Inhalt

OLG München, Beschluss v. 28.02.2019 – 19 U 4374/18
Titel:

Keine Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung nur aufgrund von Parallelverfahren

Normenkette:
ZPO § 522 Abs. 2 S. 4, § 552a
Leitsätze:
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht für die Aufstellung von Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts oder Gesetzeslücken nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Revisionszulassung, grundsätzliche Bedeutung, Divergenz, Gesetzesauslegung, Parallelverfahren
Vorinstanz:
LG München I vom 06.11.2018 – 35 O 5385/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 30.06.2020 – XI ZR 132/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 45649

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2018, Aktenzeichen 35 O 5385/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen des Widerrufs eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges und dessen Rückabwicklung gegenüber der Beklagten weiter.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2018 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
4
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, welche beantragt,
Unter Abänderung des am 06.11.2018 verkündete Urteil (AZ.: 35 O 5385/18) wird wie folgt erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nr. … über nominal 36.770,00 € ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 17.09.2017 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 28.138,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeugs … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 2 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.954,46 € freizustellen.
5
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
6
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22.01.2019 (Bl. 219/229 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
7
Die Klägerin wendet dagegen lediglich ein, ihre Auflistung von behauptetermaßen fehlenden und unzureichenden Pflichtangaben genüge den Anforderungen an eine Berufungsbegründung (KlSS vom 26.02.2019 Seite 1 ff) . Zudem sei die Zulassung der Revision wegen der Anzahl der Klagen und der unterschiedlichen Rechtsprechung bezüglich gelichgelagerter Fälle erforderlich (KlSS vom 26.02.2019 Seite 3). Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
8
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2018, Aktenzeichen 35 O 5385/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
9
Der Senat hält das angefochtene Urteil des Landgerichts München I für offensichtlich zutreffend und nimmt auf dieses Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis des Senats vom 22.01.2019, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält.
10
Unabhängig davon, dass die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügte (vgl. Seite 3 des Hinweises vom 22.01.2019), hat der Senat die von der Klägerin bemängelten Pflichtangaben geprüft und darauf hingewiesen, dass diese im streitgegenständlichen Darlehensvertrag zutreffend enthalten sind (Hinweis vom 22.01.2019, Seite 3 - 10). Dagegen wendete sich die Klägerin in ihrem weiteren Schriftsatz nicht, so dass insoweit keine weiteren Ausführungen des Senats veranlasst sind.
11
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind - anders als die Berufung ausführt (KLSS vom 26.02.2019 Seite 3) - nicht gegeben. Es liegt weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
12
(1) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 - II ZR 76/16, Rn. 12).
13
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage im Übrigen nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 - II ZR 76/16, Rn. 12; Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN). Jedenfalls letzteres ist bisher ersichtlich nicht der Fall.
14
Der Umstand, dass - wie vorliegend - eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 - II ZR 76/16, Rn. 14; Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 5).
15
(2) Die Revision ist nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen.
16
Das wäre dann der Fall, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt würde, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 - II ZR 76/16, Rn. 10; Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45; Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 186; Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 293 mwN; Beschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 Rn. 2).
17
Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich und wird von der Berufung auch nicht vorgetragen. Der Senat weicht in seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab. Divergenzen zu oberlandesgerichtlichen Endentscheidungen sind nicht bekannt und werden auch von der Berufung nicht dargelegt.
18
(3) Die Fortbildung des Rechts erfordert ebenfalls keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018 - II ZR 76/16, Rn. 15; Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225). Dies ist nach Ansicht des Senats und - soweit bekannt - erkennbar auch der überwiegenden Mehrheit der Oberlandesgerichte nicht der Fall.
III.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
20
Der Streitwert bis zu 50.000,00 € für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG, §§ 3, 4, 9 ZPO bestimmt:
Antrag 1: 17.430,00 € Antrag 2: 28.138,96 €