhanden wären. Dabei ist nicht auf die vorhandene Liquidität, sondern auf die Kapitalerhaltung und damit die bilanzielle Situation abzustellen. Abfindungen an Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen.
51
Ob die Gesellschafter willens und in der Lage sind, ausreichend Kapital zur Deckung des Abfindungsbetrages zur Verfügung zu stellen, ist nicht entscheidungserheblich, solange es in der Gesellschaft an dem für die Abfindung erforderlichen Kapital fehlt. Auch die Annahme einer Haftung der verbleibenden Gesellschafter vermag die Klage nicht begründet zu machen, denn diese Haftung wird als subsidiäre lediglich unter Treuegesichtspunkten abgeleitet zugunsten des ausgeschlossenen Gesellschafters und rechtfertigt nicht einen Verstoß gegen zwingende Gläubigerschutzvorschriften. Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, in dem es sich der Kläger im Termin ausdrücklich bis nach der Rechtskraft des Urteils offenhalten wollte, nach freiem Ermessen selbst zu entscheiden, ob der Gesellschaftsanteil des Beklagten eingezogen oder von der Gesellschaft, von ihm oder von einem Dritten übernommen werden soll.
52
Allerdings hat der Kläger weder Abfindung betragsmäßig bezeichnet und noch konkreten Sachvortrag dazu angebracht, in welcher Höhe genau der Abfindungsanspruch zu berechnen oder zu schätzen wäre. Eine zeitnah erstellte, geprüfte und von der Gesellschafterversammlung festgestellte Bilanz wird nicht vorgelegt, erst recht keine Stichtagsbilanz.
53
a) Schätzung der Höhe der Abfindung:
54
Für die Berechnung der Abfindung kann nicht abgestellt werden auf das Ertragswertverfahren, da es sich bei der Nebenintervenientin offenkundig um eine Gesellschaft handelt, die ausschließlich Vermögensverwaltung betreibt. Da sich im Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen Eigentumswohnungen befinden, ist der Liquidationswert als Untergrenze des Unternehmenswertes auch für den Fall anzusehen, dass die Gesellschaft vom Kläger allein weitergeführt werden wird. Dieser wird maßgeblich bestimmt durch den Verkehrswert der sich im Eigentum der Nebenintervenientin befindlichen Wohnungen.
55
Die Kammer schätzt die Höhe der dem Beklagten mindestens zustehenden Abfindung auf 2,5 Mio Euro und berücksichtigt dabei folgende Umstände:
56
Der Kläger behauptet einen Wert der Wohnungen in Höhe von € 16.747.264,10, indem er die Veräußerungspreise aus den Jahren 2010 bis 2013 auf den verbliebenen Wohnungsbestand hochrechnet (Klage Seite 148). Gegen die Richtigkeit dieser Behauptung spricht bereits, dass es sich um eine rein rechnerische Ableitung ohne Berücksichtigung der konkreten Wohnungsgrößen und ohne Berücksichtigung des auf dem Münchener Wohnungsmarkt erheblichen Preisanstiegs in den vergangenen Jahren handelt. Zuletzt gab der Kläger die Objektwerte höher an, in Höhe von höchstens € 11.260.000 und € 7.350.000, gesamt € 18.610.000,- an (Schriftsatz vom 08.02.2019, Seite 11).
57
Der Beklagte trägt einen Verkehrswert der Wohnungen vor in Höhe von 23 Mio. Euro, wobei diese Angabe auf einer Bewertung aus dem Jahr 2017 basiert.
58
Konkrete Angaben zum stichtagsbezogenen Schuldenstand gegenüber den Kreditinstituten macht keine der Parteien. Der letzte (wohl annähernd gesicherte) Wert stammt aus der nicht festgestellten Bilanz der Nebenintervenientin zum 31.12.2016. Zu diesem Zeitpunkt betrugen die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten € 7.898.030,69. Auch zu sonstigen Verbindlichkeiten ist konkreter Vortrag zu vermissen, der Kläger schätzt diese kaum nachvollziehbar auf 1,0 Mio. Euro.
59
Trotz des ungenügenden Vortrages ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich und hätte keinen Einfluss auf den Erfolg der Klage. Die Kammer unterstellt den niedrigsten vom Kläger behaupteten, sich bei Liquidation der Wohnungen ergebende Betrag in Höhe von € 2.486.850 als jedenfalls gesicherten Mindestbetrag einer Abfindung. Angesichts der Nichtberücksichtigung der Wertentwicklung auf dem Münchener Wohnungsmarkt und des ausweislich der Bilanz 2016 vorhandenen Bankguthabens der Nebenintervenientin und angesichts der großzügigen Berücksichtigung sonstiger Verbindlichkeiten schließt es die Kammer sicher aus, dass nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Abfindung unter dem Betrag von 2,5 Mio. Euro liegen würde.
60
Eine Kürzung des Abfindungsanspruchs des Beklagten, wie vom Kläger vertreten, ist rechtlich und tatsächlich nicht begründet.
61
b) Freies Vermögen der Nebenintervenientin/Deckung des Abfindungsanspruchs:
62
Ausweislich der letzten, vom Kläger jedoch nicht als richtig anerkannten Bilanz zum 31.12.2016 (Anlage K 142) verfügte die Nebenintervenientin über ein gezeichnetes Kapital in Höhe von € 25.000,- und über einen Gewinnvortrag in Höhe von € 582.274,26 bei einem Gewinn 2016 in Höhe von € 181.479,89, insgesamt € 788.754,15. Über einen Gewinn 2017 verhält sich der Kläger nicht, dass es weiteres freies Vermögen gäbe, ist nicht vorgetragen.
63
Rechtlich verfehlt ist die vom Kläger vertretene Aktivierung eines behaupteten Schadensersatzanspruchs gegen den ehemaligen Mitgesellschafter und Geschäftsführer Ku im Umfang von mehr als 2,3 Mio. Euro (so zuletzt neu vorgetragen im Schriftsatz vom 08.02.2019, Seite 7 ff). Bei Zustellung der hiesigen Klage war die gegen den ehemaligen Geschäftsführer Ku vor dem Landgericht München II erhobene Klage mutmaßlich noch nicht einmal zugestellt (die Klageschrift datiert vom 09.07.2018). Ein Titel lag nicht vor und nach dem eigene klägerischen Vortrag ist die erfolgreiche Vollstreckung eines künftigen Titels davon abhängig, dass der Beklagte seinen Rechtsvorgänger an der auszuzahlenden Abfindung beteiligt oder ihm die Anteile an der Gesellschaft rücküberträgt. Der behauptete Schadensersatzanspruchs ist daher wegen gänzlicher Ungewissheit der Forderung nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB nicht bilanzierungsfähig.
64
Der Kläger trägt abgesehen von der Schadensersatzforderung keinen Sachverhalt vor, der eine erhebliche Erhöhung des frei verfügbaren Vermögens darstellen könnte.
65
Damit ist festzustellen, dass der geschätzte Mindest-Abfindungsanspruch von 2,5 Mio Euro ein Mehrfaches des frei verfügbaren Vermögens beträgt. Die Passivierung des Abfindungsanspruchs würde zu einer gravierenden Unterbilanz führen.
66
Die Eigenkapitalverhältnisse der Nebenintervenientin stehen daher einem Erfolg der Ausschlussklage entgegen, die Klage ist abzuweisen.
67
VII. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
68
Für die Bemessung des Streitwertes ist der wirtschaftliche Wert des Geschäftsanteils maßgeblich (vgl. BGH II ZR 29/13). Dieser liegt jedenfalls bei den vom Kläger in der Klage behaupteten € 2,5 Mio Euro.